Fachblatt Musikmagazin, 11/85 – Kate Bush aufgetaucht (Andreas hub)
Transcription : ? – Corrections :
Tristan
Mit Kate Bush hat man leichtes Spiel. Fast drei Jahre hatte sie sich in ihr Studio zurückgezogen, ohne ein Lebenszeichen, geschweige denn eine neue Platte. Doch im März hieß es aus den gewöhnlich gut informierten Kreisen: Kate Bush kommt im April mit neuer Platte nach Deutschland! Weder sie noch die Platte kam. Immerhin, im Sommer tauchte sie mit “Running Up That Hill” nach Jahren wieder in den Charts auf. Nach “Babooshka” konnte sie damit den ersten Hit überhaupt landen und den größten seit ihren Anfangstagen mit “Wuthering Heights”. Dieses Lied aus der “The Kick Inside”-LP hatte die Dame 1978, damals eher noch ein Mädchen, mit einem Schlag berühmt gemacht. Ihre fast unnatürlich hohe, entrückte Stimme und ihre typischen, kraftvollen Balladen, das war etwas, worauf ausnahmsweise eine ach so ausgelutschte Vokabel passte: Wunderschön.
Dann kam, nachdem die Arbeiten zum ersten Album fast drei Jahre in Anspruch genommen hatten, mit “Lionheart” ein allzuschneller Nachzieher und mit “Never For Ever” ein drittes Album, das leider auch nicht den gewünschten Erfolg hatte. Vorher hatte Kate Bush allerdings noch durch eine spektakuläre Tournee als Live-Naturtalent auf sich aufmerksam gemacht. Mit einer nahezu sensationellen Show aus Revue, Pantomime, Tanz und Gesang be- und verzauberte die grazile Schöne ihr Publikum, und das mit eisenharter Disziplin und Konzentration; selbst bei den akrobatischen Übungen sang sie live. Nur bei “Hammer Horror” kam ihre Stimme vom Band. Leider sollte dies ein bislang einmaliges Erlebnis bleiben, festgehalten in dem Video “Live At Hammersmith Odeon” und auf einer hierzulande nicht erschienenen Live-LP. Danach wurde es ruhiger um Kate Bush. Die einst von David Gilmour entdeckte und geförderte Sängerin stand nicht mehr so sehr im Rampenlicht wie zu Anfang, machte wohl auch einen langwierigen Prozess der Identitätsfindung durch, der auf ihrem vierten und bisher am schwersten zugänglichen Album “The Dreaming” seinen Niederschlag fand. In oft düsteren Klangvisionen unternahm die einstige Märchenfee hier Ausflüge in die Abgründe der menschlichen Seele. Das war vor gut drei Jahren, und nun sollte sie also wieder auftauchen. Für August wurde ein neuer Interviewtermin in Aussicht gestellt. Ein Treffen mit Kate Bush - da wäre ein jahrelanger Wunsch in Erfüllung gegangen. Ich habe, diese persönliche Randbemerkung sei erlaubt, wie vermutlich jeder Journalist ein paar Traum-Interviewpartner: Brian Eno, Peter Gabriel, Laurie Anderson, Kate Bush. Laurie Anderson war vor einem Jahr “fällig”, Peter Gabriel habe ich zwar getroffen, aber nicht interviewt, auf Brian Eno warte ich noch, und Kate Bush...
Wieder abgesagt! Aber einen Monat später gab es dann wirklich grünes Licht -
ich sollte zur Funkausstellung nach Berlin kommen, dort sei ein Gespräch
möglich. Wunderbar, dachte ich, setzte mich ins Auto, eine Vorabkassette der
neuen LP “Hounds Of Love” im Recorder, und fuhr los - nicht wissend, daß zur
gleichen Zeit alle 25 Interviews ersatzlos abgeblasen wurden, Stern und andere
hochkarätige Publikationen eingeschlossen. Treffpunkt Steigenberger Hotel
Berlin, ich pünktlich und immer noch nichtsahnend, sie natürlich nicht da, von
der Plattenfirma auch keiner. “Kate Bush”, näselt der Mann am Empfang leicht
von oben herab, “nein, Kate Bush wohnt nicht bei uns.” Im selben Augenblick
öffnet sich neben mir eine Fahrstuhltür - und sie steht vor mir. Kein Manager,
niemand, der mich abwimmelt, dazwischen. Ich sage “Hallo, ich möchte gerne ein
Interview mit dir machen!” Sie sagt, sehr englisch, sehr höflich, sehr
bestimmt: “Tut mir leid, ich habe alle Interviews abgesagt, weil ich keine Zeit
habe.” Aber sie bleibt wenigstens einen Moment stehen und rennt nicht vorbei.
Du hast keine Chance, aber nutze sie... Schwerstes Geschütz auffahren - der
Journalist als Fan, als heimlicher Verehrer. Ob das zieht? Ich probier’s: “Hör
mal, auf diesen Moment habe ich sieben Jahre gewartet und hab’ jetzt 1000 km
Autofahrt auf mich genommen. Können wir das Interview nicht trotzdem machen?”
Sie wieder, sehr englisch, sehr höflich und ein bisschen gerührt: “Warte hier
-ich guck’ mal eben, was wir machen können...” Nach fünf Minuten kommt sie
wieder, komplimentiert mich unter einem Schwall von Entschuldigungen an einen
Tisch - und legt los, erst 20 Minuten, schließlich fast eine Stunde. Zufälle gibt’s... “Die gibt’s doch
nicht, das weißt du doch”, lacht sie.
FACHBLATT: Nachdem ich ein Interview der amerikanischen Zeitschrift “Keyboard” mit dir gelesen hatte, erwartete ich eigentlich eine reine Fairlight-LP. Stattdessen gibt es eine Menge akustische Parts und sogar wieder ganz ruhige Klavierstücke, fast so wie auf deiner ersten LP.
KATE BUSH: Interessanter Eindruck... Mir kommt es nämlich ganz anders vor. Ich finde, es ist mein bisher am wenigsten vom Piano geprägtes Album geworden, weil ich beim Komponieren mehr oder weniger ganz auf den Fairlight umgestiegen bin. Alles, was man jetzt an Piano hört, habe ich erst hinterher zugefügt.
FACHBLATT: Du hast, genau wie bei “The Dreaming”, wieder selbst produziert...
KATE: Ja, ich habe nach dem letzten Album mein eigenes Studio eingerichtet, und dadurch sind die Grenzen zwischen Komponieren, Aufnehmen und Produzieren noch fließender geworden. Das ganze ist ein sehr organischer Prozess, weil alles nebeneinander und gleichzeitig passieren kann. Es gibt keine Demos im eigentlichen Sinne mehr. Ich nehme etwas auf der 24-Spur-Maschine auf und arbeite damit weiter, so daß das Demo im Prinzip schon das spätere Master ist.
FACHBLATT: Aber das kann doch nicht immer so ganz reibungslos ablaufen. Wieviele Versionen gibt es von einer Idee, bis ein fertiges Stück daraus wird?
KATE: Erstaunlicherweise hat es nur zwei oder drei Stücke gegeben, die noch eine dramatische Änderung erfahren haben. Die Basis für ein Stück habe ich meist sehr schnell, die Ideen kommen oft explosionsartig, ein paar Melodiefetzen, ein paar Textfragmente. Aber bis das Stück dann ganz fertig ist, kann sehr lange dauern und hängt natürlich von der Komplexität eines Songs ab. In anderen Fällen habe ich die ganze Komposition fertig und bleibe dann plätzlich beim Text stecken.
FACHBLATT: Greifen wir mal ein Beispiel raus, den Titel “Hello Earth”. Da kommt erst eine sehr sanfte, von dir gesungene Melodie, während der von einem Chor gesungene Refrain dazu in einem sehr strengen und abrupten harmonischen Kontrast steht. Das hört sich sehr zusammengesetzt an, als wäre es nicht in einem Rutsch entstanden.
KATE: Die “Initialzündung” kam hier mit der Idee zum Inhalt des Songs, die die Struktur bestimmte. Die Strophe habe ich zuerst aufgenommen und auf den Teil für den Refrain nur eine Pilotspur mit einem Piano bespielt. Dann kamen die Musiker von der irischen Gruppe Planxty dazu und dann der Chor.
FACHBLATT: Hattest du dafür immer echte Stimmen vorgesehen oder auch erst Stimmen aus dem Fairlight benutzt?
KATE: Es war immer klar, daß da ein echter Chor hinmußte. Nur die Auswahl der Sänger erwies sich als sehr schwierig. Dieser Refrain basiert auf einem Traditional, das ich irgendwann mal aufgeschnappt hatte. Was ich mir vorstellte, waren nicht so sehr klassische Chorstimmen, sondern welche, die irgendwie unheimlich und auch ein bißchen feierlich klingen mußten. Auf der anderen Seite gab es das Problem, keinen Druck auszuüben und die Leute so natürlich wie möglich singen zu lassen, weil gerade bei Chorgesang schnell eine posenhafte Künstlichkeit aufkommt. Zum Glück kannte ich über einen Gig, den ich mal mit dem London Symphony Orchestra hatte, einen Mann namens Richard Hickox, der unheimlich viel Erfahrung mit Chorstimmen hatte. Ich habe ihn die Sänger aussuchen lassen. Für mich war das ganze eine ungemein spannende Erfahrung, weil ich nie zuvor mit einem Chor gearbeitet hatte.
FACHBLATT: Klingt fast nach Mönchen, die sakrale Musik singen.
KATE: Klingt ziemlich religiös, was?
FACHBLATT: Mir scheint der
Song in der Tat eine übertragene spirituelle Bedeutung zu haben. Ins Fade Out
sprichst du ja auf Deutsch die Worte “Irgendwo in der Tiefe gibt es ein Licht.”
KATE: Ja, das Stück ist der
Höhepunkt der zweiten Seite, die einen durchlaufenden Handlungsfaden hat (dazu
später mehr). Es ist sowas wie ein Fiebertraum, das Delirium, bevor der
letzte Song kommt, der ganz anders ist, von Hoffnung, Licht und dem
anbrechenden Morgen handelt. “Hello Earth” ist über den Punkt, an dem du nicht
weiterkannst, wo du sehr schwach bist. Und da bist du vielleicht bereit, die
Dinge zu akzeptieren, jetzt, wo du am Ende deiner Reise angekommen bist. Du
hast die Wahl: Dich zu ändern oder weiterzumachen und zu sterben. Das hat
natürlich auch eine religiöse Komponente. Aber es fällt mir schwer, darüber zu
reden, bzw. das zu erklären. Während der Arbeit an den Stücken weiß ich sowas
viel genauer, wahrscheinlich, weil ich mich im Moment des Entstehens viel
stärker mit dem verbunden fühle, was da aus mir rauskommt. Wenn die Stücke dann
fertig sind, wollen sie für sich selbst sprechen. Sie sind dann nicht mehr länger ein Teil von
mir, sondern entwickeln ein Eigenleben.
FACHBLATT: Wie schaffst du es immer wieder, so eine starke Einheit von Musik und Text zusammenzubringen? Ich verstehe nicht alles, was du singst (meine Cassette enthielt keine näheren Angaben oder Texte), aber ich fühle, worum es geht. Es können also nicht die Worte sein. Kommen dir Musik und Textidee des Stückes gleichzeitig?
KATE: Ja, oft ist es so, daß ich zuerst die Idee habe, wovon ein Song handeln soll und dann fallen mir parallel Worte und Musik dazu ein. Bei “Hello Earth” wußte ich z.B., daß es der dramatische Höhepunkt der Geschichte sein würde. Dafür mußte die Strophe sehr langsam sein und der Refrain sehr heftig. Also, ich erklär’ mal, worum es geht. Wir reden über einen Sturm. Da ist ein Mensch bei Sturm über Bord gegangen und kämpft eine ganze Nacht gegen die Wellen, die Müdigkeit und die Gefahr, aufzugeben. Zu dieser Handlung habe ich alle Stücke der zweiten LP-Seite geschrieben. Ein Konzeptalbum, oder zumindest ein halbes, das war eine Riesenherausforderung für mich und ein langgehegter Wunschtraum. Ich wollte mal etwas machen, wo ich nicht nach drei Minuten mit der Geschichte schon fertig sein muß.
FACHBLATT: Auch wenn es dir schwerfällt, kannst du noch ein bißchen mehr über die Handlung erzählen?
KATE: Ich wünschte, ich könnte dir einen Film dazu zeigen. Die Bilder würden viel leichter erklären, was ich vorhatte. Da geht also jemand über Bord, nachts. Er wird wahnsinnig müde, will resignieren. Dann ziehen seine Vergangenheit, seine Gegenwart und seine Zukunft an ihm vorbei und versuchen, ihn wachzuhalten und durch diese nacht zu kriegen. Das sind natürlich auch Metaphern für eine sehr tiefe innere Erfahrung, nach der man am anderen Ende als geläuterter Mensch wieder ans Licht tritt.
FACHBLATT: Also eine Art von spiritueller Transformation...
KATE: Ja, wie eine Wiedergeburt. Da ist einmal das äusserliche, körperliche Moment, und dann ein Prozess, der im Kopf abläuft, Gedanken, Reisen zu inneren Räumen.
FACHBLATT: Wasser ist ja ein sehr vielfältig deutbares Symbol.
KATE: Ja, es beinhaltet auch das Gefühl des Schwebens. Dazu kommt hier die Nacht, das Dunkel, der völlige Verlust von Raum- und Zeitgefühl, die Abschirmung von allen äußeren Eindrücken. Und wenn sowas geschieht, kommen sehr merkwürdige Abläufe im Kopf in Gang.
FACHBLATT: Wie im Isolationstank...
KATE: Ja, obwohl ich selbst keine persönlichen Erfahrungen damit gemacht habe.
FACHBLATT: Hast du vielleicht “Im Zentrum des Zyklons” von John C. Lilly gelesen, der ja als erster mit dem Tank experimentiert hat?
KATE: Gelesen leider nicht, aber ich habe Einiges über seine Arbeit gehört, das ich sehr interessant fand.
FACHBLATT: Ich fürchte, wir kommen langsam in Bereiche, die nicht unbedingt in eine Musikzeitung gehören... Reden wir also wieder über deine Musik. Der Unterschied zwischen deinem letzten Album “The Dreaming” und dem neuen “Hounds Of Love” ist frappierend. Ich hatte immer Schwierigkeiten, mir “The Dreaming” an einem Stück anzuhören, weil es stellenweise sehr an den Nerven zerrte. Hat sich deine musikalische und/oder persönliche Einstellung in den letzten drei Jahren so geändert, daß du jetzt ein recht zugängliches, streckenweise poppiges Album vorlegen kannst?
KATE: Die Musik ordnet sich bei mir immer dem Inhalt der Songs unter. “The Dreaming” war ein gefühlsmäßig sehr intensives und oft bewußt aggressiv klingendes Album, weil es darum ging, wie schrecklich grausam Menschen sein können, was wir uns gegenseitig antun, welchem Maß an Einsamkeit wir uns gegenseitig aussetzen. Es war ein suchendes, fragendes Album und riß dich mit der Musik ganz schnell von einem Punkt zum nächsten. Es rief sehr extreme Reaktionen hervor, und es gab viele, die sich auf die Stimmung der Platte nicht einlassen konnten oder wollten. Ich war und bin damit allerdings sehr zufrieden, denn ich habe für mich damit definitiv erreicht, was ich erreichen wollte. Ich mußte selbst erfahren, was ich da erforschen wollte, und jetzt habe ich die Erfahrung gemacht und kann mich anderen Zielen zuwenden. Plötzlich konnte ich wieder tanzen gehen, habe einen Sommer außer Haus verbracht, was ich jahrelang nicht gemacht hatte. Dabei habe ich mich so positiv gefühlt, daß ich auch Songs schreiben wollte, die eine positive Grundstimmung vermitteln. Das war eine ganz neue Herausforderung, weil ich meine Inspirationen bis dahin eher aus schwermütigen, düsteren Stimmungen bezogen hatte. Aber auf einmal konnte ich mich an Dingen begeistern, die leicht und beschwingt waren. Ich wollte über die positive Kraft der Liebe schreiben und nicht mehr über Menschen, die sich zerstören. Die ganze Energie, die sich dabei entwickelte, übertrug sich auch auf das Album. Dabei wollte ich Liebe nicht nur als fröhliche, lichtvolle Angelegenheit beschreiben, sondern sie in allen, auch ihren dunklen Aspekten zeigen. Die LP hat dadurch zwei sehr unterschiedliche Seiten bekommen. Die erste gibt einen Ausblick auf verschiedene Formen von Liebe und handelt durchweg von Beziehungen, und die zweite Seite geht tiefer, darum auch das alle Stücke umfassende Konzept.
