Diplomarbeit im Fach Sozialarbeit/Sozialpädagogik
Erstkorrektor: Dipl. Pol. Michael Moreitz
Zweitkorrektorin: Prof. Dr. Birgit Rommelspacher
Vielen Dank an: Steffi Friedrich (wo immer sie auch steckt) - für´s zeigen, wie
ein Gothic aussieht (lange her!); Dirk Heinke - für die schwarzen (!) Striche
und Kringel; Peter Winkler - für das dicke Paket; Marén Börner - für die
wunderbaren Fotos; das Cafe Schwarz- und das Darkstore- Team - für den
vortrefflichen Gerstensaft; das Archiv der Jugendkulturen - für seine Arbeit;
die Grufties gegen Rechts - für die Informationen; gruftieland.de (der Name war
schöner!), die Pagans Against Fascism und alle meine Interviewpartner - für die
Beanwortung von meinen dummen Fragen und Zoe Rothberg für ihre Existenz.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Jedem, der eine Arbeit, die sich "Ideologie einer Jugendkultur" nennt zur Hand
nimmt, muss von Anfang an klar sein, dass letztlich der Anspruch, wirklich die
Ideen- und Lebenswelt einer ganzen Jugendkultur zu beschreiben, scheitern muss.
Dieses Scheitern betrifft auch naturgemäß die vorliegende Arbeit. Hier konnte
nur versucht werden, einige Aspekte der vielfältigen Gothic- und Darkwave- Szene
aufzuzeigen und Schwerpunkte zu setzen. Diese Schwerpunkte wurden nach zwei
Gesichtspunkten ausgesucht. Der erste Schwerpunkt soll bei dem liegen, was
denjenigen interessieren könnte, der wenig bis nichts über die hier behandelte
Jugendkultur weiß. Der erste Schwerpunkt ist für denjenigen Leser gedacht, der,
ob nun zufällig oder aus beruflichen Gründen, mit Menschen aus der Gothic- und
Darkwaveszene zu tun hat. Der zweite Schwerpunkt besteht in der Betrachtung von
Aspekten, die die Szene selbst interessiert und in Themen, die in der
Jugendkultur selbst diskutiert werden. Da ich mich selbst (genau wie die meisten
Personen, die ich interviewt habe), als Sympathisant dieser Jugendkultur
verstehe (Menschen die von sich selbst sagen, dass sie Gothics oder Dark- Waver
sind trifft man anscheinend höchst selten), glaube ich beurteilen zu können,
dass ich mit dem Thema "Völkische und Rechtsextremistische Tendenzen" der Szene,
das im Moment "heißeste Eisen" der Szene angepackt zu haben. Ich erwarte dafür
nicht unbedingt positive Reaktionen aus der Szene selber, da es anscheinend
(leider) immer noch als Nestbeschmutzung gilt, diese Tendenzen, die ich versucht
habe möglichst neutral und wenig wertend darzustellen, anzusprechen. Natürlich
besteht in diesem Zusammenhang besonders für den außenstehenden Leser die
Gefahr, mich misszuverstehen. Deswegen möchte ich hier noch einmal schreiben,
auf was im Text selbst mehrfach hingewiesen wird. Die Gothic- und Darkwave-
Szene an sich ist nicht politischer oder unpolitischer als die
Durchschnittsgesellschaft. Wenn es, die gesamte Dauer der "Existenz" der Szene
betrachtet gesehen, eine Tendenz in eine politische Richtung gab, dann
sicherlich eher nach "links", möglicherweise in Richtung einer Art, nicht als
wirkliche politische Theorie gefassten "Anarchismus" oder in Richtung einer
"Liberalität", im Sinne von Erhalt und Erlangung "individueller Freiheit".
Dieses hat sich erst in den letzten Jahren ein wenig verändert, und ich denke
nicht, dass das zufällig bzw. alleine aus der Gedankenwelt der Gothics selbst zu
erklären ist, sondern hauptsächlich etwas mit Entwicklungen der
Gesamtgesellschaft zu tun hat. Das heisst jedoch nicht, dass es nicht bestimmte
ideologische Denkmuster der Szene gibt, die dieser Entwicklung entgegen kommen.
Wie schon angedeutet fehlen viele Aspekte, einer davon ist die Erstarkung des
Black- Metal Einflusses auf die schwarze Szene insgesamt. Deswegen bitte ich in
Hinblick auf rechtsextremistische Tendenzen auf diesem Gebiet, den mir erst kurz
vor Abgabe dieser Arbeit bekannt gewordenen, von der Konrad- Adenauer- Stiftung
publizierten Aufsatz von Daniela Tandecki zu beachten. Möglicherweise habe ich,
aufgrund meines Desinteresses für BURZUM und ähnliche Bands, die mit Gothic nun
wirklich nicht zu tun haben, den Einfluss der "Lords of Chaos" auf das
Gedankengut von manchen "Szenegängern" unterschätzt. Möglicherweise fielen einig
Aussagen über die Gothic- Kultur auch deshalb etwas negativer aus, da bis jetzt
in allen wissenschaftlichen Büchern und Diplomarbeiten diese Jugendkultur sehr
freundlich (und meines Erachtens manchmal etwas zu freundlich) behandelt wurde.
Anders verhielte es sich nur mit Berichten der Massenmedien, die nach wie vor
fast durch völlige Unkenntnis der Szene auffallen. Eine etwas verwunderliche
Tatsache, da mir selbst mehrere, zumindest ehemalige "Grufties" bzw. "Waver"
bekannt sind, die journalistisch tätig sind. Ich kann mir mittlerweile
eigentlich nur vorstellen, dass Jugendkulturen für Massenmedien wohl nur dann
interessant werden, wenn sie durch ihr Verhalten an irgendwelchen Tabus rütteln,
vielleicht ist auch das der Hintergrund dafür, dass "Grufties" in den Medien
immer noch nur "Gräber schänden", "schwarze Messen feiern", "Geister
beschwören", sich selbst umbringen und neuerdings eben auch "Runen und
Hakenkreuze kritzeln". Ich hoffe es wird auch weiter unendlich viele Leute in
der Szene geben, die diese Klischees nicht erfüllen wollen - und genau für die
habe ich diese Arbeit geschrieben.
2. Einordnung und Geschichte
2.1. Ideologie
Die vorliegende Arbeit hat den Titel "Ideologie einer Jugendkultur"; das wird
den einen oder anderen Leser wahrscheinlich verwundern. Da der Begriff der
Jugendkultur nur selten im Zusammenhang mit Ideologie verwendet wird ist es hier
notwendig, den Terminus "Ideologie" näher zu erläutern - ohne jedoch die gesamte
Entwicklungsgeschichte des Begriffes "Ideologie" im einzelnen nachvollziehen zu
können.1
"´Ideologie´ (I.) ist ein polysemantischer gesellschaftswissenschaftlicher und
epistemologischer Begriff zur Bezeichnung einer systemischen Einheit von
ideellen und institutionell objektivierten Vergesellschaftungsformen des
Bewußtseins . Der Extension nach umfaßt I. Annahmen, Präsuppositionen, Theorien
u.a., die als Inhalte epistemischen (rational begründeten) und doxatischen (doxa
= Meinung) Wissens vorliegen und an Prinzipien, Dogmen und Idealen orientierte
Einstellungen und Wertungen ausdrücken; ..."2
Durch die Vieldeutigkeit des Begriffes, ist die Gefahr der Beliebigkeit der
Benutzung gegeben. Vor allem in der Alltagssprache ist das Wort "Ideologie"
einem starken "Verlust der Begriffsschärfe"3 unterworfen. Er wird oft entweder
fälschlicherweise als Begriff aufgefasst, der getrennt von der Basis existiert
(im Sinne des Modells Basis- Überbau). Man verwendet ihn abwertend zur
Beschreibung bestimmter politischer Lösungen oder man geht soweit, alle
"Ideologien" als unnütz abzutun.4 So verkommt der Begriff zu einem
Bezichtigungsbegriff:
"Wer ihn gebraucht, schreibt ihn prinzipiell anderen zu, nicht aber sich selber;
wer ihn umgangssprachlich benutzt, äußert einen Verdacht; die als Wissen
genommene spontane Meinung des Alltagsverstands geht von der Gewißheit aus,
getäuscht werden zu sollen, und von der Furcht, die Täuschung mangels rationaler
Kritik-Kriterien nicht durchschauen zu können. So wird der Ideologieverdacht
eine Präventivmaßnahme zum Schutz existentieller Weltbilder."5
Im vorliegenden Text, soll der Begriff "Ideologie" im Sinne der Reflexion des
Verhältnisses von Sein und Bewusstsein verwendet werden; also im ursprünglichen
Wortsinn der "Lehre von Ideen" - Ideen, die natürlich nur in Wechselwirkung mit
institutionellen und ökonomischen Gegebenheiten existieren. Dabei muss die
Tendenz der postmodernen Gesellschaft berücksichtigt werden, sich in
verschiedene Lebensbereiche aufzuspalten; es ist somit nicht einfach möglich
ideologische Einflüsse und eventuell sie tragende Institutionen zu
identifizieren. Der Forderung von Horkheimer:
"Der Name der Ideologie sollte dem seiner Abhängigkeit nicht bewußten,
geschichtlich aber bereits durchschaubaren Wissen, dem vor der
fortgeschrittensten Erkenntnis bereits zum Schein herabgesunkenen Meinen, im
Gegensatz zur Wahrheit vorbehalten werden."6
ist zwar im Prinzip beizupflichten. Das spricht aber nicht gegen den Titel der
Arbeit, da diese sich mit der Ideologie oder den Ideologien einer Jugendkultur
beschäftigt, welche als Teil (oder auch Gegenbild) der gesamten Gesellschaft
existiert. Da in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft eine totalitäre
Tendenz herrscht, wenn man der sogenannten "Kritischen Theorie" folgen will,
kann angenommen werden, dass also auch die Gothics und Dark- Waver nicht
unbedingt "die Wahrheit" gefunden haben. Außerdem dürfte die hier untersuchte
Jugendkultur (zumindest in großen Teilen) kaum zu dem, von Marcuse
festgestellten "Substrat der Geächteten und Außenseitern (...) (die) außerhalb
des demokratischen Prozesses (existieren) (...)"7 und das System der
fortgeschrittenen Industriegesellschaften treffen - und damit verändern können
zählen.8
2.2. Jugendkultur und Subkultur
2.2.1. Die Subkulturtheorie des "Centre for Contemporary Cultural Studies"
Das 1964 gegründete Forschungsinstitut "Centre for Contemporary Studies" (CCCS)
in Birmingham, England, beschäftigte sich vor allem Mitte der 70er Jahre mit dem
Bereich der Subkulturforschung. Das CCCS geht von zwei Stammkulturen der
westlichen Industriegesellschaft aus: Der bürgerlichen und der proletarischen.
Die, vor allem jugendlichen, Subkulturen sollen aus gesellschaftlicher und
sozialhistorischer Sicht analysiert werden. Das Konzept beruht auf der
Entschlüsselung, "wie gesellschaftliche Individuen, Gruppen und Klassen in einem
speziellen historischen Kontext das Rohmaterial ihrer sozialen und materiellen
Existenz handhaben und umsetzen."9 Die Subkulturen werden entsprechend,
ausgehend von ihrer Klassenzugehörigkeit, als kollektiv auf Widersprüche und
Probleme reagierend verstanden. Nach dieser Theorie bilden sich also vor allem
unter proletarischen Jugendlichen Subkulturen, da die dominierende Stammkultur
ihnen keine, ihnen entsprechenden, Lösungsmuster bieten kann:
"Die latente Funktion der Subkultur besteht darin, die Widersprüche, die in der
Stammkultur verborgen oder ungelöst bleiben, zum Ausdruck zu bringen und zu
lösen - wenn auch in magischer Weise. Der Aufstieg dieser Subkulturen, die aus
dieser Stammkultur hervorgingen, läßt sich also als Reihe ebenso vieler
Variationen auf ein zentrales Thema auffassen: Den Widerspruch auf ideologischer
Ebene zwischen dem traditionellen Puritanismus der Arbeiterklasse und der neuen
Konsumideologie, und den Widerspruch auf ökonomischer Eben(e) zwischen einem
Teil der Arbeiterklasse, der zur sozial mobilen Elite gehört und einem anderen,
der zum neuen Lumpenproletariat gehört."10
Die Jugendlichen handeln im Kollektiv, da es ihnen nicht möglich ist, die
gesamtgesellschaftlich dominierenden Normen der Mittelschicht zu übernehmen.
Gründe dafür können auf der einen Seite die ökonomische Situation, auf der
anderen Seite aber eben auch Stigmatisierung aufgrund ihrer proletarischen
Herkunft sein. Andererseits möchten sie auch nicht mehr den traditionellen
Werten der Arbeiterklasse folgen. Sie bilden sich ein eigenes Wertesystem,
folgen eigenen Ritualen, eignen sich Territorien an.11 Die jugendliche
Subkultur bildet einen eigenen Stil, der sowohl nach innen, als auch nach außen
eine kollektive Identität und ein Wir- Gefühl bilden will.
2.2.2 Theorie der Subkultur nach Rolf Schwendter12
Dem soziologischen Schichtenmodell folgend, stellt Schwendter fest, dass es am
Rande der typischen Schichten der Gesellschaftspyramide (z. B. Kleinbürgertum,
Proletariat usw.) Teile der Gesellschaft gibt, die sich mit den vorhandenen
Gruppen nicht identifizieren können und/oder wollen:
"Er definiert Subkultur als ´...Teil einer konkreten Gesellschaft, der sich in
seinen Institutionen, Bräuchen, Werkzeugen, Normen, Wertordnungssystemen,
Präferenzen, usw. ..., in einem wesentlichen Ausmaß von den herrschenden
Institutionen etc. der jeweiligen Gesamtgesellschaft unterscheidet´."13
Subkulturen stehen, egal ob sie die Gesellschaft verändern oder nichts mit ihr
zu tun haben wollen, immer in einer dialektischen Abhängigkeit zu der
Gesamtgesellschaft. Für Schwendter gibt es auch Subkulturen in der
Erwachsenenwelt, er zählt dazu die Anhänger von Rudi Dutschke, Timothey Leary
und Frank Zappa.
"In seiner "Theorie der Subkultur" unterscheidet Schwendter zwischen
unfreiwilligen und freiwilligen, sowie regressiven und progressiven Subkulturen.
Innerhalb der progressiven Subkulturen differenziert Schwendter nochmals
zwischen rationalistischen und emotionalen Strömungen."14
Regressive Subkulturen wollen das gestrige wieder zurück haben, sie versuchen
Werte und Normen wiederzubeleben, die gesamtgesellschaftlich aus der Mode
gekommen sind oder sich verändert haben. Laut Schwendter vertreten sie oft
völkische Ideen, sind antidemokratisch und glauben an die Überlegenheit der
weißen Rasse. Die Herkunft dieser Subkulturen ortet er aus dem Kleinbürgertum
und dem Lumpenproletariat herkommend. Beispiele seien v. a. männlich dominierte
Jugendstile wie z. B. Teddys, Halbstarke, Teile der Rocker, rechte Skinheads und
rechtskonservative Studentenbünde.
2.2.3. Soziologie jugendlicher Subkulturen nach Mike Brake15
Nach Brake sind Subkulturen als Subsysteme der umfassenden Klassenkultur zu
begreifen. Sie heben sich in Lebensstil, Werten, Verhaltensnormen und
Ausdrucksformen von dieser ab. Sie können dabei Anhängsel oder Antagonist der
jeweiligen Klassenkultur sein. Entscheidend ist aber, dass kollektiv erfahrenen
Schwierigkeiten der Individuen zur Herausbildung einer Subkultur führen. Das
Individuum sucht die Möglichkeit sich persönlich zu verändern oder
weiterzuentwickeln - voraus gingen erfahrene Widersprüche. Durch diesen Versuch
sich zu verändern findet eine Auseinandersetzung sowohl mit der Umwelt (Eltern,
Peer-Group...), als auch eine Reaktion derselben auf geändertes Verhalten
statt. Durch die mangelnde Unterwerfung unter die dominierenden Normen, erfolgt
eine Stigmatisierung des Individuums durch die Gesellschaft. Dem Individuum
bleibt nun nur übrig isoliert oder vereinzelt dahinzuvegetieren, oder sich mit
anderen, die die herrschenden Normen ebenfalls als Problem ansehen
zusammenzuschließen. Eine Identitätsfindung kann aber innerhalb eines
Kollektives nur dann erfolgen, wenn eben ein gemeinsames, kollektives Anderssein
einsetzt, welches eigenen Normen und Werte schafft. Im Gegensatz zum
individuellen Außenseiter, der die Ursache für seine Stigmatisierung meist
passiv erträgt und sich mit den Gegebenheiten arrangiert, setzt ein kollektiver
Ausweg, eben die Zugehörigkeit zu einer Subkultur, auf eine offensive
Auseinandersetzung. Allerdings läuft diese Auseinandersetzung meist nur auf
symbolischer Ebene ab, denn statt auf die Problematik der real existierenden
sozialen Widersprüchen mit einer politischen Antwort zu reagieren, versucht sie
sich durch Stil, Kleidung und Musik vom Mainstream abzugrenzen. Materiell und
ökonomisch verändert sich dadurch nichts.
2.2.4. Jugendkultur
Mittlerweile hat der Begriff "Jugendkultur", den Begriff "Subkultur" oft
abgelöst. Baake und Ferchhoff16 begründen das folgendermaßen:
"1. Der Begriff Subkultur suggeriert kulturelle Sphären, die unterhalb der
allgemein gesellschaftlich anerkannten Kultur liegen.
Außerdem geht die Jugendforschung davon aus, dass die Beschäftigung mit
Subkulturen für Heranwachsende meist eine zeitlich begrenzte Phase zwischen
Kindheit und Erwachsenwerdung darstellt. Dadurch kommt es, dass diese
Subkulturen nur eine begrenzte Zeit bestehen, langsam ihre Bedeutung verlieren
und sich früher oder später auflösen. "Jugendkultur" wird daher als treffendere
Bezeichnung gesehen.
2.2.5. Zusammenfassung
Subkultur ist also eine Kultur, die unter der Oberfläche der üblichen
Hochkultur, der Mainstreamkultur der Gesellschaft stattfindet. Das schließt
nicht aus, dass einzelne Subkulturen auf die Gesellschaft einwirken und
werteverändernd sind. Hoch- und Subkulturen stehen in einem dialektischen
Verhältnis zueinander. Die einzelnen Individuen, die Mitglieder einer Subkultur
sind, wurden das, weil sie Erlebnisse hatten, in denen sie mit den herkömmlichen
gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen kollidierten. Um eben diese
Erfahrungen verarbeiten zu können, schließen sie sich mit anderen Menschen mit
ähnlichen Erfahrungen zusammen. Im Zuge der Kommerzialisierung von allen
möglichen Trends die von "unten" kommen, werden Elemente entstandener
Jugendkulturen inzwischen meist schnell von der Hochkultur aufgenommen und in
einer Art vampiristischen Aktes vermarktet und blutleer gemacht, bis nur noch
inhaltsleere Hüllen der einstigen Gegenkultur vorhanden sind.
Festgehalten werden muss, dass Subkulturen keine Lebensgemeinschaften sind (sie
haben keine gemeinsame ökonomische Basis, noch stehen sich die Mitglieder
regelmäßig bei), aber doch oft von ihren Mitgliedern so gesehen werden. Nur so
kann auch verstanden werden warum
"Zusammengehörigkeit (die es kann nicht oft genug gesagt werden, hohl und falsch
ist) durch Kleidung, Sprache, Paraphernalien (Zeichen, die zu Symbolen werden
O.Z.) und "Insiderwissen" kulthaft und inbrünstig demonstriert"18
wird.
2.2.6. Das Individuum in der Jugendkultur
Die Jugendphase hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich ausgedehnt: Die
Postadoleszenz dauert immer länger. Bedingt durch deutlich längere
Ausbildungszeiten stehen junge Menschen für lange Zeit unter institutioneller
Kontrolle. Einschnitte, die früher die Entwicklung der Menschen prägten, haben
sich zeitlich verschoben oder ihre Bedeutung verändert.20 Jugendphase zeichnet
sich durch eine Erprobung von Freizeit- und Konsumkultur aus, sie ermöglicht
verschiedene Identitäten zu erproben, "da die Zwänge der Arbeitswelt noch nicht
greifen."21 In dem, von gesellschaftlichen Zwängen freieren Rahmen, ist es für
den Einzelnen möglich, abweichendes Verhalten auszuprobieren und die Grenzen
gesellschaftlich akzeptierter Möglichkeiten zu testen. Dadurch wird es dem
Individuum ermöglicht, sich zwischen traditionellem und dem Wertesystem seiner
Jugendkultur, ein eigenes Wertesystem zu schaffen. Die herkömmliche
Subkulturtheorie des CCCS wirkt dadurch, dass diese Lebensphase praktisch
schicht- und klassenübergreifend an Bedeutung gewonnen hat, in ihrer Typisierung
in klassenspezifische Herkunftskulturen, etwas überholt. Das soll jedoch nicht
heißen, dass Jugendliche mit höheren Bildungsabschlüssen tendenziell nicht
andere Jugendkulturen bevorzugen als Jugendliche mit niedrigerem Bildungsgrad.
Allerdings ist es sicher zu einfach Punks als Kinder schlechter verdienenden und
"Grufties" eher "aus ... kulturell gebildeten und materiell gesicherten"22
Familien kommend zu orten.
"Subkulturen müssen Überschneidungen zur normalen Alltagskultur aufweisen, sich
aber gleichzeitig auch wesentlich von dieser unterscheiden. Sie können immer nur
eine partielle Lösung von der Gesamtgesellschaft sein. Eine Autonomie von
Jugendsubkulturen existiert nur intern, im Stil, der aber wiederum nur aus
externen Bezügen erklärbar ist. Jugendliche Subkulturen sind auf die Reflexion
kultureller Gewohnheiten ausgerichtet. Sie sind gleichzeitig Produkt, imaginäre
Antwort oder Teillösung von realen, strukturellen gesellschaftlichen
Widersprüchen. Dazu zählt das Bewußtsein der relativen ´gesellschaftlichen
Ohnmacht´, des Ausschlusses von gesellschaftlich entscheidenden Machtzentren und
deren Repräsentationsmedien."24
Durch die - manchmal auch nur so erscheinende - Unfähigkeit, etwas
gesellschaftlich zu verändern, wird die Freiheit genutzt, die bleibt. Als eine
Art magische Handlung wird der eigene Körper, die Kleidung und der unmittelbare
Lebensraum (z.B. durch Graffiti, aber auch durch einfache räumliche Besetzung)
verändert. Die Mainstreamgesellschaft steht einer neuen Jugendkultur
grundsätzlich erst einmal ablehnend gegenüber, was sich aber im Verlauf der
Vermarktung ändert und sich nur noch auf bestimmte "schädliche" Inhalte
bezieht.25 Das Leitbild der Jugendlichkeit sorgt dafür, dass auch ältere
Menschen Zugang zu eigentlich von Jugendkulturen besetzten Feldern bekommt. Um
ein Beispiel zu nennen: Die Konsumindustrie gibt sich größte Mühe, dass auch
die 40 jährigen das Bedürfnis haben, neben den sowieso schon im Keller stehenden
Skier auch noch Snowboards zu brauchen - und das, nachdem sie sich ein paar
Jahre lang über die "rücksichtslose" jugendliche Snowboarderkultur aufgeregt
haben.
2.2.7. Stil als Merkmal von Jugendkulturen27
Die Beliebigkeit und das Gefühl der Heimatlosigkeit in der Gesamtgesellschaft
versuchen besonders sich in einer Subkultur befindliche Individuen durch einen
übergeordneten Zusammenhang zu überwinden. Dadurch versuchen sich die Mitglieder
einer Subkultur vor allem sich im Verhältnis zu "den Anderen" zu
unterscheiden.
"Entscheidend für die Analyse von Subkulturen ist der Stil als Lebensform. Das
bedeutet nach Brock: Die Stile sind Moden, die sich in der Dynamik von
Selbstlauf und Eingriff im Verhalten von Individuen und Gruppen gestalten. Der
Stil als Lebensform ist an Lebensbereichen und -zyklen orientiert. Vor allem für
die Subkulturen bedeutet der Stil Widerstand und Behauptung von Individualität.
`Kultur haben heißt, sich seine Aufgaben selbst vorzugeben; Stil hat, wer dabei
keine Kompromisse eingeht!`"28
Stil ist Teil eines "sozialen Orientierungssystems",29 das es dem Individuum
ermöglicht sich selbst (und eventuell auch andere) zu klassifizieren und
einzuordnen. In Jugendkulturen ist die Musik der Ausgangspunkt, der aufgrund der
klaren Sphäre (bei der Arbeit spielt Musik meist keine Rolle) der Freizeit
Ausgangspunkt für ein Geflecht aus Gegenständen und Handlungen wird. Das führt
schließlich zu einem übergreifenden Stil. Diesen übergreifenden, auf Überhöhung
der Lebens zielenden Stil bezeichnet man auch als "Lebensstil". Der Lebensstil
jedes einzelnen ist nun keineswegs ein für alle mal festgelegt, sondern
unterliegt ständigen Überprüfungen und Anpassungen an die Umwelt sowie durch das
Wertesystem des Individuums. Durch den eigenen Stil wird die kulturelle
Hegemonie der Gesamtgesellschaft in Frage gestellt, durch ihn versuchen die
Mitglieder einer Subkultur die eigene Stellung, ihre eigene Lebenswelt
auszudrücken. Der Stil einer Subkultur entsteht aus dem Spiel von individueller
Kreativität und gemeinschaftlich festgelegter Konformität. So verändern sich
Subkulturen im Lauf der Zeit und finden keineswegs ein für alle mal einen
einheitlichen Stil. Der Gothic des Jahres 2000 kann also durchaus anders
aussehen und sich anders verhalten, als derjenige aus den 80er Jahren.
2.2.8 Die Bricolage- Technik
Richard und Brandstetter stimmen darin überein, dass das wichtigste Prinzip zur
Bildung und Schöpfung eines Stils die "Bricolage" ist. Der Begriff "Bricolage"
wurde durch den französischen Anthropologen und Strukturalisten Claude Levi-
Strauss geprägt und heißt wörtlich nichts anderes als "Bastelei". Bricolage
beschreibt eigentlich die Art, wie ein nicht durch technisch- rationales Denken
vorbelasteter Mensch mit der Umwelt agiert. Im auf die Stilbildung übertragenen
Sinn agieren die Mitglieder der Subkulturen ähnlich. Sie nutzen, meist ohne
darüber großartig nachzudenken, ihr Rohmaterial aus dem Fundus der bestehenden
Gesamtgesellschaft, manchmal auch dem von anderen oder früheren Gesellschaften.
Oft werden diese Gegenstände anders als vorgesehen benutzt oder neu kombiniert.
Damit kann sich die Subkultur wirkungsvoll von der Gesamtgesellschaft abgrenzen,
da diese ja nur die ebenfalls ritualisierten Deutungen leistet. Das bekannteste
Beispiel für so eine Umdeutung ist wahrscheinlich die Benutzung des Hakenkreuzes
durch einige frühe Punks - ihnen war natürlich bewusst dass ihr Lebensstil sich
nicht mit einem nationalsozialistischen Ideal treffen würde, was sie aber durch
die Symbolik schafften war, sich als Außenseiter der Gesellschaft
darzustellen.30
2.3. Geschichte der Gothic- und Wave- Szene
2.3.1.Punk
Der Punk steht am Anfang dieses Kapitels, da er der so etwas wie den Brutkasten
darstellt, aus dem später die Gothic- Kultur entspringt. Die Geschichte des Punk
wiederum, die selbst genug Stoff für wissenschaftliche Arbeiten bot und bietet,
soll hier jedoch nur kurz dargestellt werden. Punk, ursprünglich ungefähr als
"Abfall" zu übersetzen, wurde Ende der 70er Jahre zu einer Selbstbezeichnung von
Mitgliedern einer Jugendkultur, die sich selbst als eine Art Abfall der
Gesellschaft begriffen, die nichts mit ihnen anfangen konnte und mit der sie
sich nicht identifizieren wollten. Natürlich ist auch die Punkszene schon als
Antwort und in Wechselwirkung mit anderen Jugendkulturen, wie z. B. den Hippies
zu sehen.
"...auf (...) deren Vision von einer Welt voller Liebe und Frieden, sowie als
Reaktion auf den vom Publikum entfremdeten Bombast-Rock der 70er Jahre,
repräsentiert von GENESIS, PINK FLOYD, etc. ..."31
Der bürgerlichen Welt, die auch schon Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre
eine funktionierende, leistungsorientierte Jugend als Leitbild transportierte,
reagierte entsetzt auf Jugendliche, die nicht Schönheit und Gesundheit
repräsentieren wollten, sondern mit ihrer eigenen "Häßlichkeit" und
"Verkommenheit" der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten wollten.
"God save the Queen, the fascist regime.
They made you a moron, a potential H- Bomb."32
Es wäre jedoch ein Missverständnis, Punk per se als eine politische Bewegung
anzusehen, obwohl die Vermischung mit Teilen der Hausbesetzerbewegung, besonders
in Deutschland Anfang der 80er, bis in die 90er Jahre hinein spürbar ist.
