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Der Dresdener Maya-Codex

 

 

1.   Die Geschichte des Dresdener Codex

 

Der Dresdener Codex ist eine der wertvollsten Quellen für das Verständnis der Maya-Kultur. Mit Hilfe dieser indianischen Handschrift wurde die Entzifferung der Hieroglyphenschrift der Maya erst möglich gemacht. Die schönsten und bekanntesten der Maya-Götterfiguren, welche heute in der Literatur abgebildet werden, entstammen dem Dresdener Codex. Der Dresdener Codex verdankt seinen Namen dem Ort, wo er heute aufbewahrt wird. Er befindet sich in der Sächsischen Landesbibliothek zu Dresden, Deutschland. Die Geschichte dieser einmaligen Handschrift lässt sich einigermaßen verlässlich rekonstruieren. Der berühmte spanische Eroberer Hernán Cortéz hat diese Handschrift sehr wahrscheinlich persönlich im Jahre 1519 zusammen mit anderen “Kuriositäten“ und den üblichen Schätzen nach Madrid schicken lassen. Von dort aus gelangte der Codex später nach Wien, wo der damalige spanische König Carlos V ebenfalls eine Residenz hatte. In Wien ruhte der Codex unbeachtet, bis er im Jahre 1739 von Johann Christian Götze, welcher damals Vorsteher der Königlichen Bibliothek zu Dresden war, in einer Privatsammlung entdeckt wurde. Der Codex wurde ihm von dem unbekannten Besitzer wohl geschenkt, da es sich hier um etwas ganz Unverständliches und deshalb Wertloses handelte. Von Götze aber wurde der Codex Anfang des Jahres 1740 der Königlichen Bibliothek übergeben.

 

 

2.    Die Herkunft des Dresdener Codex

 

Hernán Cortéz ist damals an der Küste Yukatáns entlanggesegelt, zwischen Cozumel und Zempoala. Wir können deshalb vermuten, dass der Codex aus Yukatán stammt. Diese Vermutung wird gestützt durch verschiedene Hieroglyphenvarianten, welche auf Sprachen beruhen, die in Yukatán gesprochen wurden, und nicht in Chiapas oder in Guatemala. Aufgrund der umfangreichen astronomischen Informationen, welche der Dresdener Codex enthält, wird von vielen Experten angenommen, er stamme aus Chichen Itzá. Entstanden ist der Codex in der nachklassischen Maya-Periode, ungefähr um 1250. Der Codex enthält einige “Schreibfehler“, welche darauf hinweisen, dass Passagen des Codex von älteren Handschriften kopiert worden sind. Aufgrund der Daten, welche der Codex enthält, lässt sich nachweisen, dass diese älteren Codexe bis in die klassische Periode zurückreichten.

 

 

3.     Die Herstellung der Maya-Codexe

 

Von den Maya sind bis heute nur drei Codexe bekannt, der Dresdener, der Pariser und der Madrider Codex. (Der sogenannte Grolier Codex ist, wie wir heute wissen, eine Fälschung.)

Alle drei bekannten Maya-Codexe bestehen aus sogenanntem Amate-Papier. Dieses Papier stellten die Maya und andere mesoamerikanische Völker aus der inneren Rinde eines wilden Feigenbaumes her (ficus cotinifolia). Diese Rinde wurde zerkocht, auf einem glatten Holzbrett in Streifen gitterförmig ausgelegt und mit einem glatten Stein breitgeschlagen, so dass sich eine verfilzte Oberfläche ergab. Anschließend ließ man diesen dünnen Filz einfach an der Sonne trocknen. Um auf der Oberfläche zeichnen zu können, muss man das fertige Papier allerdings mit einer dünnen Stuckschicht überziehen. Dazu wurde eine spezielle Kalkart verwendet. Das fertige Produkt erlaubte das Zeichnen von extrem kleinen Details. Nach der Herstellung des Papiers wurde der lange Streifen schließlich akkordeonförmig gefaltet, bzw. einzelne Streifen wurden aneinandergeklebt, um einen langen Codex zu erhalten. Der Madrider Codex ist mit 6,80 Metern Länge und 115 bemalten Seiten der größte Maya-Codex. Der Dresdener Codex besteht aus 39 Blättern, welche 9 mal 21 cm messen und beidseitig bemalt sind. Allerdings sind vier Seiten unbemalt, so dass sich 74 bemalte Seiten ergeben. Insgesamt ist der Codex 3,56 m lang. Damit ist er der zweitgrößte Maya-Codex.

