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Die große Hungersnot in Irland Mitte des 19. Jhd.

und ihre Auswirkungen auf die irischen Freiheitsbestrebungen

Die folgende Arbeit versucht einen kleinen Einblick in die Wurzeln des Nordirlandkonflikts zu gewähren. Sie zeigt aber nur einen kleinen Abschnitt der über ca. 60 Jahre reicht. Aus diesem Grund darf sie nicht als alleinige Erklärung herangezogen werden. Aus technischen Gründen konnte ich die Zitate nicht korrekt ausweisen. Sollten Fragen aufkommen, stehe ich gern via Email zur Verfügung.

Inhaltsverzeichnis

1. Die große Hungersnot
  1.1. Die wirtschaftliche Situation vor 1845 und die Ursachen für die Hungersnot
  1.2. Der Verlauf der Hungersnot und die Reaktion der englischen Regierung
  1.3. Die direkt erkennbaren Folgen
    1.3.1. Die Auswirkungen auf die Emigration (vor allem in die USA)
    1.3.2. Die Auswirkungen auf die gälische Kultur und Sprache
 
2. Geheimbünde und politische Gruppierungen
  2.1. Young Ireland und der Aufstand von 1848
  2.2. Irish Tenant Right League
  2.3. Die Fenier Bewegung
    2.3.1. Die "Irish Republican Brotherhood" (I.R.B.) - Der irische Flügel der Fenier Bewegung
    2.3.2. Die "Fenian Brotherhood" - Der amerikanische Flügel der Fenier Bewegung
    2.3.3. Der Aufstand von 1867
  2.4. Der (politische) Einfluß der katholischen Kirche
   
3. Die Entwicklung von Landreform und Home Rule
  3.1. Die "Home Government Association" oder "Home Rule League"
  3.2. Die "Irish National Land League"
    3.2.1. Die Ziele der "Irish National Land League"
    3.2.2. Die Landkriege von 1867
  3.3. Die "Irish National League" und die "Irish Parliamentary Party"
  3.4. Gladstones Bemühungen um die Lösung der irischen Frage
    3.4.1. Gladstones Church und Land Act
    3.4.2. Der Weg zu Home Rule
 
4. Ausblick auf den weiteren Verlauf der irischen Freiheitsbestrebungen
  4.1. Die Durchsetzung von Home Rule
  4.2. Unionismus in Ulster
  4.3. Der Weg zur irischen Republik
   
5. Der Zusammenhang zwischen der großen Hungersnot und den Freiheitsbestrebungen in Irland

1. Die große Hungersnot

1.1.Die wirtschaftliche Situation vor 1845 und die Ursachen für die Hungersnot

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Am Beginn des 19. Jahrhunderts kam es in Irland zu einer Bevölkerungsexplosion. Zum einen, weil beim Anbau der Kartoffel schon ein kleines Stück Land ausreichte um eine Großfamilie zu ernähren, zum anderen, weil die Natur die Rohstoffe für Hausbau, sowie das Heizmaterial zur Verfügung stellte. Es wurden also häufig junge Ehen mit vielen Nach-kommen geschlossen.

Aus diesem Grund stieg die Bevölkerung von vier bis fünf Millionen (1801) auf sieben Millionen ( 1821) auf über acht Millionen (1841).

Eine der Folgen, die die Bevölkerungsexplosion mit sich brachte, war die Praxis der Real-teilung. Der Umstand, daß das Pachtland jeweils unter den Söhnen aufgeteilt wurde, führte dazu, daß sehr kleine Parzellen entstanden, die kaum ausreichten, den Pächter und seine Familie zu ernähren.

Aufgrund der Realteilung waren nur mehr etwa 7 % des Pachtlandes größer als 30 Morgen , 45 % kleiner als 5 Morgen. In Connacht betrug dieser Anteil sogar 64 %. Außerdem lebten

70 % der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Diese Zahlen waren das Ergebnis einer Unter-suchung, die 1845 von einer Regierungskommission unter der Führung des Grafen von Devon durchgeführt wurde. Ein anderes Ergebnis dieser Kommission war, daß festgestellt wurde, daß zum Überleben mindestens 8 Morgen Land nötig wären. Aber schon vor der sogenannten "Devon – Kommission" hatten Wirtschaftstheoretiker sich mit Irland befaßt. So wurde schon 1832 erkannt, daß die soziale Not großteils auf den Mangel an Arbeitsplätzen zurückzuführen ist. Dies lag daran, daß außer im Norden keine Industrie vorhanden war.

Mit dem Einsatz von großen Mengen an Kapital wäre die Errichtung von Arbeitsplätzen und somit das Landproblem zu bewältigen gewesen.

Aufgrund der Gesetze des Marktes wären bedingt durch die geringere Nachfrage nach Land die Pachtzinsen gesunken. Außerdem wäre es möglich geworden Pachthöfe zusammenzu-legen. Ein Untersuchungsausschuß 1836 empfahl aus diesen Gründen öffentliche Bauarbeiten. Einige Jahre darauf schlug eine königliche Kommission die Errichtung eines staatlichen Eisenbahnnetzes in Irland vor. Es wurde jedoch keiner der beiden Vorschläge berücksichtigt, da sie gegen Englands liberale Wirtschaftspolitik verstoßen hätten.

Man beschränkte sich darauf, 1838 die englischen Armengesetze auch in Irland zu erlassen. Allerdings wurden sie von der Bevölkerung nicht angenommen, da das System nicht auf kurzfristige Unterstützung, wie sie nach einer schlechten Ernte nötig gewesen wäre, ausge-richtet war. Um Hilfe zu erhalten, mußte man Haus und Acker aufgeben und in ein Armenhaus ziehen.

Ein großes Problem beim Versuch, das Irlandproblem zu lösen, bestand darin, daß die Landherren großen politischen Einfluß hatten. Sie stellten sich daher gegen Entscheidungen, die Vorteile für die Pächter gebracht hätten, weil dadurch für sie selbst Nachteile entstanden wären. Es war also nahezu unmöglich, gegen hohe Pachtzinsen und Kirchensteuern, die beides schwere Belastungen für die irischen Pächter darstellten, vorzugehen, da man hierbei sofort mit dem Widerstand von Kirche und Landherren zu rechnen hatte.

1.2. Der Verlauf der Hungersnot und die Reaktion der englischen Regierung

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Im Jahr 1842 vernichtete eine Kartoffelfäule fast die gesamte Ernte Nordamerikas. Aber auch Irland hatte schon vor 1845 mit Ernteausfällen zu kämpfen.

  • "There had been fourteen partial or complete potato famines in Ireland between 1816 and 1842, and some catastrophic crises in the eighteenth century, notably 1740-42."
  • Unter Kartoffelfäule werden die Schäden bezeichnet, die bei Pflanzen beim Befall mit dem Sporenpilz phytophthora infestans hervorgerufen werden. Dieser Pilz bewirkt, daß die Kartoffeln ein bis zwei Tage nach der Ernte verfaulen. Seine Sporen werden vom Wind ver-breitet und benötigen zu ihrer Entwicklung Feuchtigkeit. Er fand also gerade in Irland besonders gute Bedingungen.

    Im Sommer 1845 wurden Ernteausfälle in den Niederlanden, Belgien und Frankreich prognostiziert. Im August waren auch in England Pflanzenschäden zu erkennen. Die Kartoffelfäule war also in verschiedenen europäischen Ländern ein Problem. Es stellt sich die Frage, warum die Schäden in Irland so groß waren.

    Ein Grund ist, vielleicht, daß Irland im Gegensatz zu weiteren westeuropäischen Ländern fast ausschließlich vom Ackerbau abhängig geblieben, der in vielen Regionen auf einem unproduktiven Niveau war.

    Zum Beispiel wurde die Kartoffel meist in Monokultur angepflanzt. Das wenige Getreide, das zur Verfügung stand, wurde gewinnbringend in England oder auf dem Kontinent verkauft, wo es, wie oben erwähnt, ebenfalls zu Ernteeinbußen gekommen war.

    Im September konnte anhand von Blattverfärbungen schon erkannt werden, daß auch Irlands Kartoffelernte vom Pilzbefall betroffen sein würde. Als im Oktober die Ernte begann, hoffte man noch, daß nur ein kleiner Teil betroffen sein würde. Die Hoffnungen wurden enttäuscht. Der Großteil der Ernte war zerstört. Im November 45 setzte Englands Premierminister Sir Robert Peel (1788-1850, lieberal-konservativer Politiker, Premierminister August 1841- Juni 46) ein Zeichen für Irland:

  • "He himself recognized that the first priority had to be the provision of food, and he

    personally authorized (without cabinet approval) the purchase of £ 100,000 of maize from the United States for distribution in Ireland by a Relief Commission he set up to coordinate relief work."

  • Da das englisch – irische Armengesetz eine direkte finanzielle Zuwendung verhinderte, wurden Arbeitsbeschaffungsprogramme ins Leben gerufen.

    Die Einfuhr von Getreide war mit hohen Schutzzöllen belegt. Diese Zölle, die Corn Laws, waren zum Schutz vor Konkurrenz erlassen worden. Da diese Zölle die Preise für das importierte Getreide hinauftrieben, mußten finanzielle Stützen gewährt werden, um die Brotpreise niedrig zu halten. Dennoch hatte ein großer Teil der Bevölkerung nicht die finanziellen Mittel um diese niedrigen Preise zu bezahlen.

    Als für das Jahr 1846 eine noch schlechtere Ernte vorauszusehen war, setzte Peel die Abschaffung der Corn Laws durch. Er verlor jedoch die Unterstützung seiner Partei und im Juni 1846 wurden die regierenden Tories von den Whigs abgelöst. Der neue Premierminister war John Russel, ein entschiedener Anhänger der laissez-faire-Haltung.