Andererseits ist es auffällig, wie viele Bands offen politische Botschaften zu
verbreiten suchten, beispielsweise die US-Band DEAD KENNEDYS oder die deutschen
SLIME. Diese Bands sind bzw. waren ohne Zweifel der links- autonomen Szene
zuzuordnen. Diese Tradition von linksradikalen politischen Bands setzt sich bis
heute in der Hardcoreszene fort (z.B.: RAGE AGAINST THE MACHINE (USA)). Im
Vordergrund dürfte aber auch bei diesen Bands eine große Lust an Provokation
sein, die expressiv und aggressiv vorgetragen wird.33
"Mitte der 80er Jahre scheinen die Provokationsmöglichkeiten zunehmend
ausgereizt zu sein. Eine groß angelegte Vermarktung und Kommerzialisierung des
Punks führt unter anderem dazu, daß sich Punks zunehmend aus der Öffentlichkeit
zurückzieht. (...) Mitte der 80er Jahre wendet sich der politisch aktivere Teil
der Punks immer mehr dem Hardcore zu und beteiligt sich an verschiedenen
autonomen Projekten der HausbesetzerInnen-Szene. Jedoch ist Punk faktisch nicht
von Hardcore zu trennen."34
Allerdings überlebten neben ein paar, eher der links-autonomen Szene
zuzuordnenden, politischen Projekten (wie z. B. der Mehringhof in Berlin), auch
einige "richtige" Punk-Projekte, wie z. B. die "Spaß-Parteien" APPD
(Anarchistische Pogo Partei Deutschlands), Hannover35 und KPD/RZ (Kreuzberger
Patriotische Demokraten/ Realistisches Zentrum), Berlin.
Die Bedeutung des Punk für die Gothic-Szene liegt in einigen von den Punks
übernommenen "Kulturtechniken", wie der sogenannten "Bricolage", wie auch, wie
man im weiteren Text erkennen kann, an dem direkten Ursprung aus der
Punkbewegung heraus.
2.3.2. Entstehung der Gothic- und Dark Wave- Szene
Wie schon erwähnt, steht Punk für eine expressive, aggressive Form des Umgangs
mit der Außenwelt und ist hier ähnlich der Skinhead- Kultur. Er spricht damit
hauptsächlich den jugendlichen Außenseiter aus dem Arbeiter- und Handwerksmilieu
an, der offen und aggressiv seine Wut über die von ihm kritisierte herrschende
Gesellschaft zum Ausdruck bringt. Für ihn ist es kein Problem, in der
Fußgängerzone um Kleingeld zu betteln und dabei genüßlich mit seinen Kameraden
zusammen Dosenbier zu trinken.
"Kalte und künstliche Materialien wie Neonlicht, Stahl, Spiegel und
Gumminoppenböden lassen die Gemütlichkeit der Hippie-Disko hinter sich."37
Die Bands der entstehende "Wave- Kultur" formen ihre Musik zwar immer noch nach
der "Do-it-youself-Philosophie des Punk",38 doch ist ihre Musik weitaus
vielschichtiger. Die Bandbreite der New- Wave Musik reicht vom Ska (MADNESS
(GB), SPECIALS (GB)) über den Retro- Rockabilly der STRAYCATS (GB) bis zum
gefälligen Pop von HUMAN LEAGUE (GB) und der frühen DEPECHE MODE (GB).
Die düstere Seite des New- Wave repräsentieren anfangs vor allem die ehemaligen
Punk- Musiker von THE CURE und SIOUXSIE AND THE BANSHEES. Vor allem der Sänger
der CURE, Robert Smith, prägt mit seinem Aussehen die entstehende Dark- Wave
Szene entscheidend. Hervorstechende Eigenschaft ist seine Androgynität.
Hochtoupierte Haare und weißgeschminktes Gesicht werden zum Markenzeichen der
"Waver". Die sehr düster geschminkte Siouxsie von den SIOUXSIE AND THE BANSHEES
wurde als Vorbild für den weiblichen Teil der Szene ähnlich wichtig. Heute würde
man zwar sagen, dass sich das Aussehen der Kleidung und das Styling nur sehr
wenig vom typischen Aussehen der Punks unterschied - für die jugendlichen Fans
waren diese kleinen Unterschiede aber deutliche genug, um eine eigene, neue
Jugendkultur, in der Abgrenzung zur alten - des Punk - zu begründen. Einige
andere Bands, die ab Ende der 70er Jahre mit einer düsteren Musik, oder einem
düsteren Image bekannt werden sind: THE DAMNED, ADAM AND THE ANTS, ULTRAVOX,
KILLING JOKE und JOY DIVISION. Die erste Hymne der (eigentlich noch nicht
existenten) Gothic- Kultur war vielleicht das Lied: "Bela Lugosi´s dead" von der
Londoner Band BAUHAUS (1979). Treffpunkte der neuen Jugendkultur entstanden:
"The story goes that gothic originated from the London club the Batcave, but
when this club opened in 1981, gothic already was well on its way. But the bands
that performed there, like the Virgin Prunes and Alien Sex Fiend with their
horror image, helped to spread the movement."39
Wie es genau zu der Bezeichnung "gothic" für diese Art von Musik, bzw. der damit
verbundenen Szene kommt ist nicht ganz klar. Fest steht nur, dass der Name
ursprünglich vom germanischen Stamm der Goten abstammt, die, ähnlich wie die
Vandalen, von den Römern als barbarisch und unkultiviert angesehen wurden.
Später stand und steht der Begriff für die gotische Architektur. Außerdem steht
er im angelsächsischen Sprachraum für einen bestimmten Stil romantischer
Erzählungen aus dem späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, den sogenannten
"gothic novels". Diese "gothic novels" beschäftigen sich hauptsächlich mit dem
Themenkreis Tod und allen Erscheinungsformen des Übernatürlichen.40
Der Begriff "gothic" zur Beschreibung, der hier wichtigen, post-Punk Jugend- und
Musikkultur ist möglicherweise von Martin Hannett, dem Produzenten der Band JOY
DIVISION im Jahr 1979 zum erstenmal benutzt worden - allerdings nur zur
Beschreibung der Musik von JOY DIVISION. Bis zum Jahr 1982 setzt sich der
Begriff auch durch, um das Umfeld von bestimmten Bands zu beschreiben (Ian
Astbury, Sänger der Band SOUTHERN DEATH CULT, benutzt den Terminus "goth" für
Anhänger der Band SEX GANG CHILDREN).
"However, it´s not that simple. The term "goth" doesn`t seem to have been
commonly applied to the movement until 1984, several years after it had
originally been used. In 1983, the most common term for what became the goth
movement was "Positive Punk", or later "Posi- Punk", courtesy of Richard North
in the NME (New Musical Express - britische Musikzeitschrift 0.Z.).
Somehow, and probably sometime in late 1983 or early 1984, the term seems to
have been replaced by ´goth´."41
Schuld daran, dass sich der Begriff endgültig durchsetzt hat, ist anscheinend
der NME- Autor David Dorrell. Auch er spielte damit auf Andi Sex Gang von den
SEX GANG CHILDREN an, der im Dachgeschoss eines alten viktorianischen Gebäudes
wohnte und von einigen "Count Visigoth" genannt wurde - und seine Anhänger eben
"goths". Dorrell selber erklärt allerdings dazu:
"Oh, God, it all comes back! I won´t even try and make claims that I wrote an
article and called them goths or wether I cribbed that off one of my fellow goth
journalists -- speed burns my memory. As a journalist, I noticed that the end of
punk was starting to get darker (John) Lydon was getting dark with Public Image
Ltd. By committing suicide, Ian Curtis of Joy Division not only put an end to
his own life and that of his band, but allowed a vacuum to occur into which all
of these other bands scurried."42
Auch in den USA setzte sich der Begriff "Gothic- Punk" zur Beschreibung der
Szene rund um die 1981 gegründeten Band CHRISTIAN DEATH durch, die jedoch später
nach Europa gingen und somit nicht mehr den ganz großen Einfluss auf die US-
amerikanische Gothic- Szene hatten.
3. Die Gothic- Szene heute
3.1. Musik
Die wichtigste Grundlage jeder Jugendkultur ist sicherlich die Musik. Ohne
gemeinsam rezipierte Musik ist keine moderne Jugendkultur denkbar. Die
Jugendkulturen selber können sich noch einmal in verschiedene Gruppierungen
aufspalten, die unterschiedliche musikalische Präferenzen haben; ein
Musterbeispiel dafür ist die Gothic- Szene.
3.1.1. Gothic-Rock2
SISTERS OF MERCY, CHRISTIAN DEATH und die FIELDS OF THE NEPHILIM wirkten
stilbildend für eine ganze Schar von (vor allem britischen) Bands, wie etwa den
MARIONETTES (GB), INKUBUS SUKKUBUS (GB), ROSETTA STONE (GB) und (CLAN OF) XYMOX
(NL). Die Anhänger dieser Bands waren so etwas, wie die "Gründer" der Gothic
Kultur. Ihr Styling, unverkennbar aus dem Punk heraus entwickelt, wirkt bis
heute nach. Einige der oben genannten Bands haben sich bis heute, weder das
Aussehen betreffend (Styling), noch musikalich, großartig weiterentwickelt. Der
typische Gothic- Rock wird auch heute noch von manchen neueren Bands bevorzugt,
zu nennen wären da bspw. FAITH & THE MUSE und LONDON AFTER MIDNIGHT (beide
USA), die sich vom Styling her jedoch ein wenig von ihren Vorgängern
unterscheiden (mehr dazu in 3.2.).
3.1.2. Electronic Body Music (EBM), Industrial und Industrial Noise
Aufbauend auf den musikalischen Vorbildern von Elektronik- Bands der 70er und
frühen 80er Jahren, wie etwa KRAFTWERK (D), CABARET VOLTAIRE (GB) und dem
treibendem Beat einiger innovativer Bands der Neuen Deutschen Welle wie DAF
(Deutsch- Amerikanische- Freundschaft) und den KRUPPS (beide Deutschland),
begründete die belgische Band FRONT 242, ein neues Musikkonzept, nämlich EBM.
Minimalistische Beats und kalte Klänge sowie ein militaristisches Aussehen
prägte und prägt diese "Untergruppe" der Gothics. Andere wichtige Bands dieser
Musikrichtung sind bzw. waren THE KLINIK (B), DIVE (B), A SPLIT SECOND und
SUICIDE COMMANDO (B).
3.1.3. Dark- Wave und Synth(ie)pop
Für eine, hauptsächlich in Deutschland erfolgreiche, Art der Musik, kann das
Etikett Dark- Wave verwendet werden. Geprägt wird diese elektronische Musik mit
sehr düster klingenden Gesang vor allem von transparenter, technoider Musik.
Dafür stehen Bands wie SOPOR AETERNUS (D) (mit mittelalterlichen Anklängen) und
PROJECT PITCHFORK (D). Sehr erfolgreich (mehrere Nummer eins Plazierungen in den
deutschen Singleverkaufscharts) waren in jüngster Zeit WOLFSHEIM (D) und DEINE
LAKAIEN (D). Das Seitenprojekt vom musikalischen Mastermind der DEINE LAKAIEN,
Ernst Horn, QNTAL, ist erfolgreich mit der elektronischen Vertonung
mittelalterlicher Lieder.
3.1.4. Neo-Folk oder Dark- Folk, Mittelalter und Ritual
Die politisch umstrittensten Bands der "schwarzen Szene" sind wahrscheinlich in
der Neo-Folk Sparte zu Hause. Neo- Folk ist eine Musik, die auf traditioneller
Volksmusik basiert, die aber neu komponiert und elektronisch verfremdet wird.
Die akustischen Instrumente stehen jedoch im Vordergrund. Die bekanntesten Bands
sind fast alle auf einem Plattenlabel erschienen: "World Serpent". Zu nennen
wären die Bands CURRENT 93 (GB), DEATH IN JUNE (GB), SOL INVICTUS (GB), FIRE+ICE
(GB) und ORDO EQUITUM SOLIS (IT).
3.2. Kultur und Sexualität
3.2.1. Die Gothic- Kultur
Zur Beschreibung des Lebensgefühls der Gothic- Szene benutzt Brandstetter4 die
Bezeichnung "Romantischer Individualismus" und bezieht sich damit auf Christoph
Henning, der darunter einen auf "...subjektiver Innerlichkeit und
Gefühlserfahrung basierender(n) Individualismus ... "5 versteht. Dieser
Individualismus hat sich, von der Romantik ausgehend weiterentwickelt. Er
bezieht sich heute weitgehend auf das Erreichen von "Selbstverwirklichung" und
bezieht sich auf "affektiv-sinnlich subjektive Kräfte, also das Modell der
Selbstentwicklung durch Selbsterkenntnis."6 Das muss im Zusammenhang mit der
postmodernen Gesellschaft gesehen werden, die es schwer macht "übergreifende
Deutungsmuster" zu sehen und den Einzelnen oft in einer Art "Sinnvakuum"7
versinken lassen. Aufgrund dessen sucht das Individuum aber wiederum eine Gruppe
von Menschen, mit Hilfe derer es sich selbst zu verwirklichen sucht, z. B. eben
eine Jugendkultur, wie etwa die hier beschriebene Gothic- und Dark- Wave Szene.
Da nun aber Jugendkulturen, genau wie Subkulturen überhaupt, keine von der
Gesellschaft völlig abgekoppelte Struktur schaffen kann, übernimmt sie deren
Möglichkeiten der Strukturierung, die Schuhmacher folgendermaßen beschreibt:
"Wir haben es strukturell gesehen mit drei Typen der Subkultur zu tun:
1. Das Individuenkonglomerat: Dieser Typ von Subkultur weist keinerlei formale
Unterstrukturen auf. So sind zum Beispiel an bestimmte Art von Musik orientierte
Subkulturen (Gothic, New Romantic etc.) Individuenkonglomerate: alle Gruppen und
Grüppchen innerhalb der Subkultur weisen rein private Zusammenhänge auf.
Zwar kann also manifestiert werden, dass die Mitglieder sich selbst als
individuell Suchende sehen können, es ist ihnen aber keineswegs erlaubt, sich
völlig individuell zu verhalten, da sie ja sich dann eben nicht mehr auf die
Zugehörigkeit zur Szene berufen können. Selbst im Individuenkonglomerat, in dem
ja aus strukturellen Gründen keine Entscheidung über Zugehörigkeit oder eben
Nicht-Zugehörigkeit eines Individuums getroffen werden kann, ist somit eine
starke Kontrolle über Verhalten von Individuen gegeben. Genau an diesem Punkt
lässt sich also zweifeln, ob der "Individualismus", den fast alle
Szenemitglieder betonen, wirklich so hoch gehalten werden kann. Über diesen
Widerspruch machen sich auch immer wieder Mitglieder der Szene Gedanken. Meist
findet diese Auseinandersetzung in Form der Auseinandersetzung mit den Fragen:
"Was ist Gothic?" bzw. "was macht jemanden zu einem Goth?" (also einem Mitglied
der Gothic- Szene). Hierzu einige Stimmen:9
"There is a set answer as to what *is* gothic. It is set by each and every goth
in their own mind .... consciously or unconsciously. And the question `What is
goth` still has its merits. It should be worded, however,´What do *you*
feel/think/know/understand to be goth?´ I think it is important for everyone to
delve inside and answer that question. Why are you here? As for ´goth´ being a
vague loose-fitting word, it is a very powerful word to many, and especially in
situations where isn´t commonplace. (....)
"Goth is actually much more than the sum of its parts, and, depending on who you
ask, you can get a bewildering array of contradictory answers, many of which are
valid parts of a much larger subculture. It is more than a label or discription.
Goth is at once a lifestyle and a philosophy that has its roots firmly embedded
both in the historical past and the present.
"... wearing a Mao jacket and having a copy of The Communist Manifesto does not
make one a Marxist, any more than owning black clothes makes one a goth. (...)
Subcultures are more than styles; they are attempts to bring about, on a small
scale, a functioning utopia. If we analyze them along these lines, instead of in
such cliche- ridden and outworn concepts as `fashion` or `style`, then I think
we can get much further into them. (...)"12
"One of the most noticeable things about the GOTH look is its elaborate dress
code, including black leather, crushed velvet, heavy silver jewellery,
andpointed boots, combined with long hair, whitepainted faces, and heavy black
eyeliner. Althoug this gives a rather gloomy appearance, most GOTHS are actually
peace- loving vegetarians who see themselves as the heirs to the hippie movement
of the sixties."13
"(...) I think I´d have to concur that a resonable percentage of goths have
either been depressed or lonely, or both at one time or another in their lives,
but it does not mean you have to be ´sad´ to be one (although you can if you
want to, but I always find that tears make eyeliner run...) (...)
The children of the net have decided there are two genus of goths:
Mopey-goths - the gloom and suicide brigade (aka Doom Cows)
Perky-goths - the caffeine and carthwheel brigade (aka Satans Pixies)
Fortunately, you don´t have to be one or t´other but can have a bit of each
(...)
Das Problem aller Jugendkulturen wird also wieder klar, es wird eine innere
Zusammengehörigkeit angenommen, die aber nur scheinbar da ist. Die Mitglieder
der Subkultur können nur in gemeinsamen Konventionen, wie etwa schwarzer
Kleidung oder in Abgrenzung zu anderen subkulturellen Strömungen (z.B. Vampir-
Rollenspielern), ihre kritische Einstellung zum Mainstream deutlich machen. Noch
problematischer wird es, wenn ein typischer, von der entsprechenden Subkultur
bearbeitete Bereich auf einmal zu einem Teil der allgemeinen "Hochkultur" wird,
wie z. B. geschehen bei den Verfilmungen der Bücher von Anne Rice. Die Subkultur
muss nun versuchen sich von dieser "Vereinnahmung" abzugrenzen um "authentisch"
zu bleiben. Noch schwieriger als einen bestimmten Dresscode zu erkennen, der
typisch erscheint, ist es gemeinsame, für alle Mitglieder zutreffende Ideologien
anzunehmen (dazu mehr in den späteren Abschnitten v. a. in dem über
Rechtsextremismus und völkisches Denken). Zuerst also zu der leichter zu
beschreibenden Mode.
3.2.2. Mode und Styling
Die jeweiligen Anhänger der im zweiten Kapitel beschriebenen unterschiedlichen
Musikstile unterscheiden sich (zumindest in den Augen der Insider) stark
voneinander. Auch zwischen den Szenen der unterschiedlichen Länder fallen
spezifische Unterschiede ins Auge. Außerdem gilt es auch zu erwähnen, dass die
Mode der Szene Wandlungen erlebt. So würde sich heute kaum noch ein "Gothic",
der etwas auf sich hält, so kleiden, wie die "Urväter" des Gothics sich in den
80er Jahren kleideten. All das muss zur Vorsicht bei jeglicher Beschreibung
gereichen, andererseits soll hier nur eine grobe Typifizierung geleistet werden.
Allgemein anerkannt als Erkennungsmerkmal ist, man mag schon fast "natürlich"
schreiben, die Farbe Schwarz. Schwarz dominiert die Kleidung und die Accessoires
bis manchmal hin zur Zimmerausstattung. Im Gegensatz zur Kleiderordnung der
Punkkultur will man damit eigentlich nicht die allgemeine Gesellschaft
konfrontieren, sondern eher von ihr in Ruhe gelassen werden, doch das gelingt
nicht immer.
"Ursprünglich zeigt Schwarz seit der Renaissance verstärkt Standesunterschiede
an. Es wird für Adel und später auch für das Bürgertum zu einer modischen Farbe,
die man trägt, um sich vom gemeinen Volk abzusetzen. Die zeitgenössische
Distanzierung der Grufties ist deshalb so erfolgreich, weil Schwarz in unserer
Gesellschaft primär mit Alter, Tod, Verlust und Trauer verknüpft ist. Als
offizielle Farbe des Todes und der Trauer wird Schwarz im 12. Jahrhundert
eingeführt. Unklar ist dabei, ob die Trauerfarbe zur Abwehr der Toten dienen
sollte oder als Hinweis auf die eigene Vergänglichkeit, also als symbolische
Teilnahme am Schicksal der Verstorbenen zu sehen war."15
Besonders auffällig ist, dass diese Farbe als Gemeinsamkeit entdeckt wurde, als
gerade (Anfang bis Mitte der 80er Jahre) die absolute Farbenvielfalt die
Modewelt regierte und Neonfarben höchst "in" waren. Es war also als ein
(erfolgreicher) Versuch sich vom Mainstream abzugrenzen.
"Die Grufties bündeln mehrere Bedeutungsstränge des Schwarz, wobei sie mit der
kulturellen Besetzung der Farbe vertraut sind. Sie setzen die nekrophile
Komponente bewußt ein. Schwarz ist für sie der Ausdruck eines Gefühls der Leere,
eines ausgebrannten Inneren und ein Symbol für Verzweiflung und Resignation und
das Gefühl, keine Zukunft zu haben. Hier gibt es noch Parallelen zum Punk. Die
Gothics drücken aber weitergehend die Empfindung der Sinnlosigkeit des Lebens
und die Klage über den möglichen Untergang der Menschheit aus, gegen den sie
machtlos sind und deshalb nur ihre Trauer ausdrücken können.
Allgemein symbolisiert Schwarz für die Gothics die Negation des Üblichen, die
Nachtseite des Lebens. Es repräsentiert den Teufel, Dämonen und andere Geschöpfe
der Nacht. Ein Bild, das sich auch sehr gut mit der Nachtseite romantischer
Literatur trifft. Auch beim Schminken wird sich auf die Figuren der "gothic
novels" bezogen. Bleiche Gesichtsfarbe, schwarze Schminke und Kleidung treffen
sich mit dem (v.a. weiblichen) Schönheitsideal dieser literarischen Strömung des
19. Jahrhunderts, gerne werden dazu im Kontrast die Lippen dunkelrot geschminkt.
Die Kleidung selber wird oft mit silbernem Schmuck kontrastiert. Typisch sind
etwa Totenkopf- oder Fledermausschnallen an Schuhen und Hemden. Die früher
szenetypischen schwarzen, spitzen Schuhe, die "Pikes", die an mittelalterliche
Schnabelschuhe erinnern, wurden inzwischen mehr und mehr durch Schuhe der Marken
"Doc Martens" oder "Ranger" verdrängt; eigentlich Arbeitschuhe mit oder ohne
Stahlkappe, die auch aus der Skinhead- und Punkkultur bekannt sind. Nach wie vor
ist für Gothic-Frauen ein Kleidungsstil typisch, bei dem die Kleidung eher aus
sehr langen Röcken und Kleider besteht, die wallend und locker getragen werden.
Die früher bei Männern üblichen weiten "türkischen" Hosen sind inzwischen kaum
noch zu sehen. Sie wurden inzwischen durch eher enge Leder- oder Lackhosen
ersetzt. Durch Vermischungen der Gothic- und SM- Szenen Anfang bis Mitte der
90er Jahre kam es sowieso zu einer weiten Verbreitung von Kleidungsstücken aus
der "Fetisch- Szene". Lack- und Leder wird in der Gothic- Szene oft getragen.
Dadurch kann Richards Feststellung zumindest für die heutige Szene nicht mehr
allgemeingültig gelten:
"Diese distanzierte Haltung zum eigenen Körper läßt sich durch die weiten
Umhänge, Überwürfe, Schals, Draculakapes, Mönchskutten und Priestergewänder
belegen. (...) Die Körperverhüllung dokumentiert auch die eher zurückhaltende
Einstellung der Sexualität gegenüber. Die aggressive S/M - Sexualität des Punk
ist verflogen."17
Inzwischen würde ich doch eine recht starke, auch stark geschlechtsspezifische,
Körperbetontheit in weiten Teilen der Szene konstatieren. So sind hautenge Lack-
und Latexröcke und Kleider durchaus nicht selten zu sehen. Und auch der
männliche Gothic wirkt immer weniger androgyn. Man sieht weniger geschminkte
Männer als vor ein paar Jahren, dafür immer mehr mit Muscle- Shirts und kurzen
Haaren, die sich sehr männlich darstellen.18 Die Haare spielen, ähnlich wie bei
den Punks, eine entscheidende Rolle der Selbstdarstellung:
"Es gibt vier Grundformen, die in unterschiedlichen Varianten bzw. Haarlängen
auftreten. Die markanteste Frisur ist der ´Teller`, (auch Tellermine oder
Tellerschädel genannt) - die Grufties sprechen davon ´sich den Teller zu machen´
- wobei die oberen, meist schwarzen Deckhaare mit Unterstützung von Unmengen von
Haarspray zu einem tellerartigen, flachen Gebilde geformt werden. Eine andere
Frisur ist vom Irokesenschnitt der Punks abgeleitet, die Haare sind aber meist
länger und werden hochtoupiert. Man findet auch die Waverfrisur, mit
hochstehendem oberen Deckhaar, mit seilich und hinten sehr kurzen oder
wegrasierten Haaren. Die beschriebenen Varianten werden eher von den männlichen
Grufties getragen. Schwarze, lange strubbelige Haare, die extrem toupiert sind
und an die wirren Haare von Hexen erinnern sollen, werden von den Frauen
bevorzugt."19
Zu ergänzen wäre noch, dass es, der Punktradition folgend, lange sehr üblich
war, die Haare zu blondieren und dann mit "Directions", semipermanenten bunten
Färbemitteln, möglichst grell bunt zu färben - was im Verhältnis zur schwarzen
Kleidung einen scharfen Kontrast ergibt. Mittlerweile scheint das zwar bei
Frauen durchaus noch üblich zu sein, von Männern wird aber, wenn überhaupt, das
Haar fast nur noch schwarz gefärbt. Ebenfalls nur noch selten zu sehen sind (vor
allem weibliche) Gothics, die sich auf das weißgeschminkte Gesicht zusätzlich
noch Symbole oder Ornamente zeichnen.
"In der Kleidung der Grufties beziehen sich alle wichtigen Elemente auf
bestimmte Vorbilder. Das ist zum einen die romantische Kleidung, wie sie z.B.
von Lord Byron getragen wurde, zum anderen die Kleidung der Mönche, kombiniert
mit der von Graf Dracula. Zusammenfassend könnte man sagen, daß die Kleidung auf
die literarischen Protagonisten der schwarzen Romantik Bezug nimmt."20
Zu all dem oben Geschriebenen ist noch zu bemerken, dass mittlerweile die
Gothic- Szene kaum noch abgegrenzt von Szenen wie der Industrial-, EBM- und
Black- Metalszene begriffen werden kann, da diese sich vermischen und ineinander
verschmelzen. Natürlich gibt es einige Angehörige der jeweiligen Subkulturen,
die dem Kleidungsstil dieser "Ursprungssubkulturen" treu geblieben sind. So sind
etwa für die Industrials Uniformteile bis hin zu ganzen Uniformen typisch. Für
einen EBMler wiederum ist ein sehr männlich und dominant wirkendes Fetischoutfit
(Leder und Latex) nicht selten. Im Zuge der Bricolage- Technik werden solche
Utensilien natürlich auch dankbar von den Gothics aufgegriffen.
3.2.3. Die Funktion der Bricolage in der Gothic- Szene
In Subkulturen formen übergeordnete Stilprinzipien die ästhetischen Formen und
Verhaltensweisen ihrer Mitglieder.
"Stil kann nach Bazon Brock heute vier Bedeutungsebenen haben: Er kann
Kulturtechnik, Kampfprinzip, Systemstrategie oder Lebensform sein. In der
Gegenwart, spätestens seit den 80er Jahren ersetzt Stil vor allem Programmatiken
und Ideologien."21
Diese Bewertung zeigt, für wie wichtig Stil mittlerweile gehalten werden kann.
Die am Anfang des Kapitels zu Wort gekommenen Mitglieder der Gothic- Kultur
konnten letztendlich auch nicht anders, als sich über Stil definieren. Trotzdem
werde ich versuchen nachzuweisen, dass sich mit dem Stil der Gothics durchaus
auch bestimmte ideologische Richtungen verbinden, es daher also nicht zu einem
Ersatz der Programmatiken und Ideologien kommt, sondern zu einer gegenseitigen
Bedingtheit. Das grundlegende Prinzip, um einen Stil begründen zu können, ist,
wie bereits mehrfach erwähnt, die Bricolage, wörtlich "Bastelei". Dieses Wort
wurde geprägt durch den französischen Anthropologen Claude Lèvi-Strauss,22 der
eine "strukturale Anthropologie" begründete. Die Bricolage
"beschreibt den Vorgang, Gegenstände gegen vorgeschriebene Bedeutungen und
Gebrauchsmöglichkeiten zu benutzen oder Gegenstände aus unterschiedlichen
Gegenstandsbereichen und Kulturen miteinander zu kombinieren, neu zu ordnen, in
einem anderen Kontext einzuordnen und letztendlich zu adaptieren."23
So beziehen also Subkulturen, die für sie brauchbaren Stilelemente aus dem
gesamten Fundus der sie umgebenden Gesellschaft. Dieses Herauspicken von
Symbolen und Zeichen geschieht nicht völlig zufällig, es werden nur Elemente
benutzt, die zumindest für das jeweilige Individuum bzw. seine Umgebung eine
subjektive Bedeutung haben. Diese Bedeutung muss sich aber, wie schon erwähnt,
nicht auch mit der objektiven Bedeutung treffen - was aber natürlich eventuell
trotzdem sein kann. Durch die Bricolage versuchen die Individuen, die komplexe
Wirklichkeit zu begreifen und zu bewältigen, sie kann aber auch als Mittel zum
Protest eingesetzt werden, vor allem auch durch eine Brechung mit dem allgemein
üblichen Gebrauch. Das ist auch der Grund, warum es sehr schwierig ist,
zutreffende Deutungen zu treffen.24
3.2.4. Symbolik und Gefühlswelt
In der Öffentlichkeit wird die Gothic- und Dark- Wave- Szene oft als eine
sektiererische und geheimnisvolle Gemeinschaft gesehen, eine Nähe zu
satanistischen, magischen und okkulten Gruppierungen angenommen. Bei
Jugendlichen außerhalb der Kultur gelten Mitglieder dieser Jugendkultur oft als
arrogant und/ oder elitär; sie sind, kurz hinter den Skinheads, eines der
größten Feindbilder der "normalen" Jugendlichen.25 Zu untersuchen ist also, ob
die Mitglieder diese Ausgrenzung bewusst in Kauf nehmen und ob es gute Gründe
für die Ausgrenzung gibt. Außerdem ist der häufigen Verwendung von Symbolen wie
umgekehrten Kreuzen, Pentagrammen, Skeletten, Totenschädeln und Grablampen
nachzugehen, haben sie für die Gothics wirklich eine okkulte Bedeutung?