FACHBLATT: Beide Seiten sind ja auch musikalisch sehr unterschiedlich. Die erste enthält ein paar sehr tanzbare, rhythmische Titel. Hattest du erwartet, mit “Running Up That Hill” wieder einen richtigen Hit zu haben, oder war das nur ein schöner Nebeneffekt?
KATE: Ich habe irgendwann aufgehört, mir in puncto Musikgeschäft irgendwelche Erwartungen zu machen. Aber es ist natürlich schön, wenn dann eintrifft, was man hätte erwarten können... Ich hatte immer schon das Gefühl, daß es hoffentlich auch andere Leute gibt, die meine Platten mögen, wenn ich nur ein Maximum an persönlichem Engagement in die Arbeit stecke. Und es funktioniert! Ist doch toll, was?
FACHBLATT: Und warum heißt die Platte “Hounds Of Love”? Das scheinen zwei widersprüchliche Begriffe zu sein.
KATE: Nein, das sind die Hunde, die den jagen - symbolisch natürlich -, der sich vor der Liebe fürchtet, der Angst hat, ihr in die “Falle” zu gehen. Aber es sind nicht wirklich böse Hunde, man kann ja auf dem Cover sehen, wie sanft und schön die “Hounds Of Love” sind.
FACHBLATT: Empfindest du es eher als Vor- oder Nachteil, daß zwischen deinen Alben so viel Zeit vergeht?
KATE: So kann ich die Frage nicht beantworten, weil es einfach ist, wie es ist. Ich habe nie gesagt: Ich brauche zwei oder drei Jahre, um eine Platte zu machen. Ich habe einfach angefangen. Wo immer einen das hinbringt - solange es positiv und produktiv ist, gehe ich mit. Wenn du deine Arbeit aufrichtig und mit ganzem Herzen machen willst, wird Es dir schon sagen, was zu tun ist...
FACHBLATT: Aber draußen sagt dir niemand, ob du auf dem richtigen Weg bist. Jemand, der alle zwei Monate eine Single rausbringt, erfährt ganz schnell, wie die Kurse gerade sind.
KATE: Das ist in der Tat ein frustrierender Aspekt meiner Arbeitsweise. Ausserdem beschäftige ich mich gern auch mit anderen Ideen und Projekten. Aber ich kann nicht weglaufen von dem, womit ich gerade zu tun habe. Das nimmt meine ganze Energie in Anspruch. Ich muß eben solche Opfer bringen, und bei mir dauert es nun mal länger als bei anderen.
FACHBLATT: Wann hast du mit “Hounds Of Love” angefanten?
KATE: 1983 wurde das Studio gebaut und eingerichtet, und Anfang 1984 habe ich mit der Platte angefangen, also insgesamt 18 Monate dran gearbeitet.
FACHBLATT: In so langer Zeit kann sich viel ändern. Woher nimmst du die Sicherheit, daß du zum Schluß das noch gut und wichtig findest, was du am Anfang aufgenommen hast?
KATE: Naja, wenn etwas gar nicht funktioniert, weil man sich verrant hat, muß man auch den Mut haben, da abzubrechen, selbst wenn man schon viel Zeit und Arbeit investiert hat. Aber das kommt mir äußerst selten vor, und bis auf die zwei, drei Stücke mit gravierenden Änderungen, die ich vorhin schon erwähnte, haben sich die grundlegenden Strukturen nicht verändert. Änderungen gab es meist nur in den Feinheiten, wenn wir z. B. Fairlight-Geigen durch echte Streicher ersetzt haben. Viele Fairlight-Passagen wollte ich ja von vornherein durch echte Instrumente ersetzen.
FACHBLATT: Wer hat denn mitespielt?
KATE: Zum großen Teil die Leute von der letzten LP, wie z. B. Eberhard Weber, Danny Thompson, Dave Lawson, Stuart Elliott, die Musiker von Planxty, mein Bruder, aber auch andere, wie John Williams.
FACHBLATT: In welcher Phase beziehst du die Musiker in die Arbeit ein?
KATE: Verschieden. Manchmal habe ich am Anfang nur ein Programm in der Linn-Maschine, zu dem ich ein paar echte Schlagzeugspuren einspielen lasse. Normalerweise spielen die Musiker aber auf ein “Demo”, das aus Fairlight, Stimmen und Linn-Maschine besteht. Ich benutze allerdings auch viel Fairlight-Perkussion. Das Wichtigste an der Arbeit mit anderen Musikern sind die zusätzlichen Anregungen, besonders, wenn ich vorher allein am Fairlight gesessen habe. Da sind Einflüße von aussen sehr hilfreich. Ich brauche das Feedback, sonst wird es mir auf die Dauer zu langweilig. Es ist schön, einfach mal in ein paar andere Gesichter zu sehen.
FACHBLATT: Bekommst du außer von deinen Musikern noch anderes Feedback? Normalerweise steht ja noch ein Produzent daneben, der weiß und sagt, wo’s langgeht.
KATE: Gerade das ist der Grund, warum ich selbst produziere. Es macht die Sache anstrengender, aber ich kriege am Ende genau das, was ich will, anstatt einem anderen zu erklären, was ich gern hätte, der wieder dem Toningenieur zu erklären versucht, was ich wohl gemeint habe. Und dann muß der Toningenieur aus Worten Klänge machen. Ich sage ihm direkt, was ich will, das ist schneller, einfacher und effektiver. Es gäbe allerdings, ich sage das mal mit aller Vorsicht, Leute, bei denen ich mir vorstellen könnte, mit ihnen zusammen zu produzieren, aber nur, solange ich die Einflußmöglichkeiten behalte, die ich heute auf meine Produktionen habe. Wie ich eben schon sagte: Bei mir bildet das Komponieren und Produzieren im Arbeitsablauf annähernd eine Einheit.
FACHBLATT: Gibt es da einen direkten Zusammenhang zu deiner “Entdeckung” des Fairlight als Dreh- und Angelpunkt deiner Studioarbeit? Du hast ja, wenn ich mich recht erinnere, seit dem Zeitpunkt ohne Produzenten gearbeitet, als du mit dem Fairlight angefangen hast.
KATE: Kein direkter Zusammenhang. Außerdem stimmt es so nicht ganz. Ich habe auf meinem dritten Album schon mit dem Fairlight, wenn auch nicht mit einem eigenen, gearbeitet, war damals aber erst Co-Produzent. Den letzten entscheidenden Schritt konnte ich damals noch nicht tun, weil mir Mut und Fachkenntnisse fehlten. Man braucht ein enormes Maß an Kraft, um Kontrolle über seine eigene musikalische Arbeit ausüben zu können.
FACHBLATT: Welche generelle Bedeutung nimmt Musik in deinem Leben ein?
KATE: Musik nimmt mein ganzes Leben in Anspruch. Das ist immer ein Riesenberg an Arbeit, die genauso lange dauert, bis die nächste anfängt. Musik bedeutet aber auch das Vergnügen, die Stücke von anderen zu hören. Musik ist alles für mich.
FACHBLATT: Ich habe gehört, daß du auf ECM und Windham Hill besonders stehst...
KATE: Ja, und ich finde es gut, etwas so Schönem wie der Musik dieser Labels ein bißchen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Windham Hill ist ja in England fast völlig unbekannt, während ECM durch Pat Metheny oder Eberhard Weber eine etwas größere Popularität genießt.
FACHBLATT: Ich stelle mir vor, auf sehr harmonische Klänge bedachte Künstler wie die meisten von Windham Hill haben es besonders schwer in einem so trendbeherrschten Musikmarkt wie dem englischen. Wenn man deine Platten Revue passieren läßt, die erste vielleicht ausgenommen, finden sich eigentlich nie Stücke, die einfach nur schön sind. Irgendwann kommt immer ein Bruch. Traust du dich nicht, einfach mal ein “nur” schönes Stück zu schreiben?
KATE: Schwer zu sagen. Wenn ich schreibe, versuche ich, auf etwas zu kommen, was mir noch besser gefällt als die Idee vom Moment vorher. Und wenn es sich für mich gut anhört, aus dem sanften Charakter auszubrechen, tue ich das selbstverständlich ohne bestimmten Regeln zu folgen.
FACHBLATT: Wie steht’s mit Auftritten? Gibt es Hoffnung?
KATE: Das ist schon verrückt, weil ich immer gern will, aber irgendwie klappt es nie. Bis zur letzten LP hatte ich nicht genug Material, um mit einem komplett neuen Programm auftreten zu können. Als ich die ganze Promotionsarbeit für “The Dreaming” hinter mir hatte, mußte ich mir überlegen, ob ich auf Tour gehe oder mein Studio einrichte und eine neue Platte ins Auge fasse. Naja, jetzt stehe ich schon wieder am Ende der Arbeit für die Platte, mache Promotion, drehe Videos und eigentlich würde ich jetzt am allerliebsten den besagten Film zu der zweiten LP-Seite realisieren. Wenn das aber aus irgendwelchen Gründen schief gehen sollte, werde ich wieder über eine Tour nachdenken...
FACHBLATT: Empfindest du das ganze Drumherum gegenüber der konzentrierten Arbeit im Studio als Störung?
KATE: Als störend nicht, aber als belastend schon. Ich versuche, soviel Zeit wie möglich in kreative Prozesse zu stecken. Wenn ich mit einer Platte fertig bin, bleiben immer noch genug kreative Arbeiten übrig, seien es B-Seiten oder Videos, die sich dann mit der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit in die Quere kommen. Ich bin natürlich von einem gewissen Maß an Erfolg abhängig, um mir auch das nächste Album noch leisten zu können. Und dann muß ich leider zeitliche Kompromisse bei den Dingen eingehen, die mir wichtiger sind. Um das soweit wie möglich einzugrenzen, gebe ich kaum Interview. Ich finde das auch völlig gerechtfertigt, weil ich meine eigentliche Arbeit für wesentlicher halte. Der einzige Grund, warum ich hier überhaupt sitze, ist der, daß ich lange Zeit an einem Album gearbeitet habe und das mitteilen möchte. Aber wenn ich drei Jahre damit verbracht hätte, Journalisten zu treffen und Promotion zu machen, dann gäbe es keinen Grund, hier zu sitzen...
Kate Bush reappeared
With Kate Bush you have an easy job. Almost three years she withdrew herself
into her studio, without a sign of life, let alone a new album. But in March it
was said by the usually well informed circles: in April Kate Bush will come to
Germany with a new album! Neither she nor the album came. Nevertheless, after
years she reappeared in the charts last summer with “Running Up That Hill”.
After “Babooshka” she could launch the first hit at all and the biggest one
since her early days with “Wuthering Heights”. This song from the “The Kick
Inside”-LP all at once made the lady famous in 1978, when she was rather a
girl. Her almost unnatural high voice, lost in reverie, and her typical,
powerful ballads, that was something described well by an otherwise sucked out
vocable: simply beautiful.
Then came, after the work for the first album needed almost three years,
an all to fast follow-up and with “Never For Ever” a third album that
unfortunately also did not have the wanted success. But before that Kate Bush
drew attention to her as a live nature talent with a spectacular tour. With an almost
sensational show consisting of revue, pantomime, dance and singing the gracile
beauty enchanted her audience, and this with a discipline and concentration as
hard as iron; even the acrobatic exercises she did sing live. Only with “Hammer
Horror” her voice came from a tape. Up to now this unfortunately should be a
unique experience, captured in the video “Live At Hammersmith Odeon” and on a
live LP that did not appear in this country. After this it got quieter around
Kate Bush. The singer, once discovered and supported by David Gilmour, was not
so much in the limelight as in the beginning, she probably also had a long
lasting process of finding her own identity that found its expression in her up
to now most difficult accessible album “The Dreaming”. In often gloomy sound
visions the former fairy undertook excursions into the abyss of the human soul.
That was a good three years ago, and now she should reappear again. For August
a new interview date was hold out of . A meeting with Kate Bush - a long-standing
wish would be fulfilled. I have, this personal marginal note is allowed, like
probably every journalist a few dream partners for an interview: Brian Eno,
Peter Gabriel, Laurie Anderson, Kate Bush. Laurie Anderson was “due” a year
ago, I met Peter Gabriel, but did not interview him, for Brian Eno I am waiting
yet, and Kate Bush...
Cancelled again! But a month later the go-ahead was really given -I
should come to the radio and television exhibition in Berlin, there a
conversation would be possible. Wonderful, I thought, sat myself into the car,
put a preview cassette of the new LP “Hounds Of Love” into the recorder, and
set off - not knowing that all 25 interviews were cancelled without replacement
that very moment, Stern and other high profile publications included.
Meeting-place Steigenberger Hotel Berlin, me punctual and still unsuspecting,
she of course not there, noone from the record company too. “Kate Bush”, the
man at the reception talked through his nose a bit condescendenly, “no, Kate
Bush does not live here.” The very momet a lift door opened next to me - and
she stood in front of me. No manager, noone inbetween who would try to get rid
of me. I say “Hello, I want to make an interview with you!” She says, very
English, very polite, very certain: “I’m sorry, I cancelled all interviews
because I don’t have time.” But at least she stands still for a moment and does
not run past me. You have no chance, but use it... Bringing up the most heavy
artillery - the journalist as fan, as secret admirer. Will this cut any ice? I
try it out: “Listen, for this moment I waited seven years and now I did take a
1000 km car trip on me. Couldn’t we nevertheless make the interview?” She
again, very English, very polite and a bit moved: “Wait here - I’ll see what we
can do...” After five minutes she came back, compliments me under a torrent of
excuses to a table -and starts off, at first 20 minutes, finally almost one
hour. Coincidences happen... “These don’t exists, you know that”, she laughs.
FACHBLATT: After I read an interview of the American magazine “Keyboard”
with you I expected a pure Fairlight-LP. Instead of there are a lot of acoustic
parts and even very silent piano pieces, almost as on your first LP.
KATE BUSH: Interesting impression... To me it’s completely different. I
find it’s my least piano influenced album to date, because I more or less
completely switched to composing with the Fairlight. All piano you hear now was
added later.
FACHBLATT: You did, as with “The Dreaming”, produce yourself...
KATE: Yes, I did build my own studio after the last album, and because of
that the borders between composing, recording and producing became even more
floating. The whole thing is a very organic process, because everything can
happen next to each other and simultaneously. There are no demos in the usual
sense any longer. I record something on the 24 track machine and work on that,
so that the demo in principle is the later master.
FACHBLATT: But that cannot always work smoothly. How many versions of one
idea are there until a complete piece will emerge from it?
KATE: Astonishingly there were only two or three pieces that experienced
a dramatic change. I usually have the base for a piece very quickly, the ideas
often come like an explosion, a few pieces of melody, a few fragments of text.
But until the piece is completely finished it can need a very long time and
that of course depends on the complexity of the song. In other cases I have the
complete composition ready and then I am suddenly stuck with the text.
FACHBLATT: Let’s pick out an example, the track “Hello Earth”. At first
there’s a very soft melody, sung by you, while the chorus, sung by a choir,
stands in a very strong and abrupt harmonic contrast. That sounds very
assembled, as if it was not created in one piece.
KATE: Here the “initial ignition” came together with the idea of the
contents of the song that determined the structure. I recorded the verse at
first and recorded only a pilot track with piano for the refrain. Then the
musicians from the Irish band Planxty were added and then the choir.
FACHBLATT: Did you always intend real voices to be used or did you use
voices from the Fairlight at first?
KATE: It was clear from the beginning that a real choir was needed there.
Only the choice of singers was very difficult. This chorus is based on a
traditional that I picked up at some time. What I imagined was not so much
classical choir voices but voices that somehow had to sound eerie and also a
bit ceremonial. On the other hand there was the problem not to imply pressure
and to let the people sing as natural as possible, since especially with choir
singing a posing artificiality arises quickly. Fortunately from a gig I had
with the London Symphony Orchestra I knew a man called Richard Hickox who had
an incredible experience with choir voices. I let him chose the singers. For me
it was an incredibly thrilling experience, because I never before worked with a
choir.
FACHBLATT: Almost sounds as monks singing sacred songs.
KATE: Sounds quite religious, doesn’t it?
FACHBLATT: For me the song seems to have a transfered spiritual meaning.
In the fade out you speak the German words “Irgendwo in der Tiefe gibt es ein
Licht.” [Somewhere in the deep there is a light]
KATE: Yes, the piece is the highlight of the second side that has a
continuous string of action (more on this later). It’s something like a fever
dream, the delirium, before the last song comes, that is completely different,
that is about hope, light and the break of the morning. “Hello Earth” is about
the point where you cannot go further, where you are very weak. And then you
perhaps are ready to accept the things, now, where you have arrived at the end
of your journey. You can chose to change yourself or to continue and to die.
That of course also has a religious component. But I find it difficult to talk
about it, or rather to explain it. During the work on the pieces I know it much
more exactly, probably because I am much more bound to what emerges from me
while it is being created. When the pieces are ready they want to speak for
themselves. They are not any longer a piece from me, but rather develop their
own life.