 

 

4.     Der Inhalt des Dresdener Codex

 

Der Dresdener Codex lässt sich in verschiedene Kapitel unterteilen. Er enthält zeremonielle Almanache für verschiedene Götter, Beschreibungen von Zeremonien zum Jahresanfang, Berechnungstafeln für Sonnen- und Mondfinsternisse sowie für die Positionen der Planeten Venus und Mars, eine Tafel für eine Sintflut und eine Tafel für eine historische Katun-Prophezeiung.

 

 

5.     Die aktuelle Rekonstruktion

 

Der vorliegende “Neue Dresdener Codex, Version A” ist eine Rekonstruktion. Wer die verschiedenen Facsimile-Ausgaben der Maya-Codexe kennt, weiss, dass die Original-Codexe leider sehr beschädigt sind. Die feine Stuckschicht ist vor allem an den Ecken oft abgerieben. Somit ist eine vollständige Rekonstruktion des Codex unmöglich geworden. Auch die Figuren selber sind fast immer beschädigt. Für den Zweck dieser Ausgabe wurden die Seiten 4 bis 15 des Originalcodex neu gezeichnet. Alle Figuren wurden in der originalen Anordnung belassen. Die Zahlen und Tageshieroglyphen habe ich wenn nötig, gemäß der Logik des Maya-Kalenders, sinnvoll rekonstruiert bzw. neu berechnet.

 

 

6.     Die Beschreibung des Codex

 

Dieser Codex zeigt einige der schönsten und bekanntesten Mayagötter, so wie sie im Dresdener Maya-Codex dargestellt sind. Die Seiten des Codex sind in Form von Almanachen gestaltet, d.h. in Form von kalendarischen Tafeln, welche die Tage des Heiligen Kalenders bezeichnen, an denen die Götter ihre Rituale durchführen. Jeder Almanach beginnt mit einer Spalte von meistens 5 Hieroglyphen, welche Tageszeichen des Heiligen Kalenders von 260 Tagen darstellen, auch Tzolk´in genannt. Über dieser Spalte befindet sich eine rote Zahl. Zur Rechten sind horizontal schwarze und rote Zahlen gezeichnet. Die roten Zahlen sind Koeffizienten des Heiligen Tages, während die schwarzen Zahlen die Anzahl der Tage zwischen jeweils zwei Daten angeben. Die Koeffizienten werden nur bis 13 gezählt.

 

  0    1     5     20

Über den Götterzeichnungen befinden sich Hieroglyphenzeichen, welche kurze Texte formen und die entsprechende Szene beschreiben.

 

 

7.     Die Beschreibung der Mayagötter

 

Im folgenden findet der Leser eine kurze Beschreibung der Mayagötter. Die Hieroglyphen, welche hier abgebildet sind, geben die Namen der Götter wieder. Die Zahlen hinter den Göttern beziehen sich auf die Seite, den Abschnitt und Figur, z.B. hat der Jaguar in diesem Codex die Position 5A2 (Seite 5, oberer Abschnitt, 2. Figur).

 

Itzamná  (1B, 3B1, 6B)

 

Der Gott Itzamná ist einer der wichtigsten Götter des Mayapantheons. Er wird von vielen Maya als Vater aller anderen Götter angesehen. Der Gott Itzamná ist ein weiser, alter Gott, welcher im Himmel residiert. Itzamná bedeutet soviel wie “erster Schamane oder Zauberer“. Die Schamanen und Kalenderpriester, welche mit Hilfe des heiligen Tzolkin-Kalenders gute und schlechte Tage vorhersagten, empfingen von ihm ihr Wissen. Itzamná ist nicht nur der Erfinder des komplizierten Mayakalenders, sondern auch der Hieroglyphenschrift. Auf Seite 1 schaut Itzamná aus dem Rachen des Himmelsdrachens heraus.

 

Zak Kolel  (11C2)

 

Zak Kolel bedeutet “Die Reine Jungfrau“. Sie ist die Göttin der Liebe. Erkennbar ist sie an ihrer grossen Brust und ihrer herunterhängenden Haarlocke. Im Dresdener Codex sieht man sie oft in sexueller Vereinigung mit verschiedenen Göttern. Als junge Mondgöttin stellt sie den zunehmenden Mond dar. So wie der Mond zunimmt, wird auch der Bauch einer schwangeren Frau immer runder. Die junge Mondgöttin ist ebenfalls eine Göttin der Medizin. Sie wird in den Codexes oft mit verschiedenen Vögeln dargestellt, welche das Schicksal von Krankheiten darstellen.