Eine Gemeinsamkeit von vielen Gothics scheint es zu sein, dass sie in ihrer
Kindheit und frühen Jugend sehr viel Erfahrung mit Gefühlen des Allein- und
Verlassenseins und Ungeborgenheit bzw. Abwehrhaltung der Umgebung gegenüber
erleben, obwohl sie nicht selten in stark kontrollierten Strukturen aufwachsen,
die noch in Dörfern oder Kleinstädten zu finden sind.26 Darin scheint auch
begründet zu sein, dass sich die meisten Gothics in ihrer Aussenseiterrolle
relativ wohl zu fühlen scheinen. Ein missionarischer Eifer andere Jugendliche
zum "Gothic- sein" zu verführen ist eher selten, es ist eine sehr persönliche
Entscheidung, sich für schwarze Kleidung und schwarzen Lebensstil zu
entscheiden. Allenfalls freundschaftlichen Beziehungen kann man einen gewissen
Einfluss auf die Entscheidung, Mitglied der Szene zu werden, zuschreiben; wer
geht schon gerne in blauen Jeans mit seinem schwarz gekleideten Freund in eine
Diskothek, in der ebenfalls alle schwarz gekleidet sind? Gewisse Einflüsse der
(Teenager-) Musikpresse und der Musikkanäle des Fernsehens sind ebenfalls nicht
abzustreiten. So sind in jüngerer Zeit bestimmt einige Fans des androgyn
wirkenden Sängers der US- Band MARILYN MANSON in die Gothic- Szene gestossen,
weil dieser viele Stilelemente des Gothics für sein Image nutzt. In den 80er
Jahren sorgte wiederum ein Bravo- Bericht über den Schlagzeuger der Berliner
Fun- Punk Band DIE ÄRZTE Bela B. dafür, dass viele Jugendliche unbedingt ihr
Zimmer schwarz streichen wollten (und am liebsten auch einen Sarg gehabt hätten,
in dem Bela B. angeblich schlief). Dazu sagen lässt sich noch, dass in beiden
Fällen Musiker, die eigentlich nichts oder nur sehr wenig mit der Gothic- Szene
zu tun haben oder hatten, trotzdem zu Leitbildern für Nachwuchsgrufties wurden.
Die "wirklichen" Szeneangehörigen verhalten sich eher so, wie es Schuhmacher
beschreibt:
"Diese Subkulturen, eigentlich Sub- Gesellschaften, sind lediglich ein Surrogat,
eine Karikatur von Gemeinschaft. Nichtsdestoweniger oder gerade deswegen wird
Zusammengehörigkeit, (die, es kann nicht oft genug gesagt werden, hohl und
falsch ist) durch Kleidung, Sprache, Paraphernalien und `Insiderwissen` kulthaft
und inbrünstig demonstriert: Außenstehende werden bis zu offener Feindseligkeit
abgelehnt und abgewiesen, neu Hinzukommende müssen sich ihre Zugehörigkeit oft
durch nachdrücklichen Nachweis von Konformität verdienen und haben ihr
Anwesenheitsrecht als Privileg anzusehen.27"
Eine Tatsache, die die Gothic- Kultur bei anderen Jugendlichen natürlich nicht
unbedingt beliebter macht, zumal es ja nicht reicht, sich nur schwarz
anzuziehen, um wie ein Gothic auszusehen und dazugehörige Accessoires nur mit
Mühe besorgt werden können (das würde sich natürlich dann ändern, wenn die
Gothic- Szene noch mehr Zulauf erhalten sollte).28
3.2.4.1. Suizid und Tod
Mit der Möglichkeit des Selbstmordes dürfte sich schon fast jeder Gothic
irgendwann im Leben beschäftigt haben. Trotzdem glaube ich sagen zu können, ohne
dass mir hier statistische Zahlen vorliegen, dass die Selbstmordrate nicht höher
als bei anderen Jugendlichen liegen dürfte. Gerade durch die ständige
Beschäftigung mit Tod und Sterben wird das Verlangen nach dem wirklichen Sterben
gedämpft - der Tod wird als die normale Konsequenz des Lebens angenommen, der
sowieso ständig präsent ist und jederzeit eintreffen kann. So sieht man zwar auf
die Gesamtgesellschaft bezogen "schwarz", das hält den einzelnen jedoch nicht
davon ab, sehr wohl die persönliche Zukunft sehr gut zu planen.30 Helsper
konstatiert, dass das Thema Suizid in der Gothic- Szene widersprüchlich
diskutiert wird. Zwar wird einerseits festgestellt, dass der Selbstmordgedanke
nichts Spezifisches für die Szene sei, andererseits gehen viele Gothics davon
aus, dass aus der Intensität der Beschäftigung mit dem Tod durchaus eine
Anfälligkeit für Suizidversuche entsteht:
"In dieser widersprüchlichen Argumentation wird die zentrale Bedeutung der
Beschäftigung mit dem Tod und den Selbstmordgedanken nicht aufgehoben.
Allerdings wird deutlich, daß der vollzogene Suizid für die schwarze Szene eine
ambivalente Handlung ist. Einerseits erscheint er an manchen Stellen als
konsequentester Ausdruck eines Lebensgefühls, andererseits wird er kritisch
eingeschätzt und zumindest für die eigene Person abgelehnt."31
Also wird auf der einen Seite der eigene Sebstmord abgelehnt, auf der anderen
Seite dienen aber die Selbstmorde anderer, wie z. B. die der Sänger der Bands
JOY DIVISION (Ian Curtis) und CHRISTIAN DEATH (Rozz Williams) durchaus zur
Legendenbildung. Sie symbolisieren die Manifestation des eigenen Lebensgefühls
in letzter Konsequenz. Der eigene Selbstmord wird aber tabuisiert:
"Er erscheint als Feigheit, als Ausweichen vor dem Leben, als Flucht vor
Problemen, als Aufgabe und Schwäche. Nun hat die schwarze Szene mit Sicherheit
keinen maskulinen Selbstentwurf des starken, harten, souveränen Menschen,
sondern eher einen ´weiblich´ orientierten des empfindsamen, gefühlsbetonten und
mitleidenden Selbst. Allerdings verbirgt sich gerade in diesem empfindsamen,
leidenden und ´schwachen´ Selbst eine besondere Stärke: Die bedrohlichen,
angstauslösenden Gefühle, Schwäche und Vergänglichkeit, Leid und Verlust sollen
nicht abgewehrt oder vermieden, sondern zugelassen und ausgelebt werden. Am
Lebensgefühl von Leid, Tod, Trauer und Verlust aber sollen die Jugendlichen
nicht zerbrechen, sondern die Sinnlosigkeit und Melancholie der Welt und des
Selbst soll ausgehalten werden."32
Natürlich zieht die Gothic- Szene Jugendliche an, die häufig mit dem Gedanken an
Selbstmord spielen und diesen eventuell auch in die Tat umsetzen. Von der Szene
selber werde diese Menschen jedoch meist abgelehnt. Ähnlich verhält es sich mit
Jugendlichen, die immer wieder gerne in den Medien mit der "Gruftie- Szene"
identifiziert werden, welche angeblich Friedhöfe schänden und Leichenteile
ausgraben. Abgesehen davon, dass das Interesse der Medien an den vereinzelten,
wirklich belegten Vorfällen eigentlich nur durch die Tabuisierung der
Beschäftigung mit dem Tod in unserer Gesellschaft hervorgerufen werden kann,33
zeigt sich hier eine falsche Wahrnehmung der Gothic- Kultur. Jugendliche, die
wirklich diesem zweifelhaften Hobby nachgehen (soweit es diese wirklich geben
sollte), werden in der Szene isoliert und durchaus nicht anerkannt. Allerdings
ist es, vor allem unter jüngeren Gothics, nicht ganz unüblich, nachts über
Friedhofsmauern zu steigen und sich dort aufzuhalten. Dieses Verhalten ist
allerdings meines Erachtens eher als Mischung aus Mutprobe und bewusstem
Tabubruch zu bewerten, welches keinesfalls kriminalisiert werden sollte - im
Gegensatz zu Jugendlichen, die Aggressionen an Bushaltestellen und ähnlichen
öffentlichen Plätzen ausleben, wird hier nur in den wenigsten Fällen irgendetwas
zerstört. So sind Friedhöfe in der Freizeit auch tagsüber durchaus beliebte
Aufenthaltsorte für Gothics, ähnlich wie Burg- und Klosterruinen. Das dürfte
wiederum mit dem Gothic- Kultur- spezifischen Umgang mit dem Thema Tod und
Zerstörung zu tun haben, dabei würde ich allerdings nicht so weit gehen wie
Richard, die schreibt:
"Die Grufties sind als eine subkulturelle, imaginäre Aufhebung einer sozialen
Verdeckung von Tod, Sterben und Trauer zu verstehen. Deshalb halten sie sich
auch im Einsatz bestimmter Stilelemente (wie der Farbe Schwarz) für eine
subkulturelle Elite, die als einzige gegen die soziale Verdrängung des Todes
arbeitet."34
Trotz dem zweifelhaften Elitebegriff, den Richard hier der behandelten
Jugendkultur unterstellt, bleibt allerdings festzuhalten, dass eine Jugendkultur
die sich mit Trauer und Tod beschäftigt natürlich Orte des Trauerns (Friedhöfe)
und der Zerstörung (Ruinen) nutzen möchte, um sich dort aufzuhalten. Alles in
allem geht es hier also um eine Selbstdarstellung der eigenen Gefühlswelt -
manchmal durchaus auch mit erwünschter Wirkung nach Aussen.35 Natürlich ist auch
in der Musik das Thema Tod immer wiederkehrend. Manchmal wird versucht den Tod
zu beschreiben, so z. B. in dem Lied "Das Sterben ist ästhetisch bunt" auf der
gleichnamigen CD (1992) der Band GOETHES ERBEN. Manchmal wird er in Verbindung
mit Liebe und Suizid thematisiert, wie in dem Lied der finnischen Gothic- Metal
Band HIM "Join Me in Death", welches hier ganz zitiert wird, da es so ziemlich
alle Szeneklischees über Tod und Sterben beinhaltet:
"We are so young our lives have just begun but already we are considering escape
from this world we´ve have waited for so long for this moment to come so anxious
to be together in death won´t you die tonight for love this world is a cruel
place we´re here only to lose before life tears us apart let death bless me with
you this life ain´t worth living."36
Wie schon erwähnt werden Gegenstände die mit Tod und Sterben zu tun haben, gerne
benutzt, um den eigenen Stil zu betonen, so etwa Kreuze, Grableuchten usw.. Fest
steht, dass in weiten Teilen der Gothic- Kultur, der Tod als ein
(unvermeidbarer) Ausweg aus der Unvollkommenheit und Unzufriedenheit mit dem
Leben in der heutigen Zeit gesehen wird. Helsper sieht das vor dem Hintergrund
des Verhältnisses
"(...) von Realem, Symbolischen und Imaginären in dieser Jugendkultur. Die
Stilbildung in Jugendkulturen wird als magische oder imaginäre Lösung realer
Widersprüche im Produktionsprozeß begriffen (...) In diesem Sinne wäre das
Imaginäre der Grufti- Szene, das was in Kleidung, Stil, Musik, in Schminkweise
und Symbolik imaginiert wird, der Tod. Nun ist diese Stilisierung des Todes bei
den Gruftis durchaus bezogen auf ein Reales, auf die Verluste, die Trennungen
und den Mangel ihrer Lebensgeschichte. Die Stilisierung des Todes z. B. in Form
der zitathaften Entwendung von Todessymboliken aus dem Bereich der Religion oder
Magie wäre somit als Versuch zu werten, einen realen Mangel in Lebensgeschichte
und Selbst zu symbolisieren, ohne ihn allerdings darin beheben zu können. Einen
Mangel allerdings, der jede Form der Reproduktion grundlegend gefährdet, weil er
Melancholie und Todesnähe bedeutet. Den Widerspruch, den die schwarze
Jugendkultur letztlich in Form einer ´imaginären Lösung´ zu bewältigen versucht,
ist er zwischen einem lebensgeschichtlich und sozialisatorisch erzeugten
´Todestrieb´, prinzipiellen Zweifeln gegenüber der Sinnhaftigkeit des Lebens,
dem Vollzug sozialer und kultureller Reproduktionsprozesse und dem Wunsch zu
leben. Der real vollzogene Tod wäre die Aufhebung des Widerspruchs, um den Preis
des Lebens. Gleichzeitig aber auch eine eindimensionale Auflösung der
Widersprüchlichkeit unter der Dominanz eines Poles. Von daher ist der
jugendliche Suizid in der schwarzen Kultur, obwohl er für sie gerade nicht
typisch ist, einer der zentralsten Mythen der Szene, weil er das Reale am
deutlichsten artikuliert. Zugleich aber ist der eigene Suizid auch der verbotene
Tod, weil er die Widersprüchlichkeit zwischen Lebenswunsch, dem Wunsch nach
einem ´langen guten Leben´, das alles andere als ein langsames Ableben sein
soll, und dem sozialisatorisch niedergelegten Todestrieb eindimensional auflöst,
und gerade das Scheitern riskanter, einzigartiger Individualität - in Form eines
heroischen Ausharrens in der ´Fremde´ - bedeuten würde. Der symbolisch
stilisierte, der ´imaginäre Tod´ der schwarzen Jugendkultur, ist genau die
´imaginäre´ Lösung dieses Widerspruchs ."37
Die Flucht in den Tod beinhaltet jedoch nicht die einzige Fluchtmöglichkeit.
3.2.4.2. Weltflucht
Neben der Flucht in den Tod wird das Leben für den Gothic auch durch andere
imaginäre Fluchtorte lebenswert. Ganz vorne steht die Möglichkeit, sich in eine
andere Zeit zu versetzen. Dabei sind die meisten Gothics sich durchaus bewusst,
dass sie sich nach einer Vergangenheit sehnen, die es niemals gegeben hat.
Ähnlich wie die Schriftsteller der Romantik sich nach einem verklärten
Mittelalter sehnten, sehnen sich die Gothics nach Zeiten, in denen die Welt noch
nicht so unübersichtlich gewesen ist und es, wenn überhaupt, nur "gerechte"
Kriege gegeben hat und Genozide nicht vorstellbar waren. Gothics sind häufige
Besucher der immer beliebter werdenden Mittelaltermärkte, was man ihnen auch an
ihrer Kleidung ansieht. So ist es bei Gothic- Frauen sehr beliebt sich wie eine
"Hexe des Mittelalters" zu kleiden - oft einher damit geht eine Beschäftigung
mit Magie und Zaubertränken und dem Phänomen der Hexenverfolgungen (die ja immer
noch gerne fälschlicherweise im Mittelalter angesiedelt werden). Musikgruppen
wie QNTAL, SARBAND, CORVUS CORAX und SUBWAY TO SALLY verbinden, mal mehr und mal
weniger authentisch, mittelalterliche Musik mit heutiger Musik (manchmal auch
mit Musik aus anderen Zeiten und Regionen der Welt wie beispielsweise DEAD CAN
DANCE (AUS)). Ähnlich wie für die Autoren der "Gothic- Novels", sind aber auch
andere untergegangene - und damit geheimnisvolle - Kulturen interessant. So sind
Zeichen und Symbole der alten ägyptischen Hochkultur genauso beliebt, wie
keltische und seit einiger Zeit auch "germanische" Runen- Symbolik. So ist es
nicht verwunderlich, dass auch hier nach "authentischer" Musik und anderen,
angeblich bis heute bestehenden Verbindungen, zur heutigen Kultur gesucht wird.
Oft erscheint es aber auch einfach so, dass sich das Wissen über bestimmte
Kulturen (so vor allem der ägyptischen) hauptsächlich aus Inspirationen
populärer Monumentalfilme Hollywoods speist. Die Beschäftigung mit (meist nur
angeblichen) keltischen Traditionen hat inzwischen schon (eine eigene
diplomarbeitswürdige) durchgehende Tradierung in den unterschiedlichsten
Jugendkulturen erfahren; mit ihr beschäftigten sich unter anderen schon Teile
der Hippies, Teile der Frauenbewegung und jetzt eben auch Teile der Gothic-
Szene. Umstritten ist es, ob dieses Spielen mit unterschiedlichsten Symbolen und
Kulturen in der Szene schon immer ernst genommen wurde bzw. wird; meines
Erachtens steckte vor allem am Anfang, also zur Zeit der entstehenden Gothic-
Kultur, ein hohes Maß an Humor in der Beschäftigung mit diesen Themen, besonders
häufig wurden und werden Motive der B- Gruselfilme der 30er und 60er Jahre
humorvoll oder auch persiflierend aufgegriffen. Samples aus bekannten Grusel-
und Splatterfilmen, wie etwa dem "Texas Chainsaw Massacre", werden von Bands wie
den "FIELDS OF THE NEPHILIM" in ihren Liedern benutzt. Damit wird einerseits
eine düstere Atmosphäre erzeugt, auf der anderen Seite sich auch durch
übermäßiges Identifizieren mit den bösen Heldengestalten der Filme sich über
diese Art der Kulturproduktion lustig gemacht. So kann etwa auch die
Beschäftigung mit UFOs und Außerirdischen bei der Band ALIEN SEX FIEND kaum als
ernsthafte UFO- Esoterik interpretiert werden. Schon ernster zu nehmen ist das
naturreligiöse und heidnische Gedankengut, welches in der Szene ziemlich weit
verbreitet ist.
3.2.4.3. Religiöse und okkulte Systeme
Vor allem aufgrund der starken Ablehnung des Christentums, als Repräsentant der
verhassten und einengenden bürgerlichen Gesellschaft, beschäftigen sich viele
Gothics mit christenfeindlicher Symbolik. So ist das "umgekehrte" Kreuz eines
der Lieblingssymbole der Szene. Dieses Kreuz wird von den meisten Gothics jedoch
nicht als "Satanszeichen" interpretiert, sondern einfach nur als Ablehnung der
Kirche. Diese Fixierung auf Kirche als Feindbild könnte unter anderem mit der
schon erwähnten gehäuften Herkunft vieler Gothics aus eher ländlichem Umfeld,
mit stärker christlichen Strukturen begründet sein. Das soll allerdings nicht
heißen, dass es nicht auch, allerdings wenige, christliche Gothics gibt; so sind
die beiden Musiker der Band LACRIMOSA bekennende Anhänger einer christlichen
Freikirche und sorgten, so wurde zumindest dem Autor berichtet, in ihrem
Heimatort für einen ungeahnten Zustrom von "schwarzen Gestalten" in den
Gottesdiensten ihrer Kirche. Kreuze, die völlig normal, also "richtig herum" an
Halsketten getragen werden, sind durchaus nicht selten bei Szenepartys zu sehen
- ob deswegen jedoch bei den Trägern oder Trägerinnen ein tiefer christlicher
Glaube angenommen werden kann, ist zu bezweifeln. Das zeigt nun wieder, dass
nicht jeder, der religiöse Symboliken benutzt, sich auch automatisch mit einer
Religion identifiziert. Vor diesem Missverständnis sollte man sich auch bei den
nun folgenden Erläuterungen hüten. Bei allen im folgenden Text erläuterten
Fluchttendenzen, die teilweise bedrohlich oder gefährlich zu sein scheinen,
handelt es sich nicht um Ideologien, die von der ganzen Gothic- Kultur bzw. auch
nur von einem großen Teil der Gothics vertreten werden. Interessant zu sehen ist
es aber trotzdem, warum sich diese Tendenzen offenbar gerade in der Gothic-
Kultur verhältnismäßig gut verbreiten können und nicht auf noch stärkeren
Widerstand stoßen.
"Crowleys Verständnis des Göttlichen ist ein orgiastisch- dionysisches, und den
absoluten Lebenswillen zu erkennen, heißt konkret, sich in schrankenloser
Zügellosigkeit auszuleben... Crowleys Lehre beinhaltet also eine
Verabsolutierung des Lebens wie der Lust."41
Auf Crowley bezieht sich beispielsweise eindeutig die skandinavische Band -
Nomen est Omen - THERION, welche Anhänger in der Black- Metal- und Gothic- Szene
hat. Eine andere, in anderem Zusammenhang bereits erwähnte Band, nämlich HIM,
setzt eine gewisse "satanistische" Tendenz der Rockmusik mit ihrem Bandnamen -
ausgeschrieben "His Infernal Majesty" - fort, die unter anderem auch die
ROLLING STONES mitbegründet haben. Ihr Album von 1967 heisst "Their Satanic
Majesties Request" und Mick Jagger hatte längere Zeit Kontakt mit Kenneth Anger,
einem US- amerikanischen Satanisten. Jimmy Page, Musiker u.a. von LED ZEPPELIN
kaufte das ehemalige Haus von Aleister Crowley am Loch Ness und Legionen von
ironischerweise v.a. evangelikalen Hörern versuchten im LED ZEPPELIN Lied
"Stairway to Heaven" irgendwelche versteckten (rückwärtsgespielten) satanischen
Botschaften zu hören. Für die Metal- Szene typische Bandnamen sind an
christliche bzw. eher an antichristliche Tradition anschliessende Namen wie
JUDAS PRIEST, BLACK SABBATH, PARADISE LOST, SODOM, MINISTRY oder THE ALMIGHTY
oder auch Bandnamen die Gewalt und Schrecken repräsentieren, wie etwa ANTHRAX,
POISON, SLAYER, DESTRUCTION, PRO PAIN oder FEAR FACTORY, manchmal scheinen sich
diese Bands auch der Beschäftigung mit Tod verschrieben zu haben, wie z. B:
CREMATORY, ENTOMBED, SUICIDAL TENDENCIES oder DEATH. Liedtitel wie "Devil´s
Child" (JUDAS PRIEST), "Songs of Satan" (VENOM) oder "The Number of the Beast"
(IRON MAIDEN) scheinen satanistische Einflüsse zu bestätigen. Auch in den
Bühnenshows und auf den Plattencovern werden Themen, die dem Satanismus
zugeschrieben werden könnten, thematisiert:
"Die Plattencover stellen Verbrennungen von Kirchen und Kreuzen, die
Vergewaltigung von Nonnen, Schändungen von Gräbern, Horrorgestalten, Zombies,
Pentagramme, Satansmessen und jede Menge Gewaltszenen dar....Brutalität und
Aggression, gepaart mit Referenzen auf satanische Vorstellungswelten, sollen
sich nicht nur in Texten und im Musikstil verwirklichen, der von dem typischen
weiterentwickelten Kraft- (Metall!-) sound und martialisch- gepreßten Schrei-
Gesang geprägt ist. Sie prägen vor allem auch die Bühnenshows, die z. T. bewußt
als Kultveranstaltungen mit mehr oder weniger explizit satanischen
Vorstellungswelten inszeniert werden. So gehören Pentagramme dazu. Umgedrehte
Kreuze (z. T. aus echten Knochen), Totenköpfe und viele andere Symbole, die z.
T. auch in schwarzen Messen verwendet werden, gehören zur Ausstattung der
Bühnengestaltung und finden sich auf Plattencovern wieder."42
Wie wichtig die Künstler diese "satanistische" Tendenz selber nehmen bzw.
nahmen, kann nur vermutet werden. Musiker aus dem Metal- Umfeld, die sich mit
dem Satanismus bewusst auseinandersetzen, scheint es nur wenige zu geben, die
meisten dürften nur mit den schon erwähnten Klischees spielen - nicht zuletzt um
eben auch die moderne materialistische Industriegesellschaft zu kritisieren und
zu konterkarieren. Manchmal gehen sie wohl auch von der reinigenden Wirkung aus,
die das "Herauslassen" von Aggressionen hervorbringen kann. Außerdem gilt auch
hier wieder: Sex (and crime) sells. Es gibt aber durchaus auch bewusstere
Stimmen, wie etwa von Thomas Lindberg, Sänger der schwedischen Band AT THE
GATES:
"Ich sehe mich als Satanisten, aber eher in einem philosophischen Sinn.
Satanismus heißt nicht böse zu sein; Satanismus ist ein Synonym für Freiheit.
Was aber auch einschließen muß, daß du die Taten der anderen tolerierst."43
Eine gewisser Einfluss der, nicht unbedingt satanistischen, Esoterik- und
Okkultszene ist auch bei manchen Metal- Musikern spürbar, so etwa beim
"Vorzeige- Satanisten"44 King Diamond von MERCYFUL FATE:
"Woran ich glaube, ist, was unerforschlich ist. Das sind die Kräfte des
Unbekannten, die Kräfte der Finsternis, die die Erde in der Balance halten ...
Wir sind alle mit bestimmten Gefühlen geboren - warum sollten wir sie nicht
ausleben? ... Ich würde schon für mich in Anspruch nehmen, auf dem Gebiet des
Okkultismus eine ganze Menge Wissen zu haben, denn ich beschäftige mich schon
seit mehreren Jahren intensiv mit der Materie ... Allerdings sollte man dazu
eine gefestigte Persönlichkeit haben, und ich würde z. B. jungen Kids vor einem
kritiklosen Abfahren auf den ganzen pseudookkulten Kram echt abraten..."45
Damit wären wir auch schon bei der Gedankenwelt, die meines Erachtens die
Gothicszene im Moment am meisten beeinflusst. Nämlich die schier unergründbare
und fast undurchdringbare Gedankenwelt der Esoterik. Hinzuweisen ist zum
wiederholten Male darauf, dass es keineswegs nur die Gothics sind, die sich mit
Okkultem und Magischem beschäftigen und schon gar nicht jedes Szene- Mitglied
daran interessiert ist. Dennoch denke ich, dass es in der Gothic- Szene üblicher
ist, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen, als außerhalb - oder aber nur der
Umgang damit offener stattfindet als in der Restgesellschaft.
"kann (...) letztlich nicht von einer `okkulten Grufti- Religion` gesprochen
werden. Denn dafür sind die Anschauungen der Szene zu heterogen, ja - speziell
Gottesvorstellungen, Religion und Magisches betreffend - sehr gegensätzlich."47
Viele Gothics basteln sich, vergleichbar mit ihrem Umgang mit Symbolen, eine
eigene Religion zusammen, sie kreieren individuelle Privatreligionen
"mithilfe einer Art von ´Religionsbricolage`, durch die sie kulturell tradierte
Religionen und die Religion anderer Ethnien als Rohstoff verarbeiten."48
Für die meisten gilt es, sich aus dem eingleisigen und vorgefertigten
Glaubenskonzept der Kirche zu verabschieden und daher eine vielfältigere
Religiösität zu erleben. Richard schreibt:
"Es wäre widersprüchlich, wenn sich die Grufties nach ihrem stilistischen
Ausbruch aus ihrer dörflich- religiösen Eingleisigkeit wieder freiwillig in ein
sie wiederum einengendes, geschlossenes System begeben würden."49
Dazu möchte ich feststellen, dass eine gewisse Widersprüchlichkeit menschlichem
Verhalten nicht selten innewohnt. Einzelne Gothics sind leider offensichtlich
durchaus anfällig für rassistische und völkische Wahnsysteme, die in einem
späteren Abschnitt abgehandelt werden. Außerdem dürfte es auch unter den Gothics
viele geben, zumindest unter denen, die eine städtische Herkunft haben, die sich
aufgrund der Prozesse der Individualisierung, der Puralisierung und der
Enttraditionalisierung der postmodernen Gesellschaft50 nicht zurecht finden und
eben neben dem (ja nur scheinbaren) Zusammenhalt der Subkultur auch noch andere
Strukturen, in denen sie sich scheinbar sicher bewegen können, suchen. Wieso
Stöber davon ausgeht, dass die Religionsbricolage automatisch dazu dient "eine
Atmosphäre herzustellen die undogmatisch, frei und tolerant ist",51 bleibt für
mich im Dunkeln. Endgültig rätselhaft erscheint es, wenn sie erst die
Ernsthaftigkeit der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen okkulten,
religiösen und philosophisch- weltanschaulichen Traditionen in der Szene betont,
dann aber eine "nihilistische Prägung der schwarzen Szene"52 feststellt. Auch
ihre Behauptungen, dass die Beschäftigung mit "schwarzer und weißer" Magie
sowie Satanismus einfach nur als Kirchenkritik gewertet werden sollten, gelten
meines Erachtens nur für einen kleinen Teil der Gothics - warum sollten sich so
viele Gothics so intensiv mit etwas beschäftigen, was sie eigentlich gar nicht
interessiert? Später relativiert sie diese Aussage allerdings wieder, indem sie
die "Sinnfrage" als "eine wichtige Rolle bei der Beschäftigung mit religiösen
Theorien und Philosophien"53 spielend ansieht und die "Religionsbricolage der
Schwarzen" als "melting pot" bezeichnet, "aus dem unglaublich viel innovative
Kraft für individuelle Geisteserweiterung gezogen werden kann."54 Dass die
Beschäftigung mit "Magie" und Esoterik in der Szene durchaus eine Bedeutung hat,
zeigen alleine schon die Kleinanzeigen in Teilen der szenespezifischen
Zeitschriften. Von den etwa 70 Kleinanzeigen in der Rubrik "Bekanntschaften" der
Ausgabe Dezember/ Januar 2000 des zwischen Black- Metal- und Gothic- Szene
angesiedelten Musik- Magazins "Sonic Seducer", sind alleine neun, die sich in
irgendeiner Art auf eine Beschäftigung mit "Magie" beziehen. Hier einige
Textbeispiele:
"Deutschlandweit organisierte dunkle esoterische Gemeinschaft für Frauen und
Männer sucht weitere Mitgliederinnen und Mitglieder. Unterweisung durch unseren
bekannten Großmeister Thot Thorin Might (...)"55
"Suche dringend Kontakt zu Menschen, die sich ernsthaft mit Asatru beschäftigen,
oder in anderer Art und Weise runenmagisch aktiv sind; runenkundlich bewandert
sind oder heidnische Religion praktizieren. Zweck der Kontaktaufnahme sollte
sein, mit meinem eigenen Wissen den Anderen zu bereichern - da dieses aber noch
nicht so groß ist - mich auch bereichern zu lassen und eine fruchtbare
gedankliche Verbindung aufzunehmen (evtl. auch gemeinsame Rituale). Raum NRW
wäre von Vorteil, ist aber keinesfalls Bedingung. Auch Chaosmagier dürfen mir
(24, w) rein interessenhalber schreiben. (...)"56
"Suche dringend Hilfe! Ich möchte die Kraft eines Sigillenzaubers aufheben, die
ich vor Jahren aktivierte. Wer kann mir mit praktischen Tips weiterhelfen???