    In diesem Herbst war nicht nur die Kartoffelernte, sondern aufgrund des schlechten Wetters auch die Weizen- und Haferernte betroffen. Dennoch gab es von Seiten der Regierung keine finanzielle Unterstützung, da die Regierungsalmosen

  • "die Zuwendungsempfänger demoralisieren und deren Wille, sich aus eigener Kraft wieder aus der katastrophalen Lage zu befreien, lähmen"
  • würden. Einzig bei der Organisation der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, deren Kosten von reichen irischen Kaufleuten und Grundherren getragen werden mußten, griff die Regierung ein. Nachdem aber im Gegensatz zu 1845 die gesamte Ernte entweder der Kartoffelfäule oder dem schlechten Wetter zum Opfer gefallen war, waren die Grundherren weder finanziell dazu in der Lage noch dazu bereit, zusätzlich zu ihren Einkommenseinbußen noch Geld für Arbeitsbeschaffungsprogramme aufzuwenden. Also mußten sie vom Staat getragen werden. Da der Winter 1846/47 besonders hart und lang andauernd war, waren diese Kosten weitaus höher als im Jahr zuvor.

    Im Oktober 1846 wurden 114 600 Arbeitsplätze vermittelt. Im Jänner 1847 waren es 570 000 und im März waren es 734 000. Über £ 7 000 000 wurden während der Hungersnot an Unterstützungen und Krediten vom Staat gewährt.

    Die Bauten, die im Rahmen dieser Projekte errichtet wurden, sind teilweise noch heute erhalten. So können noch heute im Westen Irlands am Straßenrand Mauern betrachtet werden, die scheinbar keine Funktion haben. Sie werden "Brotmauern" genannt und sind Reste der öffentlichen Bauprojekte aus der Zeit der Hungersnöte.

    Im Februar 1847 verschlimmerte sich die Lage, als das Überleben der ohnehin schon von Hunger und Seuchen geschwächten Bevölkerung noch von starken Schneefällen erschwert wurde. Es kam zu Unruhen und Attacken auf die Landsitze von Grundherren und auf Regierungsgebäude. Diese Umstände zwangen Russel, entgegen seiner Absichten Lebensmittel nach Irland einzuführen. Schließlich war der Großteil der Bevölkerung physisch nicht mehr in der Lage zu arbeiten und sich so die staatliche Unterstützung zu verdienen.

  • "Early in 1847, government-sponsored soup kitchens were established, and by August that year 3,000,000 people a day were being fed by them."
  • Zu diesem Zeitpunkt waren aber bereits Zehntausende dem Hunger, der Kälte oder dem im Winter 1846 ausgebrochenem Hungerfieber Typhus zum Opfer gefallen.

    Diese Unterstützung durch den Staat währte nicht lange, da im Jahr 1847 die Ernte zwar klein, aber doch erfolgreich ausfiel. Der Grund für die schlechte Ernte lag darin, daß die Bauern in ihrer Verzweiflung auch die Saatkartoffeln für das nächste Jahr aufgegessen hatten.

    Schon in den nächsten beiden Jahren fielen die Ernten erneut aus.

  • "Trotzdem stellte die englische Regierung ihre Hilfsmaßnahmen ein. Die dunkelsten Jahre der an Katastrophen so reichen irischen Geschichte waren angebrochen. Die Zahlen geben nur ein unzulängliches Bild der Folgen der Hungersnot."
  • Wie unter Punkt 1.1. bereits erwähnt, lebten 1841 über 8,1 Millionen Menschen in Irland. Schätzungen zufolge hätten sich diese Zahlen bei einer normalen Entwicklung auf 9 Millionen belaufen müssen. Statt dessen waren es um 2,5 Millionen weniger – 6 552 000. Mindestens eine Million davon war verhungert oder an einer Seuche verstorben. 1,5 Millionen Menschen versuchten ihr Glück in Kanada, Australien, den USA und den Industriezentren Englands.

    1.3. Die direkt erkennbaren Folgen

    1.3.1. Die Auswirkungen auf die Emigration (vor allem in die USA)

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    Zwischen 1841 und 1844 emigrierten durchschnittlich 50 000 Iren pro Jahr. Die Mißernte von 1845 änderte an dieser Situation nur wenig, da die meisten Iren annahmen, daß die Ernte im nächsten Jahr besser sein würde. Erst als die Ernte 1846 wieder ausfiel, verließen viele Pächter und Kleinbauern das Land.

  • "Schätzungen zufolge verließen in der Hauptemigrationsperiode in der Zeit nach der Hungersnot zwischen 1845 und 1855 fast zwei Millionen Iren das Land. Ungefähr drei Viertel der Emigranten wanderten nach Amerika aus, die restlichen 25 Prozent gingen nach Großbritannien und Australien."
  • An Bord der Emigrationsschiffe waren Krankheiten und Seuchen der Alltag. Das brachte ihnen den zweifelhaften Namen coffin ships. Aufgrund der Seuchen wurden die Einwanderer in den USA nicht sehr erfreut begrüßt. Die Amerikaner schlossen ihre Häfen und die Schiffe mit den Emigranten wurden nach Kanada umgelenkt.

    Auf Grosse Isle in Kanada weißt eine Gedenktafel darauf hin, daß viele auch nach der Landung starben:

  • "Thousands of the children of the Gael were lost on this island while fleeing from foreign tyrannical laws and an artificial famine in the years 1847-8. God bless them. God save Ireland!"
  • Diejenigen, die die Überfahrt überlebten, bildeten aber, ganz gleich, wohin es sie zog, die unterste Schicht. Von der protestantischen Oberschicht wurden sie wegen ihrer Konfession gemieden, von der Arbeiterschicht wurden sie gehaßt, weil sie Arbeit zu Billigstlöhnen verrichteten und so zu einer großen Konkurrenz wurden. Die Iren übernahmen schwerste und schmutzige Arbeiten, um überleben zu können. Irische Frauen arbeiteten als Dienstboten oder in Textilfabriken. Die Männer arbeiteten beim Bau von Eisenbahnlinien oder Kanälen mit oder im Bergbau.

  • "A great many Irishmen were killed in the mines and in digging the tunnels and in building the railroads. There was a saying that on the railroads ‘an Irishmen is buried under every tie’."
  • Obwohl, oder gerade weil sie zur untersten Schicht der Bevölkerung gehörten, war der Zusammenhalt unter den irischen Emigranten sehr groß. Man besann sich auf die alten Traditionen und unterstützte die in Irland gebliebenen Verwandten. Viele Iren nahmen auf der Seite der Union am amerikanischen Bürgerkrieg 1861-65 teil. Sie sahen darin eine Vorbereitung auf den Kampf gegen England.

    1.3.2. Die Auswirkungen auf die gälische Kultur und Sprache

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    Eine weitere Folge der Hungersnot war der beinahe völlige Untergang der gälischen Sprache.

    Gälisch ist eine keltische Sprache, die zum Indogermanischen gehört und wahrscheinlich seit ca. 300 vor Christus gesprochen wurde. Durch die anglo-normannischen Eroberer wurde es ab dem 12. Jahrhundert um französische und später englische Elemente bereichert. Im 18. Jahrhundert war Englisch zur Sprache der oberen Klassen, der Verwaltung und der Regierung geworden. Im 19. Jahrhundert war diese Entwicklung noch weiter vorangeschritten. Wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg sowie politische Aktivitäten waren an die englische Sprache gebunden. Es war also schon vor der Hungersnot ein ständiger Rückgang der irisch sprechenden Bevölkerung zu erkennen.

    1841 sprachen noch 4 Millionen Iren gälisch. Diese vier Millionen gehörten aber der unteren Gesellschaftsschicht an und diese Schicht war es, die der großen Hungersnot hauptsächlich zum Opfer fiel. 1851 sprachen nur mehr etwas weniger als 25 % der Bevölkerung irisch. Die Hungersnot bewirkte einen großen Sprung im Rückgang der irisch sprechenden Bevölkerung

  • "Was die Briten in Jahrhunderten nicht geschafft hatten, war durch die Hungersnot in wenigen Jahren erreicht."
  • Außerdem stellte es für irisch-sprachigen Emigranten ein großes Problem dar, wenn sie sich in ihren neuen Heimatländern nicht verständigen konnten. Das führte dazu, daß viele Eltern ihre Kinder englisch lernen ließen, um ihnen diese Probleme zu ersparen.

  • "Ende des 19. Jh. war Irisch zum Synonym für Armut, Analphabetentum und katholische Rückständigkeit geworden."
  • Heute ist Irisch neben Englisch Irlands offizielle Staatssprache. Der Anteil der Bevölkerung, der sie aber tatsächlich spricht, ist gering. An der Westküste und in abgelegenen ländlichen Gemeinden hat es sich bis heute erhalten. Diese Regionen werden als Gaeltacht bezeichnet. Die Hungersnot hatte aber nicht nur Einfluß auf die irische Sprache. Angesichts der großen Not, der vielen Toten und Emigranten waren viele alte Bräuche, Lieder und Tänze in Vergessen geraten.

     

    2. Geheimbünde und politische Gruppierungen –

    Ihre Entwicklung und ihre Ziele

    2.1. Young Ireland und der Aufstand von 1848

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    Die Young Irelanders (Junges Irland) waren eine Gruppe stark nationalistischer Iren, die aus der 1840 von David O’Connell gegründeten Repeal Association (= "Vereinigung zur Aufhebung der Unionsakte") hervorging. Die Bewegung war entstanden, als einige enttäuschte Mitglieder im verfassungskonformen, gewaltlosen Widerstand der Repeal Association keine Möglichkeit mehr sahen, ihre Ziele durchzusetzen.

    Die Anführer von Young Ireland waren John Mitchel (1815-1875, Journalist, nach 48 zu Haft verurteilt, Flucht in USA), Charles Gavan Duffy (1816-1903, Journalist, 1. Chefredakteur der "Nation" - der Zeitung von "Young Ireland, Mitglied von Pächterbewegung, 1855 Emigration - Australien) und William Smith O’Brian. Sie entstammten der protestantischen Mittelschicht und standen unter dem Einfluß der kontinentalen Revolutionsbewegungen. Aus diesen Gründen hielten sie weder viel von O’Connells Ablehnung der Gewaltanwendung, noch befürworteten sie seine enge Zusammenarbeit mit dem katholischen Klerus.