FACHBLATT: How do you manage again and again to create such a strong
union of music and lyrics? I don’t understand everything you sing (my tape did
not have any further givings or lyrics), but I feel what it’s all about. It
couldn’t be the words. Do you get the music and lyric ideas for a piece
simultaneously?
KATE: Yes, it’s often so that I have the idea of what a song is all about
first and then the words and music come to me in parallel.
With “Hello Earth” for example I knew that this piece would be the
dramatical highlight of the story. Therefore the verse had to be very slow and
the chorus had to be very heavy. Well, I’ll explain what it’s all about. We are
talking about a storm. There’s a person that went overboard in the storm and
fights a whole night against the waves, the tiredness and the danger to give
up. I wrote all pieces of the second side of the LP about this plot. A concept
album, or at least half an album, that was a huge challenge for me and a
long-cherished wishful dream. I wanted to do something where I didn’t have to
be ready with the story after just three minutes.
FACHBLATT: Even if it’s difficult for you, can you tell me a bit more
about the plot?
KATE: I wish I could show you a film about it. The pictures would explain
much more easily what I had in mind. There’s someone going overboard, at night.
He gets insanely tired, wants to resign. Then his past, his present and his
future travel past him and try to keep him awake and to bring him through this
night. These are of course metaphers for a very deep inner experience after
which you reenter the light at the other end as a purified human being.
FACHBLATT: As a kind of spiritual transformation...
KATE: Yes, like a rebirth. There is the external, physical moment, and
then there’s a process that happens in the head, thoughts, voyages to inner
spaces.
FACHBLATT: Water is a diversely interpretable symbol.
KATE: Yes, it also includes the feeling of floating. In addition here
there’s the night, the darkness, the complete loss of sense for space and time,
the shield from all outer impressions. And when something like this happens
very remarkable things start happening in your head.
FACHBLATT: Like in an isolation tank...
KATE: Yes, even if I didn’t make any personal experiences with that by
myself.
FACHBLATT: Did you by chance read “In The Center Of The Cyclon” by John
C. Lilly who experienced first with the tank?
KATE: Unfortunately I didn’t read it, but I have heard a lot of things
about his work that I found very interesting.
FACHBLATT: I fear we come into areas that do not neccessarily belong into
a music magazine... Let’s talk about your music again. The difference between
your last album “The Dreaming” and the new “Hounds Of Love” is astonishing. I
always had difficulties to listen to “The Dreaming” in one piece, because in
places it teared a lot on the nerves. Did your musical and/or personal attitude
change that much in the last three years that you now can deliver a quite
accessible, at times poppish album?
KATE: The music always subordinates to the contents of the songs. “The
Dreaming” was an emotionally very intense and often conciously aggressively
sounding album, because it was about how terribly cruel people could be, what
we do to ourselves, what amount of loneliness we expose ourselves. It was a
searching, questioning album and with the music did tear you from one point to
the next. It provoked extreme reactions, and there were many who were not able
to or did not want to get involved with the mood of the album. I was and am
very content with it, because for me I have definitively achieved what I wanted
to. I had to experience myself what I wanted to explore there, and now I have
made the experience and could turn to other destinations. Suddenly I could go
dancing again, I spent a summer out of the house, something I did not do for
several years. Thereby I felt so positively that I also wanted to write songs
that give a positive prevailing mood. That was a completely new challenge,
because until then I got my inspirations more from melancholic and gloomy
moods. But suddenly I could get enthusiastic about things that were light and
lively. I wanted to write about the positive power of love and not any longer
about people who destroy each other. The whole energy that developed itself
that way also transfered itself to the album. Thereby I did not only want to
describe love as a happy, lightful matter, but I rather wanted to show it in
all of her aspects, also the dark ones. The LP has got two very different sides
this way. The first shows an overview over different forms of love and without
exception deals with relations, and the second side goes deeper, therefore the
concept spanning all tracks.
FACHBLATT: Both sides are very different musically too. The first
contains a couple of very danceable, rhythmic titles. Did you expect to have a
hit with “Running Up That Hill” or was this just a nice side-effect?
KATE: At one point I stopped to have any expectations with respect to the
music business. But of course it is nice if what you could expect happens... I
always had the feeling that hopefully there are other people too who like my
albums, if I only put a maximum of personal engagement into the work. And it
works! Great, isn’t it?
FACHBLATT: And why is the album called “Hounds Of Love”? These seem to be
two contradicting terms.
KATE: No, these are the hounds who chase - symbolically of course - those
who fear love, who is frightened to be “trapped” by it. But they aren’t really
bad hounds, you can see on the cover how gently and nice the “Hounds Of Love”
are.
FACHBLATT: Do you rather think of it as an advantage or a disadvantage
that there’s so much time between your albums?
KATE: I cannot answer this question this way, since it simply is as it
is. I never said: I need two or three years to make an album. I just began.
Whereever this leads - as long as it’s positive and productive I continue to do
it. If you do your work honestly and with your whole heart It will tell you
what to do...
FACHBLATT: But outside there’s nobody who tells you if you are on the
right way. Someone who brings out a single every second month experiences very
fast how the course is at the moment.
KATE: That is a frustrating aspect of my method of working. Besides I
also like to busy myself with other ideas and projects. But I cannot run away
from the things I have to do at the moment. That takes my complete energy. I just
have to bring such sacrifies, and with me it lasts longer as with others.
FACHBLATT: When did you start with “Hounds Of Love”?
KATE: 1983 the studio was built and set up, and in the beginning of 1984
I started with the album, all in all 18 months of work.
FACHBLATT: In such a long time many things can change. Wherefrom do you
take the safety that in the end you find those things you recorded in the
beginning as good and important?
KATE: Well, if something does not work at all, because you did get off
course, you just have to have the courage to stop there, even when you already
did invest a lot of time and work. But this happens very seldom with me, and
except those two or three pieces with heavy changes that I did mention earlier
the founding structures did not change. Changes did mostly occur only in the
fine parts, when we for example exchanged Fairlight violins by real strings. I
wanted to replace many Fairlight passages by real instruments from the
beginning.
FACHBLATT: Who played with you?
KATE: Mainly the people from the last LP, like for example Eberhard
Weber, Danny Thompson, Dave Lawson, Stuart Elliott, the musicians from Planxty,
my brother, but also others, like John Williams.
FACHBLATT: In which phase do you include the musicians into the work?
KATE: Different. Sometimes in the beginning I only have a program in the
Linn machine, to which I bring in a few real drum tracks. Normally the
musicians record to a “demo” that’s consisting of Fairlight, voices and the
Linn machine. But I also use a lot of Fairlight percussion. The most improtant
thing with the work with other musicians are the additional stimulations,
especially when I sat alone at the Fairlight before. Then the influences from
outside are very helpful. I need the feedback, else in the long run it’ll get
too boring for me. It’s nice just to see some other faces sometimes.
FACHBLATT: Do you get other feedback besides by your musicians? Normally
there’s also a producer next to you who knows and says where it’s going.
KATE: That’s exactly the reason why I produce myself. It is more
exhausting this way, but in the end I get exactly what I want instead of
explaining what I want to someone else who tries to explain to the sound
engineer what I could have meant. And then the sound engineer has to create
sounds out of words. I tell him directly what I want, that is faster, more easy
and more effective. But there are, I say this with caution, people with whom I
could imagine to produce together, but only as long as I have the influence possibilities
on my productions that I have today. As I said before: With me the composing
and producing almost build a unit in the working process.
FACHBLATT: Are there direct connections to your “discovery” of the
Fairlight as the key element of your studio work? You did, if I recall right,
work without a producer from the moment where you started with the Fairlight.
KATE: No direct connection. Besides it’s not completely correct this way.
I did work with the Fairlight, not with my own, on my third album, but I only
have been co-producer then. I couldn’t take the last and decisive step then,
because I missed courage and specialised knowledge. You need an enormous amount
of strength to control you own musical work.
FACHBLATT: What general meaning does music take up in your life?
KATE: Music takes up all my live. That is always a huge pile of work that
last exactly as long until the next one starts. But music also means the
pleasure to listen to pieces from others. Music is everything for me.
FACHBLATT: I have heard that you are especially into ECM and Windham
Hill...
KATE: Yes, and I find it good to give some more attention to something as
beautiful as the music of these labels. Windham Hill is almost completely
unknown in England, while ECM has a slightly bigger popularity through Pat
Metheny or Eberhard Weber.
FACHBLATT: I think that artists who are very intent on harmonic sounds
like the most from Windham Hill find it especially difficult in such a trend
ruled music marked like the English one. If you review your albums, the first
one perhaps excluded, there never are pieces that are just nice. Somewhere
there’s always a break. Don’t you dare to write a piece that’s “just” nice?
KATE: Difficult to tell. If I write I try to get to something that
pleases me more than the idea of the moment before. And if it sounds good to me
to break out of the gentle character, then I do this naturally without
following certain rules.
FACHBLATT: What about gigs? Is there hope?
KATE: That is quite wierd, because I always want to, but somehow it never
works out all right. Until the last LP I did not have enough material to appear
with a completely new program. After I completed the promotion work for “The Dreaming”
I had to think about whether to go on tour or to build my studio and to look at
a new album. Well, now I am again at the end of the work for the album, make
promotion, shoot videos and actually I would really want to realise the said
film about the second side of the LP. If this somehow happens not to work then
I’ll think about a tour again...
FACHBLATT: Do you find everything that goes with it as a disruption to
the concentrated work in the studio?
KATE: Not as disrupting, but as a burden, yes. I try to put as much time
as possible into creative processes. When I am ready with an album there are
enough creative processes left, be it b-sides or videos that get into the way
of public relations work. I am of course dependent on a certain amount of success
to be able to afford the next album. And then I unfortunately have to make
timely compromises with the things that are more important to me. To limit this
as far as possible I don’t give many interviews. I find it completely
justified, since I find my actual work more important. The only reason why I do
sit here at all is that I worked on an album for a long time and want to
announce this. But when I used up three years to meet journalists and to make
promotion, then there won’t be a reason to sit here...
Translation by Julian West
Kate Bush, 31 (photo), English pop-singer with a predilection for
intricate music, apologized as a precaution against possible historical
misunderstandings. On her latest album “The Sensual World” she sings in a title
“Heads We’re Dancing” of dancing through a night in 1939 with Adolf Hitler.
Only through a newspaper photograph in the morning does the night reveler learn
the true identity of her charmer. Kate Bush on the unsuspecting dancer: “The
woman hereafter believes she could have influenced him and might have changed
the course of history, had she recognized him. Of course there’s no reason for
her to blame herself. Adolf Hitler fooled a lot of people, and I don’t believe
anyone can blame them for that.” A friend, who told of a encounter with a witty
and well-read man, provided the inspiration for her song; only after the fact
did he -- shocked and furious about the incident --learn that he had been
speaking with J. Robert Oppenheimer -- the father of the atomic bomb. “The
devil”, sings Kate Bush, “is a charming man.”
(The photo is pretty standard stuff. Black and
white, about 2.5 x 4”, of her sitting on a typical photographer’s set, her legs
tucked under and upper body well posed. Hair is short, likely tied back.
Wearing faded jeans and a black tank-top. Possibly barefoot, but cannot really
tell.)
Fachblatt
Musikmagazin, 1989 – Kate Bush
(Christiane Rebmann)
Transcription :
Ulrich Grepel – Corrections : Tristan
Ihr kennt das Gefühl? Man nimmt eine LP oder CD zwischen die plumpen
Patschehändchen und hat Panik, man könne das geliebte Teilchen zerbrechen.
Richtig schlimm wird’s aber bei den Scheiben von Kate Bush. Man will sie ganz,
ganz vorsichtig mit Samthandschuhen bearbeiten.
Liegt wohl daran, dass ein Teil der Dame in den Rillen sitzt.
K A T E B U S H
Der Rahmen ist angemessen. Ein Landsitz aus dem 18. Jahrhundert, die zum Hotel umgebaute Nobelresidenz Chilston Park in der britischen Grafschaft Kent, bietet die Kulisse für eine Promotionveranstaltung, auf der Kate Bush ihre neue Platte THE SENSUAL WORLD vorstellen soll. Vier Jahre hat die 31 jährige Arzttochter aus Kent für ihr aktuelles Werk gebraucht. Jetzt ist es geschafft. Sichtlich erleichtert sitzt mir die brünette Musikerin in ihrer geräumigen Suite gegenüber, schlank wie bei unserem letzten Treffen vor vier Jahren. “Ich kenne mich in der Mode nicht aus”, säuselt Kate bescheiden und zupft sich das über und über mit Rüschen und Spitzen verzierte lachsrosa T-Shirt über die verwaschenen Jeans. Kein Wunder, wenn man sich vier Jahre lang im Studio einigelt!
Von Christiane Rebmann
Deine neue Platte wurde schone für letztes Jahr angekündigt. Was sollte das verwirrspiel?
Ich habe mich damals sehr darüber geärgert. Das Datum stammte nicht von mir. Ich mag diesen Druck einer Deadline im Studio überhaupt nicht.
Stimmt es, daß du eine
Reihe fertiger Bünder wieder gelöscht haßt?
Die meisten Songs habe ich Schritt für Schritt weiterentwickelt. Einige der ganz frühen Songs fand ich plötzlich nicht mehr gut. Deshalb habe ich davon nur ganz kleine Schnipsel behalten und sie in die anderen Songs eingebaut. Die Arbeit an diesem Album artete in eine Art Puzzlespiel aus.
Ein sehr langwieriges
Spiel…
Ich wünschte, es hätte nicht so lange gedauert. Es war sehr frustrierend für mich. Statt daß es von Album zu Album besser flutscht, brauche ich von LP zu LP imm er mehr Zeit. Weil es mir immer schwerer fällt, in die entsprechende Stimmung zu kommen. Deshalb habe ich mich auch immer wieder zwischendurch zurückgezogen und mich beispielsweise mit Gartenarbeit abgelenkt.
Hat am Ende der Druck der Plattenfirma ber deinen Perfektionismus gesiegt?
In meinem Kopf schwirrten ungefähr 50 Stimmen herum, die sagten: “Das Album
ist noch nicht fertig. Wie wär’s mit diesem Teil hier?” Zum Schluß habe ich all
dies e Stimmen zu einer Art Roundtable-Gespräch eingeladen und ein Machtwort
gesprochen: Ihr habt zwar recht, es gibt noch einiges zu verbessern. Aber irgendwann muß Schluß sein.”
Selbst der Bonustrack auf der CD enthält noch so liebevoll ausgearbeitete Details wie den Vogelschrei am Ende...
Du meinst in WALK STRAIGHT DOWN THE MIDDLE? Dazu gibt es eine nette Geschichte. Als ich den Song eines Tages meinen Freunden vorspielte, machte sich meine Mutter gerade im Garten zu schaffen. Ich schaute aus dem Fenster, und sie sah sich suchend um und sagte: “Irgendwo hier im Garten muß ein Pfau sein.” So echt klang d er Schrei! WALK DOWN war beispielsweise ein sehr früher Track, den wir als B-Seite für die erste Single vorgesehen hatten. Am Ende waren wir erstaunt, wie gut er klang, mit dieser sauberen Basis von Eberhard Weber. Deshalb nahmen wir ihn als Extratrack auf die CD. Es ist wahrscheinlich der schnellste Song, den ich je geschrieben habe.
Wie viele Minuten hast du gebraucht?
18 Monate vor der Fertigstellung des Albums hatte ich Drums, Keyboards und Baß fertig. Dann schrieb ich den Text, nahm meinen Leadgesang und die Chorstimme auf - das alles an einem Tag -, und am nächsten Tag machte ich noch ein paar Overdubs, und dann mischten wir den Song ab. Ganze zwei Tage also. Normalerweise brauch e ich ja schon für die Texte eine Ewitkeit. Mit diesem hier bin ich allerdings auch nicht so ganz zufrieden.
Den Luxus, vier Jahre an einem Album zu arbeiten, kann sich ja nur jemand leisten, der ein eigenes Studio hat...
Ich glaube, ich könnte gar nicht mehr in einem kommerziellen Studio arbeiten. Dazu wäre ich viel zu nervös. Ich hätte immer Angst, daß es zu viel kostet. Außerdem gibt es dort meistens zu viele Ablenkungen. Dauernd schneit jemand rein und borgt sich Geräte aus und hält ein Schwätzchen. In meinem Studio bin ich überhaupt nicht nervös. Ich arbeite die meiste Zeit mit meinem Freund, dem Bassisten Del Palmer. Da gibt es keine Ablenkungsmöglichkeiten. Wir kennen uns zu gut. Wir kennen die Arbeitsweise des anderen und akzeptieren sie. Ich kann im Studio schreiben und zwischendurch nach Hause gehen, dort weiterschreiben und dann wieder ins Studio zurückkehren. Das ist ideal für mich. Das eigene Studio war die beste Idee, die ich je hatte. Ich bin es eben einfach gewohnt, alles selbst unter Kontrolle zu haben.