Dringend! (...)"57
"(...) Meine Leidenschaften sind Psychologie, Horrorfilme, fahles Mondlicht,
Okkultismus, Satanismus, düstere Gedichte, Gothic, Magie, Mittelalter, Ratten,
Kerzen, Theater und mystische Nächte. (...) Satanisten sind herzlich willkommen
(bin selber einer), aber ich hasse Hardcore- Satanisten (kann Tieropfer und
Rauschgift nicht ausstehen). (...)"58
Wie ernst man solche Anzeigen wirklich nehmen muss und wie viel Angeberei
dahinter steckt, ist ziemlich schwierig zu beurteilen. So erscheint es eher
kindisch, wenn eine 15 jährige schreibt:
"Ich, Satanist und Gruftie Mädchen (15) suche nette schreibwütige Leute. Wenn du
auch dunkle Magie, Friedhöfe, Kerzen, Horrorfilme sowie Drogen gut findest
(...), schreib doch einfach (...)"59
oder auch ein wenig ironisch, wenn eine andere 15- jährige die folgenden Anzeige
aufgibt:
"Sei gegrüßt! Bist du ein Vampir, eine Hexe oder vielleicht ein Satansjünger?
Ich suche düstere Gestalten zum Briefwechsel! (...)"60
3.2.5. Gothic- Szene und Sexualität
Das spezielle "Gothic- Feeling" beruht auf einer Ästhetisierung des Alltags,
ausgedrückt durch die schon erwähnten Mittel der Kleidung und der gothic-
spezifischen Symbolik. Bei der Kleidung sowie Symbolik fallen immer wieder
Hinweise auf Komponenten auf, die auf bestimmte sexuelle Praktiken hindeuten. So
werden nicht selten Halsbänder getragen, die in der SM- Szene
"Sklavenhalsbänder" genannt werden. Sie sind den Halsbändern von Hunden, an
denen man mit Karabinerhaken die Hundeleinen anbringen kann, nicht unähnlich.
Außerdem ist der Dresscode auch im allgemeinen dem der SM- Szene ähnlich.
Insbesonders Accessoires, die oft auch schon der Punk- Kultur entliehen wurden,
wie etwa Ketten, zerrissene T- Shirts und eben die meist mit Nieten versehenen
Halsbänder sind auch bei Punks nicht selten zu finden. Frauen trugen und tragen,
wieder ähnlich wie Punkerinnen, gerne Netzstrümpfe oder auch (manchmal
zerrissene) Strumpfhosen, dazu extrem kurze Röcke oder eben v. a. seit den 90er
Jahren (in denen Fetisch- Kleidung auch ihren Weg in die Kataloge der großen
Versandhäuser geschafft hat) Kleidung aus Lack, Leder oder etwas seltener (da
teuer und sehr empfindlich) Latex. Das sorgte auch dafür, dass sich die Gothic-
Szene teilweise mit den anderen Szenen, die einen ähnlichen Dresscode
bevorzugen, mischte. Das natürlich vor allem in kleineren Städten, wo es nicht
so viele Möglichkeiten gibt, diese Vorlieben für diese Art der Bekleidung
auszuleben. In Berlin bleiben die Szenen meist eher getrennt. Allerdings bot
Anfang der 90er Jahre beispielsweise der, mittlerweile völlig der Techno- Szene
zugehörige, bis vor kurzem in Berlin- Kreuzberg ansässige "Kitkat- Club", der
für seine "tabulosen" und sexuell freizügigen Partys bekannt ist, noch Partys
mit Gothic- und Wave Musik an. In kleineren Städten ist es durchaus so, dass
"Transvestiten, Drag Queens und Transsexuelle ... auch in der schwarzen Szene
eine ´Heimat´ gefunden"61 haben. In Berlin äußert es sich eher darin, dass eben
"schwule" Szeneclubs, wie etwa das "Cafe Anal" Veranstaltungen speziell für
homosexuelle Gothics anbieten. Die eigenständige Struktur der homosexuellen
Subkultur sorgt hier also eher für eine Trennung der Szenen. Genauso verhält es
sich auch mit der SM- Szene. Während in der Karlsruher "Kulturruine" Gothic- und
SM- Szene Hand in Hand Partys feiern, ist in Berlin höchstens der ein oder
andere Gothic bei den Techno- Partys der SM- Szene zu finden und sieht nicht nur
aus Image- Gründen, sondern auch wegen der dort gespielten Musik unglücklich
aus. Dabei geht bei den "normalen" Gothic Partys mittlerweile viel von der
ursprünglichen Toleranz verloren und es kann leider inzwischen auch schon von
(allerdings sehr vereinzelten) Übergriffen gegen Homosexuelle berichtet werden
(siehe Interviews). Trotzdem kann man davon ausgehen, dass die Atmosphäre bei
Gothic- Partys, was die unterschiedlichen Spielarten von Sexualität angeht,
meist toleranter ist als üblicherweise.
"Thematiken aus der S/M- Szene wie Dominanz und Unterwerfung werden in die
schwarze Szene übertragen und so sind Accessoires wie Handschellen, Peitsche
oder Nietenhalsband vielerorts sehr beliebt"62
Bands wie DIE FORM (FR), UMBRA ET IMAGO (D), SLEEP CHAMBER (USA) oder die
GENITORTURES (USA) setzen sich mit den verschiedenen Spielarten von SM
künstlerisch auseinander. Der Künster CARLOS PERON (CH), der eher elektronische
technoähnliche Musik macht, die in der Szene ebenfalls gehört wird, organisiert
regelmäßig SM- Performances. Das, zumindest ehemalige,63 Szene- Magazin "Zillo"
bringt in der Ausgabe vom März 2000 ein sechsseitiges "Special" über
Fetischismus, das es folgendermaßen einleitet:
"Unmöglich, sich heutzutage auf einer Electro- oder Gothic- Veranstaltung
aufzuhalten, ohne dabei von einer vollständig in Lack gekleideten Schönen oder
einem in schwarzen Leder Gehüllten in den Bann gezogen zu werden. Bedeutet das
nicht, dass in jedem von uns ein Fetischist schlummert, der darauf wartet,
geweckt zu werden? Die Haut der jungen Tänzerinnen - für die Dauer eines Techno-
Clips in eng anliegende Latex- Kombinationen gegossen, die Allgegenwärtigkeit
dieser befremdenden Materialien in der Garderobe der von uns bevorzugten Bands
... Zahlreich sind die Beispiele, die uns zeigen, wie der Fetischismus - in
seinem Ursprung als Perversion betrachtet, als Krankheit verschrien - sich
inzwischen zu einer faszinierenden Mode entwickelt hat."64
Im weiteren Text grenzen sich die Autoren aber von der SM- Szene ab:
"Oft assoziiert mit sado- masochistischen Torturen, ist der Fetischismus dennoch
weit entfernt von jeglicher pornographischer oder SM- Aktivität.(...)
Heute kennzeichnet das Attribut ´Fetisch´ eher eine Art Szene, eine Gegenkultur,
die sich um Veranstaltungen, innovative Artisten und Kreative dreht, die durch
einen Dress- Code, nicht durch sexuelle Praktiken, miteinander verbunden
sind."65
Abgesehen von der etwas gewagten Theorie einer "Fetisch- Gegenkultur", dürfte
die hier formulierte, klare Abgrenzung zur SM- Szene eher künstlich sein. Was
allerdings nicht heißt, dass es nicht ein Fehler wäre zu behaupten, dass jeder
Gothic, selbst wenn er ein Fetisch- Outfit bevorzugt, unbedingt an sado-
masochistischen Praktiken interessiert wäre. Das Outfit wird eben, wie jede
Mode, einfach von den neuen Szene- Mitgliedern von den alten übernommen. Je
mainstreamiger eine Jugendkultur wird, desto mehr besteht die
Wahrscheinlichkeit, dass auch die damit verbundenen Ideen, wie etwa hier der
Tabubruch der expressiv dargestellten Sexualität verschwinden. Außerdem muss
auch gesehen werden, dass der Tabubruch inzwischen bei weitem nicht mehr so
interessant ist, wie zu Zeiten der Entstehung der Gothic- Kultur. Inzwischen ist
man ja aus nachmittäglichen Talkshows und "Erotik- Magazinen" des Fernsehens
fast schon übersättigt mit Informationen über die unterschiedlichsten sexuellen
Vorlieben und es gilt vieles als "normal", was früher allenfalls im Dunkel der
Schlafzimmer seinen Platz fand. Vor allem die Techno- Szene, die ja in den
letzten Jahren wahrscheinlich die zahlenmäßig verbreitetste Jugendkultur war,
sorgte ähnlich wie die, zahlenmäßig und kommerziell weitaus unbedeutendere,
Gothic- Kultur hier für eine Aufweichung der entsprechenden Tabus. Dadurch
erscheint also auch das Risiko, das der Einzelne mit dieser "Provokation", die
Stöber als die Hauptbedeutung dieser Form der Bekleidung ansieht,66 auf sich
nimmt inzwischen als recht kalkulierbar.
"Das Erotische wird leidenschaftlich auf den Tod bezogen. Ein zentrales Thema
ist das Ersetzen der Liebe durch Schrecken, der Flirt mit dem Tod und das
Auskosten des Kitzels der verleugneten Sexualität, immer angelegt, um Ekel zu
erzeugen. Die Grufties hoffen wie Romantiker auf ein unerreichbares Ideal von
Liebe, das in der Unmittelbarkeit von Empfindungen besteht. Dieser subkulturelle
Stil ist also durch die partielle Freisetzung und tendenzielle Enttabuisierung
von Vorstellungen und Bildern des Todes charakterisiert."67
Der Vampir bildet das perfekte Abbild der Mischung aus Erotik und Tod.
"Vampire sind Wiedergänger von denen ausdrücklich gesagt wird, daß sie den
Lebenden das Blut aussaugen."68
Das herausragende Merkmal am Vampir ist, von seinem weiterleben nach dem Tod mal
abgesehen, sein Gebiss, welches von zwei spitzen Schneidezähnen dominiert wird.
Copper berichtet von Frauen des 18. Jahrhunderts, die schildern, wie
"sich das Ungeheuer in einer erotischen Position auf seine Opfer legte, diese
einen zentnerschweren Druck auf der Brust verspürten und danach in Schweiß
gebadet aus ihrem tranceartigen Zustand erwachten."69
Die Bedeutung von Zähnen als Symbole in der Psychoanalyse ist wohlbekannt.
Zusammen mit Beschreibungen des Aktes des Blutsaugens, kann man den Vampirkuss
also eindeutig als einem stilisierten Geschlechtsakt begreifen. Freudemann
stellt in einem psychoanalytischem Beitrag,70 durch einige literarische und
filmische Beispiele belegt, weiterhin fest, dass der Vampir das Vaterimago und
seine Opfer die gespaltenen Imagines der Mutter repräsentieren. Die bevorzugten
(hauptsächlich weiblichen) Opfer der Vampire sind entweder besonders
draufgängerisch und sexuell aktiv oder aber edel, rein und gut. Also wird, wie
in unserer Kultur häufig, die klassische Teilung des Mutter- bzw. Frauenbildes
in Heilige und Hure dargestellt. Nicht zufällig sind also die verbreitete
Frauenbilder, wie auch die vampiresken Thematiken, die immer wieder in der
Gothic- Szene zu finden sind. Gothic- Frauen trifft man entweder in eher weiter
Kleidung an, die wenig Körperlichkeit verrät oder eben als "männermordende
Vamps", bspw. ganz in Lack gekleidet. Vor allem auf Plattencovern und bei dem
sonstigen Artwork von Bands ist dieses Frauenbild (welches dem Frauenbild der
Romantik ebenfalls nahe kommt) weit verbreitet. Bei dieser so sehr auf den Tod
fixierten Jugendkultur wundert man sich auch nicht dass der Untote, der trotzdem
unter den Lebenden weilt, zusätzlich als Identifikationsobjekt dienen kann, da
man sich ja wie bereits an anderer Stelle erläutert, sehr ähnlich fühlt.
3.2.6 Drogen
Eine überraschend geringe Rolle spielen, zumindest in der deutschen Gothic-
Szene, illegale Drogen. In weit geringerem Maße als in der Techno- Szene werden
synthetische Drogen konsumiert. Der häufige Konsum von "Speed" in der Wave-
Szene der 80er gehört der Vergangenheit an. Heroin spielt ebenfalls so gut wie
keine Rolle. Allenfalls Cannabis- Konsum wird vereinzelt toleriert, gehört aber
keineswegs zum Gothic- Sein dazu. Die Hauptdrogen die konsumiert werden sind die
legalen Drogen Tabak und Alkohol. Sehr beliebt sind vor allem, neben dem
Volksgetränk Bier, Rotwein und Sekt. Rotwein wahrscheinlich wegen der Affinität
zur Farbe des Blutes und Sekt, weil er als etwas edler gilt als andere
alkoholische Getränke. Deutlich zu pathetisch sind meiner Meinung nach die
Ausführungen Stöbers:
"Eine Jugendkultur, die dermaßen Wert auf das Individuum und seine Rechte legt,
kann kaum eine Droge verherrlichen, die den Körper (und den Geist) letztendlich
zerstört."71
Ich denke eher, dass die auffallende Zurückhaltung der Szene den Drogenkonsum
betreffend, mit soziologischen Kriterien, wie etwa Bildungsniveau und
gesellschaftlichem Status geklärt werden sollten. Eine Untersuchung, die ich an
dieser Stelle nicht leisten kann.
3.3. Rechtsextremistisches und Völkisches
Im folgenden Abschnitt soll es nicht darum gehen, die Gothic- und Dark Wave-
Szene an sich mit dem behandelten Thema zu identifizieren. Es geht darum,
Gefahren und Tendenzen anzusprechen, die als gesamtgesellschaftliches Phänomen
in praktisch allen modernen Industriegesellschaften spürbar sind und nicht nur
in der Gothic- und Darkwave- Szene sichtbar werden. Allerdings wirkt es gerade
in Deutschland äußerst bedrohlich, wenn wieder eine intellektuelle Rechte
entsteht, die mit rationalen Argumenten kaum angreifbar ist, da sie sich auf
"Mythen", "uralte Geheimnisse" oder die "alte germanische Naturreligion" beruft.
Die Meinungsführer der Neuen Rechten, hier vor allem die Wochenzeitung "Junge
Freiheit" und die NPD, haben eben gerade die Jugendkultur der Gothics und
Darkwaver dazu auserkoren umarmt und Opfer ihrer Agitationsstrategie zu werden.
Untersucht werden soll hier, ob diese Wahl rein zufällig ist. Außerdem ist es
unerlässlich, die Traditionslinie darzustellen, die zu nationalsozialistischem
Okkultismus führte. Da das Thema im Rahmen dieser Diplomarbeit nur sehr kurz
dargestellt werden kann, gehen aber leider einige Zusammenhänge verloren, so
können auch parallele Entwicklungen in anderen Ländern und bei anderen
Subkulturen höchstens angetippt werden.
3.3.1. Theosophie und Ariosophie
Die Theosophie war eine religiöse Erneuerungsbewegung, die hauptsächlich auf
Grund der Schriften von Helena Petrowna ("Madame") Blavatsky (1831- 1891)
entstand. Blavatsky, die haupsächlich in den USA lebte und in der Ukraine
geboren war, wendete sich ursprünglich nur gegen
"die rationalistische und materialistische Kultur der modernen westlichen
Zivilisation"
und begründete dieses mit Hilfe von Sekundärquellen
"der heidnischen Mythologie und der Mysterienkulte, des Gnostizismus, der
´Hermetica´, der Arkantradition der Renaissance, der Rosenkreuzer und anderer
geheimer Bruderschaften."73
Anfangs sah sie das alte Ägypten als die Quelle aller Weisheit an. Dabei wurde
sie offenbar hauptsächlich durch die okkulten Romane des spätromantischen
englischen Schriftstellers (und Politikers) Sir Edward Bulwer- Lytton
inspiriert. Später stützte sie sich mehr und mehr auf hinduistische Elemente und
verfasste 1888 das Buch "Die Geheimlehre", welches angeblich ein Kommentar zu
einem "Buch Dzyan" sein soll, das sie in einem Kloster im Himalaya gefunden
haben will. Mit diesem Buch schafft sie es, die Theosophie systematischer zu
gliedern.
"Charakteristisch für die theosophische Lehre sind vor allem zwei Grundthesen.
Erstens: alle Religionen enthalten eine ´gemeinsame esoterische Essenz´.
Zweitens: Darwins Evolutionsmodell ist auf die ´spirituelle Ebene´ anwendbar."74
Durch die "gemeinsame esoterische Essenz" wird es möglich, die verschiedenen
Religionen willkürlich zu mischen und deren teilweise fundamental
entgegengesetzten Grundaussagen zu ignorieren. Neuere pseudoreligiöse
Erscheinungen, wie etwa der zu Blavatskys Lebzeiten beliebte Spiritismus, lassen
sich ebenfalls ohne Probleme integrieren. Durch das "geheime Wissen" ist es
außerdem möglich, eine hierarchische Strukturierung in mehr und weniger
"Eingeweihte" zu schaffen und zu erhalten.75 Die zweite These bildet die
Grundlage für die Entstehung der späteren ariosophischen Lehren. Blavatsky
behauptet, dass die Menschheitsgeschichte viel älter sei, als die
Geschichtsschreibung das annimmt. Sie geht davon aus, dass die Entwicklung des
Kosmos in sieben zyklischen Abschnitten von Entstehen und Vergehen verläuft. In
jedem Abschnitt gibt es wiederum eine "Wurzelrasse", die ebenfalls aufsteigt und
verfällt. Die bestehende Menschheit ordnet sie der fünften Wurzelrasse zu,
"auf einem Planeten, der den vierten kosmischen Zyklus durchlief und dem der
Prozeß des geistigen Fortschritts noch bevorstand. Die fünfte Wurzelrasse war
die arische Rasse, die vorhergehende vierte waren die Atlantier, die
größtenteils in einer Flut umgekommen waren, welche Atlantis zerstört hatte.
(...) Die drei früheren Wurzelrassen der jetzigen Planetenrunde waren
vormenschlich. Die erste war die astrale Wurzelrasse, welche in einem
unsichtbaren, unzerstörbaren, heiligen Land lebte, die zweite die hyperboräische
Rasse, die auf einem später versunkenen polaren Kontinent wohnte. Die dritte,
die lemurische Wurzelrasse, lebte auf einem Kontinent im Indischen Ozean. Es ist
möglich, daß deren Position am oder nahe des spirituellen Tiefpunkts des
rassischen Entwicklungszyklus war, daß Blavatsky die Lemurier der Rassenmischung
und dem daraus resultierenden Fall sowie des Zeugens einer Nachkommenschaft von
Monstern beschuldigte."76
Die heutige Menschenrasse unterteilte sie wiederum in fünf "Unterrassen" und
stellte an deren Spitze, als hochentwickeltste Rasse, die "Arier". Ein weiteres
spezifisches Merkmal der Theosophie ist die Lehre von der Wiedergeburt. Die
Reinkarnationslehre, auch bei der heutigen New- Age- Bewegung weit verbreitet,
geht meist zusammen mit der sogenannten Karma- Lehre.
"Die Reinkarnations- und Karma- Lehre leugnet gesellschaftspolitische Ursache
und Wirkungen im Leben von Menschen und fördert eine kritiklose, unpolitische
Haltung, die von verantwortlichem Engagement nichts wissen will und von
gesellschaftlichen Mißständen bis zu Krieg und Völkermord alles dem ´Karma´
zuschreibt. Daß dieser Kult der gesellschaftlichen Verantwortungslosigkeit
selbst zu autoritären Strukturen neigt, zeigt das Phänomen der ´Gurus´, die auch
´Meister´ genannt werden und deren Machtstellung in der jeweiligen Jüngerschaft
kein Kontrollorgan gegenübersteht."77
Der Wiener Guido (von) List (1848- 1919) gilt als der eigentliche Erfinder der
Ariosophie. Er glaubte durch Reinkarnationserinnerungen, die er selbst als
"Erberinnerung" bezeichnete, das Geheimnis der Runen und der Sprache entdeckt zu
haben. Diese seherischen Fähigkeiten entwickelte er vor allem während einer
Krankheit im Jahre 1902 (er erblindete nach einer Operation zeitweilig). Er war
Anhänger der protestantischen und alldeutschen "Los- von- Rom- Bewegung" um
Georg Ritter von Schönerer, was in der aktiven Mitgliedschaft im "Bund der
Germanen" deutlich wurde. Die akademische Anerkennung seiner Erkenntnisse
blieben ihm aus naheliegenden Gründen versagt, trotzdem schaffte er es, sie in
der Öffentlichkeit zu verbreiten und mit der 1908 gegründeten "Guido- von- List-
Gesellschaft" finanzstarke Förderer zu finden. Mitglieder seiner Gesellschaft
waren neben, v.a. aus dem Adel und dem Großbürgertum kommenden, Einzelpersonen
(unter ihnen Karl Lueger, christsozialer Bürgermeister von Wien), einige
völkische Vereinigungen und die gesamte Wiener Theosophische Gesellschaft. Guido
List beschrieb die angebliche Kultur, Gesellschaft und Religion der "Ario-
Germanen". Er ging davon aus, dass die Gesellschaft der Germanen sich aus einem
engen Kreis der Wissenden und einen weiten Kreis der Unwissenden zusammensetzte.
Der Kreis der esoterisch Wissenden (der "Armanismus" oder die "Wihinei") sei
monotheistisch gewesen, da sie erkannten, dass die Götter nur Personifikationen
"des einen, großen unnennbaren Gottes" darstellten (hier greift er auf das
theosophische Konzept der einheitlichen Esoterik der Religionen zurück). Der
äussere Kreis des "Wuotanismus" hingegen, die Exoterik also, diente dem Volk,
welches geistig nicht so hoch entwickelt gewesen sei. Die Sagen und Mythen der
Germanen ordnet er dieser polytheistischen Religion zu. Die Aufgabe des
"Wuotanismus" sah er vor allem in der Aufzucht einer "Edelrasse", welches die
Hauptbeschäftigung des Adels sein sollte. Der Adel sollte über das normale Volk
herrschen, welches nur dienende Aufgaben erfüllte. Die Begründung für diese
Ordnung war wiederum die Karma- Lehre.
"Er forderte zum Beispiel für die ´Rassereinen´ die Wiedererrichtung der
ursprünglichen Rassekultreligion, Prämien für ´Blondehen´, Sonderrechte für
Blonde, Klöster für ´Zuchtmütter´, Reinzuchtkolonien, Vielweiberei für blonde
Männer, ´Ehehelfer´ für zeugungsunfähige Männer, Erziehung zur ´Arioethik´ in
den Schulen und Wohnsitze auf dem gesunden Land für die Blonden. Als Maßnahmen
gegen die ´Tschandalen´ (Lists Ausdruck für die ´Minderrassigen´) empfahl er
kinderlose Ehen, Propaganda von Verhütungsmitteln, Kastration, Sterilisation,
Prostitution, Einstellung von Wohltätigkeiten, Sklaverei, Zwangsarbeit,
Deportationen in die Wüste, Verwendung als ´Kanonenfutter´ im Ersten
Weltkrieg."78
List und Lanz waren eng befreundet und die beiden waren jeweils Mitglieder in
der Organisation des jeweils anderen. Die Ideen beider scheinen die Grundlage
der Ideologie des heutigen Armanen- Ordens zu bilden. "Armanen" waren nach List
der höchste Stand der "Ario- Germanen"; er sah sie als Mischung aus Gelehrten,
Priestern, Richtern und Fürsten an, welche durch Beherrschung okkulter Kräfte
und ihr "intuitives" Wissen absolut herrschten.
3.3.2. Der Armanen- Orden
Adolf Schleipfer gründete 1976 zusammen mit seiner damaligen Ehefrau Sigrun
Hammerbacher, die sich inzwischen Sigrun Freifrau von Schlichting nennt, den
Armanen-Orden. Schleipfer war zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre Leiter
der Guido- von- List Gesellschaft. Die innere Struktur des Armanenordens besteht
aus einem, der Freimaurerei entlehntem, Einweihungssystem. Die ersten drei
"Goden"- Grade (Lehrling, Geselle und Meister) bilden die Volkspriesterschaft.
Die höchsten sechs Grade sind die sogenannten Armanen- Ordens- Grade. Er stellt
also ziemlich genau eine Organisation nach dem Geschmack Lists dar. Das Wissen
zur Erlangung der Grade wird in Form von sogenannten "Leitbriefen" durch die
Ordensleiter vermittelt. Viele andere Neuheidnischen Organisationen, die oft
ebenfalls mit freimaurerischen Einweihungsgraden operieren, sind mit dem
Armanenorden organisatorisch verbunden. Eine dieser Organisationen ist bspw. die
"Artgemeinschaft", die der als Verteidiger von verschiedenen Neonazis bekannt
gewordene Jürgen Rieger leitet. In der Zeitschrift des Armanen- Ordens
"Irminsul" wurden u.a. ohne kritischen Kommentar die Schriften von Lanz
abgedruckt.
"Die Beschäftigung mit den keltischen und germanischen Göttern bedeute eine
Anknüpfung an deren altes Wissen, das die ´Armanen´ kritiklos aus den Schriften
Guido von Lists beziehen, der als ´Seher´ und ´Erberinnerer´ verklärt wird. Die
Wahl der jeweiligen Religion sei nicht der freien Entscheidung überlassen,
sondern man stehe sozusagen unter dem Zwang, sich für eine ´artgemäße Religion´
zu entscheiden, weil bei der Verbindung mit einem ´fremden Gott´ innerliche
Verformung drohe.
Berücksichtigen muss man allerdings, dass der Armanen- Orden in der
Öffentlichkeit nicht offen rassistisch auftritt. Im Gegenteil dementiert er
grundsätzlich jede rassistische Tendenz und führt auch neue Mitglieder (und erst
recht Satellitenorganisationen) nur langsam an die rassistischen Kernaussagen
seiner "Lehre" heran. Leider sind selbst Gruppen, die sich von faschistischem
Gedankengut etwas glaubwürdiger zu distanzieren suchen, nicht frei davon. So
etwa die "Germanische Glaubensgemeinschaft" des Geza von Neményi, die sich vom
Armanen- Orden getrennt hat. So schreibt er in der Zeitschrift "Germanen-
Glaube":
"In der Natur ist es so geregelt, daß das Kranke und Schwache untergeht. Das mag
für den christlich beeinflußten Menschen grausam klingen, aber es ist im
Interesse der Arterhaltung dringend notwendig. Würde sich das Schwache weiter
fortpflanzen, würde die ganze Art immer schwächer und dekadenter."80
Außerdem sieht er bspw. Homosexualität als "unnatürlich" an. Es zeigt sich auf
jeden Fall, dass er weiter in den benannten Denkmustern der Theosophie bzw.
Ariosophie gefangen bleibt. Festgestellt werden muss, dass neuheidnische, sich
auf naturreligiöse Religionen (wie etwa Asatrú) berufende Gruppen nur dann nicht
zur rechtsextremistischen Szene zugehörig gelten können, wenn sie sich eindeutig
von der Theosophie und Ariosophie distanzieren.81
3.3.3. Wicca
"Wicca" dürfte momentan die beliebteste Strömung der Heidenszene sein. Sie
vertritt nach aussen hin
"eine scheinbar emanzipatorisch- demokratische Lehre mit besonders betonter
Patriarchats- und Naturzerstörungskritik sowie dem Anspruch, eine alte,
europäische, heidnische Religion zu sein. In der Tat wird hier und da die These
vertreten, Wicca sei die alte Götinnen- Religion. Weiterhin behauptet Wicca von
sich, die Verkörperung eines alten europäischen Hexenkultes zu sein."82
Da Wicca sich hauptsächlich auf eine keltische Traditionslinie beruft, wurde
sie, im Gegensatz zu den Gruppen mit germanischen Traditionslinien, nie
besonders angefeindet. Durch diese (scheinbare) Unverdächtigkeit kommt es sogar
dazu, dass eine scheinbar politisch korrektere Beschäftigung mit germanischen
Gottheiten unter dem Label "Northern Wicca" einsetzte. Vergessen wird völlig,
dass die Beschäftigung mit dem Keltentum in Frankreich aus ähnlichen Motiven und
zur gleichen Zeit (Anfang des 20. Jahrhunderts), wie die "Erforschung" des
Germanentums in Deutschland eingesetzt hatte und in ähnlich rassistische
Theorien ausuferte.