  • "Sie strebten einen irischen Staat an, in dem religiöse Toleranz herrschen sollte, und sie waren entschlossen [...] das neue Irland mit Waffengewalt zu erkämpfen."
  • Aus diesen Gründen gab es ständig Konflikte zwischen O’Connell und Young Ireland. 1845 kam es zur ersten offenen Auseinandersetzung. Der Grund war eine religiöse Frage.

    Die Regierung von Premierminister Peel hatte die irische Hochschulausbildung um drei Universitätskollegs in Cork, Galway und Belfast erweitert. Diese Kollegs sollten Studenten aller Konfessionen offenstehen. Diese Idee wurde von Young Ireland begeistert unterstützt, die Repeal Association hingegen verurteilte diesen Schachzug und forderte konfessionsbezogene Erziehung. Der Streit wurde mit einer öffentlichen Versöhnung beendet und O’Connell setzte sich durch. Die Kollegs in Cork und Galway wurden von nun an hauptsächlich von Katholiken besucht.

    Der Konflikt hatte aber die religiösen Diskrepanzen offengelegt.

  • "[...] die Gegensätze zwischen seinen [O’Connells] Ansichten waren zu schroff, um vertuscht werden zu können. 1846 mußten die Anhänger des Jungen Irland die Vereinigung verlassen, weil sie sich geweigert hatten, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten."
  • Als die Young Irelanders 1848 für einen Aufstand zu rüsten begannen, nahm die britische Regierung im Mai 1848 vorsorglich die Anführer fest. Dennoch brach im Juli 1848, ausgelöst durch die "anhaltenden Provokationen Englands" , ein Aufstand aus. Seine klägliche Niederlage ist vor allem auf die Folgen der Hungersnot zurückzuführen. Einerseits waren die Menschen physisch nicht mehr in der Lage zu kämpfen, und andererseits hatte der Zustand der allgemeinen Erschöpfung zu einer politischen Interesselosigkeit geführt. Ein wichtiger Grund war sicher auch, daß Young Ireland aufgrund seiner Ablehnung der katholischen Kirche die Unterstützung von der Kanzel fehlte.

    Im Sommer 1848 war mit der Flucht oder Inhaftierung des Großteils der Mitglieder von Young Ireland das Ende der Bewegung gekommen.

  • "Die Bewegung des Jungen Irlands gab jedoch 1858 den Anstoß für die Gründung der Irish Republican Brotherhood (Fenian Movement), die sich an den Ereignissen des Jahres 1848 orientierte."
  • 2.2. Irish Tenant Right League

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    Mit der Aufhebung der Getreidezölle 1846 trat das ein, was mit diesen Schutzzöllen hatte verhindert werden sollen: Der irische Markt wurde mit Getreide aus dem Ausland überschwemmt und die Getreidepreise sanken. Gleichzeitig blieben aber die Pachtzinsen gleich hoch, was dazu führte, daß sich viele Kleinpächter als Tagelöhner ihre Einkünfte aufbessern mußten. Ein weiterer Faktor, der die Situation der Kleinbauern verschlechterte, war die Preissteigerung bei Schlachtvieh. Sie führte dazu, daß viele Grundherrn auf Viehzucht umstellten. Um Weideland für ihre Tiere zu gewinnen, mußten sie ihre Pächter verjagen.

    Die Regierung war zu diesem Zeitpunkt aufgrund außenpolitischer Ereignisse (Krimkrieg, Rebellion in Indien und nationales Erwachen in Italien) zu beschäftigt, um sich auf Irlands Probleme zu konzentrieren. Einzig wenn Unruhen ausbrachen, mußte sie reagieren. So wurden zwischen 1847 und 57 zwölf Zwangsgesetze erlassen, die die politischen Rechte der Iren erheblich einschränkten.

    Nach 1848 und dem mißglückten Aufstand war Charles Gavan Duffy der einzige aus dem Führungsbereich von Young Ireland, der noch auf freiem Fuß war. Diesen Zustand verdankte er im wesentlichen seinem Anwalt Isaac Butt (1813-1879, protestantischer Rechtsanwalt und Politiker-Tory, Lehrer Trinity College. Gründer Irish Home Government Association 1870). Gemeinsam mit Dr. John Gray und Frederick Lucas, beide waren Herausgeber katholisch, nationalistischer Zeitungen, wollte Duffy eine irische Partei in Westminster installieren.

    Im ländlichen Raum hatten sich bereits verschiedene kleine Organisationen zum Schutz der Pächter gebildet. 1850 schlossen sie sich zu einem gemeinsamen Verband, der Irish Tenant Right League zusammen.

    Eines der Ziele der Pächter – Liga war die Legalisierung und landesweite Ausdehnung der "Ulster Custom". Dieses Gewohnheitsrecht bestand seit dem 18. Jahrhundert und verlieh den Pächtern in Ulster bestimmte Privilegien: Die Pacht durfte nicht willkürlich angehoben werden und der Pächter durfte sein Pachtrecht an den Meistbietenden weiterverkaufen.

    Die Irish Tenant Right League bildete eine politische Partei, die über Glaubensgrenzen hinweg im Parlament eine Pachtreform durchsetzen sollte. Diese Pachtreform sollte die Pächter gegen willkürliche Kündigungen rechtlich absichern.

    1852 erreichte die Partei ihren politischen Höhepunkt. Es wurden 48 ihrer Kandidaten als Abgeordnete ins Unterhaus gewählt. Gleichzeitig wurde öffentlich verlautbart, daß sich diese Abgeordneten zu einer unabhängigen Gruppierung zusammenschließen würden. Aber als William Keogh und John Sadleir, zwei Abgeordnete, entgegen dieses Versprechens Regierungsämter annahmen, begann aus gerade diesem Grund der Prozeß der Auflösung der Liga. Selbstverständlich war das gebrochene Wahlversprechen nicht der einzige Grund für die Schwächung der Bewegung. Teilweise gab es Unstimmigkeiten zwischen den Katholiken und den Protestanten in der Liga. Die katholischen Bischöfe vertraten die Ansicht, daß die Bewegung zu stark vom revolutionären Geist des Young Ireland durchdrungen war. Außerdem befanden sich die Bauern aufgrund von guten Ernten wieder in einer wirtschaftlich besseren Situation, was ihr Einheitsgefühl minderte.

  • "Aus all diesen Gründen verlor Duffy das Vertrauen in die Bewegung und emigrierte nach Australien; er wurde Premierminister von Victoria und kehrte erst als alter Mann nach Irland zurück, wo er den irischen Nationalismus durch seine Bücher über die Young Irelanders, Thomas Davis und die unabhängige irische Partei beeinflußte."
  • 2.3. Die Fenier Bewegung

    2.3.1. Die "Irish Republican Brotherhood" (I.R.B) – Der irische Flügel der Fenier Bewegung

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    Nach dem mißlungenen Aufstand von 1848 floh der Young Irelander James Stephens (¬ 1824, U 1901) nach Frankreich. Er kam mit dem italienischen Geheimbund der "Carbonari" in Berührung und 1856 kehrte er mit dem Entschluß, in Irland eine Geheimgesellschaft zu etablieren, nach Irland zurück. Auf der Suche nach Überbleibseln der Pächterbewegung und von Young Ireland bereiste er fast das ganze Land.

    Am 17. März 1858, dem Feiertag des Heiligen Patrick, gründete James Stephens die "Irish Revolutionary Brotherhood" (Irische Revolutionäre Bruderschaft), später "Irish Republican Brotherhood" (Irische Republikanische Bruderschaft) genannt – kurz I.R.B.

    Die Irish Republican Brotherhood war vom Glauben geprägt, daß eine Lösung für Irland nur mit Hilfe von Gewaltanwendung ermöglicht werden konnte. Für die I.R.B. galt Irland als mit England im Krieg befindlich. Ihre Ziele waren Unabhängigkeit und die Errichtung einer irischen Republik. Nationalisten, die einen gemäßigteren Weg einschlugen wurden, selbst wenn sie ihre Heimatverbundenheit noch so oft beteuerten, des Verrates an Irland und der Zusammenarbeit mit England beschuldigt. Verrat galt als schweres Verbrechen und wurde bestraft.

    Die Mitglieder der Brotherhood waren städtische Handwerker, Angestellte und Kaufleute, sowie Landarbeiter und Pächter.

  • "Die Struktur der Mitgliedschaft ermöglichte den Feniern den Aufbau eines engmaschigen, landesweiten Informationsnetzes, in das fast alle Regierungsbehörden, die Armee und das Verbandswesen Irlands einbezogen waren."
  • Dies wiederum ermöglichte eine gezielte Verbreitung irisch – republikanischer Propaganda sowie ständige Information über die Regierungspolitik.

    Die Führungsschicht der Brotherhood entstammte der städtischen Mittelklasse und war an den Grundsätzen der französischen Revolution orientiert.

    Ein wesentliches Merkmal der Irish Republican Brotherhood war auch, daß sie anders als frühere Gruppierungen (katholische oder protestantische) fast unabhängig vom Klerus agierte und die Trennung von Kirche und Staat ein wesentlicher Programmpunkt war.

    Dennoch war Gott ein zentraler Punkt des Eides, den man beim Eintritt in die I.R.B. leisten mußte:

  • "I...do solemnly swear in the presence of Almighty God that I will do my utmost at every risk while life lasts, to make Ireland an independent democratic republic; that I will yield implicit obedience in all things not contrary to the law of God to the commands of my superior officers, and that I shall preserve inviolable regarding all transactions of this secret society that may be confided in me. So help me God. Amen."
  • Der Hinweis, daß ein Mitglied Befehle nur dann zu befolgen habe, wenn diese nicht gegen die Gebote Gottes verstießen, sollte die Einwände der Kirche gegen die Brotherhood abschwächen. Denn wenngleich die Fenier vorerst keine Zusammenarbeit mit dem Klerus anstrebten, so wollten sie auch keine offene Konfrontation, vor allem, weil die irische Bevölkerung nach wie vor stark von der Kirche und dem katholischen Glauben beeinflußt war.