Und wie kommst du mit den Musikern klar, die dir bei den Aufnahmen helfen?
Wenn ein Musiker ins Studio kommt und seinen Teil spielt, dann kommen mir meistens neue Ideen. Dann schreibe ich manchmal noch einen Song völlig um. Das wäre natürlich in einem gemieteten Studio unmöglich. Wenn du die Zeit gebucht hast, mußt du sie auch nutzen. Da kannst du nicht einfach zwischendurch nach Hause gehen.
Wieviel Einfluß hatte Dave
Gilmours Mitarbeit auf deine Songs?
Es lag mir sehr am Herzen, wieder mit Dave zusammenzuarbeiten. Und ich habe es sogar geschafft, einen Song zu schreiben, der seiner Gitarre Raum läßt. In meinen früheren Songs gab es nie Raum für Gitarrensoli. Ich hab die nämlich nie besonders gemocht. Ich fand Gitarrensoli immer schrecklich. Aber für diesen Song ROCKET’S TAIL war’s genau das Richtige. In dem Moment, wo die Rakete startet, verwandelt sich das Lied in einen harten Rock-’n’-Roll-Song. Und wer wäre besser für diesen Part geeignet als Dave Gilmour mit seiner Gitarre! Er war wunderbar. Er ist eben ein exzellenter Gitarrist. Er kam einfach rein und legte los.
Wie bist du auf das Trio
Bulgarka gekommen?
Mein Bruder Paddy hatte mir drei Jahre vorher ein Band mit dem Trio Bulgarka vorgespielt. Ich erinnerte mich plötzlich daran, als ich etwas suchte, was zu den irischen Klängen in THE SENSUAL WORLD paßte. Ich besuchte das Trio in Bulgarien. Es war schwierig, weil ich kein Wort Bulgarisch sprach und sie kein Wort Englisc h. Aber sie luden mich einfach in ihre Häuser ein, und dann sangen sie mir etwas vor. Die drei Frauen saßen um den Küchentisch herum. Ava, die lteste, nahm den Telefonhörer auf uns summte den Wählton nach, und dann fingen sie an zu singen. Es war so schön, daß mir die Tränen kamen. Ich habe noch nie so schöne Stimmen gehört. Wir haben uns dann auch im Studio hauptsächlich durch Umarmungen verständigt. Sie bemutterten mich ein bißchen. Durch sie kam eine ganz neue Komponente in meine Musik.
Es ist ja nicht das erstemal, daß du Elemente aus anderen Kulturen in deine Musik einbaust.
Dies ist meine weiblichste Platte. Die Rockmusik wird von Männern beherrscht, von mächtigen Drumsounds und kräftigen Bässen. Das sind die typischen Macho-Sounds. Ich wollte weibliche Stimmen und weibliche Arrangements draufsetzen. Ich wollte die weibliche Stärke herausstellen. Die bulgarischen Sängerinnen klingen sehr feminin, aber auch sehr kraftvoll. Die meisten Frauen lassen immer noch ihre Platten von Männern produzieren und sich sogar ihre Songs von ihnen schreiben. Ich hoffe, das klingt nicht sexistisch, die Männer haben eine Menge in der Musik erreicht. Aber die Frauen bekommen immer noch zu selten eine Chance, ihre eigene Stärke rauszustellen.
In dieser Hinsicht hast du doch aber nie Anlaß gehabt, dich zu beschweren...
Ich habe Glück gehabt, daß ich meistens mit sehr sensiblen Männern gearbeitet habe. Wenn ich im Studio bin, fühle ich mich meistens nicht besonders weiblich. Ic h arbeite einfach. Aber viele Frauen werden dazu gezwungen, sich aggressiv wie ein Mann zu verhalten, um sich durchzusetzen. Sie nehmen typisch männliche Verhaltensweisen an. Das ist schade.
Deinen ersten Hit WUTHERING HEIGHTS hast du nach dem Buch von Emily Bronte geschrieben. Der Titelsong deines neuen Albums hat die “Ulysses” von James Joyce als Vorlage. Du bedienst dich offensichtlich gern aus Büchern.
Dabei bin ich nicht sonderlich belesen. Ich habe auch keine besonders gute Ausbildung gehabt. Aber ich finde, daß Bücher ausgezeichnete Ideenlieferanten sein können. Deshalb greife ich immer wieder auf Bücher zurück.
Und nach welchen Kriterien suchst du dir deine Vorlagen aus?
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die stundenlang in einem Buchladen herumstöbern. Ich stoße immer zufällig auf interessante Bücher. Bei CLOUDBUSTING war es beispielsweise so, daß mich das Buchcover so faszinierte, obwohl nichts Besonderes drauf war. Es stellte sich dann heraus, daß darin das bewegenste Buch war, das ich je gelesen habe. Und neun Jahre später machte ich daraus den Song CLOUDBUSTING. Ich hatte damals das Gefühl, das Ganze sei so für mich vorbestimmt. Denn es gab keinen bestimmten Grund dafür, gerade dieses Buch zu kaufen. Es mag sich überheblich anhören, aber die meisten Inspirationen kamen zu mir, ohne daß ich etwas dafür tun mußte. Ich glaube, wenn ich eigens losziehen würde und nach einer Anregung suchen, dann würde ich garantiert nichts finden.
Die Charaktere in WUTHERING HEIGHTS und [THE] SENSUAL WORLD sind sehr unterschiedlich...
Total. Die einzige Parallele liegt darin, daß in beiden Songs die Hauptfigur eine Frau ist. Damals Kathy [sic] und jetzt Molly. Bei WUTHERING HEIGHTS hatte mich die Geschichte fasziniert. Das war *die* Love Story. Nicht mal der Tod konnte Kathy von ihrem Geliebten trennen. Diese Liebe! Diese Leidenschaft! Bei der Ulysses hat mich die Sinnlichkeit des Schreibstils fasziniert. Nicht die Geschichte selbst, sondern die Worte und die Art, wie sie benutzt wurden. Es ist ein außergewöhnlichens Stück. Sehr schön.
Warum hast du nicht Joyces Originaltext verwendet?
Ich habe nicht die Genehmigung dazu bekommen. Das hat mich sehr enttäuscht. Ich habe hart darum gekämpft. Am Ende sagte ich mir: Gut, dann schreibe ich eben einen eigenen Text mit demselben Inhalt. Das war unglaublich schwierig. Schließlich bin ich nicht James Joyce.
Der starke Bezug zur Sexualität aus dem Joyceschen Original ist aber geblieben...
Das wird im Original durch die Art, wie das Wort “Yes” benutzt wird, unterstrichen. Vor allem diese Passage am Ende hatte es mir angetan, weil sie so schön sinnlich und rhythmisch ist. Wie ein einziger langer Satz, der nie zu Ende geht. Wie ein ellenlanger Gedankenzug. Ich war wie verzaubert. Ich habe das in meiner Version etwas entschärft. Und ich finde auch, daß bei der Ulysses die Betonung eher auf der Sinnlichkeit als auf purer Sexualität liegt. Ich mache mir Sorgen, weil viele Leute das anders verstehen. In dem Song steigt die Hauptfigur aus ihrer schwarzweißen, zweidimensionalen in die richtige Welt um. Der erste Eindruck ist die Sinnlichkeit dieser Welt. Die Tatsache, daß man Dinge anfassen kann, daß man die Farbe der Bäume sehen, das Gras unter den Füßen fühlen kann. Die Tatsache, daß wir von so viel Sinnlichkeit umgeben sind. Wir nehmen sie gar nicht mehr wahr. Aber ich bin mir sicher, daß jemand, der das alles vorher nicht erlebt hat, davon vollkommen überwältigt wäre.
In deinem Song THE FOG geht es ums Erwachsenwerden. Hast du dieses Thema gewählt, weil du letztes
Jahr die Schallmauer von 30 Jahren durchbrochen hast?
So aufregend fand ich es gar nicht, 30 zu werden. Ich glaube nicht, daß der 30. Geburtstag eine Art Schallmauer darstellt. Ich glaube eher, es kommt auf die Jahre danach an, auf das, was man danach tut. Es is eine Zeit, in der sich viel verändert und in der man endgültig erwachsen werden sollte.
Welche Veränderungen stehen dir in den nächsten Jahren ins Haus?
Ich weiß es nicht. Wenn ein Album fertig ist, habe ich meistens das Gefühl, daß ich gleich noch eines machen könnte. Weil ich gerade so schön im Schwung bin. Statt dessen muß ich mich gerade dann aus dieser Phase losreißen und mich wieder in anderen Bereichen bewegen. Jetzt zum Beispiel liegt die Promotion für dieses Album an.
Diesmal hatte ich es allerdings zum Schluß satt, so lange im Studio zu kleben. Es kostete mich eine ungeheure šberwindung, jeden Tag ins Studio zu gehen. Ich weiß, daß das bei den meisten Musikern gegen Ende der Studioarbeiten so ist. Man schleppt sich ins Studio und denkt: Eigentlich müßtest du doch froh sein, daß du dies alles hier machen darfst. Da heißt es dann: Alle Energie zusammennehmen und nicht in die Gleichgültigkeit abgleiten.
Also wird Kate Bush auch mit 65 noch Musik machen?
Das kann ich im Moment nicht beurteilen. Vielleicht probier ich auch mal etwas ganz anderes. Obwohl ich die Musik wirklich liebe. Es wird zwar immer schwieriger. Anfangs, wenn ich ins Studio gehe, habe ich meistens das Gefühl, ich müßte mit dem Singenlernen ganz neu anfangen. Aber es macht auch immer mehr Spaß, tiefer ins Dickicht vorzustoßen und es zu erforschen. Da geht man dann durch einen enormen Lernprozeß. Trotzdem kann ich mir gut vorstellen, auf etwas ganz anderes um zusteigen.
In welchen Bereich?
In den letzten Jahren hat sich bei mir die Idee herauskristallisiert, einen kleinen Film zu machen.
Mit einem eigenen Drehbuch?
Ich würde gern die Musik schreiben und auch Regie führen. Vielleicht wird es ein 20-Minuten-Film.
Wer ist dein Vorbild in dieser Richtung?
Schwer zu sagen. Der Film ist eine wunderbare Ausdrucksform. Es gibt so viele gute Filme. Mein Lieblingsregisseur ist Alfred Hitchcock. Er war so klug. Seine Kameräinstellungen waren einmalig. Es war, als hätte er eine eingebaute Kamera in seinem Kopf gehabt. Viele Regisseure versuchen auch heute noch, ihn zu kopieren. Aber keiner reicht an sein Können heran. Genau wie die Musik ist der Film ein wunderbares Vehikel für die Flucht aus dem Alltag. Oder dafür, die Leute mit bestimmten Themen zu konfrontieren. Die Kunst besteht darin, daß man dabei immer unterhaltsam bleibt.
Wirst du nach zehn Jahren Pause von der Bühne endlich wieder auf Tournee gehen?
Ich fühle mich geehrt, daß ich nach so langer Zeit immer noch danach gefragt werde. Manchmal ärgert es mich, ehrlich gesagt, auch. Aber es ist schon rührend, daß mich die Leute auch nach dieser langen Pause immer noch auf der Bühne sehen wollen. Trotzdem - im Moment plane ich keine Tour. Der Aufwand wäre einfach zu groß.
Kate Bush
You know the feeling? You take an LP or CD into the plump handy-pandies
and you panik you might break the loved part. It gets really bad with the discs
of Kate Bush. You want to handle them very, very carefully with kid gloves.
That’s probably coming from part of the lady sitting in the grooves.
K A T E B U S H
The frame is appropriate. A country seat from the 18. century, the noble
residence Chilston Park in the British county of Kent, converted to a hotel,
offers the backtrop to a promotional event where Kate Bush should present her
new album THE SENSUAL WORLD. The 31 year old doctor’s daughter from Kent needed
four years f or her current work. Now it is done. Visibly relieved the brunette
musician is sitting opposite of me in her spacious suite, slender as at our
last meeting four years ago [is there another interview?]. “I don’t know a log
about fashion”, Kate whispers modestly and plucks her salmon-pink t-shirt,
decorated all over with ruches and laces, over the washed out jeans. No wonder,
if you hide yourself away into the studio for four years!
Your new album was already announced for last year. What does that
deliberate confusion mean?
I was very upset then about that. The date was not mine. I do not like
the pressure of a deadline in the studio at all.
Is it right that you have erased a lot of ready tapes?
Most of the songs I have developed step by step. I suddenly thought not
good about some of the very early songs any longer. Therefore I only kept very
small snippets of them and built them into the other songs. The work on this
album degenerated into a kind of jigsaw puzzle.
A very lengthy game...
I wish it had not lasted that long. It was very frustrating for me.
Instead of going more smoothly from album to album, I need more and more time from
LP to LP. Because I find it difficult to get into the appropriate mood.
Therefore I retreated again and again from time to time and diverted myself
with gardening.
Has the pressure from the record company won over your perfectionism in
the end?
There were about 50 voices buzzing through my head, saying: “The album is
not yet ready. What about this part here?” At the end I invited all those
voices to a kind of roundtable discussion and spoke a word of power: You are
right, there are some things that need improvement. But at some time there has
to be an end.”
Even the bonus track on the CD contains such lovely developed details
like the bird’s scream at the end...
You mean in WALK STRAIGHT DOWN THE MIDDLE? There is a nice story about
that. When I played the song to my friends, my mother was working in the
garden. She looked out of the window and she looked around searching and said:
“Somewhere in the garden there has to be a peacock.” The scream sounded so
real! For example, WALK DOWN was a very early track we had intended for the
b-side of th first single. At the end we were amazed about how well it sounded,
with that clean base of Eb erhard Weber. Therefore we took it as an extra track
onto the CD. It probably is the quickest song I ever have written.
How many minutes did you need?
18 months [if that’s quick, will the next album appear in this millenia
;-? (or in the next)] before completion of the album I had drums, keyboards and
bass ready. Then I wrote the text, recorded my lead vocal and the chorus -
everything on one day -, and on the next day I made some overdubs, and then we
mixed the song. Two days. Normally I need an eternity alone for the lyrics. But
I am not completely content with this one.
Only those people who have a studio on their own can affort the luxury to
work four years on one album...
I don’t believe I could work in a commercial studio nowadays. I would be
much to nervous for that. I always would be frightened that it costs too much.
Besides there are too many distractions. Constantly someone is showing in and
borrows equipment and has a chat. In my studio I am not nervous at all. I work
most of the time with my boyfriend, the bassist Del Palmer. There are not many
distractions. We know ourselves too well. We know the working method of each
other and accept them. I can write in the studio and go home inbetween,
continue writing there and then go back to the studio. That’s ideal for me. The
own studio was the best idea I ever had. I am used to have everything under
control by myself.
And how do you manage with the musicians helping you with the recordings?
When a musician comes into the studio and plays his part, then mostly I
have new ideas. Then I sometimes rewrite a song complitely. That would be
impossible in a hired studio. If you have booked the time, you have to use it.
You cannot just go home between times.
How much did Dave Gilmours collaboration influence your songs?
I had the interests at heart to work again with Dave. And I even did
manage to write a song that leaves room for his guitar. In my early songs there
was never room for guitar solos [Violin? James And The Cold Gun (live)?] I
never really liked them. I found guitar solos disgusting. But for this song
ROCKET’S TAIL it was exactly right. At the moment where the rocket lifts of,
the song changes into a hard rock-’n’-roll song. And who would be better suited
for that part than Dave Gilmour with his guitar! He was wonderful. He simply is
an excellent guitar player. He just came in and got going.
How did you came across the Trio Bulgarka?
My brother Paddy had played a tape with the Trio Bulgarka three years
ago. I remembered that suddenly when I searched something that fitted to the
Irish sounds in THE SENSUAL WORLD. I visited the Trio in Bulgaria. It was
difficult, because I didn’t speak a word of Bulgarian and they didn’t speak a
word of English. But they invited me into their houses and then they sang
something to me. The three women sat around the kitchen table. Ava, the oldest
one, took the telephone rece iver and hummed the dialing tone and then they
began to sing. It was so nice that I started crying. I never had heard so nice
voices. In the studio we communicated mostly with hugs. They mothered me a
little bit. With them a totally new component came into my music.
It is not the first time you incorporate elements from other cultures
into your music.
This is my most feminine album. The rock music is dominated by men, by
mighty drum sounds and powerful basses. These are the typical macho-sounds. I
wanted to a dd feminine voices and feminine arrangements. I wanted to set out
the feminine strength. The Bulgarian singers sound very feminin, but yet very
powerful. Most women let men produce their records and even let men write their
songs. I hope this doesn’t sound sexistic, the men have achieved very much in
music. But too seldom the women get a chance to bring out their own strength.