 

K’in Ahau  (1C1, 9C3, 12A1)

 

K’in Ahau ist der Sonnengott. K’in heißt auf Maya “Sonne“, während Ahau wörtlich “Herr“ oder “Herrscher“ bedeutet; zusammen also “Herr der Sonne“. Die Hieroglyphe k’in ist auch auf seinem Arm erkennbar. Der Sonnengott ist der einzige Gott welcher häufig mit einem Kinnbart dargestellt wird. In klassischen Inschriften wird er oft mit einem angefeilten Zahn gezeigt. In Datumsinschriften kann sein Kopf für die Zahl Nummer “vier“ stehen. Ein anderer Name des Sonnengottes ist K’inich Ahau, was “sonnengesichtiger Herr“ bedeutet.

 

Naal  (6A3, 8B2, 9A1)

 

Der Maisgott gehört zu den am häufigsten verehrten Göttern der Maya. Von seiner Gnade hing das Wohlergehen der Menschen direkt ab. Der Mais ist für die Maya die wichtigste Pflanze. Die “Maya-Bibel“, das Popol Vuh, berichtet, wie die Maya-Menschen aus Mais erschaffen wurden. Der Name des Maisgottes war Naal und Hunaal-Yeh, was “Maisspross” und “Verkörperung des ersten Maissprosses” bedeutet. Der Maisgott wird fälschlicherweise oft als Yuum K’aax bezeichnet. Dieser Göttername ist übrigens gar nicht überliefert. Überliefert ist der Begriff yumil k’axob, was “Herren der waldbedeckten Hügel” bedeutet. Dieser bezieht sich auf beschützende Berggeister, welche nichts mit dem Maisgott zu tun haben. Die Verwechslung mit dem Maisgott begann mit Sylvanus Morley, welcher den Namen des Maisgottes nicht kannte und ihn in seinem Buch “The Ancient Maya” zum ersten Mal als Yum Kax bezeichnete. Dieser Fehler ist seitdem immer wieder kopiert worden. Den Maisgott erkennt man an seinem Kopfputz, der in Form eines Maissprosses dargestellt wird. Als Zahlengott representiert der Maisgott die Zahl Nummer “acht”.

 

K’uk’ulkan (3A2, 4C3, 9B2)

 

Der Gott K’uk’ulkan, oder Kukulcan in traditioneller Schreibweise, ist ein fremder Gott, der erst in nachklassischer Zeit bei den Maya auftaucht. In seiner Hieroglyphe sieht man vor dem Kopf ein Zeichen, das ein Federbüschel darstellt, auf Maya k’uk’ul; der Kopf zeigt ein aus kleinen Kreisen bestehendes Schmuckelement, das auch in der Tageshieroglyphe Chikchan vorkommt, was “Schlange” bedeutet. Zusammen also “Gefiederte Schlange”. Bei den Azteken ist dieser Gott als Quetzalcoatl bekannt. K’uk’ulkan ist ein Venusgott. Als Gegenspieler des aztekischen Gottes Mictlantecuhtli wird er auch als “Gott des Lebens” bezeichnet.

 

Xaman Ek’ (2A2, 10B3)

 

Xaman Ek’ ist der Gott der Reisenden. Er ist an seinem Affengesicht erkennbar. Wahrscheinlich stellt er den Brüllaffen dar, der bei den Maya als heilig galt. Xaman Ek’ bedeutet “Stern des Nordens”. Als Polarstern gibt er den nachts reisenden Menschen Orientierung. Die Namenshieroglyphe des Xaman Ek’ liest man wörtlich als k´uhul, was “heilig“ oder “göttlich“ bedeutet. Sie wird oft als Attribut der Götternamen verwendet.

Xaman Ek’ ist ein Himmelsgott. Er wird in den Codices der Maya stets im Himmel gezeigt, nie auf der Erde. Sein Vorbild, der Brüllaffe, hält sich ebenfalls stets in den hohen Baumkronen des Regenwaldes auf und steigt nie auf die Erde herab.

 

Chaak  (7B1, 8C3, 12B1)

 

Der Regengott Chaak ist leicht an seiner langen, rüsselförmigen Nase zu erkennen. Sein Name bedeutet “Regen”, sowie auch “Riese”. Dieser Gott wird in den Codices der Maya am häufigsten abgebildet. Wie andere Mayagötter auch, kann er sich in verschiedene Götter aufspalten. So sieht man ihn oftmals als vierfachen Gott, welcher den vier Himmelsrichtungen zugeordnet ist: der rote Chaak sitzt im Osten, der gelbe Chaak im Süden, der schwarze Chaak im Westen und der weiße Chaak im Norden. Der Regengott wird oft mit einem Beil in der Hand gezeigt. Damit schlägt er in die Wolken, um den Donner zu erzeugen. Mit seiner Fackel erzeugt er die Blitze.