"daß sich die überaus zahlreichen Wesenheiten der keltischen Mythologie
keineswegs auf eigentlich zwei reduzieren lassen."83
Auch bei der organisierten Wicca gibt es Initiationsriten und damit verbundene
Geheimnisse, die es schwierig machen, die Kernpunkte der Glaubensinhalte dieser
"Religion" zu erkennen, da nur die Führungsspitze der Wicca diese kennt. Mit
diesen Initiationsriten werden natürlich auch Herrschaftsansprüche gesichert.
Unhistorisch setzt sich die Wicca auch mit den Hexenverfolgungen der frühen
Neuzeit auseinander. Sie behauptet einfach, die ja eigentlich völlig unschuldig
gefolterten und ermordeten Frauen (weniger die Männer), seien Anhänger einer
Wicca entsprechenden Glaubensrichtung gewesen. Abgesehen davon, dass man so den
christlichen Verfolgern damit ja auch noch nachträglich eine Art Rechtfertigung
für ihr Vorgehen gibt, ist diese Behauptung schon deshalb abstrus, da es Wicca
damals eben noch gar nicht gegeben haben kann. Allerdings kann auch festgestellt
werden, dass viele Anhänger der Wicca durchaus ein demokratisches, ökologisch-
fortschrittliches und feministisches Weltbild haben. Es gilt für diese, die
hierarchischen Strukturen der Wicca zu verändern und Wicca frei von
theosophischem Okkultismus zu machen. Erst dann könnte sie wirklich als
menschenfreundliche (und nicht rassistische84 und gesellschaftliche
Machtverhältnisse zementierende) Religion gelten. Um eine wirkliche
Naturreligion zu werden, müsste sie allerdings auch ihr Götterbild fallenlassen.
3.3.4. Gothics und die Neue Rechte
Die von Gothics so geliebte Beschäftigung mit allem, was nach Mystik,
Okkultismus und Kirchenkritik klingt, bietet leider auch ein Einfalltor für die
oben beschriebenen rassistischen und menschenverachtenden Theorien. Spätestens
nachdem ungefähr Mitte der 80er Jahre Gerüchte über das Weltbild der Band DEATH
IN JUNE auftauchten, war es vorbei mit der heilen Welt des Gothic und das
Problem wurde offensichtlich. Teilweise geriet die Szene insgesamt ins Visier
von einigen autonomen antifaschistischen Aktivisten, was nicht unbedingt für die
aufklärerische Qualität dieser Art der "antifaschistischen Arbeit" spricht.85
Mittlerweile haben sich die Vorwürfe jedoch versachlicht, nicht zuletzt durch
(leider noch alles andere als übliche) antifaschistische Arbeit von Menschen aus
der Gothic- Kultur selbst. Doch was hat es nun mit dem rechten Rand der Szene
auf sich?
"Auf der Suche nach einer zukünftigen politischen Perspektive stolperten wir
über den nationalistischen Bolschewismus, der sich wie ein Leitfaden durch die
Hierarchie der SA zog. Leute wie Gregor Strasser und Ernst Röhm (...) fielen uns
auf. (....) Man kann sich fragen, ob Röhm im Falle eines Sieges über Hitler den
2. Weltkrieg verhindert hätte."86
Völlig totgeschwiegen wird von Pearce, der angeblich einst Geschichte studiert
hat, dass der nationale Sozialismus der NSDAP, mit seiner Unterscheidung von
"schaffenden und raffenden Kapital", unter zweiterem wurde das jüdische Kapital
verstanden, nur wenig bis gar nichts mit marxistischem Sozialismus zu tun hat.
Außerdem entbehrt die Theorie von Röhm als theoretischen Friedensstifter
jegliche historische Grundlage und dürfte vergleichbar mit der langjährigen
Hess- Verehrung der deutschen Neonazi- Szene sein. Denkbar wäre es auch, dass
der homosexuelle Uniformfetischist Pearce (das ist nicht abwertend gemeint,
sondern beschreibt nur Tatsachen) in Röhms SA, der ja nachgesagt wurde, viele
Homosexuelle als Mitglieder zu haben, eventuell eigene erotische Fantasien
verwirklicht sieht.87 Das Symbol von DEATH IN JUNE besteht aus dem leicht
veränderten Totenkopf der SS. Pearce betont zwar immer wieder, dass er
ursprünglich mal in einer trotzkistischen Punk- Band gespielt hat und dadurch
gar kein Faschist sein könne; in seinen Statements und seiner Kunst gibt es
jedoch immer wieder Hinweise an dieser Eigenbeurteilung zweifeln zu müssen.
Allerdings ist DEATH IN JUNE natürlich keine primitive Skinhead- Band, deren
Texte man eindeutig beurteilen könnte (und so tölpelhaft, sich offen rassistisch
zu äußern, ist ja nicht einmal der Armanen- Orden). Auffällig ist aber eine
ständige Beschäftigung mit, bestenfalls, germanentümelnder Symbolik, wie
beispielsweise der von der SS- benutzten Runenzeichen und anderen, ebenfalls vom
Nationalsozialismus her, bekannten "Kunstwerken". Hinweise auf zumindest
kritisch zu beurteilende Inhalte ihrer Platten bzw. CDs gibt es zuhauf, ich
möchte nur einige wenige nennen: auf der LP- Brown Book, wiederveröffentlicht
als CD namens "The Cathedral of Tears", ist das Lied "Brown Book" enthalten. In
diesem Lied singt ein Sänger (wahrscheinlich Ian Read) das, in Deutschland
verbotene, Horst- Wessel- Lied in Deutsch, wenn auch mit starkem britischen
Akzent. In dem Lied sind auch noch andere Samples enthalten, wie etwa der Text
einer jüdischen Großmutter, die ihrem HJ- Begeisterten Enkel ein Gleichnis
erzählt (entnommen aus dem antifaschistischen Nachkriegsfilm "Die Welt in jenem
Sommer"). In einem anderen Sample hört man einen Nazi, der über die
homosexuellen Neigungen von SS und SA spekuliert (ebenfalls aus "Die Welt in
jenem Sommer"). Pearce selbst fasst dieses Lied als bewusste Provokation auf,
wen und vor allem warum er damit provozieren will, bleibt selbst nach dem Lesen
seiner Stellungnahmen zu dem Lied schleierhaft.88 Das einzige was deutlich wird
ist, dass er wieder einmal mit nationalsozialistischen Motiven gearbeitet hat.
Andere, willkürlich herausgegriffene Liedtitel, die anscheinend nicht provokativ
gemeint sind, da nach Pearces Eigenaussage "Brown Book" sein einziges Lied war
mit dem er "vorsätzlich provozierte" sind "Rose Clouds of Holocaust", "Burn
Again", "Omen- filled Season", "Symbols of the Sun", "Rule Again", "Blood
Victory" und "Red Dog - Black Dog". Da hier wirklich nicht der Raum ist, eine
Analyse jedes einzelnen Liedes zu leisten und man sich anscheinend selbst dann
nicht immer zu einer eindeutigen Aussage über die politische Haltung von Pearce
durchringen kann (wie z.B. die Pearce und andere Künstler, man möchte manchmal
vermuten, gegen besseres Wissen, verzweifelt verteidigende Stöber zeigt)
überlasse ich es dem Leser die Symbolkraft dieser Liedtitel zu deuten. Einige
Hinweise auf die politische Gesinnung Pearces geben aber vielleicht die Spende
der Erlöse der DEATH IN JUNE Platte "Something Is Coming - Live And Studio
Recordings From Croatia" von 1993 an ein Militärkrankenhaus der oft als
faschistisch bezeichneten, nationalistischen kroatischen HOS- Miliz. Pearce
verweigerte sowohl beim "Dark X- Mas"- Festival 1992 in Hamburg die Unterschrift
unter eine sich von Neonazis und Faschisten distanzierende Petition (Anlass
waren damals die Pogrome von Hoyerswerda), wie auch beim 1994 stattfindenden
"Festival Of Darkness". Außerdem äußerte er in dieser Zeit Verständnis für die
pogromartige Stimmung in den neuen Bundesländern (wahrscheinlich bezogen auf
Rostock- Lichtenhagen):
"Hast du jemals Tür an Tür mit Zigeunern gelebt? Ich kann denn Groll, der in
Ostdeutschland zum Vorschein kommt, verstehen ... ."89
Der einzige ehemalige Musiker von DEATH IN JUNE, der sich anscheinend
mittlerweile grundlegender von Pearces Einstellungen abgewandt hat, ist Patrick
O´Kill (jetzt SIXTH COMM und MOTHER DESTRUCTION), der eingesteht,
"dass das, was mal als Provokation in den ´linken 80ern´ gedacht war in etwas
tatsächlich Negatives umgeschlagen ist. Seine ´menschenverachtende Phase´ sei
Vergangenheit."90
Das dritte ehemalige Gründungsmitglieder von DEATH IN JUNE, Tony Wakeford (heute
SOL INVICTUS und L´ORCHESTRE NOIR), vertritt offensichtlich eine magische,
kulturpessimistische und sozialdarwinistische Denkweise, die aus der Theosophie
nur allzu bekannt ist. Er titelte eine seiner Platten nach einem Buchtitel des
faschistischen italienischen Philosophen Julius Evola (1898- 1974): "Against the
Modern World". Er sagt allerdings, dass er das tat, ohne wirklich etwas über
Evola zu wissen:
"´Wider die moderne Welt´- das hat damals genau auf den Punkt gebracht, wie ich
mich gefühlt habe, aber eher in einem allgemein heidnischen als politischen
Sinn".
Er äußert sich in dem selben Interview aus dem Jahr 1991 (über Aleister Crowley
und Widersprüche zwischen Crowleys Lehre und "Nordischer Tradition"):
"Er war ein echter Individualist, mit einem gesunden Ekel vor jeglicher
Vermassung. Leider scheinen die meisten Leute, die ihm auf den Pfaden von
Thelema (übersetzt: ´Willen´; Kurzform von Crowleys wichtigstem Gesetz: ´Tu was
du willst´ O.Z.) folgen, genau die Sorte schwacher, liberalistischer Narren zu
sein, auf die Crowley voller Abscheu gespuckt hätte. Aber man kann nicht ihn
verantwortlich machen für die Sklavengeister, die seinen Namen mißbrauchen. Die
Runen und ihre Tradition scheinen mir das stärkste aller magischen Systeme, mit
denen ich gearbeitet habe, in ihm fühle ich mich am meisten verwurzelt.
Wahrscheinlich, weil ich glaube, daß sie ein Teil meiner Vergangenheit sind...
(...) Wesentlich scheint mir die Erkenntnis von der natürlichen Ordnung der
Dinge. Auf der Welt wird einem nichts geschenkt und die Starken werden immer
über die Schwachen hinwegschreiten, ohne sich darum zu kümmern, für wie unfair
wir dies vielleicht halten."
Im weiteren Verlauf des Interviews benutzt er zwar das Wort "Rasse", ohne diesen
Begriff auch nur andeutungsweise zu problematisieren. Er bestreitet aber, wenn
auch mit etwas eigenwilligen Argumenten, Rassist zu sein:
"Zum Begriff ´Rasse´ will ich nur sagen, daß ich nicht glaube, daß irgendeine
Rasse einer anderen überlegen ist. Um mich herum gibt es zuviel weißen Abschaum,
als daß mir dergleichen wahrscheinlich vorkommen könnte... Jede Rasse bringt
einige Kreative und Massen von Kretins hervor."
Zum Thema Politik äußert er folgendes:
"Für Politik interessiere ich mich nicht mehr, sei es nun ´linke´ oder ´rechte´;
vielmehr glaube ich, daß alle politischen Dogmen und Parteien nichts als reine
Zeitverschwendung bedeuten. Die einzige Hoffnung liegt wahrscheinlich im
selbstbewußten Zurückweisen der Massenkultur und ihrer Massenideale. Ich glaube
jedes Individuum hat das Recht zu leben, zu denken und zu sagen wie und was es
will. Wohl kaum eine Ansicht, mit der sich Kommunisten oder Faschisten
anfreunden könnten!"91
Wohl aber die Neue Rechte, deren Elitedenken und Antidemokratismus sich deutlich
mit den Ansichten Wakefords trifft. Im Umfeld der oben vorgestellten Künstler
sammelten sich auch andere Musiker mit ähnlichem Gedankengut, die sich jeweils
häufig als Gastmusiker gegenseitig unterstützen. Die meisten davon sind
ebenfalls Vertreter des Neo- Folk. Dazu zählen die Bands (die eigenlich fast
alle nur Soloprojekte jeweils eines Musikers sind) FIRE & ICE (Ian Read), BLOOD
AXIS (Michael Jenkins Moynihan), RADIO WEREWOLF (Nikolaus Schreck92), der Sänger
Boyd Rice (NON), SORROW (Wendy van Dusen, ehemals STRAWBERRY SWITCHBLADE) und
neuerdings auch die österreichischen Bands THE MOON LAY HIDDEN BENEATH A CLOUD
sowie DER BLUTHARSCH (beide Albin Julius).
"Do you want/ Total war/ Turn man into/ Beast once more/ Do you want/ To rise
and kill/ To show the world/ An iron will"93
Die Frage wird am Ende mit "ja" beantwortet, was nicht überrascht wenn man die
theosophische, sich in den Schwanz beißende Schlange, welche das Cover ziert,
mit der Aussage des Liedes verbindet. Auch die anderen Lieder der CD lassen nur
eine Interpretation zu: Die Welt muss zerstört werden, um eine neue
aufzurichten. Mit dem Lied "A World on Fire" wird diese Aussage noch deutlicher:
"`In meinem Traum sehe ich eine Welt befreit von der Last der Falschheit. Ich
sehe eine Welt wiedergeboren in Perfektion. Ich sehe die Herrschaft der
Reinheit. Und wie kann dieser Traum wahr werden?` Rice weiß die Antwort: Großes
und schreckliches Leiden sowie Zerstörung seien notwendig, die Wiederkehr der
Kämpfe um Land, Nahrung und Wasser, eine Rückkehr zur Barbarei. In seinem Traum
sieht er die Plätze der Städte erhellt durch die brennenden Leichname
gekreuzigter Christen.(...) Die hinter ihr (seiner Musik O.Z.) stehende
Ideologie ist eine Mischung aus Sozialdarwinismus und Feindschaft auf das
Christentum."94
Seit 1993 erscheint in Dresden das Fanzine "Sigill. Magazin für die konservative
Kulturavantgarde Europas", welches auch in diversen Plattenläden, besonders in
solchen mit Schwerpunkt auf der Gothic- und Darkwave- Szene verkauft wird. In
diesem Magazin sind neben vielen Plattenkritiken von Neo- Folk- und Industrial-
CDs und Interviews mit den entsprechenden Bands, Beiträge mit den Schwerpunkten
neues Heidentum und Neue Rechte zu lesen. Kurze Zeit später (ungefähr 1995)
gründet sich in Berlin, das inzwischen wieder eingestellte Fanzine "Europakreuz"
(ihre Aktivitäten verlegen die ehemaligen Macher nun auf das Internet), welches
in Berliner Gothic- Clubs auslag und das auch einen Mailorder- Katalog
beinhaltete, in dem faschistische und heidnische (ariosophische) Literatur
angeboten wurde. Beide Fanzines versuchen (bzw. versuchten) über Interviews,
Plattenkritiken und Berichten über Heidentum , natürlich nur über das in ihrem
Sinne praktizierte, die Gothic- Szenen zu umarmen und ihrer
rechtsextremistischen Szene anzugliedern. In der Szene wurde das Anfangs als die
Spinnerei Einzelner abgetan und nicht weiter beachtet.95 Eine andere Qualität
bekamen diese Vorfälle jedoch als die "Junge Freiheit", das Zentralorgan der
Neuen Rechten, im "Zillo", dem damals größten Szene- Magazin, im Februar 1996
Werbung schaltete. Dank der Proteste des Hamburger Labels "Strange Ways" wurde
bekannt, dass der ständige Redakteur der "Jungen Freiheit" Peter Boßdorf, auch
seit einiger Zeit im "Zillo" Artikel veröffentlichte. Boßdorf war bis 1989
stellvertretender Vorsitzender des "Ostpolitischen Deutschen Studentenverbandes"
(mittlerweile "Gesamtdeutscher Studentenverband). 1985 ist er Mitglied des
"Witikobundes", einer ultrarechten Gruppierung in der, auch nicht gerade für
Linksradikalismus bekannten "Sudetendeutschen Landsmannschaft". Seit 1992 ist er
außerdem Mitarbeiter des "Thule- Seminars", veröffentlichte in "Nation und
Europa" und engagierte sich kommunalpolitisch für die Republikaner.96 Zur
gleichen Zeit schaltet auch das "Europakreuz" Werbung im damaligen Berliner
Veranstaltungskalender für die Gothic- Szene "Black Book". Erst nach Leser-
Protesten entschloss sich die Redaktion, diese Anzeigen nicht mehr abzudrucken.
Die Reaktion des "Zillo" dauerte etwas. Nach einer längerer Zeit des Schweigens
und sich häufenden Protestbriefen (sowie von Drohungen mehrererer Plattenlabels,
keine Werbung mehr zu schalten), trennte sich die "Zillo"- Redaktion aber
letztendlich (im Frühjahr 1997) von Boßdorf. Alle diese Aktivitäten können nur
als abgesprochene Aktionen der Neuen Rechten gewertet werden, um ihre Position
in der Gothic- und Darkwave- Kultur zu stärken. Erklärbar wird dieser Versuch,
wenn man weiss, dass die Rechte vorher damit scheiterte, die Techno- Kultur zu
unterwandern. So schrieb Roland Bubik, langjähriger "Junge Freiheit" (JF)-
Redakteur, 1993 unter der Überschrift "Die Kultur als Machtfrage", dass er in
dieser Popmusik Anknüpfungspunkte für eine "Revolte gegen die moderne Welt"
sieht:
"...die Jugendkultur von heute bietet erfolgversprechende Ansätze hierfür. (...)
Ein merkwürdiges Bewußtsein, in einer Phase des Niedergangs zu leben, ist
virulent, vom ´age of destruction´ ist die Rede, die Parties der Tekkno- Szene
gleichen makabren Totenfeiern einer Epoche. Man (...) mißtraut der Erklärbarkeit
der Welt, wendet sich sogar rückwärts, etwa in Form der verschiedenen
Independent Szenen."97
Aus Bubiks anfänglicher Begeisterung für Techno ("Stahlgewitter als
Freizeitspaß"), wurde bald Enttäuschung ("seelische Vergewaltigung durch Beat-
Computer und Masse"). Welche Mechanismen und Einstellungen dazu führten, dass
die Vereinnahmung der Techno- Kultur für die Neue Rechte als (zumindest vorerst)
gescheitert erklärt werden kann, müsste an anderer Stelle untersucht werden. Das
hält allerdings JF- Autoren wie Jürgen Hatzenbichler (Mitglied der FPÖ) weiter
nicht davon ab, so abstruse Fragen zu stellen wie: "Ernst Jünger: der erste
deutsche Raver?"98 Bubik indessen entdeckte die Gothic- Szene als neues
Schlachtfeld für den Kulturkampf der JF. Im Jahr 1996 veröffentlicht er eine
Reportage über die Verleihung des "Zillo"- Preisen an Tilo Wolff (LACRIMOSA):
"Deutschland ist das Zentrum einer Musikkultur geworden, die ihre Wurzeln im
antimodernistischen Gestus der ´Gothic-´ (gemeinhin auch Gruft-) Szene besitzt.
(...) Dieses Gemisch birgt eine Sprengkraft, vor der sich alteingesessene
Sittenwächter des Musik- Mainstreams in Acht nehmen müssen. Wenn das Mystische
und Irrationale, der Wunsch nach anti- aufklärerischer Innenschau und gelebter
Transzendenz ihre Stimme in der Jugendkultur finden, ist der ästhetische Konsens
des Westens durchbrochen. Wenn die Bezugspunkte Mittelalter und deutsche
Geisteskultur darstellen statt ´Love and Peace´, wenn die Seele gegen den
Intellekt ins Feld geführt wir - dann schneidet sich ein Keil in das
Establishment oberflächlicher Beliebigkeit."99
Durch diese nur sehr oberflächliche Betrachtung der Gothic- Szene wird der
Ansatzpunkt deutlich, an dem Bubik den Hebel zur Aushebelung der "linken"
subkulturellen Traditionen der Gothic- Szene ansetzen will: Mystik und
Irrationalismus. Lächerlich, aber in NS- Tradition, ist natürlich die
Darstellung "deutscher Geisteskultur" als "Kampfes der Seele gegen den
Intellekt". Bubik zählt anscheinend nur die Romantik zur "deutschen
Geisteskultur" - und selbst bei Betrachtung dieser kulturellen Epoche wäre sein
Bild deutlich zu eindimensional (die von ihm so abschätzig beurteilten Werte
"Love and Peace" haben bspw. auch deutlich ihre Wurzeln in der Romantik). Obwohl
dieser Kulturkampf seitens der JF und neuerdings auch einigen NPD nahen
Publikationen recht offen geführt wird (auch im Internet hat sich eine
vermutlich von der NPD gesteuerte Gruppe "Gothics für Meinungsfreiheit"¹
gegründet), gilt es in der Szene immer noch umstritten, dass es
Unterwanderungsversuche gibt. Auch ein offener Brief der ehemaligen JF-
Redakteurin und Mitherausgeberin des Fanzines "Scharlach" bzw. "Scarlet"
Gerlinde Gronow an den (inzwischen verstorbenen) Chefredakteur von "Zillo",
konnte daran nichts ändern:
"Derlei ist bewährte Taktik der jungen Freiheit: Potentielle Bündnispartner
werden dezidiert umarmt (in Wirklichkeit ist es eine Umklammerung), um sie
gesellschaftlich und kulturell zu isolieren. Kritiker werden generell als
´Lügner´, ´PC- Kommissare´, ´Meinungswächter´ (O- Ton junge Freiheit) abgetan,
bis ihr selbst glaubt, die Junge Freiheit ist die einzige, die es gut mit Euch
meint.
Auf jeden Fall fällt auf, wie häufig die JF in den letzten Jahren Wave- und
Gothic- Musik, natürlich vor allem die ihr politisch nahestehenden Bands
(positiv) rezensieren. Auch im Privatleben hat Bubik Kontakt zur Gothic- Szene.
Seine jetzige oder ehemalige Lebensgefährtin Simone Satzger (Felicia), ist
Sängerin der Band IMPRESSIONS OF WINTER und veröffentlichte auch in Bubiks Buch
"Wir 89er".101
"Gegen die ´Unabhängigen Nachrichten´ laufen seit Jahrzehnten immer wieder
Verfahren wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß. Mitglieder des
Freundeskreises wurden 1994 wegen terroristischen Straftaten (z.B.
Bombenattentate auf AntifaschistInnen) verurteilt. Symanek arbeitet auch mit dem
rechten Arun- Verlag zusammen, der Bücher aus dem rechten und extrem rechten
Spektrum zu ´Großdeutschland´, sowie heidnisch- esoterische Bücher verlegt."102
Auf dem Riefenstahl- Sampler sind u.a. die Bands FORTHCOMING FIRE (D), STRENGTH
THROUGH JOY (IRL), DEATH IN JUNE (GB/AUS), ALLERSEELEN (AUT), SWIRLING SWASTIKAS
(IT), ANDROMEDA COMPLEX (IT), TURBUND STURMWERK (D), VOXUS IMP. (D), VON
THRONSTAHL (D), NORTHWENDE, RÜCKGRAT, PREUSSAK (D), LADY DOMINO, PROJEKT
BLAULAND und TOMBSTONE vertreten. Das Elektro Projekt PP?, das ebenfalls auf dem
Sampler vertreten ist, distanzierte sich später. 1998 erschien die Nachfolge- CD
- diesmal zu Ehren des Nazi- Bildhauers Josef Thorak. Auf ihr waren u.a., neben
auch schon auf dem ersten Sampler vertretenen Musikgruppen, STALINGRAD (IT
produziert von Angeo Bergamini von KIRLIAN CAMERA) und EGOAEDES (Musikprojekt
des "Europakreuz"- Herausgebers Marco E. Thiel) vertreten. Das japanische Duo
JACK OR JIVE, welches ebenfalls ein Lied beisteuerte, zeigte sich nach
Erscheinen der CD entsetzt über das politisch- musikalische Umfeld, in das sie
aus Ahnungslosigkeit geraten waren.103 Von VAWS vertrieben werden außerdem die
Bands WALDTEUFEL (USA), MJÖLNIR TONKUNST (D) und UNTERNEHMEN DREIZACK (D).
Zusammengestellt hat die beiden Sampler Jay Kay (Josef Klumb), der Frontmann von
FORTHCOMING FIRE. Er ist Mitarbeiter des VAWS und anscheinend befreundet mit dem
Ufo- Esoteriker und Antisemiten Jan van Helsing (Jan Udo Holey), dessen Machwerk
"Geheimgesellschaften und ihre Macht im 20. Jahrhundert" wegen Volksverhetzung
verboten wurde und den er auf seinen Plattencovern grüßt. Aufgrund einiger
wirrer und rechtsextremistischer Stellungnahmen in Interviews, u.a. zum Thema
Illuminaten
"Es ist die Hochfinanz, es sind die Kräfte, welche hinter ihren Marionetten die
Welt bewegen (...) Das Gesicht dieses kommenden Regimes drückt sich aus durch
die UNO, NATO, Weltbank, Zionismus..."104
verweigerte ihm FORTHCOMING FIREs ehemaliges Label "Hyperium" bzw. "Hypnobeats"
eine Vertragsverlängerung. Der 8. Mai 1945 war für ihn
"...trotz allem eine Eroberung, eine Unterwerfung und eine Unterdrückung des
Geistes, die bis heute anhält und mir sogar mein Bewußtsein noch streitig machen
möchte."105
Es spricht für sich, für wen er nicht spricht:
"Man muß ein für alle mal erkennen, daß, wenn ich für Deutschland rede, ich
nicht für circa 50 Millionen geistige Totgeburten spreche, (...), sondern daß
die ´Volksseele´, die bis ins Heute so brutal vergewaltigt wurde, daß ich für
dieses Heiligtum (...) den Kern und das Zentrum des Begriffes Deutschland eben
verteidigen werde...(...)"106
Klumb ist auf den beiden besprochenen Samplern auch mit seinen Projekten
PREUSSAK und VON THRONSTAHL vertreten. Mit einem anderen Projekt, nämlich
WEISSGLUT, gelang es ihm tatsächlich einen Plattenvertrag bei "Epic", einem
Unterlabel von "Sony- Music" zu bekommen, welcher beste Karriereaussichten im
Musikgeschäft eröffnet hätte. Im Januar 1999 trennte sich WEISSGLUT jedoch von
Klumb, wahrscheinlich auf Druck von Epic. Eine Rolle dürfte dabei sicherlich
spielen, dass im Dezember 98 eine Verleumdungsklage von Klumb gegen den
"Spiegel", der ihn in der Ausgabe 44/98 als "Nazi" tituliert hatte, von Klumb
zurückgezogen werden musste. Inzwischen musizierte er auch mit dem verurteilten
Thüringer "Sondershausener Satansmörder" Hendrik Möbus und dessen Metal- Band
ABSURD, bevor Möbus sich aufgrund einer erneuten Verurteilung, diesmal wegen
"Verunglimpfung eines Toten", ins Ausland absetzte. Möbus hatte seinen Mord an
einem jüngeren Mitschüler in Moynihans Buch "Lords of Chaos" mit den folgenden
Worten kommentiert:
"Wenn aber das NS- Recht wirklich auf uns angewordet wäre, hätte man uns für die
Vernichtung eines Volksschädlings nicht gestraft, sondern gelobt."107
Zum Abschluss dieses Kapitels sollen hier noch einige andere Ansichten von
weiteren Personen aus diesem rechten Spektrum der Dark- Wave- und Gothic- Szene
vorgestellt werden. An erster Stelle soll der eben als Buchautor genannte
Michael Moynihan (BLOOD AXIS (USA)) stehen. Auch er stellt sich, wie eigentlich
alle der in diesem Kapitel beschriebenen Musiker, gerne als unschuldig
Verfolgter dar, der keineswegs rechte Ideen vertrete oder gar Faschist wäre. So
etwa in einem siebenseitigen Artikel über eine von Antifaschisten erzwungenen
Konzertabsage in Seattle. Darin äußert er folgendes:
"I am not an ´anti- semite´ and to label me as such is deliberately creating a
falsehood. But I am also not a humanitarian, and I will state outright I do not
believe in any kind of elusive notion about a ´sanctity of human life´ and I
would challenge anyone to prove to me that such a thing exists. I also do not
believe in moral concepts of ´good´ and ´evil´ and thus am not particularly
upset about episodes in history where large numbers of people died. I am not a
Holocaust Revisionist, but I also do not really care about the Holocaust one way
or the other. I don´t feel responsible for it, and while it may mean a lot
(understandably) to some people, it has nothing to do with me."108
Interessant wird diese verteidigend gemeinte Bemerkung in Zusammenhang mit einer
anderen Äußerung Moynihans. Auf die Frage nach seiner Beziehung zur deutschen
Sprache und den Begriffen: "Rasse", "Nation", "Pflicht" und "Ordnung" antwortete
er:
"Ich bin durchaus sehr an der deutschen Sprache interessiert und versuche
gerade, sie mir anzueignen. Lange Zeit dachte ich, sie sei einzigartig in ihrer
Fähigkeit, eine Vielzahl von Bedeutungsnuancen und Gefühlszuständen in einem
einzigen Begriff auszudrücken. In gewisser Weise scheint sie erfüllt zu sein von
einer magischen Qualität des ´Aufgeladenseins´ mit Inhalten von tieferer
Bedeutung. Neben dieser Erkenntnis wurde mein Interesse durch die Faszination
verstärkt, die gewisse Perioden der deutschen Geschichte auf mich ausübten,
sowie durch die aufrichtige Bewunderung, die ich für bestimmte deutsche
Philosophen hege, von denen ich einiges gerne im Original gelesen hätte - Mit
den genannten Begriffen verbinde ich folgendes: Rasse- Menschen gleicher Seele
und gleichen Geistes; Nation- im Idealfall eine sich selbstversorgende,
abgeschlossene Gemeinschaft (egal wie klein) von Menschen einer Rasse; Pflicht-
das, was man tun muß, um in Einklang mit den eigenen Instinkten und dem eigenen
Ehrgefühl zu leben; Ordnung- ein Zustand von Ausgeglichenheit und Klarheit, das
Handeln und Entwicklung stark erleichtert.(...)