But in this respect you never had cause for complaint...
I was lucky that I worked with sensitive men most of the times. When I am
in the studio, mostly I don’t feel very feminine. I just work. But many women
are forced to act aggressive like a man to have their way. They adopt typical
male behaviour. That’s a pity.
Your first hit WUTHERING HEIGHTS you wrote after a book by Emily Bronte.
The title song of your new album has “Ulysses” by James Joyce as a model. You
obviously are fond of making use of books.
But I am not very well-read. I did not even have a particularly well
education. But i find that books are extraordinary suppliers of ideas.
Therefore I always f all back on books.
And after what criteria do you select your models?
I do not belong to those people who keep rummaging around in bookshops
for hours. I always accidentally come across interesting books. With CLOUDBUSTING
for exa mple it was such that the cover of the book fascinated me, even if
there is nothing special on it. Then it emerged that in there was the most
moving book I ever read. And nine years later I made the song CLOUDBUSTING out
of it. At that time I had the feeling the whole thing was predetermined for me.
Because there was n o special reason to buy precisely that book. It may sound
arrogant, but most of the inspirations came to me without me doing something
for it. I believe that if I started for searching an inspiration, then I would
dead certain not find anything.
The characters in WUTHERING HEIGHTS and [THE] SENSUAL WORLD are quite
different...
Totally. The only parallel lies in there that in both songs the main
person is a woman. Then Cathy and now Molly. With WUTHERING HEIGHTS the story
fascinated me. That was *that* love story. Not even dead could separate Cathy
from her lover. That love! That passion! With Ulysses the sensuality of the
written style faszi nated me. Not the story itself, but the words and the way
to use them. It is an extraordinary piece. Very nice.
Why didn’t you use Joyces original text?
I did not get the permission for that. That disappointed me very much. I
fought very hard for that. At the end I said to myself: Well, then I write my
own text with the same contents. That was incredibly difficult. Because I am
not James Joyce.
The strong connection with sexuality in the original of Joyce has
stayed...
In the original that is emphasized with the way the word “Yes” is used. Especially
the passage at the end affected me, because it is so sensual and rhythmic. Li
ke [? it is] a single long sentence that never ends. Like a terribly long train
of thought. I was like enchanted. I have toned down that a little bit in my
vers ion. And I find that in Ulysses the emphasize is more on the sensuality
than on pure sexuality. I am worried about many people understanding that in a
different way. In the song the main character emerges from its black and white,
two-dimensional world into the real world. The first impression is the
sensuality of this world. The fact that you can touch things, that you can see
the colour of the trees, feel the grass under the feet. The fact that we are
surrounded by so much sensuality. We are not longer aware of them. But I am
sure that someone who has not lived through that before would be overwhelmed.
Your song THE FOG is about becoming an adult. Did you choose that theme
becaus you broke the sound barrier of 30 years?
I did not find it too exciting to become 30. I don’t believe that the
30st birthday is something like a sound barrier. I rather believe that it
depends on the y ears after that, on that what you do afterwards. It’s a time
where many things change and where you finally should become an adult.
What changes are in store for you in the next years?
I don’t know. When an album is ready, I mostly have the feeling that I
could just make another one [Please do...]. Because I am just in motion.
Instead I have t o pull out of that phase to move in other areas. Now for
example there stands the promotion for that album.
But this time at the end I was fed up to stick in the studio for such a
long time. It cost me an enormous effort to go into the studio every day. I know
that most musicians feel that way at the end of the studio works. You drag
yourself to the studio and think: You actually have to be glad to be allowed to
do all this. Then it stands: Take all energies and don’t slip down into
indifference.
Then Kate Bush will make music at the age of 65?
I cannot judge that at the moment. Perhaps I will try something
completely different. Though I truly love music. It gets harder every time. At
the beginning, when I enter the studio, I mostly have the feeling I have to
start from the beginning with learning how to sing. But it makes more and more
fun to advance deeper into the thicket and to research it. You go through an
enormous learning process. Nevertheless I cna imagine well to change over to
someghing totally different.
To what area?
In the last two years the idea crystallized in me to make a small film.
With your own script?
I would like to write the music and to direct it. Perhaps it becomes a
20-minute-film.
Who is your model in that direction?
Difficult to say. Film is a wonderful form of expression. There are so
many good films. My favourite director is Alfred Hitchcock. He was so bright.
His camera settings were unique. It was like him having a camera built into his
head. Many directors try to copy him even nowadays. But nobody reaches his
level of ability. Like music film is a wonderful vehicle for the flight from
everyday life. Or to confront people with certain themes. The art is to remain
entertaining.
Will you, after a ten year break from stage, go onto tour at last?
I am honored that I am always asked for that after such a long time. Sometimes it, honestly said, annoys me, too [Isn’t there a - simple - way to get rid of that annoyment?]. But it is really touching that people want to see me on stage after that long pause. Nevertheless - at the moment I have no plans for a tour. The expense would simply be too big.
Musikexpress/Sounds N°11, 11/93 – Kate Bush (Chrissy Iley)
Transcription : Ulrich Grepel –
Corrections : Tristan
Note : This is a translation from the
same interview as featured in the Sounds magazine.
Daß man einem 16jährigen Mädchen einen hochdotierten Plattenvertrag gab, war
schon ungewöhnlich. Daß Kate Bush mit ihren hochgradig versponnenen Songs auch
noch Erfolg hatte, war vor 15 Jahren aber die eigentliche Sensation. Mit der
noch immer notorischen Einzelgängerin, die nach vierjähriger Pause wieder an die
Öffentlichkeit tritt, sprach in London Chrissie Iley.
Kate Bush
ME/SOUNDS: Du bist dafür berüchtigt, dir für ein neues Album so viel Zeit zu nehmen, wie du es für richtig hältst - gleichgültig[,] ob deine Plattenfirma von einer Ohnmacht in die andere fällt. Wie ist dieser lange Arbeitsprozess erklärbar? Mußt du dich erst in einer spezifischen Stimmung befinden?
BUSH: Das ist ein Vorgang, den man mit Worten kaum beschreiben kann. Als ich jünger war, ging’s völlig unkompliziert: Ich setzte mich ans Klavier und versuchte[,] einen Song zu schreiben. Das waren glückliche Momente - und deshalb wollte ich bei diesem Album ähnlich vorgehen. Aber je länger du dich mit einem Song beschäftigst, desto mehr entwickelt er eine Eigendynamik. Das überrascht mich immer wieder: Du fängst etwas an - und schaust dann staunend zu, wie der Song ein Eigenleben entwickelt, wie sich kleine Ideen und Veränderungen einschleichen, ohne daß du sie noch bewußt kontrollierst. Und diese Erfahrung wiederum verändert dich selbst. All das ist sicher ein Grund, warum meine Platten so lange brauchen. Aber ich bin dankbar für meine Arbeit, vor allem wenn es in deinem Leben Tiefschläge gibt, die du auf diesem Wege verarbeiten kannst.
ME/SOUNDS: Kleine Fluchten also?
BUSH: Ich weiß nicht, ob man das eine Flucht nennen kann. Ich sturze mich nicht in meine Arbeit, um dem Leben zu entkommen. Meine Arbeit bestimmt mein Leben - und umgekehrt. Sehr persönliche Erfahrungen fließen in die Arbeit ein, während meine Arbeit wiederum eine sehr persönliche Erfahrung ist.
ME/SOUNDS: Wenn du eine traumatische Erfahrung hast: Kannst du sie dann problemlos verarbeiten und in Musik umsetzen - oder bist du in deiner Arbeit völlig blockiert?
BUSH: Das hängt von der Art der Erfahrung ab. Normalerweise kann ich mich aus einem Stimmungstief selber herausziehen, ohne daß meine Arbeit dadurch beeinflußt wird. Aber es gab sicher auch Erfahrungen, wo ich einfach nicht mehr arbeiten, vor allem nicht mehr singen konnte. Das ist eine Erfahrung, die wohl vor allem Sänger machen: Es gibt derart schmerzvolle Bereiche, die du einfach nicht mit der Stimme artikulieren kannst. Die Stimme ist nun mal ein verletzliches Gebilde, und wenn ich emotional verletzt bin, kann ich einfach nicht singen - weil Singen und Atmen so eng miteinander verbunden sind.
ME/SOUNDS: Welche Erfahrungen, welche traumatischen Erfahrungen hast du im Lauf der letzen Jahre gemacht - und wie haben sie sich niedergeschlagen?
BUSH: Die schlimmste Erfahrung war sicher der Tod meiner Mutter. Ich konnte monatelang nicht arbeiten, ich konnte mir nicht einmal vorstellen, wie ich wieder zu diesem Arbeitsprozess zurückfinden würde. Es war einfach zu schmerzvoll, um arbeiten oder gar singen zu können. Letztlich mußt du natürlich doch damit leben und so positiv wie möglich zu verarbeiten suchen.
ME/SOUNDS: Wie stehst du zu deinem Vater? Es heißt, daß er dich in deiner Entwicklung sehr geprägt habe.
BUSH: Er ist ein starker Charakter, ein wundervoller Mensch. Ich habe viel Respekt für ihn.
ME/SOUNDS: Er war früher Boxer?
BUSH: Ja, aber das sind Dinge, über die ich nicht sprechen möchte. Ich mag keine Leute gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit ziehen.
ME/SOUNDS: Ich wollte eigentlich auch nicht in ihr Privatleben eindringen, sondern nur die Bedeutung abfragen, die sie in deinem Leben haben.
BUSH: Die Eindrücke, die ich von meinen Eltern habe, sind sicher sehr archetypische Bilder. Die Eltern sind im Leben eines Kindes so unglaublich überwältigende Symbole, daß sich diese Symbolik unweigerlich auch in andere Lebensbereiche fortsetzt.
ME/SOUNDS: Glaubst du, daß das Hirn eines Mannes genauso funktioniert wie das einer Frau?
BUSH: Ich weiß nicht, wie es im Hirn aussieht, aber es gibt definitiv eine weibliche und eine männliche Energie. Idealerweise sind beide Formen in einer Person vereint, weil sich die Gegensätze...
ME/SOUNDS: Das ist genau der Eindruck, den ich von dir habe: Daß du manchmal so extrem feminin wirkst, es gleichzeitig aber auch eine Hartnäckigkeit und Durchsetzungsfähigkeit bei dir gibt, die absolut männlich ist.
BUSH: Danke für das Kompliment. Ich kann nicht über mich selbst reden, aber ich glaube, es gibt tatsächlich viele Frauen, die ihre Kreativität von einer männlichen Energie antreiben lassen. Im Laufe der Jarhe habe ich selber die Notwendigkeit verspürt, mich in dieser sogenannten Männerwelt durchzuboxen. Gleichzeitig aber hat der Feminismus, so positiv er grundsätzlich sein mag, die Sache der Frauen auch zurückgeworfen. Ich kenne viele Frauen, die die typischen Karrierefrauen verabscheuen, weil sie der Auslöser waren, daß klassische Ausdrucksformen weiblicher Energie heute hausbacken und dumm wirken. Ich bin davon überzeugt, daß die weibliche Energie ihre eigene Stärke besitzt und sich nicht mit fremden Federn schmücken muß.
ME/SOUNDS: Kannst du mit männlichen Freunden genauso reden wie mit Freundinnen?
BUSH: Ja. Die chemische Reaktion ist wichtiger als die Tatsache, ob jemand männlich oder weiblich ist. Zu einigen Menschen hat man einen spontanen Draht, andere kann man nicht riechen.
ME/SOUNDS: Die traditionellen Attribute eines Mannes sind Ehrgeiz und Rivalität. Sind das Attribute, die du dir auch selbst zuschreiben würdest?
BUSH: Ich haße beide Wörter, weil sie einseitig nur diesen männlichen Wesenszug charakterisieren. Ambition? Ich habe keine Ambition, die Welt zu erobern, aber ich habe schon die kreative Ambition, neue Ideen auszuprobieren und möglichst perfekt umzusetzen.
ME/SOUNDS: Man hat dich einmal als den “schüchternsten Größenwahnsinnigen auf diesem Planeten” bezeichnet...
BUSH: Da ist schon was Wahres dran. Wahrscheinlich sind die meisten Menschen wandelnde Widersprüche. Ich bin eine stille, scheue Seele - aber wenn es um meine Arbeit geht, kenne ich keine Grenzen. Nicht weil’s mir um Geld oder Macht geht, sondern weil ich besessen bin von diesem kreativen Prozess.
ME/SOUNDS: Kannst du gut schlafen?
BUSH: Wenn ich arbeite, schlafe ich fast gar nicht. ‘Habe ich an alles gedacht? Hätte ich das anders machen sollen?’ Wenn ich schlafen will, laufen unweigerlich all diese Filme ab. Als wir mit den Dreharbeiten zu “Red Shös” (ein 50minütiges Video, das sechs Songs des neuen Albums umfaßt. - Red.) anfingen, ahbe ich eine Woche lang praktisch nicht geschlafen.
ME/SOUNDS: “Red Shös” ist ja eine Anspielung auf den gleichnamigen Tanzfilm aus dem Jahre 1948. Welches Verhältnis hast du zum Tanzen?
BUSH: Es ist eine sehr positive, weil ernüchternde Erfahrung, wenn du vor einem Spiegel stehst und aussiehst wie ein Stück...
ME/SOUNDS: Wolltest du “ein Stück Scheisse” sagen?
BUSH: Letzlich läuft’s darauf hinaus, wenn du morgens um Neun vor dem Spiegel stehst und versuchst, mit deinem Körper zu arbeiten. Ich hatte schliesslich drei, vier Jahre lang nicht mehr getanzt.
ME/SOUNDS: Was hat sich im Laufe der letzten Jahre sonst noch in deinem Leben geändert?
BUSH: Ich denke, meine Entwicklung unterscheidet sich nicht unbedingt von der anderer Leute. Viele Menschen, vor allem wenn sie in glückliche Umstände hineingeboren wurden, werden vom Leben doch erst richtig gezwickt, wenn sie 30 oder 35 Jahre alt sind...
ME/SOUNDS: Gehörst du zu diesen Glücklichen?
BUSH: Nein, ich habe schon früher Tiefschläge zu verdauen gehabt, die dir neue Maßstäbe geben, die dich “erwachsen” machen. Aber ich glaube, daß die meisten Menschen erst Mitte 30 mit dem Erwachsenwerden anfangen.
ME/SOUNDS: Wie alt bist du?
BUSH: Mitte 30.
ME/SOUNDS: In einem früheren Interview hast du mal gesagt, du seist zäh wie Leder...
BUSH: Ich habe nie gesagt, ich sei zäh wie Leder. Ich kann mich erinnern, daß das in einem Interview geschrieben wurde, aber ich habe das nie gesagt.
ME/SOUNDS: Tatsächlich?!
BUSH: Ich glaube, daß ich stark bin. Was aber nicht heißt, daß ich zäh wie Leder bin.
ME/SOUNDS: Man hat dir das Zitat einfach untergeschoben?!
BUSH: Überrascht dich das? Wenn ich heute ein Interview gebe - und ich gebe ja nur wenige -, lasse ich einen Cassettenrecorder mitlaufen, um im Zweifelsfall meine Version dokumentieren zu können. Das passiert tatsächlich erschreckend oft, daß Journalisten ihre Worte in deinen Mund legen, daß sie ihr Leben auf deines projizieren. Und es sind oft genug nicht nur Worte, sondern ganze Lebenseinstellungen, die sie dir unterschieben.
ME/SOUNDS: Und wie reagierst du darauf?
BUSH: Indem ich kaum noch Interviews gebe. Und wenn ich dann mit einem Journalisten zusammensitze, passiert es oft, daß sie sagen: ‘Du hast in einem früheren Interview gesagt...’ oder ‘Ich habe gelesen, daß du...’. Sie greifen immer auf das zurück, was sie schon schwarz auf weiß vor sich haben. Und sind dann völlig perplex, wenn ich behaupte, daß ich das nie gesagt habe. Ich kann mir vorstellen, daß Politiker darunter noch viel mehr leiden. Es macht die mächtigsten Leute völlig hilflos, wenn man ihnen Sachen unterschiebt, die sie nie geesagt haben.
ME/SOUNDS: Wie ist es mit den Fotos? Hat man je versucht, dich zu manipulieren, dich in die Ecke des “hübschen, sexy Mädels” zu stellen?
BUSH: Als ich jung war, war ich halt auch reichlich naiv. Man kapiert erst später, welche Leute dich manipulieren wollen, in welche Ecke sie dich drängen wollen. Wenn man Musik hört, sollte man nicht durch persönliche Informationen über den Musiker abgelenkt werden.