 

Chaak Balam  (5A2)

 

Die Maya besitzen verschiedene Tiergötter. Der wichtigste Tiergott war der Jaguar. Chaak Balam bedeutet “Großer Jaguar”. Er wird manchmal mit einer Seerose geschmückt, da sich Jaguare oft am Wasser aufhalten. Der Jaguar ist das gefürchtetste, aber auch das am meisten verehrte Tier. Diese mächtige und elegante Katze diente seit Urzeiten als Symbol der Königsmacht. Der Maya-König ist oft auf einem doppelköpfigen Jaguarthron zu sehen. Die Maya assoziieren den Jaguar außerdem mit der Sonne in der Unterwelt. Die Olmeken glaubten, dass ihr Volk aus der Verbindung einer Menschenfrau mit einem Jaguar hervorgegangen sei.

 

Bolon Tz’akab K’awil (9A2)

 

Der K’awil-Gott ist einer wichtigsten Götter der Maya-Herrscher. In klassischer Zeit fungiert er als Zeptergott. Zu erkennen ist er daran, dass eines seiner Beine in eine Schlange übergeht. Ausserdem wird seine Stirn als Spiegel dargestellt, in dem ein rauchendes Beil steckt. K’awil heisst “Verkörperung”. Bolon Tz’akab bedeutet “Neun Generationen”. Der K’awil-Gott verkörpert die Verbindung der Maya-Elite zur Macht der Ahnen. Der spätklassische K’awil-Gott ist an seiner grossen, zerfransten Nase zu erkennen. Er gilt auch als Fruchtbarkeitsgott.

 

Kuy  (4C2, 7A1)

 

Die Eule Kuy ist ein Symbol des Krieges. Ihr Ruf verkündet eine bevorstehende Schlacht. Der Name Kuy wird von einigen Maya-Herrschern, welche sich für erfolgreiche Feldherren hielten, als Beiname geführt, z.B. vom berühmten Herrscher Pakal von Palenque.

 

Kimi  (7C1, 10A2, 10B1)

 

Der Todesgott Kimi ist leicht als Skelett erkennbar. Im Hochland von Chiapas ist der Todesgott auch unter dem Namen Ah Puch bekannt. Für das Gebiet von Yukatán lässt sich dieser Name nicht nachweisen.

 

Lahun P’et  (3B2, 5C2, 7B2)

 

Lahun P’et bedeutet “Zehn Opfer”. Er ist der Gott der Menschenopfer. Sein Ohrschmuck ist ein Jaguarschwanz. Die punktartige Bemalung seines Körpers stellt die abgezogene Haut eines Gefangenen dar, welche er sich überstreift hat. Er ist das Gegenstück zum aztekischen Gott Xipe Totec.

 

Buluk Ch’abtan  (2B2, 3A1)

 

Buluk Ch’abtan bedeutet “Elf Fasten”. Er ist der Gott der Hungersnöte und Entbehrungen. Er wird ebenfalls beim Bohren des Neuen Feuers gezeigt.

 

Jobnil  (4A1, 11C2)

 

Jobnil ist der Herrscher der Unterwelt. Sein Name bedeutet “der schnelle Zerstörer”. Zu erkennen ist er an seiner schwarzen Körperbemalung und an seinem Eulenhut.

 

 

8.        Beispiele für Hieroglyphen-Texte

 

 

(5B)

 

 

 

 

[u] nuch hol kimi oxlahun kuy

 

“Sie beraten miteinander, der Todesgott Kimi und die Eule der 13 Himmel.”

 

 

(7B1)

 

 

 

 

ochiy u kakaw chaak ox ok wah

 

“Der Regengott Chaak klappert mit seinem Kakao. Überfluss an Nahrung [ist die Prophezeihung].”

 

 

(10B3)

 

 

 

 

u mak’ wah xaman ek’ ox ok wah

 

“Der Gott des Polarsterns Xaman Ek’ empfängt die Maisnahrung. Überfluss an Nahrung [ist die Prophezeihung].”

 

 

(10C2)

 

 

 

 

k’uch yatanil tzul ...

 

“Die Geier-Frau heiratet den Hunde-Mann....” Die Bedeutung dieser seltsamen Hochzeit ist nicht bekannt. Eventuell handelt es sich um eine astronomische Konstellation.

 

 

(12B1)

 

 

 

 

u pak’ah tzen chaak ahaulel

 

“Er pflanzte die Nahrung, der Regengott Chaak, der Herrscher.”

 

 

 


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