Neben dem menschenverachtendem Konzept des Anti- Humanismus vertritt er also
das, schon bekannte, theosophische Konzept des Untergangs um der Erneuerung
willen. Welche Perioden der deutschen Geschichte ihn so sehr interessieren,
dürfte nicht schwer zu erraten sein. Im Booklet seiner CD "Im Blutfeuer" sieht
man ihn am Grabe des SS- Brigadeführers beim "Ahnenerbe" Karl Maria Willigut.
Auf der CD selbst hört man Ausschnitte einer Rede des von Evola bewunderten
Führers der faschistischen rumänischen "Eisernen Garde" und eine Passage aus
Ernst Jüngers Buch "Auf den Marmorklippen". In diesem Zusammenhang ist es nicht
weiter überraschend, dass Moynihans Verteidigungsbrief auf der Homepage einer
Organisation "Third Position - Beyond Left and Right" erscheint, die über sich
selbst schreibt, dass sie eine "revolutionäre nationale Bewegung" sei, die eine
"New Social Order110" will. Ein Pamphlet dieser Organisation endet mit den
Worten: "For the Nation. Against the State!"111 Der geneigte Leser mag sich nun
selber fragen: Steht Moynihan wirklich zwischen rechts und links?
Die Band AIN SOPH folgt dem Vorbild von Julius Evola, wenn sie dem
Priesterkrieger Kshatyra, dem Leitbild Evolas für einen politischen Soldaten in
seinem Buch "Menschen inmitten von Ruinen", eine CD widmen. Sie singen auf ihrem
Album "Kshatyra":
"Die Treue ist stärker als Feuer/ Sich erheben, auferstehen/ Eine Form und eine
Ordnung schaffen/ Aufrecht durch die Ruinen/ Den schwersten Weg auswählen/
Unseren Mut in Metall gießen/ Endlich wiedergeboren durch das Blut/ stark durch
unsere Ehre/ Kshatyra"112
Natürlich könnte man solche Texte auch als spätpubertäre "Männerphantasien"
abtuen, wenn allerdings auf dem Cover ihrer CD "Aurora" Evola abgebildet ist und
sich ein Musiker "von Sebottendorf" nennt - Sebottendorf war führender Aktivist
der Münchener Thule- Gesellschaft, die in die Gründung der NSDAP involviert war
- dann darf man sicherlich an dieser Interpretation zweifeln.
Auf der Homepage der Dresdener Band TURBUND STURMWERK, der ich einige sehr
interessante Interviewausschnitte mit den oben besprochenen Musikern
verdanke,113 wird, wenn auch nicht ganz offen, rechtsextremistische Propaganda
betrieben. Auch wenn sie sich scheinbar von faschistischer Ideologie abgrenzen:
"Zwar rechneten wir mit den üblichen Unterstellungen von Seiten derer, die immer
alles vom eingeschränkten Blickwinkel eines ´politischen Ortungssystems´ aus
bewerten zu müssen glauben; damit haben wir in den vergangenen Jahren umzugehen
gelernt. Wir wußten, daß sich einige finden würden, uns ureflektiert eine
´faschistoide Gesinnung´ oder gar ´Kriegsverherrlichung´ zu unterstellen, weil
wir Runen gebrauchten, uns auf Nordische Mythologie bezogen und vom Wert des
Opfermuts sprachen. (...)
Um dann aber wenig später eine Abbildung auf dem Cover ihrer CD mit dem, völlig
unwissensschaftlichen, "Runenschlüssel Williguts" zu interpretieren. Ihre
Interpretation beenden sie mit den folgenden Sätzen:
"Problematisch erscheint freilich, daß die Materialisation des menschlichen
Geistes an sich und grundsätzlich leidbehaftet und negativ erscheint, was
manchen - zurecht - nicht einleuchten will, selbst wenn bedacht wird, daß
inzwischen längst auch Menschen mit relativ gesunder und harmonischer
Persönlichkeitsstruktur an ihrer Umwelt und den äußeren Zuständen leiden, welche
sie selbst gar nicht zu verantworten haben. Dies spricht freilich weniger gegen
die ´äußere Welt´ als vielmehr gegen diejenigen, die - teils fahrlässig, teils
willentlich - ein ´Jammertal´ aus ihr gemacht haben."114
Da können wohl nur noch die "geistigen Krieger" helfen! Sie selbst berufen sich
vor allem auf "Nationalbolschewismus" und "Hamburger Nationalkommunismus der
20er Jahre" und arbeiten musikalisch an einer "Symbiose von Ernst Jünger und
Heiner Müller".
"Zillo: Von Organisationen wie der Antifa werdet ihr als Neofaschisten
bezwichnet, weil ihr ein Konzert mit dem Hitlergruß beendet haben sollt. Falls
das der Tatsache entsprechen sollte: Was war euer Beweggrund dafür- reine
Provokation oder steckt ein tieferer Sinn dahinter?
Auffällig bei den Äußerungen Bergaminis ist, dass er, wie auch bei früheren
Interviews zu dem Thema, grundsätzlich nur über die politischen Einstellungen
von anderen Bandmitgliedern redet. Dazu muss man wissen, dass KIRLIAN CAMERA
letztlich ein "Ein- Mann- Projekt" Bergaminis ist. Den Hitlergruß bzw. den
"Kühnen- Gruß" (mit zwei ausgestreckten Fingern), hat Bergamini in diesem
Interview, soweit mir bekannt, hier zum ersten Mal zugegeben, nachdem er ihn in
mehreren vorangegangenen Interviews abgestritten hatte. Diese Geste von ihm
konnte man auch bei weiteren Konzerten von ihm beobachten. In dem Gesprächsteil
über andere Bands, denen die Verwendung von NS- Symbolen nicht fremd ist, redet
er nur über "Möchtegern- Nazis". Wie würde er wohl über "richtige Nazis"
urteilen? Seine Ansichten dazu kann man möglicherweise vermuten, wenn man
beachtet, dass er mit dem Stück "U- Bahn V. 2 Heiligenstadt" auf der CD
"Todesengel- The Fall of Life" die "Eiserne Garde" Codreanus "ehren" wollte116
und Marco E. Thiel ihn im "Europakreuz", als einen "Kameraden" bezeichnet.117 In
der selben Ausgabe des "Europakreuzes" wird an den 52. Jahrestages der
Zerstörung Dresdens "durch britische Luftangriffe" gedacht und um einen "Kamerad
Julius B. E. F. jun. (Pseudonym J. Streicher)"118 getrauert.
"II. LUCIFER RISING II. Interview (1995) mit dem amerikanischen Filmemacher
Kenneth Anger über: Lucifer Rising, Externsteine, Bobby Beausoleil, Aleister
Crowley, Friedrich Nietzsche. (...)
Er beteiligte sich an den VAWS- Samplern, wie auch an einem Sampler des Labels
des Dresdener "Sigill"- Herausgebers Eislicht- Verlages (Eis und Licht
Tonträger); dieser erschien, um "Julius Evola zu ehren". Das Cover der
ALLERSEELEN- CD "Gotos - Kalanda" ziert die sogenannte "Schwarzen Sonne", ein
Marmormosaik aus dem "Obergruppenführersaal" der SS- Kult- und Schulungsstätte
Wewelsburg. Auch er fühlt sich von Antifaschisten verfolgt, spricht sich aber
immerhin für Gewaltlosigkeit seiner Anhänger aus.
"Daß jemand Flugblätter gegen Allerseelen verteilte, freute mich. Ich schätze
die, die den Mut haben, Nein zu sagen, den Ketzer. Die sich Schwierigkeiten
einbrocken. Daß manche Anhänger von Allerseelen glaubten, diesem Jugendlichen
die Flugblätter aus der Hand reissen zu müssen, erfuhr ich erst hinterher. Es
mißfiel mir."120
Daneben benutzt er aber typische Argumentationsmuster der Neuen Rechten:
"Ich verabscheue Bücherverbrennungen und Holocausts, wie sie in Auschwitz,
Dresden, Hiroshima und Mururoa geschahen. (...) Was die Anti- Faschisten im
Zeichen des roten Pentagramms begehen, stellt die Anschläge rechtsextremer
Skinheads in den Schatten."121
Die Musikpresse und die meisten Plattenlabel fielen bis jetzt durch Totschweigen
dieser gefährlichen Tendenzen dieses Teils der Szene auf. Vermutlich aus
kommerziellen Gründen, denn die beschriebenen Bands verkaufen sich, nicht
zuletzt wegen ihrer "umstrittenen Meinungen", besser als viele andere, politisch
nicht auffallende Bands. Die meisten Szene- Mitglieder dürften aber (noch) eher
ungefähr so denken wie Ashley, Kopf der Band WHISPERS IN THE SHADOW:
"Wenn man einfach akzeptiert, was man vorgekaut bekommt, kann dies üble Folgen
haben, und plötzlich haben wir ein ´viertes Deutsches Reich´ und jeder ist
plötzlich überrascht und tut so, als ob nichts wäre. Nach außen hin vertreten
wir allerdings keine politische Richtung. Aber ich glaube kaum, daß uns
irgendwer als ´rechts´ einstufen würde. Es ist wichtig, daß die schwarze Szene
nicht ins rechte Lager abrutscht, wie das in letzter Zeit so der Fall ist.
Dagegen werden wir uns auf jeden Fall wehren und ich hoffe, wir stehen da nicht
alleine da."122
Das zeigt, dass Pauschalverurteilungen der Szene (wie beispielsweise Jean
Cremets Beiträge in der Jungen Welt und anderen Zeitschriften) kontraproduktiv
wirken. Dann nämlich fühlen sich auch politisch liberale oder linke Gothics
gezwungen, sich Hand in Hand mit den, immer noch wenigen, wirklich
rechtsextremistischen und faschistischen Vertretern zu verteidigen. Und gerade
gegen dieses falsche Zusammengehörigkeitsgefühl, welches der Umarmungsstrategie
von JF und anderen entgegen kommt, muss die Szene in nächster Zeit vorgehen,
sollte sie ihre eigenen Wurzeln nicht verleugnen wollen. Ein wichtiger Ansatz
dazu war sicher die Gründung der Initiative "Grufties gegen rechts/ Music For A
New Society" (April 1998 in Bremen). Mit den Zielen dieser Initiative
solidarisierten sich mittlerweile auch schon einige Musiker wie DEINE LAKAIEN,
SEPULCRUM MENTIS, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, Dirk Ivens (DIVE, SONAR, ehemals THE
KLINIK), GOETHES ERBEN, LOVE LIKE BLOOD, DAS ICH und ISECS. Eine Internet-
Initative "Gothics gegen rechts" versucht dem Beispiel der "Grufties gegen
rechts" zu folgen und über rechte Tendenzen in der Szene aufzuklären.
¹Diese Bemerkung in meiner Arbeit und Anfragen anderer Menschen, die
sich auf sie bezogen, bewegte die Redaktion der Homepage (vertreten durch einen
gewissen "Carolus Rex") der sogenannten "Gothics für Meinungsfreiheit" am 12.
Juli 2000 zu einer Stellungnahme zur NPD in ihrem Diskussionsforum, die ich in
Auszügen dokumentieren möchte:
Da die NPD, vor allem in den neuen Bundesländern, dieses Konzept aufgegriffen
hat und die GfM ja im obenstehenden Zitat auch nicht Kontakte mit der NPD (bzw.
NPD-Anhängern) leugnen, bestätigt das, dass sie m. E. der NPD und anderen
(neurechten) Gruppierungen als eine Art "Trojanisches Pferd" zur
Erlangung dieses Zieles zur Verfügung stehen. Ob diese Zielsetzung von den GfM
nun bewusst oder unbewusst wahrgenommen wird, mag dahingestellt bleiben.
4. Interviews
Sind auf Wunsch des Autors nicht veröffentlicht.
Ein Problem besteht darin, dass der Begriff "Ideologie" nicht einheitlich
verwendet wird, Sandkühler schreibt dazu:
Progressive Subkulturellen wollen dagegen die Gesellschaft in einem
dialektischen Prozeß voranbringen und auf eine neue, höhere Ebene bringen.
Schwendter behauptet, diese Subkulturen seien eher aus dem Proletariat, von
"proletarischen Intellektuellen" und der technischen Intelligenz her kommend. Er
teilt diese Subkultur noch einmal in rationalistische und emotionale Strömungen
ein. Zu den rationalistischen Strömungen zählt er z. B.: Randgruppenarbeiter,
politische Studenten- und Intellektuellengruppen und ethnische Minderheiten. Sie
alle arbeiten angeblich an einer konkreten Gesellschaftsutopie (marxistisch,
anarchistisch etc.). Gammler, Hippies, Beatniks usw. sind bewusstseinsorientiert
und gehören zu den emotionalen progressiven Subkulturen.
Außerdem unterscheidet er auch noch unfreiwillige und freiwillige Subkulturen.
Freiwillige Subkulturen weichen bewußt von der Kultur und den Normen und Werten
der Gesamtgesellschaft ab, während unfreiwillige Subkulturen von der
Gesellschaft stigmatisiert werden. Zu den unfreiwilligen Subkulturen zählt er z.
B. Heimkinder und Obdachlose.
2. Eine eindeutige Differenzierung zwischen sogenannten primären, von ´unten´
entstehenden Subkulturen und massenmedial, von ´oben´ produzierten und
vermittelten Modesubkulturen ist nicht mehr eindeutig feststellbar. Der Grund
hierfür liegt in einer fortschreitenden Pluralisierung, Individualisierung und
Differenzierung, die in vielen Lebensbereichen zu einer Vermischung der
sogenannten Sub-, Trivial- und Hochkultur führt. (...)"17
Meines Erachtens haben sowohl der Begriff "Jugendkultur", als auch der Begriff
"Subkultur" seine Berechtigung; so würde ich die Gothic- und Dark- Wave Szene
zwar eher als Jugendkultur bezeichnen, meine aber auch, dass es sich bei
sämtlichen Jugendkulturen auch um Subkulturen handelt. Andererseits sind nicht
alle Subkulturen, wie z. B. die Kultur der türkischen Migrantinnen in
Deutschland oder die Kultur der Obdachlosenszene Jugendkulturen.19 Die
Unterscheidung dürfte also klar sein, und es erscheint als Rätsel, warum diese
Unterscheidung bisher nicht explizit getroffen wurde. Im weiteren Text wird also
meist der Begriff "Jugendkultur" verwendet, da er die hier zu beschreibende
Szene genauer definiert.
Durch die bestehende Gruppe der gleich- oder ähnlichaltrigen schafft es das
Individuum sich von den bestehenden sozialen Zusammenhängen zu lösen, die dort
vorherrschenden Normen und Werte zu überdenken und diese zu verwerfen oder auch
anzunehmen. Wird eine Subkultur interessant für die Gesamtgesellschaft, hier
natürlich meist zuerst aus marktstrategischen Gründen, ist es durchaus auch
möglich, dass Normen und Werte wiederum auf die Hochkultur zurückwirken und sich
auch dort ändern.23
Dabei entscheidend sind sicherlich auch die Tendenzen zur Individualisierung der
Gesamtgesellschaft, so dass einige Autoren den Begriff der Subkultur bereits als
überholt betrachten.26
Ironischerweise wurde Punk schon von Anfang an vermarktet: Zwar sind die "Väter"
des Punk, die vier SEX PISTOLS Jonny Rotten, Steve Jones, Paul Cook und Sid
Vicious (der bald Glen Matlock ersetzte) sicherlich als "authentische" junge
Erwachsene, die sich im Hausbesetzerumfeld London bewegten, zu sehen, ob aber
Punk ohne das geschickte Management von Malcolm Mclaren jemals den späteren
Stellenwert für Jugendliche weltweit erreicht hätte, darf bezweifelt werden. Die
SEX PISTOLS wurden 1975 gegründet. 1976 wurde ihre erste Single "Anarchy in the
U.K." veröffentlicht. Die Vertreter der entstehenden Jugendkultur konnten schon
damals notwendige Accessoires, wie etwa Nietengürtel, in der Boutique "SEX" von
Vivienne Westwood kaufen - Mitinhaber war wiederum Malcolm McLaren.
Die Musik, die ja, wie bereits ausgeführt, eine entscheidende Bedeutung für das
Entstehen einer Jugendkultur hat, war einfach (die Mitglieder der SEX PISTOLS
waren frei von musikalischer Vorbildung): Drei Akkorde auf der Gitarre reichten,
um ihr Publikum in eine tanzende Menge zu verwandeln.
Doch auch das beste Marketingkonzept geht nicht auf, wenn die gesellschaftlichen
Voraussetzungen zur Umsetzung fehlen. Damals stellte sich die politische
Situation folgendermaßen dar: Die Auseinandersetzungen zwischen NATO- und
Warschauer-Pakt Staaten erreichen einen Höhepunkt. Trotz immer neuen
Abrüstungsverhandlungen (die letztlich nur zu einer weiteren Aufrüstung der
beiden Konfliktparteien des "Kalten Krieges" und letztlich auch zum
Zusammenbruch des Warschauer Paktes führen) ist die Bevölkerung und insbesonders
die Jugend höchst verunsichert. Die Bedrohung einer atomaren Katastrophe, wird
als ausgesprochen nahe empfunden. Dazu kommt die wirtschaftliche Situation in
England, die alles andere als rosig ist. "No Future", eine Textzeile aus der
Hymne der Punks "God save the Queen" (SEX PISTOLS) wurde zum Motto dieser
verunsicherten Jugendlichen. Sie sahen weder für sich, noch für die
Gesellschaft, große Zukunftsschancen. Allerdings wurde das von ihnen nicht
resignativ verstanden, sondern als Aufforderung, vor der sowieso kommenden
Katastrophe noch richtig zu feiern. Das Feiern sollte aber nicht in aller
Stille stattfinden; die Punks wollten den ihrer Meinung nach für die kommende
Katastrophe Verantwortlichen, den Herrschenden und der Mehrheitsmeinung, zeigen,
wer Schuld an der Situation ist:
Typisch für die Punks war eine hohe Produktivität, um die eigene Kultur zu
reproduzieren und darzustellen, das geschieht neben der Musik (oft auf eigens
für Punkbands gegründeten kleinen Independent- Labels (also Mini-
Plattenfirmen)), hauptsächlich mit Hilfe von Fanzines, schülerzeitungsähnlichen
Produkten, die zum großen Teil über die mit den Autoren befreundeten Bands und
andere für die Szene wichtigen Dinge zu berichten (und sei es nur, wie es war,
dieses und jenes Konzert betrunken in der Ecke liegend mitzuerleben).
Während in der Hoch-Zeit des Punks am Anfang der 80er Jahre sich jeder
Jugendliche zu seiner Stellung zu dieser Jugendkultur Gedanken machte (und sei
es um bei einer Gegenkultur, z. B. den inzwischen "ausgestorbenen", bis zur
unfreiwilligen Selbstironie systemkonformen Poppern zu landen), sind Punks
inzwischen nur noch sehr selten anzutreffen, am ehesten noch im jugendlichen
Obdachlosenmilieu.
Schon früh (Ende der 70er Jahre), wollten sich verschiedene Menschen aus der
Punkszene heraus mit diesem typischen Bild des Punks nicht mehr identifizieren.
Es entstanden die, von den "Ur- Punks" oft spöttisch belächelten, "Nobel-
Punks". Meistens eher aus der Mittelschicht stammend, das Lebensgefühl des Punks
nachahmend, waren sie die Speerspitze derjenigen, mit denen sich auch die
Mainstreamgesellschaft (natürlich vor allem aus kommerziellen Gründen)
anfreunden konnten. Im Zuge der Kommerzialisierung wurde natürlich auch die
Musik der Punks ausgeschlachtet; die großen Plattenfirmen nahmen die
bekanntesten Punk- Bands unter Vertrag. Nicht zuletzt deshalb mußten die
entstandenen kleinen Label immer öfter nach neuen, innovativen Bands schauen, um
die alten Bands, die aufgrund ökonomischer Gründe nicht mehr zu halten waren
(Marketingmöglichkeiten sind solchen kleinen Firmen nur in sehr begrenztem
Umfang gegeben) zu ersetzen.
Während Postkarten mit abgebildeten "Edel- Punks" zum Pflichteinkauf für London-
Touristen wurden, konnte sich, anfangs noch unbeachtet, aber nach ersten
Erfolgen schnell vermarktet, der "New- Wave"36 entwickeln. Stellvertretend
hierfür mag nur der Name POLICE stehen, eine Band, die ihre Wurzeln ebenfalls in
der Punkbewegung hat. Der "schmutzigen" Ästhetik von Punk- Lokalitäten wird eine
Ästhetik der Künstlichkeit entgegengesetzt:
In Deutschland setzte sich der Begriff "Gothic" erst Ende der 80er bzw. Anfang
der 90er Jahre durch. Vorher bezeichnete man die Szeneangehörige meist einfach
als "Waver". Umstritten ist, ob die sogenannte "New Romantic- Szene" der 80er
Jahre (repräsentiert von Bands wie OMD (GB)) direkte Vorgängerin der Gothic-
Szene ist oder unabhängig von ihr existierte. Eine Frage, die wahrscheinlich für
die Jugendlichen, die sich der dunklen Szene zugehörig fühlten, relativ
unwichtig war, da sie sich einfach der damals vorherrschenden Ästhetik in
Kleidung und Styling anschlossen - und das war in beiden Szenen (Wave und New-
Romantic) sehr ähnlich. Die ersten "richtigen" Gothic- Bands, die mit den
typischen Symbolen des Gothic spielten (siehe 3.1. und 3.2.), waren u.a. UK
DECAY (GB), SISTERS OF MERCY (GB) , THE MISSION (GB) und die FIELDS OF THE
NEPHILIM (GB).
1: siehe dazu: Lenk, Kurt (Hg.): Ideologie, Ideologiekritik und
Wissenssoziologie, Frankfurt a. M./ New York 1984
2: Sandkühler, Hans Jörg: Ideologie, S. 616-639, in: Sandkühler, Hans Jörg
(Hg.): Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, Band 2,
Hamburg 1990, S. 616
3: Sandkühler, Hans Jörg: a.a.O., S. 617
4: Gramsci, A., Philosophie der Praxis. Eine Auswahl, Frankfurt a. M. 1967, S.
169, nach: Sandkühler, Hans Jörg: a.a.O.
5: Sandkühler, Hans Jörg: a.a.O.
6: Horkheimer, M.: Ideologie und Handeln, 1962, in: Horkheimer, M. und Th. W.
Adorno: Sociologica [1], Frankfurt a. M. 1984, S. 47, nach: Sandkühler, Hans
Jörg: a.a.O., S. 637
7: Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch, München 1998, S. 267
8: Diese Behauptung soll im Verlaufe der Arbeit belegt werden.
9: Lindner, Rolf: Editorial, in: John Clarke u.a.: Jugendkultur als Widerstand.
Milieus, Rituale, Provokationen. Frankfurt a. M. 1981, S. 10, zitiert nach:
Brandstetter, Stefan: Die Ästhetisierung des öffentlichen Raumes. Subkulturelle
Ausdrucks- und Stilformen als eine Symbolisierung von gesellschaftlichen
Veränderungen und Widersprüchen am Beispiel der Gothics, Diplomarbeit an der
Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen, Religionspädagogik und Pflege,
Freiburg 1999 (unveröffentlicht), S.33
10: Cohen, Phil: Subkulturen - eine imaginäre Beziehung, in Clarke, John:
a.a.O., S. 73, zitiert nach Brandstetter, Stefan: a.a.O., S. 34
11: Meist sehr schön in kleinen Dörfern mit einer Bushaltestelle mit Sitzbank zu
entdecken: Die Bank an dieser Haltestelle wird garantiert (zumindest abends)
einer jugendlichen Subkultur "gehören". Auf höherer Ebene spezialisieren sich
natürlich auch kommerzielle Unternehmen, v. a. aber auch Kneipen u. Diskotheken
auf eine, bzw. mehrere Subkulturen.
12: Nach: Schwendter, Rolf: Theorie der Subkultur, Hamburg 1993
13: Brandstetter, Stefan: a.a.O., S. 37
14: Brandstetter, Stefan: a.a.O., S. 38, siehe auch: Schwendter, Rolf: a.a.O.
15: Nach: Brake, Mike: Soziologie der jugendlichen Subkulturen. Eine Einführung,
Frankfurt am Main/ New York 1982.
16: Baake, Dieter und Wilfried Ferchhoff: Jugend, Kultur und Freizeit, in:
Krüger, Heinz-Hermann (Hg.): Handbuch der Jugendforschung, Opladen 1988, S. 313
ff.
17: Brandstetter, Stefan: a.a.O, S. 31 (Rechtschreibung geändert, wenn nötig)
18: Schuhmacher, H.: Rassismus und Szene, im Internet unter:
http://www.rabenclan.de/szene1.htm
19: Andererseits gibt es auch eine spezielle jugendliche Obdachlosenszene, die
man vielleicht durchaus als eine, wenn auch recht unbedeutende, Jugendkultur
begreifen könnte.
20: So ist die Bedeutung von Schulabschlüssen inzwischen nicht mehr
bedeutungsgleich mit Beendigung der Schulzeit. Es folgen meist noch Besuch der
Berufsschule eine universitäre Ausbildung oder berufliche Weiter- bzw.
Fortbildungen.
21: Richard, Birgit: Todesbilder. Kunst, Subkultur, Medien, München 1995, S. 93
22: Farin, Klaus: Die Gothics, Bad Tölz 1999, S. 8
23: So hat die "studentenbewegte" 68er Generation das Verhältnis zur Sexualität
in den westlichen Industrieländern sicher stark verändert. Als andere Subkultur
mag die Frauenbewegung gelten, die das Verhältnis zwischen den Geschlechtern
(zumindest zeitweilig) verändert hat.
24: Richard, Birgit: a.a.O., S. 94f.
25: So werden die "Sprayer" der Hiphop- Kultur mittlerweile gerne zur Verzierung
von Ladengeschäften eingesetzt. Graffiti die illegal auf Häuserwände gesprüht
werden gelten aber als "Sachbeschädigung".
26: Ferchhoff, Wilfried: Jugendkulturen am Ende der 80er Jahre in der
Bundesrepublik Deutschland, in: Büchner, Peter u.a.: Kindheit und Jugend im
interkulturellen Vergleich, Opladen 1990, S. 197
27: Nach Richard, Birgit: a.a.O., S. 99 ff.
28: Richard, Birgit: a.a.O., S. 100
29: Richard, Birgit: a.a.O., S. 101
30: Die weitere Entwicklung des Punks zeigte, dass nationalsozialistisches
Denken zwar bei vereinzelten Mitgliedern der Subkultur vorhanden war - als
typisch kann aber eher ein oft allzu plumper Antifaschismus angesehen werden.
31: Brandstetter, Stefan: Die Ästhetisierung des öffentlichen Raumes.
Subkulturelle Ausdrucks- und Stilformen als eine Symbolisierung von
gesellschaftlichen Veränderungen und Widersprüchen am Beispiel der Gothics,
Diplomarbeit an der Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen,
Religionspädagogik und Pflege, Freiburg 1999 (unveröffentlicht), S. 79
32: The Sex Pistols: God save the Queen; von der LP: Never Mind the Bollocks,
Virgin Records 1977
33: vgl.: Brandstetter, Stefan: a. a. O. , S. 80
34: Brandstetter, Stefan: a. a. O., S. 80
35: APPD: Die Partei hat immer Recht! Die gesammelten Schriften der
Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands (APPD), Bad Tölz 1999
36: Auf das musikalisch typische dieser Musik, gehe ich im vorliegenden Text
nicht ein, da mir der musikwissenschaftliche Fachverstand dazu fehlt.
37: Richard, Birgit: Körper und Geist. Body and Soul, in: Richard, Birgit u. a.