ME/SOUNDS: Wie lange hast du an dem neuen Album gearbeitet?
BUSH: In den letzten vier Jahren habe ich vielleicht zwei konstant gearbeitet, unterbrochen von zwei größeren Pausen.
ME/SOUNDS: Pausen? Machst
du denn Urlaub?
BUSH: Ich habe jahrelang keinen Urlaub mehr gehabt.
ME/SOUNDS: Weil du Urlaub
haßt?
BUSH: Ich liebe Urlaub. Aber wenn ein Album fertig ist, schreit alles nach einem Video, schreit nach Promotion... Es reißt einfach nicht ab.
ME/SOUNDS: Wenn du etwas anfängst, möchtest du es bis ins letzte Detail unter Kontrolle haben?
BUSH: Wenn ich einmal angefangen habe, gibt’s kein zurück - ja.
ME/SOUNDS: Bist du auch von anderen Dingen so besessen? Gartenarbeit? Lesen? Bist du vielleicht auch
ein kleiner Putzteufel?
BUSH: Nicht mehr. Aber ich kann Frauen in gewisser Weise verstehen, die mit sich selbst und ihren Gedanken ins Klare kommen wollen, wenn sie ienen Fußboden schrubben.
ME/SOUNDS: Sind Schallplatten so etwas wie Kinder für dich? Und wenn ja: Ist das der Grund, warum du selbst keine Kinder hast?
BUSH: Um Gottes willen! Sicher, eine Platte zu machen ist so etwas wie eine Geburt. Aber stell dir vor, du wärest dreieinhalb Jahre schwanger! Du hättest die Nase vermutlich so gestrichen voll, daß du von dem Kind nichts mehr wissen möchtest. Nein, für mich zählt nicht das Resultat und die Reaktionen auf dieses Resultat, sondern allein der kreative Arbeitsprozess als solcher.
ME/SOUNDS: Muß man leiden, um kreativ zu sein?
BUSH: Ich glaube nicht, daß diese Theorie Allgemeingültigkeit hat. Ich glaube sogar im Gegenteil, daß man auch im Gefühl des Glückes sehr kreativ sein kann.
ME/SOUNDS: “Rubber Band Girl” heißt die erste Single des Albums. Was in aller Welt ist ein “Rubber Band Girl”?
BUSH: Es hat zu tun mit Widerstand und dem Wunsch, sich gehen zu lassen, sich zu öffnen, Masken abzulegen.
ME/SOUNDS: Bist du ein Mensch, dem das leicht gelingt?
BUSH: Nun, wir haben alle unsere menschlichen Beschränkungen ... und es ist gefährlich, völlig offen und verwundbar durchs Leben zu gehen. Andererseits ist es gerade diese Furcht, die viele potentiell positive Beziehungen und Erfahrungen verhindert.
ME/SOUNDS: Manchmal hat man den Eindruck, daß du in deinen Songs extrem offen und verwundbar bist. Ist das vielleicht der Gund, warum du so mauerst, wenn es um Einblicke in dein privates leben geht?
BUSH: Wieso mauern?
ME/SOUNDS: Weil du so viel von dir zurückhältst - während du in deiner Arbeit dein Innenleben nach aussen zu stülpen scheinst.
BUSH: Ich kann mir nicht erlauben, naiv zu sein. Es gibt nun mal Menschen, die etwas von mir wollen, dabei aber keine lauteren Motive haben.
Wir sind wieder beim gleichen Thema: Es ist gefährlich, Außenstehenden die Möglichkeit zu geben, ein Bild von dir in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Ich glaube, daß viele Menschen im öffentlichen Leben, gerade Künstler, daran zerbrechen, daß die Einschätzung der Öffentlichkeit so gar icht mit der wahren Person übereinstimmt. Sie können oft genug nicht mehr arbeiten, weil sich zwischen der Person und ihrem öffentlichen Image eine unüberbrückbare Kluft auftut. Ich habe dam eigenen Leibe erfahren, wie sich dieses Gefühl in dein Leben einschleicht, wie es von dir Besitz ergreift, wie es deiner Arbeit in die Quere kommt. Natürlich möchte ich, daß meine Freunde miein Innenleben kennen, aber ich sehe keine Veranlassung, das auch in der Öffentlihckeit breitzutreten.
ME/SOUNDS: Ich habe ja inzwischen Hemmungen, eine Frage mit der Formulierung “Ich habe über dich gelesen...” anzufangen, aber ich habe nun mal über dich gelesen, daß du ursprünglich damit liebäugelt hast, Psychologe bzw. Psychiater zu werden.
BUSH: Das ist richtig, aber irgendwann kam mal der Punkt, wo mir klar wurde, daß mir die Voraussetzungen für ein Medizinstudium völlig abgingen - Chemie und Mathematik waren in der Schule ein rotes Tuch für mich. Ich wußte, daß ich es nicht packen würde.
ME/SOUNDS: Gibt es vielleicht sogar Parallelen zwischen einem Psychiater und einem Künstler? Hat ein Künstler eine ähnliche gesellschaftliche Funktion?
BUSH: Ich habe noch nich drüber nachgedacht, aber Tatsache ist, daß ich gerne anderen Menschen helfe, das ich auch fasziniert davon bin, wie andere Menschen funktionieren. Es ist immer wieer frappierend, wie Menschen zu völlig anderen Schlüßen und Ergebnissen kommen, obwohl sie die gleichen Informationen verarbeiten. Es ist wie eine Kettenreaktion, an deren Ende ein Resultat, eine Antwort steht - nur ist diese Antwort von Mensch zu Mensch grundverschieden.
ME/SOUNDS: Es heißt, daß die ersten fünf Jahre im Leben eines Menschen für diese Weichenstellung verantwortlich sind.
BUSH: Das mag sein, aber ich will mich hier nicht als Experte aufführen. Natürlich ist man in diesem Alter extrem empfänglich. Andererseits kenne ich auch genügend Erwachsene, die ebenso formbar und beeindruckbar sind wie Kinder.
ME/SOUNDS: Welche Erinnerungen hast du an deine frühe Kindheit?
BUSH: Ich war mächtig beeindruckt vom Meer, bin es heute noch. Ich wollte immer im Meer aufgehen, wollte Teil des unendlichen Wassers sein. Es war ein unglaublich intensives Gefühl. Dabei kann ich nicht mal richtig schwimmen. Aber einfach am Meer zu stehen und hinauszublicken ... wundervoll! Es war manchmal beängstigend, aber immer ein Erlebnis.
ME/SOUNDS: Bist du ein Land-, ein Naturmensch?
BUSH: Insofern es meine Arbeit betrifft, komme ich in der Stadt gut zurecht. Aber leben möchte ich lieber auf dem Lande. Seit ich 17 bin, habe ich unendlich viel Zeit in abgedunkelten Studios verbracht; ich bin heilfroh, wenn ich etwas sehe, das nicht aus Beton ist.
ME/SOUNDS: Kannst du dich eigentlich in der Öffentlichkeit ganz normal bewegen? Wirst du im Supermarkt von fremden Menschen angehalten und angesprochen?
BUSH: Wenn du gerade im Fernsehen warst, wird’s etwas kritisch. Es ist frustrierend, wenn du ständig beobachtet wirst und dich nicht so verhalten und bewegen kannst, wie du es gerne möchtest. Aber es hält sich in Grenzen, seit ich mir eine Perücke und Brille aufsetze.
ME/SOUNDS: Tatsächlich? Du
verkleidest dich?
BUSH: Klar, ich bin in diesem Aufzug heute auch zum Interview gekommen und werde so auch gleich zu den Dreharbeiten fahren.
ME/SOUNDS: Erzähl mir etwas
von dem Video. Du spielst selber mit, bist aber auch die Regisseurin?
BUSH: Es sind sechs Songs, die mit einem roten Faden und Dialogen verknüpft sind. Es ist mehr ein Kurzfilm als ein gängiges Video. Es ist ein ambitioniertes Projekt - vor allem angesichts der Tatsache, daß das Budget recht mager ist und die Dreharbeiten gerade mal zwei Wochen dauerten. Ich fühle mich jedenfalls geehrt, daß so phantastische Schauspieler wie Miranda Richardson und Lindsay Kemp mitspielen. Wenn man Vorläufer oder Parallelen zu dem Film sucht, dann noch am ehesten zu der “Magical Mystery Tour” der Beatles. Mit dem gleichnamigen Tanzfilm von Michäl Powell hat “Red Shös” nur insofern zu tun, als auch hier die roten Tanzschuhe ein Eigenleben entwickeln und ihre eigenen Abenteuer erleben. Aber ich möchte am liebsten noch gar nicht drüber reden, weil wir noch mitten in den Dreharbeiten stecken. Ich haße es, über ungelegte Eier reden zu müssen.
ME/SOUNDS: Stört es dich,
daß du selber mitspielen mußt?
BUSH: Stören nicht, aber ich stehe weit lieber *hinter* der Kamera.
ME/SOUNDS: Wenn du dich selbst im Film siehst: Bist du zufrieden mit deinem Aussehen, mit deinem Image?
BUSH: Ich habe mich vor einer Kamera noch nie wohlgefühlt. Es ist mir auch ziemlich gleichgültig, ob ich da “schön” bin oder nicht. Es ist für mich viel wichtiger, ob man *überzeugend* ist, ob man wirklich *meint*, was man tut, ob es ehrlich ist. Und das gleiche gilt auch für die Musik: Wenn die Hörer fühlen, daß du es nicht ehrlich meinst, solltest du es besser gleich lassen.
Karstadt “Music News”, 12/93 – Sanft & schön
Transcription : Ulrich Grepel –
Corrections : Tristan
Welling ist eine beschauliche, freundliche Stadt in der Grafschaft Kent, im
Sueden von England. Dieser Flecken - ein Kino, eine winzige Bücherei, ein
Supermarkt, majestätische Obstgärten, schmucke Häuserzeilen - war der
Geburtsort von Catherine Bush. In Welling wuchs sie gemeinsam mit ihren Brüdern
Paddy und John in einem alten Backsteinbauernhaus, das von wildem Efeu umrankt
wird, auf. Ihr Vater war praktischer Arzt, die Mutter, eine unerschütterliche
Irin, mit einem traditionellen musikalischen Hintergrund, führte den Haushalt.
Niemand aus Welling hat es je geschafft, aus der Beschaulichkeit zu einer internationalen Karriere auszubrechen - außer Catherine Bush: Nach ihrem musikalischen Debut 1978 als Kate Bush (“Wuthering Heights”) ging ihr Stern kometenhaft auf, ihre unverwechselbare Stimme brachte ihr Gold, Platin und Weltruhm. Nur Madonna war mit mehr Alben in den englischen Charts erfolgreich. Nach vier Jahren Schaffenspause stellte Kate Bush nun ein neues Album vor: “The Red Shoes”.
MUSIC NEWS: Welche Art von Musik hörst du selber gern?
KATE BUSH: Vieles, aber es darf nicht zu wild sein. Ich mag Klassik, obwohl ich nicht allzuviel von Klassik verstehe. Es ist einfach nur schön, zuzuhören und sich dabei den Gefühlen hinzugeben. Die klassischen Komponisten waren oftmals Genies. Diese Genialität vermisse ich bei zeitgenössischen Musikern.
MUSIC NEWS: Kannst du jetzt um die Weihnachtszeit deine Einkäufe erledigen, ohne von den Fans bedrängt zu werden?
KATE BUSH: Ja. Natürlich. Manchmal bleiben Leute stehen und überlegen vermutlich, woher sie mich kennen. Ich gehe einfach weiter. Ich mache gern Shopping, jetzt habe ich allerdings kaum Zeit zum Einkaufen. Ich arbeite an einem Film. Er wird eine knappe Stunde lang werden und Miranda Richardson, Lindsay Kemp und ich spielen die Hauptrollen. Es ist ein Märchenfilm um sechs Lieder aus “The Red Shoes” herum.
MUSIC NEWS: Was hast du die letzten vier Jahre getan?
KATE BUSH: Ich habe mich hauptsächlich mit meinem neuen Album beschäftigt. Ich war schon immer von dem Ballettfilm “The Red Shoes” von 1948 besessen. Diesen Stoff nahm ich zum Vorbild meiner neuen CD.
MUSIC NEWS: Was machst du, wenn du nicht an einer Platte arbeitest?
KATE BUSH: Ich gehe ganz gern ins Kino. Aber ansonsten bewegt sich mein Leben rund um meine Arbeit. Ich habe wenig Zeit für gesellschaftliche Termine. Parties mag ich nicht besonders.
MUSIC NEWS: Liest du deine Fanpost selbst?
KATE BUSH: Ja. Ich versuche es zumindest. Es berührt mich immer wieder, wie nett mir die Menschen schreiben. Manchmal, wenn ich richtig down bin, hilft mir das Lesen solch eines süßen Briefs wirklich weiter.
MUSIC NEWS: Was machst du, um Spaß zu haben?
KATE BUSH: Platten.
MUCIS NEWS: Lachst du viel, wenn du im Studio bist?
KATE BUSH: Ich mag guten Humor. Ich kann fröhliche, ausgelassene Stimmung auch in meinem Inneren archivieren. Am meisten kann ich über Monty Python lachen.
MUSIC NEWS: Du bist jetzt 35. Mit 19 hattest du deinen ersten Welthit. Hast du Angst vor dem Älterwerden?
KATE BUSH: Nein. Aber es gibt so viele Dinge, die ich noch machen möchte. Und ich habe manchmal Sorgen, daß mir einfach die Zeit davonläuft.
Translation by Ulrich Grepel
Gentle & beautiful
Welling is a peaceful, friendly city in the county of Kent, in the south
of England. This spot - a cinema, a tiny library, a supermarket, majestic
orchards, pretty rows of houses - was the birth place of Catherine Bush. In
Welling she grow up together with her brothers Paddy and John in an old brick
farmhouse, entwined by wild ivy. Her father was a general practioner, the
mother, an unshakeable Irish woman, with a traditional musical background, lead
the household.
Noone from Welling ever managed to break out of the peacefulness into an
international career - except Catherine Bush: After her musical debut 1978 as
Kate Bush (“Wuthering Heights”) her star arose like a comet, her unmistakable
voice brought her gold, platinum and world-wide fame. Only Madonna was
successful with more albums in the English charts. After four years of creative
break now Kate Bush presents a new album: “The Red Shoes”.
MUSIC NEWS: Which kind of music do you yourself like to listen to?
KATE BUSH: Many, but it must not be too wild. I like classical music,
though I do not understand too much about classics. It is just plain nice to
listen to and to give oneself to the feelings. The classical composers often
were geniuses. I miss this genius with contemporary musicians.
MUSIC NEWS: Are you able to do your shopping now around the Christmas
time without being pestered by the fans?
KATE BUSH: Yes. Of course. Sometimes people stand still and probably
wonder where from they know me. I simply go on. I like shopping, but now I do
not have much time for shopping. I am working on a film. It will be almost an
hour long and Miranda Richardson, Lindsay Kemp, and I are playing the leading
roles. It is a fairy tale around six songs from “The Red Shoes”.
MUSIC NEWS: What have you done the last four years?
KATE BUSH: I was mainly busy doing my new album. I always was obsessed
with the 1948 ballet movie “The Red Shoes”. I took this stuff as an example for
my new CD.
MUSIC NEWS: What do you do when you do not work at an album?
KATE BUSH: I like going to the cinema. But otherwise my life just
revolves around my work. I do not have much time for society dates. I do not
like parties very much.
MUSIC NEWS: Do you read your fan mail by yourself?
KATE BUSH: Yes. At least I try. It moves me every time how nice people
write to me. Sometimes, when I’m really down, reading such a sweet letter
really helps me going on.
MUSIC NEWS: What do you do for fun?
KATE BUSH: Albums.
MUCIS NEWS: Do you laugh very much when you are in the studio?
KATE BUSH: I like good humour. I can archive happy, exuberant moods in my
inner self. I can laugh most about Monthy Python.
MUSIC NEWS: You are now 35. With 19 you had your first world hit. Do you
have fear of getting older?
KATE BUSH: No. But there are so many things I would yet like to do. And
sometimes I worry that time is simply running away from me.
Fachblatt Musikmagazin, 01/94 – Del Palmer, Kate Bushs rechte Hand (Richard Buskin)
Transcription : Ulrich Grepel –
Corrections : Tristan
THE RED SHOES heißt das neue Album von Kate Bush; ihr langjähriger Engineer
Del Palmer nahm sich trotz seines vollen Terminplanes die Zeit, um dem
FACHBLATT über die Aufnahmen des Albums und die Beiträge solch illustrer
Musiker wie Clapton, Beck, B[r]ooker und Prince zu berichten.