    2.3.2. Die "Fenian Brotherhood" – Der amerikanische Flügel der Fenier Bewegung

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    Die Gründer der "Fenian Brotherhood" waren Michael Doheny (1805-1863, Mitglied der Repeal Association und Young Ireland; 1848 Flucht in USA) und John O’Mahony (1816-1877, Lehrer Trinity College, Mitglied Repeal Association, dann Young Ireland; nach Emigration USA Journalist in irisch-amerikanischer Presse, leitet Fenier Regiment im amerikanischen Bürgerkrieg) der gemeinsam mit Stephens 1848 aus Irland nach Frankreich floh. O’Mahony emigrierte 1852 in die Vereinigten Staaten. Der Name "Fenian" geht auf die irische Sagengestalt Fionn Mac Cumhail und seine Anhänger, die Fianna Krieger, zurück. Es leitet sich vom altirischen Wort Fiann – Krieger – ab.

    Die Gründung erfolgte zeitgleich mit der der Irish Republican Brotherhood und mit dem Ziel, eine irisch-amerikanische Organisation zur Unterstützung der I.R.B. zu schaffen. Aber nicht nur in den USA entwickelte sich eine Fenier-Organisation.

  • "Über die vielfältigen Familienbeziehungen nach Übersee drang die Nachricht von der Gründung der Bruderschaft auch in andere Winkel der Welt, so daß Anfang der sechziger Jahre bereits vergleichbare Bünde auch in Australien, Südafrika und Großbritannien existierten."
  • Diese Bünde brachten der Irish Republican Brotherhood finanzielle Unterstützung. Außerdem richtete die Fenian Brotherhood ihr Augenmerk auf die Vorbereitung eines Aufstandes, des seit langer Zeit ersehnten Krieges gegen England. Aus diesem Grund beteiligten sich, wie bereits erwähnt, viele irische Emigranten am amerikanischen Bürgerkrieg (1861-65), die nach seiner Beendigung, als Offiziere für die Rebellion der Fenier in Irland zur Verfügung standen.

    Zu den irischen Freiwilligen-Trupps gehört auch die New York Irish Brigade (die 69th, 88th und 63rd New York Volunteers), die von Thomas Francis Meagher, einem Anhänger von Young Ireland, der 1853 nach Amerika geflohen war, geleitet wurde.

    Im Jahr 1861 bereiste Stephens die USA. Er bemühte sich um finanzielle Unterstützung für den Ankauf von Waffen und die Erhaltung des Organisationsnetzes der Irish Republican Brotherhood. Die Hilfeleistungen waren nun aber schon vermehrt an die Forderung nach einem Aufstand gebunden. Dies führte dazu, daß Stephens 1864 bei einem erneuten Besuch der USA für das Jahr 1865 einen Aufstand in Irland ankündigte.

    Im Jahr 1866 starteten die amerikanischen Fenier einen Angriff auf Kanada, das zum Hoheitsgebiet Großbritanniens gehörte, um nach seiner Besetzung die Befreiung Irlands zu erpressen. Ein Trupp von 600 bis 800 Mann überquerte bei den Niagarafällen die Staatsgrenze zwischen Kanada und den USA. Sie besetzten Fort Erie. Einige Tage später fiel ein zweiter Trupp von Vermont aus ein. Zwar wurden beide Truppen ohne große Schwierigkeiten geschlagen, aber das bemerkenswerte ist, daß sie unter der Bezeichnung "Irish Republican Army" agierten, ein Name, der in unserem Jahrhundert zu trauriger Berühmtheit kommen sollte.

    2.3.3. Der Aufstand von 1867

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  • "Hinter den Aufständen von 1865 und 1867 stand das neue irische Amerika. Seit dem amerikanischen Bürgerkrieg war Irland ein offener Herd der Revolution geworden."
  • Der von Stephens versprochene Aufstand sollte am 20. September 1865, dem Jahrestag der Hinrichtung von Robert Emmet (1783-1803, protestantischer Patriot; Anführer des Aufstandes d. United Irishmen 1803, vor seiner Verhaftung hielt er eine Rede, die Generationen irischer Patrioten inspirierte), stattfinden. Die Gründe, warum der Aufstand scheiterte, sind unterschiedlich. Die Brotherhood war bis zu diesen Zeitpunkt zu einer Gruppierung mit mehreren Zehntausend Mitgliedern gewachsen. Diese waren aber nur unzureichend bewaffnet. Außerdem war die Vereinigung nur locker aufgebaut und es gab keinerlei militärische Ausrichtung. Der Grund, weshalb die I.R.B. über zuwenig Waffen verfügte, liegt darin, daß die Fenier-Bewegung in Irland sich aufgrund von internen Spannungen in zwei Gruppierungen aufspaltete und daher keine Waffenlieferungen nach Irland erfolgten. Ob die Regierung die Information über den bevorstehenden Aufstand von eingeschleusten Spionen oder von Mitgliedern der Brotherhood, die ihr Wissen verkauften, erfahren hatte, ist unklar. Sicher ist, daß es keine großen Schwierigkeiten für die Briten bedeutete, Agenten in die Vereinigung einzuschleusen, da die Zahl der Mitglieder der Irish Republican Brotherhood inzwischen sehr groß war. Noch bevor der Aufstand losbrechen konnte, setzte eine Verhaftungswelle ein. Durch die Inhaftierung, die auch Stephens betraf, wurde ein großer Teil des Führungsstabes der I.R.B. aus dem Verkehr gezogen.

  • "Damit war offensichtlich, daß eine Rebellionsbewegung, wenn sie Aussicht auf Erfolg haben wollte, besser organisiert sein und bei der Rekrutierung ihrer Mitglieder mehr Sorgfalt an den Tag legen mußte, um das Einschleusen britischer Agenten zu unterbinden."
  • Stephens wurde zwei Wochen nach seiner Verhaftung aus einem Dubliner Gefängnis befreit und floh nach Paris. Im April 1866 setzte er seine Flucht in die USA fort. Da er aber – ob zu Recht oder zu Unrecht – darüber ist man sich in der Literatur uneinig, beschuldigt wurde, erneute Aufstände zu verhindern und sich damit sowohl in der I.R.B. als auch in der Fenian Brotherhood unbeliebt machte, kehrte er 1867 nach Paris zurück. 1886 konnte er aufgrund der Fürsprache von Charles Stewart Parnell nach Irland zurückkehren, wo er den Rest seines Lebens zurückgezogen verbrachte.

    Stephens Nachfolger als Anführer der Irish Republican Brotherhood im Dezember 1866 war Thomas J. Kelly (¬ 1833, U 1908). Kelly hatte im amerikanischen Bürgerkrieg im 10. Ohio Regiment gekämpft. 1865 kehrte er als Abgesandter der Fenian Brotherhood nach Irland zurück, mit dem Auftrag, Stephens zu einem Aufstand zu drängen. Er war an Stephens Flucht aus dem Gefängnis und später in die USA beteiligt. Als er im Jänner 1867 nach London kam, begann er mit der Planung für einen Aufstand am 11. Februar 1867.

    Den Auftakt für die Auflehnung sollte der Überfall auf Chester Castle bilden, denn dort wurde ein großes Waffenlager der britischen Armee vermutet, das nach Irland gebracht werden sollte. Das Vorhaben wurde aber verraten und mußte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden – auf den 5. März 1867. Da ein General der Fenier am Vorabend des Aufstandes von Spionen verraten und verhaftet wurde und alles verriet, was er wußte, und außerdem schwere Schneestürme einsetzten, wurde das Durchführen der Pläne nahezu unmöglich. Ein weiterer Grund war sicher auch, daß die Fenier aufgrund einer besseren wirtschaftlichen Lage und ihrer antiklerikalen Einstellung wenig Unterstützung im Volk fanden. Dennoch brachen kleine Kämpfe aus, die sich jedoch auf Kerry, Dublin, Cork, Tipperary, Limerick und Clare beschränkten.

  • "If 1848 was tragi-comedy, 1867 was farce."
  • Kelly wurde, wie viele andere Fenier-Führer, verhaftet. Aber schon eine Woche später wurde er in Manchester bei einer Überstellung aus dem Polizeiwagen befreit. Bei dieser Aktion wurde eine der Wachen erschossen. Kelly konnte in die USA fliehen, drei seiner Befreier wurden gefaßt und zum Tode verurteilt. Nach diesen übereilt gefällten Urteilen schlug die allgemeine Meinung zu Gunsten der Fenier um. Die drei Hingerichteten wurden die "Manchester-Märtyrer" genannt. Auch die katholische Kirche schloß sich diesem Meinungsumschwung an.

    In England hingegen bekamen die Fenier nach einem anderen Befreiungsversuch, bei dem mit einer Bombe eine Gefängnismauer gesprengt wurde und zahlreiche Menschen verletzt oder getötet wurden, endgültig das Image von Terroristen und Mördern.

    Trotz dieser Sympathiewelle verlor die Irish Republican Brotherhood in den folgenden Jahren an Bedeutung. Sie agierte im Untergrund und hatte auf die Ereignisse in den nächsten fünfzig Jahren keinen Einfluß.

    1916 machte die Bewegung im Osteraufstand wieder von sich reden. Dieser Aufstand, dem auf so blutige Weise ein Ende gemacht wurde, war von der I.R.B. geplant und durchgeführt worden. Nachdem die Anführer des Aufstandes hingerichtet worden waren, existierte die Bewegung, zumindest bis 1922, weiter, jedoch sind keine Aktivitäten mehr erkennbar.

     

    2.4. Der (politische) Einfluß der katholischen Kirche

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    Die katholische Kirche in Irland hatte in den vorangegangenen Jahrhunderten seit der Einführung der Anglikanischen Kirche nur dadurch überleben können, daß sie zurückgezogen agierte.