(Hrsg.): Icons- Localizer 1.3., Berlin 1998, zitiert nach: Brandstetter, Stefan:
a.a.O., S. 81
38: von Greig, Charlotte: Marry Me (If You Really Love Me)- Punk, Funk und Hip
Hop, in: Kemper, Peter (Hrsg.): "but I like it"- Jugendkultur und Popmusik,
Stuttgart 1998, zitiert nach: Stöber, Frauke: Entstehung, Inhalte,
Wertvorstellungen und Ziele der schwarzen Szene - Die Jugendkultur der Waver,
Grufties und Gothics, Diplomarbeit im Studiengang Sozialarbeit an der
Universität Gesamthochschule Essen 1999 (unveröffentlicht), S. 5
39: Hans D: A History of Gothic, im Internet unter:
http://members.tripod.lycos.nl/HansD/ history.html
40: Im folgenden richte ich mich hauptsächlich nach dem Aufsatz: Origins of
the term "Goth", im Internet unter: http://www.scathe.demon.co.uk/name.htm
41: Origins of the term "Goth", a.a.O.
42: Colon, Suzan: The Gloom Generation, in: Details Magazine, Juli 1997, zitiert
nach: Origins of the term "Goth", a.a.O.
Der Ausgangspunkt der Gothic- Szene war und ist der Gothic- Rock, eine Musik,
die von Musikpresse und Musikkritik bis in die 90er Jahre hinein grundsätzlich
der sogenannten "Independent- Szene" zugeordnet wurde. Independent (übersetzt:
unabhängig) hieß ursprünglich unabhängig von den großen Plattenfirmen - den
Major-Companies - zu sein. D. h. in der Tradition des Punk auf kleinen Labels
(vgl. 2.3.1.) zu erscheinen, für die sich bald eigene Vertriebsfirmen
(unerlässlich um auch wirklich in die Plattenläden zu kommen) gründeten, wie in
Deutschland bspw. EFA (Energie für Alle) und SPV. Dies Vertriebsfirmen
übernahmen auch teilweise das Marketing für die Labels, da diese damit meistens
finanziell überfordert waren. Im Laufe der Zeit wurde jedoch "Independent" immer
mehr zur leeren Worthülse, da ziemlich alle bekannten "Independent- Bands" von
den großen Konzernen eingekauft wurden. Inzwischen ist es so, dass die
verbliebenen Major- Firmen (eigentlich nur noch die Konzerne BMG (Bertelsmann
Music Group) und AOL Time- Warner sowie Sony- Music) die kleinen Label einfach
schlucken bzw. bereits geschluckt haben und so eine Trennung zwischen
"Independent" und "Major" nicht mehr wirklich vollzogen werden kann.1
In den USA spricht man, bei ähnlichen musikalischen Wurzeln, von der Industrial-
Szene. Die bekanntesten Bands dort sind FRONT LINE ASSEMBLY (USA) und SKINNY
PUPPY (CAN). In jüngster Zeit sehr erfolgreich waren MINISTRY (USA) und die NINE
INCH NAILS (USA). Ein Unterschied zu den typischen EBM- Bands besteht in der
Benutzung von Gitarren- Samples, welche bei EBM kaum zu finden sind.
Heute wird die Musik, die häufig etwas gefälliger geraten ist als beim
klassischen EBM, von Bands wie MENTALLO & THE FIXER (D), X MARKS THE PEDWALK (D)
oder LEATHERSTRIP (S) oft auch als "Electro" bezeichnet.
Eigentlich nicht direkt zur Gothic- Szene zugehörig, sind Industrial (Noise)
Bands mittlerweile auch in den Kreis der "Szene-Bands" aufgenommen. Zu diesen
Bands, die entdeckten, wie man aus Lärm Musik machen kann, zählen seit Mitte der
70er Jahre THROBBING GRISTLE (USA), CLOCK DVA (USA) und SPK (AUS). Ähnliche
Ideen verfolgten andere Bands wie EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN (D), TEST DEPARTMENT
(USA) und WHITEHOUSE (USA).
Während die oben genannten Bands meist teilweise englische, teilweise deutsche,
manchmal auch Texte anderer Sprachen gebrauchen, setzen viele Bands dieser
(praktisch nur deutschen) Szene auf rein deutsche Texte. Neben GOETHES ERBEN
sind das vor allem LACRIMOSA und UMBRA ET IMAGO. Die beiden letzteren sorgten in
letzter Zeit auch immer mehr für eine Verschmelzung mit der Metal- Musik.3 Als
weitere Bands der Dark- Wave Sparte können genannt werden: DAS ICH, CALVA Y
NADA, SILKE BISCHOFF und DIE VERBANNTEN KINDER EVAS.
Der Synthpop, in Deutschland oft auch Synthiepop bezeichnete Musikstil, wurde in
den frühen 80er Jahren geprägt. Der, damals neuerdings, fast für jeden
erschwingliche Synthesizer gab dieser Musik ihren Namen. Bands wie SOFT CELL
(GB) und ULTRAVOX (GB) wurden unter diesem Etikett berühmt und erfolgreich, die
Abgrenzung zum heutigen Electro ist recht willkürlich. Prägend für die heutigen
Synthpop Bands wie AND ONE (D), S.P.O.C.K (D), MESH (GB) und DE/VISION (D) waren
wahrscheinlich die frühen DEPECHE MODE.
Daneben gibt es einige Bands, die versuchen das Mittelalter musikalisch
zurückzuholen. Möglichst authentisch versuchen das ESTAMPIE (D), FREIBURGER
SPIELLEYT (D) und SARBAND (D). Andere wollen einfach nur in "Gaukler- und
Spielleute Tradition" unterhalten und machen eine Art mittelalterlich
angehauchte Partymusik, so z. B. CORVUS CORAX und TANZWUT (beide Deutschland).
Und einige stehen auch dazwischen, wie etwa CAMERATA MEDIOLENSE (IT).
Die Ritual- Musik von BLOOD AXIS (USA) und DER BLUTHARSCH (D), die normale
musikalische Hörgewohnheiten der Pop-Musik sprengt, erscheint, ähnlich wie die
der Neo-Folk Bands, politisch nicht unverdächtig.
2. Das Hierarchienkonglomerat: hier gehören hierarchisch strukturierte Gruppen
derselben Struktur an, umgeben von einer Anzahl organisatorisch ungebundener
subkultureller Individuen. Ein Beispiel hierfür ist die Heidenszene.
3. Das Kollektivkonglomerat: auch diese Subkulturen bestehen aus Gruppen, die
eine Peripherie von Einzelindividuen aufweisen, nur sind die Gruppen hier
ideologisch, wenn auch nicht wirklich, nichthierarchisch. Zu diesem Typus
gehören insbesondere linke Szenen."8
I do not see the gothic culture as a means to rebel. How utilitarian. Goth is
about love of beauty, and love of living, and love of the darkness that gives
beauty and life its value. It is not to rebel, however rebellious our actions
may be. I wear makeup not because it´s cool to go against the grain and wear
makeup as a guy, but because I feel it is beautiful. Horrifically
beautyful.(...)
And though in a homogeous and conservative society, the freaks may band
together, this does not mean they are best for each other. I get along
excellently with certain normals, while other freaks often piss the hell out of
me and irritate me. It´s the inner philosophy that counts, and you´d be
surprised at where you´ll find the people that share the same (or similar) views
... and where you distinctly *don´t* find them, as well ... (...)
When I dress, I am trying my damndest to out *my* personality in my clothing.
It´s a form of communication. It is saying ´You think I look dark and evil and
different on the *outside*, well, then just wait till you see me on the
*inside*´ What you see is what you get, baby. (...)
I like labels. They´re neat. Inlightful. Funny, ridiculous, flattering,
annoying, right on, way off the mark, important, irrelevant, necessary,
worthless, witty, dull, and extraordinarily common! Labels are simply a way to
describe something. And as a poet, the act of description is noble in itself.
Give me labels. Sticks and stones ... (...)"10
The central Ideal that characterizes Goth is an almost compulsive drive towards
creativity and self-expression (...) The mediums of self-expression and creation
can be anything from a mode of dress to novels or music. (...)
As a lifestyle. Goth is as diversified as its adherents. There really is no true
unifying stereotype or dress code as it were. Not all Goths are depressed, nor
do they all wear black, listen to the same music, or employ the same modes of
self- expression. (...)"11
Are we vampires? Do we drink blood? (...)
The original vampires of literature were smelly, unfortunate, middle-european
peasants. They were depised cratures to be pitied. Unfortunately the
representation in literature changed (...). Suddenly they are beautyful
immortals with buck teeth and no acting ability to speak of, suddenly every town
in the western world has lot of spods meandering around with green A4 books and
joining weird tribes and dressing in black and claiming to be children of the
night.(...)
- nope, we ain´t wascally wampires either. We don´t look like vampires, vampires
look like us! (...)"14
Sie setzen die Farbe außerdem als ein Zeichen ihrer selbstgewählten
Weltabgeschiedenheit, wie sie auch bei verschiedenen Mönchsorden eingesetzt
wird, und zur Betonung ihres Gefühls der Fremdheit der Welt gegenüber ein. Auch
beinhaltet das Schwarz der Grufties den Aspekt der Askese eines Mönches, der
sich in einsamen Kontemplationen mit sich, der Religion und der Welt
auseinandersetzt."16
Auffällig ist der häufige Umgang mit Symbolen des Todes. So stand - zumindest
nach Bekundungen von Zeitgenossen - in der langjährigen (inzwischen ehemaligen)
Berliner Szenediskothek "Linientreu" lange Zeit ein Sarg auf der Tanzfläche; die
Farbe Schwarz wurde ja schon erwähnt und das Weißschminken des Gesichtes wird
auch gerne mal als "Totmalen"29 bezeichnet. Schmuckmotive sind Totenschädel,
Skelette und Knochen als Symbole des Todes (vereinzelt werden auch echte Knochen
als Schmuckstücke getragen). Ein zweiter Motivkreis sind religiöse Symbole wie
Kreuze, oft "umgekehrt" getragen (also das christliche Kreuz umgedreht),
Pentagramme, Davidsterne und verschiedene altägyptische Motive. Der dritte
Motivkreis besteht schließlich aus dem, was man vielleicht als den "Zoo der
bösen Tiere" bezeichnen könnte. Hier sind ziemlich alle Tiere repräsentiert, die
in unserem Kulturkreis als böse, unheimlich oder düster angesehen werden.
Angefangen bei Ratten (die ja schon die Punks als Lieblingstier auserkoren
hatten) über Spinnen, Raben, Krähen, Fliegen, Echsen, Kröten usw. bis hin zum
Lieblingstier der Szene, der Fledermaus, werden die Tiere als Motive zur
Schmuckherstellung, aber auch als Motiv für Kleidung benutzt.
Was für ein Lebensgefühl wird mit dieser Symbolik ausgedrückt? Übereinstimmend
wird eine gewisse Unzufriedenheit mit der Welt und eine Außenseiterrolle für
sich selber angenommen. Deswegen flüchtet man sich gerne in eine, nie jemals
wirklich existente, vergangene Zeit. Diese Zeit kann individuell unterschiedlich
interpretiert werden, für die einen ist es (ähnlich dem Weltbild der Romantik)
ein verklärtes Mittelalter, andere hingegen sehnen sich nach vorchristlichen
Zeiten zurück (ähnlich wie bei Teilen der Alternativ- Szene der frühen 80er
Jahre; so ist der Roman "Die Nebel von Avalon" von Zimmer- Bradley auch bei
Teilen der Gothic- Szene recht beliebt). Die typischste Literatur ist aber
sicherlich der Vampir- Roman, der entweder, als klassischer Vampir- Roman, im
19. Jahrhundert beheimatet ist (z. B. Bram Stoker- Dracula) oder aber auch in
der Jetzt- Zeit angelegt werden kann (die Erzählungen von Anne Rice beinhalten
bspw. die unterschiedlichsten Epochen). Insgesamt ist also eine Unzufriedenheit
mit der Zeit zu konstatieren; aufgrund dieser Unzufriedenheit sucht man Auswege.
Diese Suche nach Auswegen kann unterschiedlich aussehen:
1. Suizidale Tendenzen/ Beschäftigung mit dem Tod
2. Weltflucht
3. Flucht in okkulte oder religiöse Systeme
Mit einer Legende gilt es von Anfang an aufzuräumen. Mit Satanismus, in dem von
Medien verbreiteten Sinn, hat so gut wie kein Mitglied der Gothic- Szene zu tun.
Mitglieder satanistischer Orden dürfte es unter Gothics praktisch nicht geben.
Das ist allerdings auch kein Wunder ist, da es in Deutschland, selbst nach den
höchsten Schätzungen, kaum mehr als 200 organisierte Satanisten gibt.38
Allerdings lesen durchaus einige Gothics die Bücher von Aleister Crowley soweit
diese erhältlich sind und sind durchaus auch an anderen Autoren interessiert,
die sich mit "Satanismus" beschäftigen. Dazu muss allerdings erwähnt werden,
dass erstens die Öffentlichkeit meist unter "Satanismus" nur Klischees von
Schwarzen Messen und vor allem sexuellen Mißbrauch vor Augen hat, welche
natürlich - Sex sells - auch immer wieder in der Berichterstattung der Medien
auftauchen und es doch eigentlich nur vernünftig ist, sich ein eigenes Bild über
"wirklichen" Satanismus zu bilden. Das muss ja nun wirklich nicht heissen, dass
jeder Leser von Crowley ein überzeugter Satanist wird - im Gegenteil dürfte es
so sein, dass die meisten Leser dieser wirren, offensichtlich im Drogenrausch
geschriebenen Schriften, doch eher abgeschreckt sind. Zweitens bilden gerade die
immer wieder in den Klischees auftauchenden "Schwarzen Messen" ja auch die
Grundlage für das Interesse von Teenagern, sich mit der Thematik zu
beschäftigen. Welcher Heranwachsende möchte nicht, zumindest in der Phantasie,
die angeblichen sexuellen Extasen dieser verrufenen Orgien erleben? Deswegen
soll auch die Gefahr nicht völlig verschwiegen werden, die von den einigen
wenigen wirklich existenten satanistischen Gruppen ausgehen kann. Diese Gefahr
besteht aber völlig unabhängig von der Gothic- Szene.39 Durch die Vermischung
der Gothic- mit der Dark Metal- Szene (im Bereich der Metal- Musik hat
"Satanismus" schon eine längere Traditionslinie), tauchen allerdings immer öfter
satanistische Symbole und Bands, die sich mit Satanismus beschäftigen, auf und
es ist für die Zukunft mit einem stärkeren Einfluss dieser Strömungen zu
rechnen. Deswegen werde ich mich jetzt ein wenig mit dem Thema Black Metal, Doom
Metal, Death Metal und Satanismus beschäftigen.40
Die meisten heutigen Satanisten berufen sich auf die Lehren von Aleister Crowley
(1875- 1947), der ein bekannter Bergsteiger war und der, nicht zuletzt aus
Protest gegen sein Elternhaus (sein Vater war Laienprediger in einer
protestantischen Sekte), Satanist wurde. Er kann als der Begründer des
"rituellen Satanismus" angesehen werden. 1904 schrieb er sein einflussreichstes
Werk, "Das Buch des Gesetzes" (Liber Al Vel Legis), dessen Motto zum Leitmotiv
fast aller späteren Satanisten wird: "Tu, was du willst, sei das eigene Gesetz".
1912 wurde er Mitglied des "Ordo Templi Orientis" (O.T.O.), dessen Führung er
später übernahm. Dieser Orden bot eine wilde Mischung aus freimaurerischen und
okkulten Praktiken. Crowley selbst bezeichnete sich als "Satan" oder auch als
"Das große Tier 666" (To Mega Therion- 666), nach einer Bibelstelle (Offb. 13,
18). Kögler schreibt:
Vor allem in England ist es schon zu Hoch-Zeiten der Hippie- Kultur üblich
gewesen sich stark mit den sogenannten "keltischen Wurzeln" zu beschäftigen. In
Nachfolge der nationalistischen Forschern des beginnenden 20. Jahrhunderts, die
sich in England und Frankreich stark mit dem Keltentum als "eigentlichen"
nationalen Vorfahren beschäftigt haben46 und die die gesamteuropäischen
römischen Wurzeln der kulturellen Entwicklung bekämpften, suchten sie nach einem
Gesellschaftsentwurf, der antimodernistisch und vor allem auch "natürlich" (im
Sinne von in Einklang mit der Natur) sein sollte. In England ist auch die
Gothic- Kultur der Hippie- Kultur ähnlicher als in Deutschland, die Kleidung der
englischen Gothics erscheint durchaus auch teilweise dem Kleiderschrank der
Hippie- Mutter entnommen zu sein. Ungefähr Mitte der 80er Jahre haben sich v. a.
um die Bands THE MISSION und NEW MODEL ARMY herum Gruppen von jungen Leuten
gebildet, die zu möglichst allen Konzerten der jeweiligen Bands fuhren und ein
hippietypisches familienähnliches Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelten. Vor
allem bei THE MISSION, die ja aus Teilen der SISTERS OF MERCY hervorgingen,
waren darunter auch Menschen aus der Gothic- Szene zu finden. Diese Gruppen
hatten und (diejenigen, die diese Traditionslinie weiterführen) haben ein sehr
ähnliches Lebensgefühl, wie die ehemalige Hippie- Subkultur. In die Musik der
oben genannten Bands flossen sowohl Folk- Einflüsse, wie auch Einflüsse von
Hippie- Musik (so coverte THE MISSION äußerst Erfolgreich das NEIL YOUNG Lied
"Hurricane"). Einher mit den musikalischen Einflüssen ging offenbar auch eine
Beschäftigung mit Fantasy- Literatur, die bisweilen ebenfalls ins okkulte
abschweift (THE MISSION: "Kingdom Come") und antiamerikanischen (so NEW MODEL
ARMYs Lied "51st State of America") Traditionen. So ist es kein Wunder, dass die
Heidenszene, vor allem die der "Wicca", auch aus diesem Kreis, unter anderem
eben auch von Gothics, Zulauf bekamen. Die Neo- Folk Bands, wie etwa DEATH IN
JUNE, konnten sich auf diese, an esoterischen Dingen interessierte Zielgruppe,
stützen, um ihre gefährlicheres Gedankengut, wie etwa die "nordische"
Runenesoterik zu verbreiten. Bevor ich in einem späteren Abschnitt näher auf die
Entstehung dieses Phänomens eingehe, gilt es erst einmal zu untersuchen, wie
sich Heidnisches und Okkultes in der heutigen Gothic- Szene äußert.
Da man, wie schon geäussert, nicht einfach aus der Verwendung von heidnischen
oder okkulten Zeichen auch auf eine entsprechende Gedankenwelt schliessen kann,
muss man andere Quellen erschliessen. Da man bei einer Masse von Individuen kaum
auf eine einheitliche Meinung stossen wird, geschweige denn die individuelle
Wichtigkeit für den Einzelnen ermessen kann, bleibt jede Behauptung relativ
subjektiv. Deswegen möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass bis jetzt
alle mir bekannten Autoren, die sich mit der Religiösität der Gothic- Szene
beschäftigten, zu mehr oder weniger unterschiedlichen Schlüssen kamen. Zwei
Dinge stellten aber alle gemeinsam fest: Zum Einen: Religion (oder besser
Religiösität) scheint für Gothics insgesamt eine wichtige Rolle zu spielen und
zum Anderen: Es
Thematiken der SM- Szene tauchen in der Gothic- Kultur immer wieder auf. So ist
der Stuttgarter Musiker (SILKE BISCHOFF) und Fotograf Felix Flaucher, der
Hausfotograf des (inzwischen anscheinend eingestellten) "Gothic"- Magazins, u.
a. bekannt für seine kunstvollen Fotografien von gefesselten Gothic- Frauen, die
auch die Cover der CDs seiner Band zieren.
Eine andere Form von Erotik, die in der Gothic eine bedeutende Rolle spielt, ist
die romantische "vampireske Erotik" und die Erotik des Todes. Das hat absolut
nichts mit Nekrophilie zu tun. Es scheint eher so zu sein wie es Richard
formuliert:
Wie in Abschnitt 3.2.4.3. beschrieben und in den folgenden Interviews
nachzulesen, ist die heutige Gothic- Szene, wenn man sie in ihrer Gesamtheit
sieht, an esoterischen und religiösen Themen äußerst interessiert. Aufgrund der
starken Abneigung gegenüber den Amtskirchen (und meist auch den anderen großen
Weltreligionen), ist eine starke Hinwendung zu, zumindest scheinbar,
naturreligiösen Zirkeln festzustellen. Vergessen wird dabei (nicht nur von den
Gothics - die Esoterikbewegung boomt schließlich nicht nur in der Jugendkultur),
dass Esoterik (= Geheimwissenschaft), im Gegensatz zu Naturreligionen,
grundsätzlich ein elitäres Selbstbwewußtsein pflegt. Man kann vier
Hauptcharakteristika der Esoterik konstatieren,72 nämlich Rassismus, Führerkult,
Karma- Lehre und den Glauben an geheime kosmische Gesetze. Leider kommt hinzu,
dass weite Teile der organisierten Heidenszene Deutschlands mehr oder weniger
eng mit dem "Armanen- Orden" zu tun haben, einer Organisation die sowohl
personell als z. T. auch organisatorisch mit der politisch rechtsextremen Szene
verknüpft ist.
Adolf Josef Lanz (1874- 1954), der sich Jörg Lanz von Liebenfels nannte und wie
List aus Österreich stammt, verlieh sich selbst, genau wie dieser, einen
Adelstitel. Er war ursprünglich Zisterziensermönch und verliess aus nicht völlig
zu klärenden Gründen 1899 den Orden. 1900 gründete er den Ordo Novi Templi
(Neuer Templer- Orden oder O.N.T.). Schon als Mönch fiel er durch seine
eigenwillige Bibelauslegung auf, mit der er auch seine Schrift "Theozoologie"
begründete (1905). Er gründet die Zeitschrift Ostara, welche sich auf die Fahne
geschrieben hatte, "die europäische Edelrasse durch Reinzucht vor dem Untergang
zu bewahren". In dieser Zeitschrift ging es neben der Behandlung von
wirtschaftlichen und politischen Themen der Habsburger Monarchie aus
antiliberalistischer und alldeutscher Sicht um Themen wie rassische Somatologie,
Anti- Feminismus und Anti- Parlamentarismus. Unter anderem zählten viele
Mitglieder der Guido- von- List- Gesellschaft zu den Autoren. Aus der Bibel und
anderen christlichen Traditionen las er heraus, dass Mitglieder einer göttlichen
Hierarchie die Aufgabe gehabt hätten, Menschen künstlich zu züchten. Diese
entstanden gottgleichen Menschen seien die Vorfahren der jetzigen "arischen
Heldenrassen". Einige von diesen Menschen hätten aber das Gesetz der Reinzucht
verletzt und sich mit Tieren vermischt. Aus dieser verbotenen Verbindung seien
dann "Tiermenschen", Vorfahren der heutigen "niedrigen Rassen" entstanden. Lanz
gab vor allem Frauen, denen er einen Hang zu Niederrassigem und Tierischem
unterstellte, die Schuld an diesem Vergehen. In seinem Programm zur Schaffung
einer Rassenaristokratie nahm er viele Maßnahmen des NS- Staates vorweg:
Als eine solche ´Fremdreligion´ wird vor allem das Christentum angesehen, das
von den ´Armanen´ in plakativer Feindbildmanier beschimpft und für alle Defizite
der Neuzeit verantwortlich gemacht wird.(...)
Auf eine genaue Rekonstruktion dessen, was keltisch- germanische Religion
wirklich einmal gewesen sein mag, läßt man sich beim ´Armanen- Orden´ kaum ein,
sondern folgt den phantastischen Theorien von Autoren, die bereits vor oder
während des ´Dritten Reiches´ den ´Arier- Mythos´ mit ihren Ideen nährten. Neben
Lanz von Liebenfels zählen dazu auch Guido von List sowie die SS- Mitglieder
Richard Anders und Günther Kirchhoff, deren Deutungen selbst Himmler und dem
´Ahnenerbe´ zu versponnen waren.
So glauben die ´Armanen´, die erst im Mittelalter aufgezeichnete ´Edda´ reiche
in Wahrheit vor die letzte Eiszeit zurück, und unsere Urahnen hätten bereits
´Scheiben mit überragenden Flugeigenschaften´ durch die Luft bewegt."79
Wicca ist die Erfindung von Gerald Gardner und beruht auf der These: "Alle
Göttinnen sind eine Göttin, alle Götter sind ein Gott". Die beiden Götter
manifestieren sich in dem Kult "der großen Göttin und ihres gehörnten
Gefährten". Ausgegangen wird davon, dass das der Kern einer Urreligion sei, die
alle Völker ursprünglich verband. Abgesehen davon, dass das sämtlichen
anthropologischen Erkenntnissen über Religionen der sogenannten
"Wildbeuterkulturen" widerspricht (die allesamt ein polytheistisches Weltbild
haben), wird hierin deutlich, dass auch Wicca in diesem Punkt die ahistorische
Betrachtungsweise der Theosophie übernommen hat. Betrachtet man die keltische
Religion historisch, so wird man ebenfalls feststellen:
Am Anfang scheint, wie schon mehrfach erwähnt, die Neo- Folk Band DEATH IN JUNE
zu stehen. Der Name der Band, die 1980 von Douglas Pearce, Patrick Leagas
(O´Kill) und Tony Wakeford gegründet wurde, steht für den Todesmonat des SA-
Führers Ernst Röhm. Douglas Pearce, der mittlerweile das einzige verbliebene
Mitglied von DEATH IN JUNE ist und in Australien lebt, erklärte dazu 1992:
Boyd Rice begann als Vertreter des Industrial. Damals wollte er normale
Hörgewohnheiten brechen und die Zuhörer am Produktionsprozeß selbst beteiligen.
So war seine Platte "Pagan Music" mit verschiedenen Löchern versehen, um so
diszentrisches Abspielen zu ermöglichen. Außerdem erhielt sie den Hinweis
"playable at any speed". Seine Live- Performances waren reine Lärmorgien. Damit
vertrat er damals ein ähnliches Konzept, wie die EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN und
andere Bands. Geändert hat sich sein musikalisches Konzept mit der CD "In the
Shadow of the Sword" (1989). Sie beginnt mit dem Lied "Total War":
Mit jedem gutgemeinten Leserbrief, der Toleranz und Meinungsfreiheit einklagt,
begebt Ihr Euch, obwohl Ihr es ehrlich meint, immer tiefer in das Fahrwasser der
Jungen Freiheit. Der Jungen Freiheit geht es nicht um diese Werte - sie hat ganz
andere politische und kulturelle Ziele. Eines davon ist die ´Erringung der
kulturellen Hegemonie´. Was man sich darunter vorzustellen hat, beschreibt
Roland Bubik unumwunden in seinen Programmschriften: man müsse unpolitische
Szenen unter dem Deckmantel der Kultur unterwandern, ohne sich als Rechter zu
erkennen zu geben, um Schlüsselpositionen in der Ku(l)turlandschaft zu erringen.
Erst dann ist Zeit, sich an die Umsetzung der politischen Ziele zu machen.
Anstatt Euch auf Scheingefechte über Meinungsfreiheit und Toleranz einzulassen,
solltet iht Euch klar machen, was eine reaktionäre Kulturpolitik für zum
Beispiel eine Subkultur, wie es die Wave- Szene ist, bedeuten würde. (...) Für
die Junge Freiheit seid Ihr nichts anderes als nützliche Spinner auf dem Weg zur
Macht.
Als ich dies begriffen hatte, habe ich meine Mitarbeit bei der Jungen Freiheit
eingestellt. Nun sehe ich, daß sich meine persönliche Geschichte in größeren
Dimensionen zu wiederholen droht. Ich kenne noch die kleinen Anfangstage des
Zillo, stamme selbst aus der Wave- Szene - Stichwort Death In June, So(l)
Invictus, NON. Dadurch wurde ich auf Autoren wie Evola, D`Annunzio, Ernst Jünger
aufmerksam. Obwohl ich mich diesen Bands und Schriftstellern ursprünglich
kritisch näherte, wurde ich nach und nach durch die unleugbare Faszination, die
von dieser Welt ausgeht, ästhetisch so gleichgeschaltet, daß mir der Schritt zur
Jungen Freiheit irgendwann als ganz natürliche Konsequenz erschien. Mein
´Einstiegshelfer´ war übrigens Roland Bubik. In dem etwas über einem Jahr (1994-
1995), das ich für die Junge Freiheit schrieb, war ich seine engste
Mitarbeiterin.
Schon damals hatte Roland Bubik große Pläne für die Wave- Szene, die durch ihre
romantische und ästhetizistische Haltung besonders leicht zu beeinflussen wäre
(ob sie das ist, wird sich nun herausstellen)."100
Ebenfalls 1996 greift zum erstenmal ein rechtsextremistischer Verlag in die
Musikproduktion der Gothic- Szene ein (wenn man das unbedeutende Projekt des
"Europakreuz"- Herausgebers Marco E. Thiel nicht berücksichtigt, der auf seinem
Label "Abyss Recordings Europe" ebenfalls Musik verlegte). Unter dem Namen
"Heliocentric Distribution" wird ein Musiklabel des Bingener Verlages "Verlag &
Agentur Werner Symanek" (VAWS) gegründet. Dort erscheint eine Doppel CD zu Ehren
der Filmregisseurin Leni Riefenstahl, die aufgrund ihrer Filme über NSDAP-
Reichsparteitage (Sieg des Glaubens (1933) und Triumph des Willens (1934)) und
über die Olympiade 1936 (Fest der Völker, Fest der Schönheit) im Dritten Reich
Berühmtheit erlangt hat. Warum ausgerechnet Riefenstahl ausgesucht wurde, um
dieses erste eindeutig rechtsextremistische Projekt in der Gothic- Szene zu
verwirklichen ist unklar. Es könnte mit der Ästhetik der Riefenstahlfilme zu tun
haben oder mit ihrem mystischen Erstlingsfilm "Das blaue Licht"; möglicherweise
hat man aber auch einfach nach einer Person gesucht, die nahe genug am
Nationalsozialismus dran war, um sie mit ihm zu identifizieren und doch auch
weit genug von ihm weg, um auf eventuelle Kritik mit dem Totschlagargument der
"eingeschränkten künstlerischen Freiheit" argumentieren zu können. VAWS verlegt
neben CDs rechtsextreme Bücher, so z. B. Schriften von Jürgen Rieger,
kriegsverherrlichende Literatur über den "Wüstenfuchs Rommel" und
Propagandaschriften gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht". Außerdem
werden von ihm seit 1969 die "Unabhängigen Nachrichten" des "Unabhängigen
Freundeskreises" verlegt.