Von Richard Buskin
Als absolut autodidaktischer Engineer und Musiker begann Del Palmer 1967 mit der Bassgitarre und spielte seither in zahlreichen Bands. Seine Tätigkeit hinter der Konsole ist nicht von so vielen Stationen gekennzeichnet, sondern begann etwa 1978 und ist speziell mit der Karriere von Kate Bush und dem Aufbau ihres Home-Studios verbunden.
Ausgehend von einer sehr einfachen Einrichtung mit einem Achtspur-Teac Recorder war dieses Studio für Demo-Zwecke des zweiten Bush-Albums, LIONHEART, gedacht, und Palmer wurde nur deshalb in die Arbeit involviert, “weil kein anderes Band-Mitglied die Maschine bedienen wollte”. Nun, 15 Jahre später, ist Del Palmer Kates erster Mann an den Fadern, und das Studio hat sich zu einer kompletten privaten Aufnahmelandschaft entwickelt.
In den angrenzenden Scheunen von Bushs Landsitz zu finden, ist dieses Studio mit einer 48-Spur-SSL 4000E-Konsole mit G-Series-Computer, zwei Sony-3324 A-Digitalmaschinen, einer selten benutzten Studer A 80 1/2-Zoll und einem Paar U-Matic-Videorecorder, die ihre Verwendung bei Arbeiten in Verbindung mit Film finden (Motion Worker System), ausgestattet.
Die Aufnahmen für THE RED SHOES benötigten 18 tatsächliche Recording-Monate, über drei Jahre verteilt. “Wie üblich, begann die ganze Sache damit, daß Kate sagte: ‘Ich möchte etwas tun, ich möchte ins Studio und arbeiten’“, erinnert sich Palmer. “In der Anfangsphase stelle ich einen Sound für Kate ein, baue einige Keyboards auf und zeige ihr, wie sie mit der Konsole umzugehen hat - danach lasse ich sie alleine. Sie arbeitet solange bis sie etwas findet, und dann werden Musiker hinzugezogen, um daran weiterzuarbeiten.”
Das Arbeitsverhältnis zwischen Palmer und Bush ist sehr klar festgelegt. Beide wissen ganz genau, was sie wollen und tun. “Es kam des öfteren vor, daß wir hitzige Gespräche führten”, gibt Palmer zu. “Sie sagte: ‘Ich will das machen’. Und ich erwiderte: ‘Schau mal, das kannst du einfach nicht machen! Es wird nicht funktionieren!’ Woraufhin sie fortfuhr: ‘Gib mir nach! Tu es einfach.’ Auf dem Album HOUNDS OF LOVE z.B. gibt es folgenden Part: Help me, baby, help me, baby. Dieser Part wird sehr schnell rein- und rausgeschnitten. Damals sagte sie, sie wolle das durch das Umdrehen des Tapes und dem Betätigen der Record-Taste erreichen. Ich sagte, das würde niemals funktionieren. Das würde nur eine heillose Unordnung geben! Schließlich setzte sie ihren Kopf doch durch - und selbstverständlich funktionierte es.”
Bush selbst ist der Tätigkeit am Mischpult ebenfalls nicht abgeneigt, in einigen Passagen des neuen Albums legte sie selbst Hand an. “Ich ließ sie manchmal für Tage allein, in denen sie alle Vocals aufnahm, erst dann rief sie mich an und meinte: ‘Ich habe alle Vocals drauf, laß uns alles zusammensetzen’. Es gibt keine bestimmte Methode, mit der Kate arbeitet, aber generell sagt sie so etwas wie: ‘Kannst du mir eine Drum-Patter geben, die so klingt?’ Dann singt sie mir etwas vor und ich programmiere den Fairlight dementsprechend. Meistens sind es einfache achttaktige Loops, danach programmiert sie einen Sound in den Fairlight, arbeitet damit und kreiert eine Melodie, bis sie etwas hat und die Vocals aufnehmen will. Manchmal ist es nur ein ‘la-la-la-ling’, aber fast immer gibt es eine kleine Textzeile, die ihr weitere Ideen gibt und die somit Basis für den Song wird. Wir nehmen also einfach alles auf und es entsteht das Basis-Demo, mit dem wir arbeiten - ein achttaktiger Drum-Loop, ein Keyboard und eine ungefähre Gesangslinie. In diesem Stadium kann Kate sagen, ob es sich lohnt, die Idee weiterzuverfolgen oder nicht. Manche Ideen der neuen Platte wurden schon in diesem Stadium über Bord geworfen, andere entwickelten sich noch ein bischen bis offensichtlich wurde, daß auch sie nicht funktionieren würden - vielleicht werden sie als B-Seiten oder Extra-Tracks Verwendung finden.”
Bis zu dem THE RED SHOES-Projekt war es Tradition, die Musiker einzeln ins Studio zu holen, damit sie ihre Parts für das ganze Album aufnehmen konnten: als erster - nach Kate Bushs Meinung der wichtigste - der Drummer, gefolgt vom Basser (oftmals Del Palmer selbst). Diese Arbeitsweise ermöglicht Kate, permanent die Entwicklung des Songs zu verfolgen und eventuelle Veränderungen bei den Keyboard-Parts und den Vocals vorzunehmen. Dieses mal jedoch wurde aus den Gründen, möglichst schnell aufzunehmen und ein verstärktes bandartiges Feeling zu erzielen, anders verfahren. Für die meisten Tracks wurden mindestens Schlagzeug und Bass zusammen aufgenommen, manchmal sogar gleichzeitig mit den Keyboards.
Palmer, der sich mehr auf die Engineer-Rolle konzentrieren wollte, entschied sich dafür, keinen Bass zu spielen, aber dafür die Betreuung für den Bassisten und Drummer über zehn Tage zu übernehmen, um das Band-Feeling [zu] stärken. Eine Betreuung der Gitarren war nicht notwendig, obwohl der Song RUBBERBAND GIRL von Kate gespielte Keyboardpattern enthält, die wie akustische Gitarren klingen, aber gesamplet sind.
“Auf dem Stück BIG STRIPEY LIE spielte sie sogar wirklich eine elektrische Gitarre”, hebt Palmer hervor. “Sie sagte zu dem Gitarristen, der für uns spielte: ‘Ich stehe wirklich auf Gitarre. Ich wäre gern in der Lage, sie spielen zu können’. Er antwortete: ‘Oh, hier, spiele diese (eine Fender Stratocaster) ein bißchen’. Dann zeige er ihr ein paar Akkorde und - das ist jetzt kein Witz - eine Woche später stand sie vor einem Marshall-Stack im Studio! Ich sag’s dir, so etwas habe ich noch nicht gesehen. Es liegt in ihrer Natur. Sie spielte Lead-Gitarre, und wenn sie es niemandem gesagt hätte, hätte keiner gewußt, daß kein erfahrener Gitarrist am Werk gewesen war.”
Überdosis Kompression
Der typische “Kate Bush-Sound”, der sich während der letzten vier Alben entwickelt hat, resultiert nicht nur aus den pulsierenden, hochatmosphärischen Geräuschen, die von überallher kommen zu scheinen, sonder[n] selbstverständlich auch aus Kates völlig eigener, luftiger und heulender Stimmcharakteristik. Am Anfang war WUTHERING HEIGHTS, inzwischen jedoch hat sich einiges verändert, sowohl im Sound als auch in anderen Bereichen. “Ich persönlich kann mir keine Credits für Kates Gesangssound zuschreiben”, gibt Palmer zu, “weil er mir ursprünglich von einem Engineer namens Paul Arden gezeigt wurde, der mir vieles beibrachte. Er machte nie ein Geheimnis aus seiner Arbeit. Immer, wenn ich ihn etwas fragte, zeigte er es mir. Einmal konnte er eine Session nicht übernehmen und fragte mich, ob ich das machen könne. Ich stotterte nur: Oh, ich weiß nicht... Worauf er erwiderte: ‘Worüber machst du dir Gedanken? Tu es einfach!’ Er zeigte mir auch, wie ich den Sound zu benutzen hatte, den sie bei dem Album DREAMING anfingen zu verwenden. Kate liebte diesen Sound, und seither arbeiten wir so.
Grundsätzlich gesehen, arbeiten wir mit einer ‘Überdosis’ Kompression, mit der Kate sehr gut umgehen kann. Ich denke, daß diese Methode für einen durchschnittlichen Sänger unmöglich wäre. Sie muß ihre Kopfhörer wirklich extrem eng anlegen, weil der Sound ansonsten so live ist, daß er überall durchdringt. Wir stellen sie mit einem Neumann U47 in den Live-Teil des Studios - Kachelboden und Steinwände, so ist es sehr, sehr live - und setzen viel, viel Kompression auf ihren Gesang. Die Kompression des SSL-Pultes ist so gewaltig und passt sehr gut zu dieser Methode. Was passiert, ist, daß du jedesmal ihr Einatmen hören kannst, und deshalb muß sie auf eine ganz spezielle Art und Weise arbeiten, um damit klarzukommen. Sie bewegt sich dauernd vom Mikrophon weg und arbeitet wirklich mit ihm. Zudem legen wir ein leichtes Gate auf die Spuren, denn so bekommen wir etwas von dem Raum-Sound, bevor er weggeschnitten wird - es ist ähnlich wie beim Phil Collins-Drumsound.
Wenn Kate laut singt, bewegt sie sich vom Mikrophon weg, bei den leisen Passagen geht sie wieder ran. Wenn sie einatmet, legt sie den Kopf zur Seite. Das Gain auf dem Mikro ist sehr hoch, und zusammen mit der Kompression wird die Stimme richtig hochgequetscht. Rein technisch betrachtet, ist es wirklich schlecht, wie wir arbeiten, weil enorm viel Kompression auf allem ist. Aber solche Sachen interessieren mich nicht; ich will einfach nur, daß es gut klingt. Der Punkt ist doch, daß es für Kate funktioniert.
Wenn es zum Mix kommt, darf man die Stimme nicht so hochziehen, wie man vielleicht annehmen möchte, weil man mit diesem Sound so viele Höhen bekommt. Wir arbeiten wirklich an der Grenze. Manchmal gehen wir über die Grenze, und es klingt verzerrt oder fegt uns den Kopf weg, aber wenn wir den richtigen Punkt finden, können wir die Stimme runterziehen und sie wird sich trotzdem durch alles durchsetzen.”
Im Schnitt nimmt Kate Bush fünf Takes für jede Vokalpassage auf, und in der Regel gibt es beim Mastermix einen favorisierten Take. Die Auswahl erfolgt nach Notizen, die Kate gemacht hat; auf diesen Notizen stehen alle Textzeilen. Während des Abhörens fügt sie kleine Kommentare hinzu. Wenn es zum Punch-In bestimmter Vocal-Parts kommt, kann es Probleme geben, wenn das Noise Gate Synchronisationsfehler erzeugt. Aber trotzdem, so sagt Palmer, fände er immer einen Weg, solche Probleme zu lösen, egal wie präzise die Arbeit sein muß. “In der Regel nimmt Kate eine komplette Passage auf, was normalerweise funktioniert - ich muß nur kleine Korrekturen vornehmen. In manchen Fällen droppe ich nur die Silbe eines Wortes ein. Durch die Schnelligkeit digitaler Maschinen klappt so etwas.”
Fremdgeräusche
Palmer betont, daß er Bushs Stimme nicht aufgrund einer unstetigen Performance bearbeiten muß, sondern wegen der oben genannten Weise, wie ihr Gesangs-Sound produziert wird - viele Nebengeräusche kommen dabei mit aufs Band. “Es ist unterschwellig, aber auf jedem Album, bei dem wir mit dieser Methode gearbeitet haben, hörst du ein Zirpen bei den Vokalpassagen. Es ist so live, daß alles aufgenommen wird. Manchmal, selbst wenn die roten Lichter an sind, kannst du Leute durch das Seitentor gehen und reden hören - dann müßen wir das Tape abschalten und warten. Zudem können wir oft auch nur nachts aufnehmen, weil man tagsüber die Autos vom eine halbe Meile en[t]fernten Highway hören kann.”
Wenn Palmer und Bush mit solchen Problemen zu kämpfen haben, verlassen sich beide ganz und gar nicht auf die alte Devise, daß beim Mix alles nachgebessert werden kann. Palmer betont, daß man es wirklich im Mix rausnehmen kann. Deshalb achten beide darauf, daß alles von vorneherein richtig aufs Band kommt. Als es zum Mastermix des aktuellen Albums kam, mußte einfach nur noch Gleichgewicht, Platz und ein Moment für alles geschaffen werden. Trotzdem gab es dabei auch Ausnahmen.
“Tatsächlich ließen wir einige Effekte auf dem Band, die Kate eigentlich nur
bis zum Mix wollte. Bei dem Song RED SHOES z.B., wenn sie die Textzeile ‘She’s
gotta dance’ singt, hört man diesen kleinen Soundeffekt, ein wirklich hohes
Delay aus einem alten AMS - Oktave oben, Oktave unten -, das durch eine
Sony-M7-Digital-Multieffekteinheit geht. Wir haben daran rumgebastelt, während
wir den Song aufnahmen, es aber dann doch bis zum Mix behalten. Dort hätten wir
es immer noch auf einen eigenen Fader legen und rausnehmen können, wenn wir
gewollt hätten. Die ganze
Sache ist davon abhängig, wie man es aufbaut. Man muß es zur richtigen Zeit
rein- und rausnehmen können und nicht ein oder zwei Tracks verschwenden, um es
aufzunehmen.”
Bei RUBBERBAND GIRL gibt es einen wabbelnden Effekt, der durch das Faden der Stimme erzeugt wird, während das Stereo-Bild eines Digital-Delays darunter hochgefaded wird. “Beide Signale kommen an einen Punkt, an dem sie sich überlappen und das Effektsignal lauter wird. Dann wird das Gesamtsignal ausgefaded und verschwindet immer seltsamer im Hintergrund. Währenddessen wird die ganze Zeit ein Lexicon-224-Hall dazu addiert, um es noch entfernter erscheinen zu lassen. Bei anderen Anwendungen benutze ich einen 480 L, einen 244, einen 244 L, einen Quantec, einen Yamaha Rev 5, einen Rev 7, einen SPX 90, einen alten Eventide-Harmonizer, einen Dimension D, jede Menge Zeug also ... Ich versuche immer, den Quantec für die Vocals zu benutzen, weil er einen sehr kalten und eisigen Sound hat, der gut zu dem sehr kühlen Vocal-Sound passt; er macht die Sache spezifisch.
Andererseits benutze ich einen warmen Hallraum aus dem 480 L für die Background-Vocals und Pianos sowie einen kurzen Raum-Delay aus einem der 244er. So habe ich einen langen und einen kurzen Hall. Auf der Snaredrum hatte ich ein Reverse-Gate aus dem Rev 7, um den Sound härter zu machen. Alle Drumsounds kommen aus dem Sampler, einem Akai S9000, und wurden im Hauptaufnahmeraum in Echtzeit über Simmons-Pads eingespielt. Unser Studio ist so klein, daß es einen ganz speziellen Klang hat, und den wollten wir nicht. Wenn wir Samples benutzen haben wir nicht nur eine absolute Trennung der Sounds, sondern auch eine fantastische Auswahl. Mit dem Rev 7 ist der Sound auf jeden Fall fetter und runder. Speziell bei Songs wie SO IS LOVE und RUBBERBAND GIRL hat das gut geklappt.”
Einer der signifikanten Faktoren bei Tracks wie RUBBERBAND GIRL und BIG STRIPEY LIE ist der pumpende 5-Saiter-Bass-Sound, von John Gidman mit einem G&K-Amp gespielt und in der Küche, um den Sound von den Drums zu trennen, mit einem RE20 abgemiked. “Ich habe es so hochgedreht, daß es wirklich verzerrt war”, sagt Palmer, “und fügte tonnenweise Kompression hinzu, damit der Sound richtig pumpt. Und auch hier wieder: Er spielt so gut, daß es immer klingt, egal was du mit dem Sound machst. Er hat eine sehr leichte Spieltechnik, und ich mußte den Sound speziell für ihn einstellen, ansonsten hätte er Probleme gehabt. Ich mußte es ihm ermöglichen, leicht zu spielen, und als ich das geschafft hatte, hat es mich einfach umgehauen. Es war zu gut.”
Die Gästeliste
Mit Ausnahme des Klaviers (mit 87ern und Massenburg-Parametric-EQ aufgenommen), Fender Rhodes und Yamaha DX7 wurden alle Keyboard-Sounds mit einem Fairlight produziert. Die anderen Musiker hatten nicht viel Raum für Experimente, denn Bush wußte genau was sie wollte, obwohl sie Ideen und Vorschlägen gegenüber nicht verschloßen war. Genau aus diesem Grunde zeichnete Palmer die gesamten Sessions auf, damit sie jederzeit in der Lage war, auf bestimmte Dinge zurückzugreifen.