  • "Erst nach der Hungersnot begann die Kirche als einheitliche Kraft wieder in Erscheinung zu treten und sich gleichzeitig gegen die weltliche Ideologie des Nationalismus zu wehren und für die katholische Identität und Einheit einzutreten."
  • Einer der für Irland bedeutendsten Priester war Paul Cullen (¬ 1803, U 1878). Er wurde 1852 zum Erzbischof von Dublin ernannt und 1866 als erster Ire zum Kardinal.

    Die irische Kirche unterschied sich in verschiedenen Punkten von der katholischen Kirche auf dem Kontinent. Denn die katholische Kirche in Irland war auch in früheren Jahrhunderten nie mit großen Reichtümern gesegnet. Dies verhinderte eine antiklerikale Einstellung von Seiten des Volkes.

    Bei einer Volkszählung 1861 wurde erstmals die Religionszugehörigkeit der Iren eruiert. Es wurde festgestellt, daß über 4,5 Millionen der Bevölkerung Irlands Katholiken waren und nur 1,3 Millionen Protestanten. Diese Zahlen lieferten nun einen stichhaltigen Beweis, daß der Einfluß der katholischen Kirche ziemlich hoch gewesen sein muß, wenngleich Cullen offiziell keine Stellung zur Politik bezog. Er versuchte hingegen, ein katholisches Mittel- und Hochschulwesen aufzubauen. Den Einfluß, den die Kirche hierbei jedoch erreichte, war sehr groß.

    Die katholische Kirche hatte sich auch schon gegen Young Ireland ausgesprochen. Die Irish Republican Brotherhood bekam die neu erlangte Stärke der Kirche als erste zu spüren. In Berufung auf vier päpstliche Bullen gegen Geheimbünde wurden 1861 die Mitglieder der I.R.B. exkommuniziert.

    Der Bischof von Kerry machte kurz vor dem Aufstand von 1867 seine Haltung gegenüber den Feniern mit diesen Worten klar:

  • "When we look down into the fathomless depth of this infamy of the leaders of the Fenian conspiracy, we must acknowledge that eternity is not long enough, nor hell hot enough to punish such miscreants."
  • Diese entschiedene Ablehnung der Fenier durch die Kirche und die Verweigerung ihrer Unterstützung waren mit ein Grund für den Mißerfolg des Aufstandes, da der Rückhalt in der Bevölkerung dadurch noch mehr geschmälert wurde.

     

     

    3. Die Entwicklung von Landreform und Home Rule

    3.1. Die "Home Government Association" oder "Home Rule League"

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    Die Home Government Association wurde 1870 durch Isaac Butt, einem Anhänger der Tory Partei und protestantischer Rechtsanwalt, gegründet. Da er nach dem Aufstand von 1867 mehrere Fenier vor Gericht verteidigte, erlangte er die Unterstützung des Volkes. Zwischen 1852 und 1865 war er konservativer Parlamentsabgeordneter. Er unterstützte die Forderung der Bischöfe nach katholischen Schulen, um Radikalismus vorzubeugen. Die radikale Art, mit der die Fenier die Republik anstrebten, zeigte ihm hingegen, daß sich die Konservativen der Führung des Nationalismus annehmen sollten. Durch die Errichtung einer irischen Legislative und Exekutive, die aber dennoch der Kontrolle von Westminster unterlägen, sollten irische Probleme effizienter gelöst werden. Das Ziel der Bewegung war also ein eigenes Parlament in Dublin und Autonomie – Home Rule. Damit, nämlich einer realisierbaren Lösung, sprach Butt vor allem den katholischen Mittelstand an. Bald nach der Gründung begannen auch ehemalige Fenierführer in Butts Organisation mitzuarbeiten.

    Die Verbindung wollte alle Klassen und Religionen zusammenführen. Dies war aber nicht einfach. Die anfängliche Anhängerschaft der protestantischen Oberschicht beruhte auf der Unzufriedenheit über den Erlaß des Kirchengesetzes 1869 . Da sie aber große Differenzen zwischen ihren Zielen und denen der katholischen Masse sahen, glaubten sie sich durch das englische Parlament besser geschützt.

    Da eines der wichtigsten Ziele der katholischen Kirche Zugeständnisse in Bezug auf eine katholische Schulbildung war, wandte sie sich erst dann der Vereinigung zu, als ein Antrag auf eine katholische Universität vom Parlament abgelehnt worden war. Sie betrachteten zu diesem Zeitpunkt Home Rule als Voraussetzung für eine entstaatlichte Schulbildung.

    1859 erlangte die Home Rule League, wie die Home Government Association ab 1873 genannt wurde, mit 59 Abgeordneten mehr als die Hälfte der 103 irischen Unterhausmandate.

    Allmählich entstand innerhalb der Liga Widerstand gegen Butts gemäßigte Politik. Außerdem gewann der protestantische Gutsbesitzer Charles Stewart Parnell (¬ 1846, U 1891) an Bedeutung. Parnells Ziel war es mittels Obstruktion (Obstruktion bedeutet hier, das Parlament durch manchmal tage- u. nächtelange Reden an der Beschlußfindung zu hindern) das Parlament in Westminster lahmzulegen. Dies führte zu Konflikten mit Butt, der Parnells Verhalten öffentlich kritisierte. Butt wurde innerhalb der Partei zu einem aggressiveren Vorgehen für Irland aufgefordert. Parnell glaubte mit Widerstand im Parlament mehr erreichen zu können.

  • " I [...] am denounced because I have not joined the majority in doing nothing, in inactivity, and in absenteeism – because I have shown the country that they [the Home Rule MPs] have a power that they know little of, to use it if they desire for the enforcement of their just claims.
  • Die Zusammenarbeit der Home Rule League, der neu gegründeten Irish National Land League und der amerikanischen Fenier, die sich jetzt als "Clan na Gael" (= Familie der Iren) bezeichneten und Parnells Politik mit großem Interesse verfolgten, wurde New Departure – Politik des neuen Weges – genannt.

    Butts Einfluß in der Partei nahm ständig ab. Als er 1879 starb hatte er aufgrund seiner Haltung gegenüber Parnells Politik bereits jegliche Unterstützung verloren. 1880 wurde Parnell zum Präsidenten der Home Rule Partei, die auch Irish Parliamentary Party genannt wurde, gewählt.

    3.2. Die "Irish National Land League"

    3.2.1. Die Ziele der "Irish National Land League"

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    Die Idee, die zur Gründung der Irish National Land League führte, stammte vom Fenier Michael Davitt.

    Der Gründung der Land League waren Mißernten in den Jahren 1877-1879 vorangegangen, die sowohl Irland als auch Großbritannien betrafen. Allerdings konnten sie in England durch die Industrie aufgefangen werden. In Irland hingegen gab es, ausgenommen in Ulster, keine kräftige Industrie. Viele irische Pächter konnten ihre Abgaben nicht mehr bezahlen und wurden von ihrem Land vertrieben. 1879 wurden 1000 Familien, das sind rund 6000 Menschen, von ihren Pachtgründen verjagt.

    Davitt wollte außerdem eine Zusammenarbeit zwischen Feniern und der Home Rule Partei erreichen. Da aber beide Organisationen zu große inhaltliche Differenzen sahen, bedeutete die Land League ein neutrales Gebiet für die Zusammenarbeit zwischen diesen Gruppierungen. Davitt bat Charles Stewart Parnell mit Erfolg, die Führung zu übernehmen.

    Den ersten Endruck, den er von Parnell hatte, beschrieb er so:

  • "He struck me at once with the power and directness of his personality. There was the proud, resolute bearing of a man of conscious strength, with a mission, wearing no affectation, but without a hint of Celtic character or a trait of its racial enthusiasm."
  • Wenngleich sich die Irish National Land League bezüglich der Zusammensetzung ihrer Mitglieder von der Tenant Right League unterschied waren ihre Ziele sehr ähnlich. Ihre Forderungen werden als die 3F bezeichnet:

    Sie trat für die Festlegung der Pachtbeträge ein. Dies bedeutete einen Schutz vor willkürlicher Kündigung. (Fixity of Tenure)

    Die Liga bemühte sich um faire Pachten und eine Festsetzung der Pachtdauer. (Fair Rents)

    Und sie forderte freien Verkauf. Dies bedeutete, daß vom neuen Pächter eine Ablöse für Verbesserungen am Pachtbesitz verlangt werden konnte. (Free Sale)

    Eine Deklaration der Prinzipien der Liga machte dies eindeutig:

  • "The land of Ireland belongs to the people of Ireland, to be held and cultivated for the sustenance of those whom God decreed to be the inhabitants thereof. Land being created to supply mankind with the necessaries of existence, those who cultivate it to that end have a higher claim to its absolute possession than those who make it an article of barter to be used or disposed of for purposes of profit or pleasure."
  • 3.2.2. Die Landkriege 1879-1881

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    Die Pächter wurden aufgerufen, bei zu hohen Pachtzinsen mit dem Grundherrn zu verhandeln. Falls damit nichts erreicht würde, sollte man die Zahlung verweigern. Dies war nur über begrenzte Zeit hinweg durchführbar, außerdem führte es oft zu Vertreibungen. Der Land League war es allerdings erstmals in der irischen Geschichte gelungen, eine homogene Gemeinschaft zu entwickeln, die sich gemeinsam gegen die Grundherrn stellte. Die Liga unterstützte die Familien von Pächtern , die verhaftet oder von ihrem Land vertrieben worden waren.

    Die heute übliche Bezeichnung für wirtschaftliche, politische oder soziale Ächtung – Boykott – geht auf die Aktionen der Land League zurück, nämlich auf die Bestreikung des von Captain Boycott verwalteten Landes, die derart extreme Formen annahm, daß die Ernte unter Armeeschutz eingebracht werden mußte.