Ich glaube, es gibt zwei Punkte von größter Wichtigkeit die ´Siege´ (eine
Schrift des inhaftierten US- Neonazis James Mason O.Z.) ganz deutlich macht:
Erstens, daß es für Reaktion und Konservatismus einfach zu spät ist, und das
deshalb die einzig angemessene Strategie - wenn es überhaupt noch eine geben
kann - darin bestehen muß, die Zersetzungsprozesse des gegenwärtigen
Gesellschaftssystems möglichst voranzutreiben, weil dies der wesentlich
vernünftigere und direktere Weg ist, Veränderungen zu erreichen. Zweitens, daß
das Überleben an sich das wichtigste Lebensziel sein sollte, aber ohne daß man
sich einer Gehirnwäsche unterziehen oder von der Leere der Gesellschaft
aufsaugen läßt - also, um es auf den Punkt zu bringen: das Überleben als
Geächteter."109
Was wir - ganz abstrakt - als Projektion im Sinne eines ´geistigen Kriegertums´
vorgeben wollten, nämlich das Ideal, sich als Mensch einer Sache in aller
Konsequenz hinzugeben, schien für manchen also bereits mit zu ´eindeutigen´
Entschlüsselungshinweisen versehen."
Die im Moment in der Szene meist diskutierte Band ist die Band KIRLIAN CAMERA um
den italienischen Musiker Angelo Bergamini. In einem "Zillo"- Interview mit Dirk
Hoffmann wehrt sich Bergamini gegen Vorwürfe von Antifaschisten, hier einige
Ausschnitte aus dem Interview:
Angelo: Eins muß von vorneherein klar sein: Ich protestiere gegen solche
Gerüchte und Aussage, die zu beweisen versuchen, daß meine Band das Publikum mit
dem Hitlergruß begrüßt. Ein gewisser Alfred Schobert hat in einem ´Spiegel´-
Interview behauptet, daß wir - man beachte, daß wir - man beachte, daß er im
Plural sprach und damit um alle meinte - das Publikum auf diese Weise
be(g)rüßen. Das ist ein ernstes Statement und eine ernste Manipulation der
Realität. Ich muß an dieser Stelle zum zigsten Mal wiederholen, daß andere
Kirlian Camera- Mitglieder verschiedene (M)ale erklärt haben, daß sie ganz
aufrichtig politisch links einzuordnen sind. (...) Diese Band hat durch all die
Jahre Musiker aus ganz verschiedenen Richtungen (Schwarze, Weiße, Juden,
Faschisten, Kommunisten, Christen, Schwule, Anarchisten) im Line- up gehabt und
jeden einzelnen respektiert. Wenn aber jemand kindische Sachen mag, erkläre ich
einiges zu Herrn Schoberts Aussagen: Im August letzten Jahres traten wir in
Berlin auf, und ich muß ehrlicherweise zugeben, daß ich auf eine ähnliche Weise
agiert habe, um einfach den schlechten Glauben von einigen Leu(t)en zu testen.
Da habe ich die Leute mit ausgestrecktem Arm begrüßt. (...) Weder ich noch
Emilia Lo Jacono und Barbara Boffelli haben je den Hitlergruß verwendet, da sie
politisch viel zu korrekt sind. (...) Es gab keine versteckten politischen
Botschaften in der Vergangenheit, und ich muß niemanden etwas erklären.
Zillo: Gibt es denn etwas, das dich aus irgend einem Grund am Dritten Reich
fasziniert?
Angelo: Die Ästhetik des Dritten Reiches ist zweifellos faszinierend. (...) Aber
was ich über Politik denke, geht nur mich etwas an, und das würde ich niemanden
erzählen. Wahlen sind geheim, und es ist mein Recht es auch so zu halten. Ist es
nicht so? (...)
Zillo: Meinst du nicht, da(ß) Künstler eine besondere Verantwortung beim
Gebrauch solcher Symbole haben, die eng mit dem Dritten Reich verknüpft sind?
Angelo: Ich denke, es gibt zu viele Idioten, die versuchen, einige Werbung damit
zu machen, Symbole und anderes Zeugs verwenden, von denen sie nicht mal die
Bedeutung verstehen. Ich glaube, daß 90% dieser Bands, die Möchtegern- Nazis
werden wollen, nichts weiter als ein Haufen von Verlier(er)n sind, die keine
wirkliche Hoffnung besitzen. Sie verlassen sich darauf, populär dadurch zu
werden, daß sie das Spiel der ´Verdammten´ spielen, aber sobald jemand kommt, um
ihnen gefährlich mit Zensur zu drohen, leugnen sie alles, arme kleine Kätzchen!
(...) Übrigens haben Kirlian Camera nie ein Nazi- Symbol verwendet, weshalb wir
mit dem Thema eigentlich nichts zu tun haben.(...) Viele Leute erheben den
Anspruch, Dinge zu wissen, die sie nie erfahren werden, und legen dabei die
wirklich intolerantesten Einstellung zutage: Sie verfolgen etwas, das sie nicht
kennen. Suchen sie nach dem Antichristen oder was?"115
Der österreichische Kadmon (Gerhard Petak), dessen Projekt ALLERSEELEN dem Neo-
Folk zugeordnet werden kann, fällt durch die Herausgabe der Magazine "Ahnstern"
und "Aorta" auf. In diesen Magazinen kommt seine Gedankenwelt, beruhend auf
einer Mischung von (NS-) Esoterik, faschistoider Philosophie und Satanismus zum
Ausdruck. Ein Ausschnitt aus dem "Ahnstern"- Katalog:
III: FEUERTAUFE: Ernst Jüngers Werke über den ersten Weltkrieg (...)
V: HEIDNAT: Völkischer Weg und thelemitischer Weg. Heimat und Heidentum als
Kraftfelder. Heidnat als Entwurf einer halben Moderne, die Technologie und
Spiritualität verknüpft. Die Bedeutung von Selbstachtung. Erdung.
Widerstand.(...)
VII: KRAFTFELD: Das Kornzeichen in Flandorf, Niederösterreich, Juli 1996, eine
rätselhafte Einheit aus Kraft und Form (...)"119
"...wir (haben) uns das Programm (der NPD O.Z.) vor einiger Zeit mal
angesehen und finden es offen gesagt, ziemlich problematisch, generell JEDEN
Punkt dieses Programms zu verwerfen, sozusagen nur weil er von der NPD kommt. Wir
hatten ursprünglich vor (...) dieses Programm mal hier reinzustellen, und zwar
um eine offene Diskussion darüber zu ermöglichen, inwiefern es überhaupt
sinnvoll ist, das Programm insgesamt und als ganzes abzulehnen, oder welche Punkte
u.U. auch diskussionswürdig erscheinen. Uns behagt nämlich der Gedanke nicht,
irgendwas in Grund und Boden zu verdammen/verdammen zu sollen, weil es gerade
´opportun´ erscheint. (...) Das einzige Thema aus diesem Programm, das im
Zusammenhang mit dieser Seite und GfM überhaupt von Relevanz zu sein scheint, ist wohl
das Thema ´Meinungsfreiheit´. (...) Genau dazu habe ich in diesem Programm nun
aber eigentlich nichts gelesen, was nicht durchaus zustimmungsfähig wäre für
uns. Was mich persönlich betrifft, habe ich auch noch für die im Programm
aufgeführte Forderung nach mehr Demokratie und direkter Bürgerbeteiligung eine
gewisse Sympathie. (...) Das meiste andere hat für uns eigentlich keine große
Bedeutung, z. B. die Forderung nach ´Rückgabe der Ostgebiete´, Wiedereinführung
der Todesstrafe o. ä., das sind Themen, die diese Partei wohl nicht zu
Unrecht als ´ewiggestrig´ auszeichnen. Also, nochmals. Wir haben und hatten nie
etwas mit dieser oder einer ähnlichen Partei zu tun, kennen zwar privat mehrere
Leute, die ihr wohl nahestehen, die uns aber weder beeinflussen noch ´steuern´
oder sonstwie manipulieren, und schon gar nicht in unserer Eigenschaft als
GfM- Redaktion (...)"
Dazu möchte ich im Folgenden Stellung nehmen:
Sollte meine Bemerkung vom Leser so verstanden werden, dass ich eine direkte Steuerung
der "Gothics für Meinungsfreiheit" durch die NPD vermute, möchte ich diesen Eindruck
hiermit widerrufen.
Ich denke vielmehr, dass hinter den "Gothics für Meinungsfreiheit
(GfM)" der Wille zur Erringung der "Kulturellen Hegemonie" (hier in der Gothic-
und Neo- Folk- Szene) steckt (dazu bspw. Hermann Gilbhard / Holger Goblirsch:
Rückkehr des Rassenwahns? Die Ideologie der "Neuen Rechten", in: Wolfgang Benz
(Hg.): Rechtsextremismus in der Bundesrepublik. Voraussetzungen,
Zusammenhänge, Wirkungen, Aktualisierte Neuausgabe, Frankfurt/M. 1989, S. 213- 223).
1: So geschehen beispielsweise mit dem Plattenlabel "Hall Of Sermon" von Tilo
Wolf, welches von der WEA (AOL Time- Warner) aufgekauft wurde
2: Die folgende Typisierung der verschiedenen Musikstile folgt in weiten Teilen
dem Text von Hans D: A History of Gothic, im Internet unter:
http://members.tripod.lycos.nl/HansD/ history.html
3: Auf die Metal-Musik und die dazugehörige Szene (früher Heavy- Metal oder
Hardrock- Szene) soll hier nicht näher eingegangen werden.
4: Brandstetter, Stefan: Die Ästhetisierung des öffentlichen Raumes.
Subkulturelle Ausdrucks- und Stilformen als eine Symbolisierung von
gesellschaftlichen Veränderungen und Widersprüchen am Beispiel der Gothics,
Diplomarbeit an der Katholischen Fachhochschule für Sozialwesen,
Religionspädagogik und Pflege, Freiburg 1999 (unveröffentlicht), S. 50 f. u. S.
99 ff.
5: Henning, Christoph: Die Entfesselung der Seele. Romantischer Individualismus
in den deutschen Alternativkulturen, Frankfurt a. M./ New York 1989, S. 117,
zitiert nach Brandstetter, a.a.O., S. 50
6: Brandstetter, a.a.O.
7: Brandstetter, a.a.O., S. 50 f.
8: Schuhmacher, H.: Rassismus und Szene, im Internet unter:
http://www.rabenclan.de/szene1.htm
9: Die meisten hier zur Sprache kommenden Texte sind aus dem angelsächsischen
Sprachraum - und deswegen nicht unbedingt auch repräsentativ für die deutsche
Gothic- Szene. Eine so differenzierte Auseinandersetzung mit der eigenen
Subkultur scheint in Deutschland entweder kaum geführt zu werden - oder sie ist
mir bei der Recherche entgangen. Eine Ausnahme bildet die Webseite
http://www.gruftieland.de, die aber fast nur Quellen benutzt und wenig eigene
Texte hervorbringt.
10: Voron (aka J. Erich Langsdorf): Subject: Re: AH HA! Was: what is goth?!?,
Newsgroup: alt.gothic, Mittwoch, 7. Dezember 1994, 10:58:11 GMT (von:
LANGSDORFJE96%CS36@cadetmail.usafa.af.mil)
11: Azhram: Defining Goth. Origins of Modern Gothic Culture, im Internet unter:
http://blood-dance.net/goth/origins.html
12: Gochenour, Phillip Henry: Subject: Re: Beyond the Pale II, Newsgroup:
alt.gothic, 6. Oktober 1994, 03:55:20 GMT, im Internet unter:
http://www.suba.com/~rcarrier/Goth/phil.txt
13: JILEE: Subject: Re: ´GOTHIC`- source of term, Newsgroup: alt.gothic, 31. Mai
1995, 14:32:07 -0400 (von: jilee@aol.com)
14: Count Von Sexbat: Subject: To the influx of depressed goths..., Newsgroup:
alt.gothic, Donnerstag, 10. August 1995, 08:48:16 GMT (von:
sexbat@batt.demon.co.uk)
15: Richard, Birgit: Todesbilder. Kunst, Subkultur, Medien, München 1995, S.
117f.
16: Richard, a.a.O., S. 118
17: Richard, a.a.O., S. 119
18: Ein Grund dafür mag sicherlich auch die immer stärkere Vermischung mit der
Black- Metal Szene sein.
19: Richard, a.a.O., S. 120
20: Richard, a.a.O.
21: Richard, a.a.O., S. 100
22: Levi-Strauss, Claude: Das wilde Denken, Frankfurt a. M. 1981
23: Brandstetter, a.a.O., S. 64
24: Bspw.: Ist der Punk, der sich ein Hakenkreuz umhängt, nun ein Neonazi oder
will er seinen Protest gegen die von ihm als "faschistoid" angesehene
Gesellschaft deutlich machen? Ist der das umgekehrte christiche Kreuz tragende
Gothic Satanist?
25: Umfragen unter Thüringer Jugendlichen; in: Farin, Klaus: Jugendkulturen in
Thüringen, Bad Tölz 1999
26: Zu diesen, durch Interviews belegten Einschätzungen kommen sowohl
Brandstetter, (a.a.O., S. 99 ff.), als auch Helsper (Helsper, Werner:
Okkultismus. Die neue Jugendreligion. Die Symbolik des Todes und des Bösen in
der Jugendkultur, Opladen 1992, S. 215 ff..). Ähnlich auch Richard (a.a.O., S.
113, beeinflusst durch Helsper und Hunfeld/Dreger ( Hunfeld, Frauke und Thomas
Dreger: Magische Zeiten. Jugendliche und Okkultismus, Weinheim/ Basel 1990)).
Problematisch ist allerdings bei dieser Aussage, dass sie noch nicht wirklich
statistisch überprüft wurde; so könnte es nämlich auch sein, dass diese Gefühle
des Allein- und Verlassenseins, die ja durchaus auch bei vielen anderen
Jugendlichen zu finden sind, bei Gothics nicht bedeutend öfter auftreten.
27: Schuhmacher, a.a.O.
28: So gibt es in Berlin mittlerweile mindestens drei Geschäfte, die sich auf
Kleidung und Zubehör für die Gothic- Szene spezialisiert haben ("X-tra",
"Darkstore" und "Plaste und Elaste").
29: Richard, a.a.O., S. 120
30: Interessant zu untersuchen wäre sicherlich die Häufung von verschiedenen
erlernten Berufen. So scheint ein Großteil der US- amerikanischen Gothic- Szene
aus Computer- Fachleuten zu bestehen. Auch in Deutschland erscheint mir dieser
Berufszweig nicht selten vertreten zu sein; noch mehr häufen sich aber die
sozialen Berufe wie Erzieher, Sozialarbeiter, Kranken- und Altenpfleger, auch
künstlerische Berufe scheinen relativ beliebt zu sein. Am häufigsten trifft man
natürlich, wie in wahrscheinlich jeder Jugendkultur, Schüler und Studenten.
31: Helsper, Werner: Okkultismus- Die neue Jugendreligion?: Die Symbolik des
Todes und des Bösen in der Jugendkultur, Opladen 1992, S. 279
32: Helsper, a.a.O., S. 280
33: Siehe dazu: Meyer, Joachim Ernst: Todesangst und das Todesbewußtsein der
Gegenwart, Berlin/Heidelberg/New York 1982²
34: Richard, a.a.O., S. 135
35: So konnte der Autor schon mehrere Gespräche unter Gothics belauschen, in
denen diese sich durchaus Stolz über die (ablehnende) Reaktion der "normalen"
Friedhofsbesucher auf ihr Auftreten auf dem Friedhof äußerten.
36: HIM: Join Me In Death, zitiert nach dem Booklet der CD "Razorblade Romance",
BMG Finland 2000
37: Helsper, a.a.O., 316 f.
38: Siehe: Ruppert, Hans Jürgen: Satanismus - Zwischen Religion und
Kriminalität, Berlin 1998; Friedrich- Ebert- Stiftung Landesbüro Thüringen:
Sekten und Psychogruppen in Deutschland: Gefahr für Demokratie und Gesellschaft?
(ohne Ort und Jahr); Jäger, Petra: Jugendsatanismus in Thüringen, Diplomarbeit
an der Thüringer Verwaltungsfachhochschule - Fachbereich Polizei, Schmalkalden
1998 (unveröffentlicht)
39: Interessanterweise gibt es auch bei den Künstlern der Romantik, denen die
Gothic- Szene ja immerhin ihr Name verdankt, einige Hinweise auf
"satanistisches" Gedankengut. So hält E.T.A. Hoffmann den "Teufel für einen
guten Adjudanten des Künstlers" und Berlioz vertont den Faust/ Mephistopheles
Stoff in seinem Oratorium "Fausts Verdammnis" .
40: Ich stütze mich im Folgenden hauptsächlich auf: Fermor, Gotthard: Satanismus
in der Rockmusik, in: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen:
Orientierungen und Berichte Nr. 22, VII/ 1995
41: Kögler, Ilse: Die Sehnsucht nach mehr. Rockmusik, Jugend und Religion.
Informationen und Deutungen, Graz 1994, S. 206, zitiert nach: Fermor, a.a.O., S.
9
42: Fermor, a.a.O, S. 4
43: Metal Hammer 6/ 93, zitiert nach: Fermor, a.a.O., S. 6
44: Fermor, a.a.O.
45: zitiert nach: Fermor, a.a.O.
46:In Deutschland beschäftigte man sich zur gleichen Zeit mit dem "Germanentum",
auf welches ich im nächsten Teil genauer eingehen werde.
47: Helsper, a.a.O., S. 295
48: Richard, a.a.O., S. 115, in Anlehnung an Helsper, a.a.O., S. 286
49: Richard, a.a.O.
50: Brandstetter, a.a.O., S. 46
51: Stöber, Frauke: Entstehung, Inhalte, Wertvorstellungen und Ziele der
schwarzen Szene - Die Jugendkultur der Waver, Grufties und Gothics, Diplomarbeit
im Studiengang Sozialarbeit an der Universität Gesamthochschule Essen, 1999
(unveröffentlicht), S. 30
52: Stöber, a.a.O.
53: Stöber, a.a.O., S. 31
54: Stöber, a.a.O.
55- 60: Sonic Seducer Musik Magazin, Oberhausen, Ausgabe 01/00 (Dezember/ Januar
2000), S. 42
61: Stöber, a.a.O., S. 33
62: Stöber, a.a.O.
63: Inzwischen versucht das "Zillo", vor allem aus marktstrategischen Gründen,
auch immer mehr Leser, die sich nicht der Gothic- oder Darkwave- Szene zugehörig
fühlen, zu bedienen.
64: Zillo Musik Magazin, Stockelsdorf, Ausgabe März 2000, S. 49
65: Zillo, a.a.O., S. 50
66: Stöber,a.a.O.
67: Richard,a.a.O., S. 134 f. (sie steht mit dem letzten Satz allerdings im
Widerspruch zu Helsper (siehe Abschnitt 3.2.4.1.)
68: Bächtold- Stäubli, Hanns: Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, Bd. VI,
Berlin/ Leipzig 1934/ 35, S. 816, zitiert nach Freudemann, Andreas: Warum hilft
Knoblauch gegen Vampire?, in: System ubw. Zeitschrift für klassische
Psychoanalyse, 2. Jahrgang, Heft 1, Februar 1984, S. 47
69: Copper, Basil: Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit, München 1974,
S. 40, zitiert nach Freudemann, a.a.O., S.49
70: Freudemann, a.a.O. S. 44- 58
71: Stöber, a.a.O., S. 32
72: vgl. Bellmund, Klaus und Kaarel Sinniveer: Kulte, Führer, Lichtgestalten -
Esoterik als Mittel rechtsradikaler Propaganda, München 1997, insbesonders das
Kapitel: Esoterik: eine spirituelle Grundlage des Nationalsozialismus.
73: Goodrick- Clarke, Nicholas: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus,
Graz 1997, S. 24
74: Schuhmacher, Hans: Ariosophie - ein Überblick, im Internet:
http://www.rabenclan.de/ariosophie.htm
75: Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang, dass sie ihre Lehren dem
medialen Kontakt mit den "Meistern" Morya und Koot Hoomi, die angeblich in
abgeschiedener Einsamkeit des Himalaya lebten verdankte. Dadurch kann die
"Quelle" ihrer Weisheit naturgemäß nur sehr schwer überprüft werden.
76: Goodrick- Clarke, a.a.O., S. 25 f.
77: Schuhmacher, Ariosophie, a.a.O.
78: Schuhmacher, Ariosophie, a.a.O.
79: Sünner, Rüdiger: Schwarze Sonne. Entfesselung und Mißbrauch der Mythen in
Nationalsozialismus und rechter Esoterik, Freiburg im Breisgau 1999, S. 173 ff.
80: Germanen- Glaube, 2/ 1996, S. 19, zitiert nach: Sünner, a.a.O., S. 181
81: Dass es solche Gruppen geben kann zeigen z. B. die Mitglieder der Vereins
"Der Rabenclan - Arbeitskreis der Heiden in Deutschland". An diesem Punkt muss
ich auch Arvid Dittmann widersprechen, der in einer Rezension zu Sünner:
Schwarze Sonne schreibt: "Vielmehr versteht sich die mittlerweile nahezu
unbedeutende ´Theosophische Gesellschaft´ nach wie vor als kosmopolitische
Vereinigung, die eine Vebrüderung aller Völker, Rassen und Religionen anstrebt."
(Dittmann, Arvid: Rezensionen: Rüdiger Sünner: Schwarze Sonne, in: Journal der
Jugendkulturen #1 November 1999, S. 36). Das müsste nämlich heißen, dass sich
die "Theosophische Gesellschaft" völlig von Blavatskys Rassetheorie getrennt
haben müsste (da die "afrikanische Rasse" ja als Nachkommen der "Tiermenschen"
gilt) - und die Rassetheorie ist ja schließlich eine der Grundlagen der
Theosophie.
82: Schuhmacher, Hans: Wicca- das trojanische Pferd der Theosophie, im Internet:
http://www.rabenclan.de/wiccatr.htm
83: Schuhmacher, Wicca, a.a.O.
84: Zwar beruft sich Wicca durchaus auf die Theosophie als eine der Wurzeln der
eigenen Religion, inwieweit auch Blavatskys Rassentheorien dazugehören, wird
grundsätzlich nicht thematisiert. Da diese von der Wicca- Führung aber auch
nicht offen angegriffen werden, muss man also davon ausgehen, dass sie
akzeptiert sind.
85: Bis vor kurzem war es auch nicht unüblich, der Szene insgesamt Sexismus und
Frauenfeindlichkeit vorzuwerfen, möglicherweise wegen der offen zur Schau
gestellten SM- Sexualität von Mitgliedern der Szene (so z. B. Anfang der 90er
Jahre in einer Flugblattaktion einer Männergruppe vor einer von Gothics
besuchten Freiburger Diskothek). Diese Vorwürfe haben mittlerweile nachgelassen.
Ob nun auf Grund veränderten gesellschaftlichen Bewusstseins oder einer
vorurteilsfreieren Sicht auf die Gothic- Szene mag dahingestellt bleiben.
86: Zillo 2/ 92, zitiert nach: Grufties gegen Rechts: Die Geister, die ich rief,
im Internet unter: http://www.pc-easy.de/geister/brosch.htm
87: Dieses Interpretation von Pearces Antrieb liefert auch Steward Home in einem
Interview mit dem Münsteraner Fanzine "Auf Abwegen": "Ich glaube einfach, daß
bei Death In June Sexualität im Vordergrund steht. Ich glaube, seine sexuellen
Vorlieben sind der Schlüssel zum Verständnis von Death In June, und ich glaube
nicht, daß Douglas heute noch ein aktives politisches Interesse hat". (Zitiert
in: Die geilsten Uniformen, in: Jungle World, 26. März 1998)
88: Pockrandt, Stephan: Sexy Uniforms, in: Sigill Nr. 6, 1994, Dresden, S.
20/21, zitiert in: Stöber, a.a.O., S. 69 f.
89: Zitiert nach: Antifaschistisches Info, Juli/ August 1997
90: Grufties gegen Rechts, Geister, a.a.O.
91: Im Internet unter: http://www.myway.de/secretlab/dturbu56.htm
92: Douglas Pearce sagt in einem Interview von 1990 über Schreck allerdings:
"Als ich Boyd Rice in Amerika besucht, hat der mir erzählt, in den USA gelte
Schreck inzwischen als ´reicher Jude´, der sich in seltsame okkulte Dinge
verstrickt habe. Wen interessiert schon dieser ganze amerikanische Werwolf- und
Satanskram. Ich halte das alles für oberflächlich", im Internet unter:
http://www.myway.de/secretlab/dturbu55.htm. Eine Aussage, die Zweifel am
Geisteszustand aller drei Beteiligten weckt.
93: NON/ Boyd Rice: Total war, von der CD: In the Shadow of the Sword 1989,
zitiert nach Cremet, Jean: The dark side of the music. Jenseits von "Böhse
Onkelz" und "Screwdriver". Über (neo-) faschistische Tendenzen in der
Independent- Musik, in: analyse & kritik 389, 04/ 1996, S. 11 ff, im Internet
unter: http://www.pc-easy.de/geister/cremet.htm
94: Cremet, a.a.O.
95: "Europakreuz" war sich bspw. nicht zu schade, den unsäglichen "Heino der
Neonazis", Frank Rennicke zu interviewen. Orginalton Rennicke: "Frank Rennicke,
nationaler Barde, verheiratet, vier Kinder, seit 10 Jahren im Freiheitskampf,
gebürtiger Niedersachse, Steckenpferd: Volk, Vaterland, Familie." (...) "Ich bin
tolerant genug, liberalere und auch radikalere Meinungen von Gleichgesinnten zu
dulden, wenn diese mit der ganzen Persönlichkeit gelebt werden." (...) "Lest,
lernt, treibt Sport, enthaltet euch dem Zeitgeist und sehet mit Abscheu auf die
willigen Büttel eines Systems, das es für ´normal´ hält, 600.000 Rapper- und
Techno- Idioten in Berlin straßenverdreckend latschen zu lassen, junge Deutsche
aber, die für Meinungsfreiheit und Erinnerung an den Mord an Rudolf Heß auf die
Straße gehen, einsperren will. Heil euch!", Europakreuz Nr. 19, April 97,
Berlin, S. 9- 12
96: Grufties gegen Rechts,Geister, a.a.O.
97: Junge Freiheit 10/93, zitiert nach: Grufties gegen Rechts: Revolte gegen die
moderne Welt - Braune Graswurzelrevolution in der schwarzen Szene? Über den
neurechten Kulturkampf und Widerständiges aus der Gothic- Szene, im Internet
unter: http://www.pc-easy.de/geister/aib.htm
98: Im Internet unter: http://www.jungefreiheit.de/108aa16.htm
99: Junge Freiheit 4/96, zitiert nach: Grufties gegen Rechts, Geister, a.a.O
100: Gerlinde Gronow: Offener Brief an Easy Ettler, im Internet unter:
http://www.pc-easy.de/geister/easy.htm
101: Grufties gegen Recht, Revolte, a.a.O.
102: Grufties gegen Rechts, Geister, a.a.O.
103: Grufties gegen Rechts, Revolte, a.a.O.
104- 106: Gothic Nr. 23, Sommer 1995, zitiert nach. Grufties gegen Rechts,
Revolte, a.a.O.
107: Zitiert nach MDR- Fakt vom 26.4.1999, im Internet unter:
http://www.mdr.de/fakt/archiv/inhalt_260499_3.html
108: Im Internet: http://www.thirdposition.com/blrnewsbloodaxis.html
109: Im Internet: http://www.myway.de/secretlab/dturbu54.htm
110: Im Internet: http://www.thirdposition.com
111: Im Internet: http://www.thirdposition.com/blrnation-and-the-state.html
112: Zitiert nach: Cremet, a.a.O.
113: Auffallend ist, dass in letzter Zeit, sogar während der Monate meiner
Recherche, immer mehr klare "politische" Aussagen auf den Homepages der
besprochenen Künstlern verschwanden. Ich halte es für möglich, dass das mit der
beginnenden antifaschistischen Arbeit in der Gothic- Szene zusammenhängt.
114: Im Internet: http://www.myway.de/secretlab/dturbu25.htm
115: Hoffmann, Dirk: Das Versteck des Antichristen, in: Zillo Musik Magazin (7-
8/ 99), im Internet: http://members.tripod.com/~Heydebreck/kczil.html
116: Sigill (Nr. 12, 1996/97), Dresden
117: Europakreuz Nr. 18, Februar 1997, Berlin, S. 1
118: ebd.
119: Im Internet:
http://www.geocities.com/SunsetStrip/Amphitheatre/6522/ahnstern.htm
120: Kadmon: Anti- Faschismus: Katholizismus ohne Gott, im Internet:
http://www.geocities.com/SunsetStrip/Amphitheatre/6522/antifa.htm
121: ebd.
122: Back Again (Winter 97/98), Darmstadt und Hamburg, S. 8