    Bei einer Rede im September 1880 erklärte Parnell eine andere Form der Boykottaktik, die das geschlossene Auftreten der Mitglieder der Pächter erforderte:

  • "When a man takes a farm from which another has been evicted, you must show him on the roadside when you meet him, you must show him in the streets of the town, [...], by leaving him severely alone, [...], by isolating him from the rest of his kind, as if he were a leper old, you must show him your detestation of the crime he has committed."
  • Diese Ausschreitungen gegenüber den Grundherrn wurden als Landkriege bezeichnet. Die meisten Unruhen ereigneten sich zwischen 1879 und 1882. Besonders betroffen waren Kerry, Mayo und Galway. Die Aktionen gegen Grundherrn – 1880 wurden 2590 Zwischenfälle gemeldet – erstreckten sich von Einschüchterungen über Drohbriefe, Angriffe auf den Viehbestand bis zu Mord – von 1879 bis 1882 kam es zu 67 Morden.

    Vorfälle, bei denen es zur Anwendung von Gewalt kam, waren meistens das Werk einer Gemeinschaft, die "Captain Moonlight" oder auch "Moonshine Boys" genannt wurde. Diese Gruppierung war ein Geheimbund, dessen Mitglieder nachts – bei Mondlicht – agierten.

    Aufgrund dieser revolutionären Handlungen fiel die Land League bei der katholischen Kirche in Ungnade.

    Premierminister Gladstone, der seit 1880 wieder im Amt war, erließ anläßlich der Landkriege den Coercion Act (1881). Dieses Gesetz hob das Habeas-Corpus-Recht, das Schutz vor willkürlichen Verhaftungen bot, auf. Gladstone machte Parnell verantwortlich für die Ausschreitungen in Irland.

    Aus diesem Grund wurde Parnell am 12. Oktober 1881 verhaftet und ohne gerichtliche Untersuchung im Kilmainhaim-Gefängnis in Dublin inhaftiert. Parnell wurde aufgrund seiner Gefangennahme in Irland zum Helden. Kurze Zeit später wurde auch die Irish National Land League verboten. Als Reaktion auf das Verbot kam es erneut zu Unruhen.

    Gladstone wandte sich an Parnell und es wurde der Vertrag von Kilmainham ausgehandelt:

    Parnell wurde aus der Haft entlassen und der Coercion Act wurde gelockert. Außerdem versprach die Regierung, das bestehende Landgesetz zu ändern, um Pächtern, die mit ihrer Pacht im Rückstand waren, Erleichterung zu verschaffen. Im Gegenzug versicherte Parnell, er werde seinen Einfluß für ein Ende der Landkriege geltend machen. Zusätzlich verpflichtete er sich, die Verwirklichung des Landgesetzes zu unterstützen.

    Nur wenige Tage nach dem Abschluß des Vertrages von Kilmainham hätte ein neuer Akt der Gewalt ihn beinahe gefährdet. Der Staatssekretär und der Unterstaatssekretär von Irland wurden im Phoenix Park in Dublin von Mitgliedern einer Splittergruppe der I.R.B., den Invincibles, ermordet. Gladstone nahm Parnells Angebot zum Rücktritt, das er in diesem Zusammenhang gestellt hatte, nicht an.

     

    3.3. Die "Irish National League" und die "Irish Parliamentary Party"

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    Die Irish National League wurde 1882 nach dem Vorbild der Land League gegründet. Aber anders als die Land League war die National League eine politische Gruppe, die alle Klassen in sich vereinigen wollte und daher nicht nur die Bauern unterstützte. Das Hauptziel der National League war Autonomie. Sie verfügte außerdem über die Unterstützung der Kirche, und das war, wie sich schon bei verschiedenen Bewegungen, die diese nicht hatten, gezeigt hatte, ein großer Vorteil. Die katholische Kirche in Irland hatte sich der Forderung nach Home Rule angeschlossen.

    Die Irish National League war die Verbindung zwischen der Irish Parliamentary Party und der Bevölkerung.

    Mit der Wahl 1885 traten mehrere Veränderungen bei den Abgeordneten der Irish Parliamentary Party ein. Erstens wurden 68 Parteimitglieder ins Unterhaus gewählt. Das war der bisher größte Anteil der Partei bis zu diesem Zeitpunkt. Zweitens wurde ein Fonds eingerichtet, aus dem die Kosten für den Aufenthalt weniger vermögende Abgeordnete in London getragen wurden. Dies geschah erstmalig in der britischen Politik, da diese Kosten bisher von der Privatperson getragen werden mußten. Da die Reformakte von 1884 die Zahl der Wahlberechtigten in Irland angehoben hatte, wurden auch Angehörige unterer Schichten ins Unterhaus gewählt. Man war daher nicht mehr von vermögenden Mitläufern abhängig. Statt dessen konnten begabte Kandidaten aus den verschiedensten Schichten gewählt werden. So stieg im Vergleich zur Wahl von 1880 unter den Abgeordneten die Zahl der Katholiken, der Bauern und kleinen Händler. Die Zahl der Grundherrn unter den gewählten Parlamentariern nahm hingegen ab.

    Unter Parnell war aus den Abgeordneten der Irish Parliamentary Party eine Einheit entstanden, die in den meisten Punkten geschlossen auftrat. Die Parteilinie bestimmte ein – allerdings von Parnell beratener – Ausschuß.

    Parnell war zu diesem Zeitpunkt zu einem teilweise irrationalen und herrischen Anführer geworden, den man mit Respekt, aber auch mit Furcht betrachtete. Im Jänner 1885 hielt er eine seiner berühmtesten Reden, in der er sich erneut zu Home Rule bekannte:

  • "I do not know how this great question will eventually be settled. I do not know whether England will be wise in time, and concede to constitutional arguments and methods the restitution of that which was stolen from us towards the close of the last century [...] We cannot ask for less than the restitution of Grattan’s Parliament [...] But no man has the right to fix the boundary to the march of a nation. No man has the right to say to his country, ‘thus far shalt thou go and no farther’."
  • Diese Rede wurde vor allem von seinen Gegnern und den Gegnern von Home Rule so interpretiert, daß sich Parnell nicht mit Autonomie zufrieden geben würde. Sie befürchteten, daß in Irland die Republik ausgerufen würde und es sich komplett von Großbritannien lösen würde. Die Fenier sahen in der Rede Parnells eine Bestätigung ihrer eigenen Ziele und hofften, daß Parnell weitere Entwicklungen zur Republik forcieren würde.

    1887 mußte sich Parnell gegen einen in der Londoner Times veröffentlichten Brief und den damit verbundenen Anschuldigungen verteidigen. Parnell wurde verdächtigt, diesen Brief 1882 geschrieben zu haben. Der Inhalt war reichlich brisant: Parnell sollte sich darin mit den Phoenix Park Morden einverstanden erklärt haben. Da Parnell bestritt, daß der Brief von ihm stammte, wurde eine Kommission eingesetzt, die die Anschuldigungen untersuchte. Anfang 1889 wurde bestätigt, daß der Brief eine Fälschung war. Für Parnell hatte diese Verleumdungskampagne, nachdem sich seine Unschuld herausgestellt hatte, eine große Sympathiewelle zur Folge.

    Der nächste Vorwurf hingegen, der Parnell betraf, bewirkte seinen politischen Abstieg.

    Im Dezember 1889 begann das Scheidungsverfahren zwischen Captain O’Shea, einem Mitarbeiter Parnells und seiner Frau. Der Grund war das langjährige Verhältnis zwischen Parnell und Katherine O’Shea, die schon drei Kinder von Parnell hatte. Sowohl die katholische Kirche als auch die puritanische britische Öffentlichkeit forderten den Rücktritt Parnells. Auch Englands Premierminister Gladstone riet zur Wahl eines neuen Parteivorsitzenden. Aber Parnell war zu ruhmsüchtig, um von selbst auf sein Amt zu verzichten. Auch innerhalb seiner eigenen Partei kam es zu heftigen Diskussionen und einer Abstimmung, bei der im Stimmenverhältnis 45 zu 27 die Amtsniederlegung gefordert wurde. Mit seiner Selbstsucht war er für eine erhebliche Schwächung des irischen Nationalismus verantwortlich. Die Partei teilte sich, als 1891 Justin McCarthy, Parnells rechte Hand, mit 44 Abgeordneten die Partei verließ, in zwei Gruppen – die Parnelliten und die Anti-Parnelliten.

    Bei den Wahlen 1891 wurde er von den Anti-Parnelliten überholt.

    Die Irish Parliamentary Party war nach der Spaltung und ohne ihren charismatischen Führer bei weitem nicht mehr so stark. Aber sie blieb weiterhin bestehen, um nach der Wiedervereinigung durch den Parnelliten John Redmond 1900 wieder eine wichtige Rolle in der irischen Frage zu spielen.

    Charles Stewart Parnell starb am 6. Oktober 1891. Aber seine Ideen wirkten weiter und beeinflußten viele spätere Generationen junger Leute, obwohl nur wenige seinen Charakter durchschauten. Michael Davitt versuchte Parnells Persönlichkeit zu erklären.

  • "Parnell’s claim to greatness no Irish nationalist and few Irishmen will ever deny [...] He was unlike all the leaders who had preceded him in his accomplishments, traits of character and personal idiosyncrasies [...] What, then, was the secret of his immense influence and popularity? He was above and before everything else a splendid fighter. He had attacked and beaten the enemies of Ireland in the citadel of their power – the British Parliament."
  • 3.4. Gladstones Bemühungen um die Lösung der irischen Frage

    3.4.1. Gladstones Church und Land Act

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    Gladstones Anstrengungen, eine Lösung für die irische Frage zu finden, kann als Erfolg der Irish Republican Brotherhood gewertet werden. Zwar hatte sie es nicht geschafft, die englische Herrschaft zu brechen, aber der Aufstand von 1867 hatte gezeigt, daß etwas unternommen werden mußte. Aus diesem Grund bemühte sich der liberale Politiker William E. Gladstone (1809-1898, ab 1868 Anführer der Liberalen Partei; Premierminister 1868-1874, 1886 und 1892-1894), die Situation in Irland zu verbessern, "to pacify Ireland."

    Der erste Versuch, die Konfliktsituation in Irland zu mildern, war der Erlaß des Kirchengesetzes – Irish Church Act – von 1869.

    Wahrscheinlich war die Volkszählung von 1861 mit ein Anlaß für den Church Act. Dabei zeigte sich, daß von 5,7 Millionen Iren nur 690 000 Angehörige der Anglikanischen Staatskirche waren, wobei der größte Teil von ihnen in Ulster lebte. Somit erschien es unlogisch, einer Minderheit Privilegien einzuräumen.

    Der Church Act bewirkte eine Trennung von Kirche und Staat durch die Aufhebung der Anglikanischen Kirche als Staatskirche. Das bedeutete ein Ende der jahrhundertelangen Sonderrechte der protestantischen Kirche. Für die Bauern bedeutete es keine direkte Erleichterung, da die Abgaben, die vorher an die Kirche zu entrichten gewesen waren, nun an eine Kommission gezahlt werden mußten. Das Geld wurde für die Linderung der Armut und die Unterstützung von Landwirtschaft und Fischerei verwendet. Ein weiterer wichtiger Punkt des Church Act war die Erleichterung des Kaufs von Kirchengrundstücken durch die Pächter. Ungefähr 6000 Pächter nutzten diese Gelegenheit.

    Der 1870 erlassene Irish Land Act umfaßte drei Schwerpunkte.

    Zum Schutz der Pächters sollte die "Ulster Custom" (Schutz vor willkürlicher Vertreibung, Recht den Pachtgrund weiterzugeben vgl. auch Kap.2.2), die bis jetzt nur als Gewohnheitsrecht existierte, legalisiert und auf ganz Irland ausgeweitet werden.

    Der zweite Punkt betraf die Vertreibung durch den Grundherrn. Der Pächter mußte nun für die aufgewendeten Kosten, die eine Verbesserung des Pachtgrundes und damit eine Preissteigerung herbeigeführt hatten, entschädigt werden.

    Der dritte Punkt bezog sich auf den Kauf des vom Pächter bewirtschafteten Grundstücks. Die Regierung stellte in diesem Fall zwei Drittel des Kaufpreises als Anleihe zur Verfügung.

    Dieser Land Act stellte eine theoretische Verbesserung der Beziehungen zwischen Pächter und Grundherrn dar. Der Staat wurde dabei in die Rolle des Schiedsrichters versetzt. In der Praxis wurden die Konflikte allerdings weiterhin zwischen Bauer und Grundherr ausgetragen. Außerdem existierten Schlupflöcher. So konnte die Pacht immer weiter angehoben werden, bis der Pächter sie nicht mehr bezahlen konnte. Danach war die Kündigung ohne Abfindung legitim.

    Auch die großzügige Unterstützung beim Landkauf konnten nur wenige Pächter in Anspruch nehmen, da die meisten nicht einmal über ein Drittel des Kaufpreises verfügten. Außerdem fanden sich nur wenige Grundherrn bereit, ihr Land zum Verkauf anzubieten, da das Gesetz keinen Anreiz für sie bot.

    Einige britische Politiker – z.B. Lord Kimberley – betrachteten die Lage nach Erlaß des Land Act nüchtern:

  • "In Ireland, as I expected, there is much disappointment. No measure not robbing the landlords of their property would satisfy the tenant right party. [...] Gladstone now lives in the happy delusion that his policy will produce a speedy change in the temper of the Irish towards this country. He will soon find out his mistake."
  • Dennoch darf der Symbolcharakter nicht übersehen werden. Zeigte der Land Act doch das Bemühen der englischen Regierung um die Iren. Außerdem war es ein Übergang vom im 19. Jahrhundert herrschenden laissez-faire-System zum britischen Liberalismus der Jahrhundertwende.

    Der zweite Land Act beinhaltete im wesentlichen die Forderungen – 3 F – der Land League.

    Die Pachten mußten auf 15 Jahre von den Landgerichten – Land Courts – festgesetzt werden – Fair Rent.

    Pächter, die ihre Abgaben leisteten, konnten nicht vertrieben werden – Fixity of Tenure.

    Die Möglichkeit, das bearbeitete Land zu erwerben wurde verbessert, da von nun an drei Viertel des Kaufpreises vom Staat zur Verfügung gestellt wurden.

    Obwohl Gladstone vorgeworfen wurde, daß die Entscheidung für den zweiten Land Act keine wirtschaftliche, sondern eine politische gewesen war, zeigte er bald Erfolg. Aufgrund der Festsetzung der Pachten durch die Land Courts verringerten sich die Pachten in den nächsten Jahren um bis zu 20 Prozent ab. Dies führte dazu, daß es für die Grundherrn wirtschaftlicher wurde, das Land zu verkaufen.

    Im Jahr 1884 wurde eine Akte erlassen, die das irische Wahlrecht reformierte. Sie hatte eine Ausdehnung des aktiven Wahlrechts zur Folge, so daß jeder Mann wählen durfte, der einen selbständigen Haushalt versorgte. Dies bewirkte eine Verdreifachung der Wahlberechtigten in Irland.

    1885 trat der Konservative Lord Salisbury für den Erlaß des Ashbourne Land Purchase Act ein. Dieses Gesetz galt als das erste wirksame System, um den irischen Pächtern den Landkauf zu ermöglichen. Er sah keine Beteiligung des Staates am Kaufpreis vor. Statt dessen wurden vom Staat Kredite mit einer Verzinsung von vier Prozent gewährt.

    3.4.2. Der Weg zu Home Rule

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    Obwohl die Kirchen- und Landgesetze eine Verbesserung der Situation in Irland bewirkt hatte, war es dennoch nicht möglich gewesen eine Lösung für Irland zu finden, die alle Beteiligten zufriedenstellte. Gladstone erkannte immer mehr, daß die Verwaltung Irlands durch Großbritannien auf keinen Fall ein positives Ergebnis bringen würde. Er glaubte aber, daß sich die Iren mit Autonomie zufrieden geben würden:

  • "He [Gladstone] had come to the conclusion that the Union was a mistake, and that no adequate justification had been shown for taking away the national life of Ireland [...] He did not agree in the assertion that the Irish would not be content with less than absolute legislative independence."
  • Bei der Wahl 1885 verloren die Liberalen die absolute Mehrheit. Dadurch wurde die Unterstützung der irischen Partei nötig und, als Gladstone den Anspruch auf Home Rule als einzige für alle annehmbare Lösung anerkannte, gingen die beiden Parteien eine Koalition ein und Gladstone blieb Premierminister.

    Die konservative Partei setzte sich im Gegensatz dazu die Erhaltung der Union und die Einführung neuer Zwangsgesetze als Ziel. Sie setzten Home Rule mit Katholikenherrschaft gleich und argumentierten damit, daß in einem irischen Parlament hauptsächlich Nationalisten, die früher am Rande der Illegalität agiert hatten, entscheiden würden. Damit vertraten sie die Ansichten der Protestanten in Irland. Somit wurden die Konflikte zwischen den Konfessionen verschärft und ein nationales Ergebnis für Irland verhindert. Außerdem behaupteten die Konservativen, daß irische Selbstverwaltung das Ende des britischen Empire wäre, da sie als Vorbild für die Loslösung anderer Kolonien wirken könnte.

    Gladstones Bemühen um Home Rule kam für viele überraschend, wie Lord Derby nach einem Besuch bei Gladstone in sein Tagebuch schrieb:

  • "I asked him whether he [Gladstone] thought the English Public would consent to repeal the Union on any terms – whether the majority would not be against it? He shook his head and said that there was a vast amount of English prejudice to be reckoned with [...] I listened with some surprise, for though I knew that he favoured the Irish claims, I was not prepared, for what is in fact a declaration in favour of Home Rule."
  • Gladstone selbst beschrieb, als er am 8. April 1886 die erste Home Rule Bill ankündigte, die Motive, die bei ihm zu einer Meinungsänderung geführt hatten, so:

  • "I cannot conceal the conviction that the voice of Ireland as a whole is constitutionally spoken. I cannot say it is otherwise when five-sixth of its lawfully chosen representatives are one mind on this matter [...] I cannot allow it to be said that a Protestant minority in Ulster, or elsewhere, is to rule the question at large for Ireland."
  • Der Antrag auf Home Rule sah ein eigenes Parlament für inner-irische Fragen vor. Es sollte wie Westminster aus zwei Kammern bestehen. Wie in London sollte es eine Art Oberhaus geben, dessen Sitze nach Besitz und Stand verteilt würden, und ein Unterhaus, dessen Abgeordnete nach dem üblichen Weg gewählt werden sollten.

    Außerdem sollte die Landfrage endlich geregelt werden. Da aber kein für die Parlamentsparteien annehmbarer Vorschlag existierte, wurde dieser Punkt nicht mehr weiter berücksichtigt.

    Gladstones Antrag hätte mit den Stimmen der Liberalen und der Irischen Partei eine Mehrheit erreichen müssen. Allerdings votierten 93 Mitglieder seiner eigenen Partei gegen Home Rule. Dies bedeutete eine Spaltung der Liberalen in Gladstone-Anhänger und Unionisten. Nach der Ablehnung wurde das Unterhaus aufgelöst. Die Neuwahlen brachten eine Mehrheit für die Konservativen und Salisbury wurde Premierminister.

    Als die Liberalen bei den Wahlen 1892 die Mehrheit erreichten und Gladstone zum 4. Mal Premierminister wurde, legte er 1893 einen zweiten Antrag Home Rule vor. Diese zweite Version unterschied sich von der ersten in verschiedenen Punkten.

    Einerseits war vorgesehen, daß 80 irische Abgeordnete weiterhin in Westminster blieben. Das war die Reaktion auf den Vorwurf, daß ein eigenes Parlament für Irland die Union zerstören würde.

    Andererseits bemühte sich Gladstone, dieses Mal die spezielle Situation in Ulster und die Furcht der protestantischen Bevölkerung vor einem katholisch regierten Irland besser zu berücksichtigen. Dennoch wurden keine Sonderregelungen für Nordirland getroffen.

    In der Abstimmung im Unterhaus votierten 347 zu 304 Stimmen für Home Rule. Im Oberhaus wurde der Antrag jedoch mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

    1894 zog sich Gladstone von seinem Amt und damit gleichzeitig aus der Politik zurück.

    Nach Parnells Tod, dem Scheitern der Gesetzesanträge auf Selbstverwaltung und Gladstones Rücktritt schien es, daß keine Hoffnung auf ein eigenes Parlament in Dublin bestand.

     

     

    4. Ausblick auf den weiteren Verlauf der irischen

    Freiheitsbestrebungen

    4.1. Die Durchsetzung von Home Rule

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    Die zweite Vorlage der Home Rule Bill war am Veto des Oberhauses gescheitert. Es war also klar, daß eine Reform des Oberhauses dringend nötig war. Dies hatten schon Gladstone und die Anhänger von Home Rule erkannt, dennoch dauerte es bis zur Durchsetzung noch bis 1911. Nachdem nämlich das Oberhaus für das Scheitern des britischen Budgets von 1909 verantwortlich war, wurde ihm durch ein Parlamentsgesetz das Vetorecht in bezug auf Finanzvorlagen aberkannt. In allen übrigen Fragen erhielt der Einspruch des Oberhauses einen aufschiebenden Charakter.

    Die 1912 vorgelegte dritte Home Rule Bill unterschied sich im wesentlichen nicht von der von 1893. Wieder war ein eigenes irisches Parlament vorgesehen, wieder sollten weiterhin irische Abgeordnete in Westminster bleiben und wieder war vorgesehen, daß Ulster nicht vom Süden Irlands getrennt würde. Allerdings sollte die britische Regierung einen größeren Einfluß auf die irischen Finanzen haben. Diese Home Rule Bill scheiterte sowohl 1912 als auch 1913 nach vorherigem Beschluß durch das Unterhaus am Veto des Oberhauses.

    1914 wurde die Home Rule Bill erlassen, da das Oberhaus keinen weiteren Aufschub mehr erwirken konnte. Aufgrund des Beginns des ersten Weltkrieges und im Hinblick auf einen drohenden Bürgerkrieg wurde sie vorerst nicht in Kraft gesetzt.

     

    4.2. Unionismus in Ulster

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    Die Region Ulster umfaßte die Grafschaften Fermanagh, Tyrone, Londonderry, Antrim, Down und Armagh. Seit Jahrhunderten waren Protestanten in Irland angesiedelt worden, um loyale britische Bauern gegen die stets mit Rebellion drohenden Iren "auszutauschen".

    Bald war die Mehrheit der Bevölkerung in Nordirland protestantisch und es entwickelte sich unter ihnen eine eigenständige Identität.

    Unionismus bedeutete Angst vor einem Ende der Union und diese Furcht setzte mit dem Beginn von Gladstones Bemühungen um Home Rule ein.

    Das Festhalten an der Union hatte teilweise wirtschaftliche Gründe. Ulster war die einzige Region in Irland, die über eine Industrie verfügte, und die Wirtschaft war stark mit der Großbritanniens verknüpft.

    Die andere Ursache für die Forderung nach Aufrechterhaltung der Union war religiöser Natur. Unter den Protestanten in Ulster galt das Schlagwort: "Home Rule is Rome Rule". Dies war der Ausdruck der Furcht vor einer katholischen Regierung.

    Nachdem die Unionisten in Edward Carson einen fähigen Anführer gefunden hatten, waren sie bereit, die Union auch mit Einsatz von Waffen zu verteidigen. 1912 wurde die Ulster Volunteer Force (U.V.F.) gegründet.

     

    4.3. Der Weg zur irischen Republik

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    Die Irish Republican Brotherhood organisierte für 1916, als Großbritannien durch den ersten Weltkrieg abgelenkt war, einen Aufstand – den Osteraufstand. Die Rebellion war ein Mißerfolg, weil die Unterstützung durch das Volk fehlte und er außerdem bald brutal niedergeschlagen wurde. Die gleichzeitig vom politischen Arm der I.R.B., der Sinn Féin Partei , geplante Ausrufung der Irischen Republik scheiterte aus diesem Grund ebenfalls. Aus der I.R.B. war nach der Verbindung mit einem anderen Militärverband die I.R.A., die Irish Republican Army, entstanden. Die Anführer des Aufstandes wurden im Schnellverfahren verurteilt und hingerichtet. Nach diesen übereilten Urteilen schlug die Meinung im Volk allerdings um und die Sinn Féin Partei gewann an Bedeutung.

    1919 gewann sie einen großen Teil der irischen Parlamentssitze. Die Abgeordneten betrieben eine Boykottpolitik und nahmen nicht an des Sitzungen in Westminster teil. Statt dessen riefen sie in Leinster House ein eigenes irisches Parlament, das Dáil Éireann, aus. Sie bestätigten die Unabhängigkeitserklärung von 1916 und erließen eine Verfassung.

    Der irische Unabhängigkeitskrieg, 1919-1921 war vorerst kein konkreter Aufstand sondern ein Guerillakrieg. Der erste Anschlag erfolgte als Bestätigung für das neue Parlament am Tag seiner Einrichtung. Bald nach Beginn der Angriffe durch die I.R.A. verhängte die britische Regierung das Kriegsrecht. Die Kämpfe nahmen grausame Formen an. Im Sommer 1921 schlossen die britische Regierung und die I.R.A. einen Waffenstillstand.

    1920 wurde Government of Ireland Act erlassen. Dieses Gesetz sah ein eigenes Parlament für Ulster und eines für Südirland vor. Im Jahr 1921 wurde das Parlament in Nordirland eröffnet. Im Rahmen der Friedensverhandlung zwischen der I.R.A. und der britischen Regierung erhielt Südirland unter der Bezeichnung Irischer Freistaat den Dominionstatus (Der Dominionsstatus bedeutet, dass Irland ähnlich wie Kanada, Australien, Südafrika und Neuseeland eine eigene Legislative und eine ihr zugeordnete Exekutive hat. Als Repräsentant der Krone agiert ein Generalgoverneur). Das bedeutete das Ende der Union. Der Vertrag, bei dessen Aushandlung nur ein Teil von Sinn Féin beteiligt war, führte zur Spaltung von Sinn Féin und zum Bürgerkrieg zwischen diesen Gruppen 1922/1923.

    Der Freiheitskampf in Irland endete, als am 29. Dezember 1937 eine neue irische Verfassung erlassen wurde. Der irische Staat erhielt die Bezeichnung Eire und sagte sich, wenn auch nicht formell, vom Commonwealth los. Dies war jedoch nicht das Ende der Probleme, da aufgrund der früheren Konflikte die Beziehungen zu Großbritannien schlecht blieben. Anfänglich wollte selbst die Regierung nicht auf eine Eingliederung Ulsters verzichten, später beschränkte sich dieser Wunsch auf terroristische Gruppen, die an diesem Bestreben bis heute festhalten.

     

    5. Der Zusammenhang zwischen der Großen Hungersnot und den Freiheitsbestrebungen in Irland.

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    Bei der Betrachtung der dargestellten Entwicklung von der Hungersnot 1845 bis zum Ende der Union 1921 stellt sich die Frage, ob und in wieweit ein Kausalzusammenhang zwischen diesen Ereignissen besteht. Die Große Hungersnot wird oft als Wasserscheide in der irischen Geschichte gesehen, ihre Auswirkungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

    Die Situation war auch vor 1845 aufgrund der Jahrhunderte britischer Fremdherrschaft schon angespannt.

    Die Reaktion Englands auf den Nahrungsmangel wurde aber von einem großen Teil der Bevölkerung als harte und unmenschliche Haltung empfunden. Viele Iren waren aufgrund der Not in die USA, nach England oder Australien ausgewandert. Sie nahmen ihre Erinnerungen an die Not und den Haß auf Großbritannien, das sie ihrer Meinung nach zur Emigration gezwungen hatte, mit in ihre neue Heimat. Eine große Zahl der irischen Auswanderer bildete aus diesem Grund den moralischen und finanziellen Rückhalt für den Geheimbund der Fenier, für die Irish National League und Irish National Land League.

  • "[...] wahrscheinlich sind es diese Verbindungen, in denen das Haupterbe des Großen Hungers zu sehen ist."
  • Andere Historiker gehen soweit, in der Hungersnot den Beginn für die gewalttätigen Bemühungen um eine Lösung von der Union zu sehen:

  • "Wäre bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts eine friedliche Lösung auf dem Verhandlungstisch vielleicht noch denkbar gewesen, so war nach der Hungersnot der weitere Weg Irlands in die Gewalt bereits vorgezeichnet."
  • Eine andere Veränderung, die sich nach der Hungersnot in Irland vollzog, war demographischer Art. Das Heiratsalter stieg an und dadurch nahm die Kinderzahl ab. Da man außerdem von der Praxis der Realteilung abging und nur noch an den ältesten Sohn weitervererbt wurde, entstanden größere Höfe. Das Einkommen der Pächter stieg und damit auch ihr Selbstvertrauen.

  • "Dieser Wandel wiederum stärkte das Selbstbewußtsein der vormals Unterprivilegierten, die zunehmend auf die Erweiterung ihrer Rechte pochten."
  • Dieses Verlangen nach einem Ausbau ihrer Rechte nahm jedoch keine revolutionären Formen an, schließlich waren die Pächter in einer guten wirtschaftlichen Situation, die sich durch einen Aufstand wahrscheinlich verschlechtert hätte.

    Die Ereignisse von über sechzig Jahren können selbstverständlich nicht auf einen einzigen Vorfall zurückgeführt werden. Dennoch muß eine Katastrophe, die eine Million Menschen tötete, große Relevanz in der Geschichte eines Landes haben.

     


    Last update 99-01-05

    © by Barbara C.