“Selbst wenn die Musiker aufbauen, nehme ich alles auf, falls Kate fragt, ob ich mich an die Sachen, die beim Aufwärmen gespielt wurden, erinnere. Und es ist klar, daß du sie vergessen hast, wenn keine Aufnahme existiert. Sobald also jemand im Raum ist, lasse ich die 1/2-Zoll laufen.”
Alles in allem ist das sicherlich eine kluge Arbeitsweise, zumal einige der “Band-Mitglieder” nur Gäste waren und andere nur von Zeit zu Zeit wieder auftauchten.
Der Violinist Nigel Kennedy, der seine Dienste für BIG STRIPEY LIE und TOP OF THE CITY zur Verfügung stellte, wurde, auf einem Teppich stehend, in der schalldichten Kammer der beiden Haupt-Live-Räume aufgenommen. “Die Sache mit Nigel ist die, daß er nicht still stehen kann. Er bewegt sich die ganze Zeit irgendwie umher. So entschloß ich mich nach einem Gespräch mit ihm, mit einem Paar 87er aufzunehmen. Sie sind so vielseitig, ich benutze sie für alles. Ein 87er war etwa in zweieinhalb Meter Höhe vom Boden gerechnet über seiner linke[n] Schulter plaziert und auf seine Geige gerichtet, das andere war diagonal zu seiner rechten Schulter in einem Meter Höhe plaziert, es zeigte zu seiner Brust. Die Geige klingt immer ein bißchen quitschig, und so setzte ich wieder den Massenburg-Equalizer ein. Wir müssen auf die Mid-High-Frequenzen achten, weil unsere Räume so spezifisch sind, daß du einen Ton produzieren kannst, der direkt durchs Ohr geht.”
Jeff Beck spielte seine Beck-Signature-Stratocaster bei YOU’RE THE ONE aus dem Kontrollraum über einen kleinen Amp, der unterhalb der Vorderseite der Konsole neben seinem rechten Fuß positioniert war. Das Signal wurde mit einem 87er abgenommen, welches ca. sieben Zentimeter vom Amp entfernt plaziert war und direkt darauf zeigte. “Ich saß direkt an der Konsole, die Racks zu meiner linken und Kate zu meiner rechten Seite. Jeff saß etwa anderthalb Meter hinter uns; so konnte sie ihm immer sagen, wie er etwas machen sollte. In der Zwischenzeit konnte ich die Racks und die Konsole bedienen.”
Eric Clapton spielte währenddessen seine Signature-Strat über ein ähnliches Set-up für AND SO IS LOVE, mit dem Unterschied, daß sein Amp im Studio-Bereich plaziert war. “Was bei Leuten wie Eric Clapton meistens passiert, ist, daß sein Gitarren-Roadie schubkarrenweise Ausrüstung ins Studio anschleppt. Und dann, wenn Eric auftaucht, sagst du ihm, daß du eigentlich nur seinen klassischen Sound möchtest, und er kramt seinen kleinen Combo raus.”
Gary Brooker, man denke an seine ruhmreiche Procol Harum-Vergangenheit, spielte seine Hammond C3 abgemikt von einem 87er (was sonst?) über einen Leslie-Cabinet im Hauptraum, ein weiteres 87er befand sich drei Meter entfernt im Raum, um den Raumklang zu übertragen. Und wieder wurden der Massenburg-Equalizer und harte Kompression eingesetzt, wodurch ein sehr fetter Hammond-Sound bei niedriger Lautstärke erzielt wurde.
Den spezifischen Klang von Kate Bushs Studio im Kopf, entschied man sich für die Abbey Road 2 Studios, um den Gesang des Trios Bulgarkas flächiger aufzunehmen. Dort standen sie um ein Paar - richtig geraten - 87er. Die String-Sessions für MOMENTS OF PLEASURE wurden im Abbey Road Studio 1 aufgezeichnet. Arrangiert wurde diese 20-Mann-String-Section von Michäl Kamen, und das Engineering übernahm Hayden Bendall.
“Das einzige andere, was wir in den Abbey Road Studios taten, war rein technischer Natur, wie z.B. das Übertragen analoger Materialien auf digitale”, sagt Del Palmer. “Wir begannen das Album auf 48 analogen Spuren mit zwei A80, und nach einem Jahr wurde uns klar, dass wir digital fortfahren sollten ... Wir waren uns aber nicht sicher, ob es funktionieren würde - wir dachten, daß wir ohne die Tape-Kompression nicht so einen guten Drumsound erzielen würden, aber nachdem wir diese Mistviecher eine Stunde lang in Betrieb hatten, war ich davon überzeugt. Sie waren einfach gut.
Mit Kates Material, bei dem du so viele Level-Wechsel hast, herrscht ein ständiger Kampf zwischen Noise-Level und Signal-Level. Aber mit digitalen Maschinen hat man ihn nicht. Man kann die leisesten Sachen aufnehmen, ohne irgendwelche Background-Noises zu haben. Tatsache ist, daß ich letztendlich mit den Pultgeräuschen zu kämpfen hatte, die ebenfalls aufgezeichnet wurden. Schweren Herzens habe ich es so gelassen, da man mit einer durchschnittlichen Heimstereoanlage eh nichts davon hört. Ich habe bemerkt, daß ich bei digitaler Arbeitsweise viel weniger EQ eingesetzt habe; ich mußte keine Kompromisse eingehen.”
Wie es sich zeigte, wurde aufgrund der Tatsache, daß man sich während der RED SHOES-Sessions relativ früh für eine digitale Arbeitsweise entschloß, viel des analogen Materiales durch digitales ersetzt - außer den Beiträgen des Trios Bulgarkas und Nigel Kennedys, diese blieben analog.
“Mit der digitalen Arbeitsweise haben sich jede Menge Türen für uns geöffnet, von denen wir früher keine Ahnung hatten. Das Resultat war, daß Kate eine wahre Flut an Ideen hatte.”
Der namenlose kleine Mann
Bei einem Konzert von Prince im Earls Court ließ er Kate Bush ein Zeichen seiner Bewunderung ihrer Arbeit zukommen; das war der Anlaß für eine Zusammenarbeit. Nach ständigem Kontaktieren und seiner Zustimmung für die Mitarbeit bei einem Track, schickte man ein analoges Tape zum Paisley Park. Bush versuchte, ihn telephonisch zu erreichen. Ihr wurde von Assistenten gesagt, daß er “daran arbeiten würde”. Dann, einen Monat später, kamen einige Tapes vom Paisley Park.
“Er hatte aus einem von Kates Songs einen viertaktigen Abschnitt eines Chorusses genommen, einen Loop daraus gebastelt und einfach nur 48 Spuren mit allem möglichen zugekleistert: Gitarren, Keyboards, Drums, Voices ... Ich saß da und dachte: Na klasse, das ist großartig, aber was zur Hölle sollen wir damit machen? Ich erstellte einen Mix und gab ihn Kate, und sie puzzelte damit monatelang herum. Wir kamen immer wieder auf dieses Stück zurück und mit einer Menge Arbeit machte sie aus dem Song das, was er mal gewesen war. Es war einfach verrückt, all dieses Zeug auf dem viertaktigen Loop; da gab es keine Beziehung, keinen Sinn. Ganz nach dem Motto: Hier ist es, nimm dir, was du brauchst. Es klang so, weil sie ihm nur gesagt hatte: ‘Ich möchte, daß du hier ein bischen singst und dort ein bischen.’ Das hatte er auch befolgt, allerdings über dem Loop, das er erstellt hatte. So hatten wir zwar die gewünschten Vocals, aber nicht an der richtigen Stelle. Wir mußten also mit den Gesangsteilen etwas puzzeln und sie dort einfügen, wo wir sie wollten; das gleiche bei der Solo-Gitarre. Auch die Strophen mußten wir rekonstruieren, damit sie überhaupt wieder zu den Texten passten. Dann tauschten wir die ursprünglichen Drums gegen neue, adäquatere aus, weil es mehr ein Uptempo-Song geworden war. Ziel der ganzen Aktion war, daraus wieder ein Kate Bush-Stück zu basteln. Und obwohl es ehrlich gesagt in vielen Belangen nicht so funktioniert hat, wie wir es uns erhofft hatten, ist es immer noch ein sehr interessanter Mischmasch-Song.”
Für die Zukunft sieht Del Palmer jede Menge neues Studioequipment, mit dem Kate Bush in Kontakt kommen sollte, mit dem er sich aber erst näher auseinandersetzen möchte, bevor er ihr Studio neu bestückt und weiter ausbaut. “Ein Punkt, an dem ich arbeiten will, ist die Benutzerfreundlichkeit des Studios für Kate. Alles soll permanent verkabelt sein, so daß sie nur noch einen Knopf zu drücken braucht und der Fairlight oder etwas anderes fängt an zu spielen bzw. zu arbeiten. Ich werde noch einige Spielereien für sie finden...”
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Die auch als “Garbo des Pop” titulierte Engländerin bietet ihren Fans auf dem ersten Album nach knapp vier Jahren Pause das gewohnte Bild: abgehobene Sounds, vertrackte Arrangements, viel Atmosphäre, ebenso verträumte wie gewagte Gesangspassagen, ein Staraufgebot ohnegleichen (Eric Clapton, Prince, Jeff Beck, Gary Brooker, Nigel Kennedy) und das passende Kontingent an Hits (RUBBERBAND GIRL, TOP OF THE CITY). Die stärksten Momente hat das von Kate Bush im Alleingang geschriebene und produzierte Opus allerdings für mich dann, wenn sie sich von ihrem unüberhörbaren (und für meinen Geschmack übertriebenen) Spieltrieb freimacht und allein zu Keyboards (MOMENTS OF PLEASURE) oder in kleiner Besetzung musiziert (YOU’RE THE ONE mit Brookers Hammondorgel, Becks einprägsamer Gitarre und dem beeindruckenden Gesang des Trio Bulgarka) - von diesen Momenten gibt es hier allerdings viel zu wenige ... Mein Wunsch für das nächste Album: Weniger ist mehr!
Andreas Fürbach
Translation by Ulrich Grepel
Del Palmer, Kate Bush’s right Hand
THE RED SHOES is the new album by Kate Bush; despite his full schedule
her long time engineer Del Palmer took his time to tell FACHBLATT about the
recording of the album and the contributions of such illustrious musicians like
Clapton, Beck, Brooker and Prince.
By Richard Buskin
As an absolute autodidactic engineer and musician Del Palmer began
playing bass guitar in 1967 and since played in numerous bands. His work behind
the console is not marked by that many stations, but rather began around 1978
and is especially tied with the career of Kate Bush and the building of her
home studio.
Starting from very simple equipment with an eight track Teac recorder
this studio was meant for for demo purposes of the second Bush album,
LIONHEART, and Palmer was only involved in the work “since no other band member
wanted to operate the machine”. Now, 15 years later, Del Palmer is Kate’s first
man at the faders, and the studio has been developed into a complete private
recording landscape.
Found in the adjoining sheds of Bush’s country seat this studio is
equipped with an 48 track SSL 4000E console with G-series computer, two Sony
3324 A digital machines, a seldom used Studer A 80 1/2 inch and a pair of
U-Matic video recorders which are used when working with film (Motion Worker
System). The recording sessions for THE RED SHOES needed 18 real recording
months, distributed over three years. “As usual the whole thing started with
Kate saying: ‘I want to do something, I want to go into the studio working’“,
Palmer reminds himself. “In the beginning phase I set up a sound for Kate,
build up a few keyboards and tell her how to work with the console - then I
leave her alone. She works until she finds something, and then musicians are
called in to continue working at it.”
The working relationship between Palmer and Bush is clearly defined. Both
know exactly what they want and do. “It happened on many occasions that we had
heated conversations” Palmer admits. “She said: ‘I want to do that’. And I
responded: ‘Look, you simply cannot do that! It won’t work!’ Whereupon she
continued: ‘Give in to me! Simply do it.’ On the album HOUNDS OF LOVE for
example there is the following part: Help me, baby, help me, baby. This part is
cut in and out very fast. At that time she said she wanted to achieve this by
turning around the tape and pressing the record button. I said that will never
work. That will just result in a hopeless mess! Finally she had her way - and
of course it worked.”
Bush herself is not opposed to work at the mixing pult herself, in some
passages of the new album she herself lend a hand. “Sometimes I left her alone
for days, in which she recorded all vocals, only then she called me and said:
‘I have all vocals put down, let us put everything together”. There is no
particular method Kate is working, but generally she says something as: ‘Could
you give me a drum pattern that sounds like this?’ Then she sings something for
me and I program the Fairlight accordingly. Mostly these are simple eight
measure loops, then she programs a sound into the Fairlight, works with it and
creates a melody until she has something and wants to record vocals. Sometimes
it’s only a ‘la-la-la-ling’, but almost always there is a small text line that
gives her further ideas and that therefore becomes the basis for the song. So
we record simply everything and so a basis demo is created with which we work
-an eight measure drum loop, a keyboard and a rough vocal line. In this stadium
Kate is able to say if it’s rewarding to follow the idea or not. Some ideas of
the new album were already dismissed in this stadium, others got developed a
bit further until it became obvious that they also won’t work - perhaps they
will be used as b-sides or extra tracks.”
Up to the THE RED SHOES project it was tradition to call in the musicians
one by one into the studio so they could record their parts for the whole
album: at first - according to Kate’s opinion the most important - the drummer,
followed by the bassist (often Del Palmer himself). This way of work made it possible
for Kate to follow the development of a song permanently and to eventually
change the keyboard parts or vocals. But this time for the reasons to record as
quickly as possible and to get a stronger bandlike feeling we worked
differently. For most of the tracks at least drums and bass were recorded
together, sometimes even together with the keyboards.
Palmer, who wanted to concentrate more on the engineering task, decided
not to play bass, but therefore he looked after the bassist and drummer over a
period of ten days to strengthen the band feeling. Looking after the guitars
wasn’t necessary, though the song RUBBERBAND GIRL has keyboard patterns played
by Kate that sound like acoustic guitars but that are actually sampled.
“On the track BIG STRIPEY LIE she even played an electric guitar”, Palmer
stresses. “She said to the guitarist who was playing for us: ‘I really stand on
guitars. I would like to be able to play it’. He answered: ‘Oh, here, play this
one (a Fender Stratocaster) a bit’. Then he showed her a few accords and - that
now is not a joke - one week later she stood in front of a Marshall stack in
the studio! I tell you, I haven’t seen such a thing. It lies in her nature. She
played lead guitar, and if she hadn’t told anyone, no one had known that there
wasn’t an experienced guitarist at work.”
Compression overdose
The typical “Kate Bush sound” that developed during the last four albums,
resulted not only from the pulsing, highly atmospheric sounds that seem to come
from everywhere, but of course also from Kate’s completely unique, airy and
whiling vocal characteristic. At the beginning there was WUTHERING HEIGHTS, in
the meantime a lot has changed, in the sound as well as in other areas. “I
personally can not give any credits for Kate’s vocal sound to myself”, Palmer
admits, “because originally it was shown to me by an engineer named Paul Arden,
who taught me many things. He never made a secret out of his work. Always when
he asked something he showed it to me. Once he couldn’t make a session and he
asked me if I was able to do it. I only stammered: Oh, I don’t know...
Whereupon he responded: ‘What do you think about? Just do it!’ He showed
me how to use the sound they had started using on the album DREAMING. Kate
loved that sound, and since then we are working like this.
Basically we work with an ‘overdose’ of compression, with which Kate can
work very good. I think that this method would be impossible for an average
singer. She has to wear her headphones extremely close-fitting, because otherwise
the sound is so live that it comes through everywhere. We put her with a
Neumann U47 into the live area of the studio - tiled floor and stone walls, so
it is very, very live - and put a lot of compression on her singing. The
compression of the SSL pult is so enormous and fits very good to this method.
What happens is that you can hear her breathing in every time, and therefore
she has to work in a very special way to get along with that.
She permanently moves away from the microphone and really works with it.
In addition we put a slight gate onto the tracks, because this way we get some
of the room sound before it gets cut away - it is similar to the Phil Collins
drum sound. When Kate sings loud she moves away from the microphone, in the
softer passages she goes closer again. When she breathes in she lays her head
to the side. The gain on the mike is very high, and together with the
compression the voice is really crushed up. Technically how we work is really
bad, because there’s a lot of compression everywhere. But such things do not
interest me; I just want that it sounds good. The point is that it works for
Kate.
As soon as it comes to the mix you mustn’t pull up the voice as high as
you perhaps might think, because with this sound you get so many treble. We
really are working at the limits. Sometimes we go over the limits and it sounds
distorted or blasts away our heads, but when we find the right spot we can pull
down the voice and it will nevertheless put itself through everything.” In
average Kate Bush records five takes for every vocal passage, and generally
there is a favorite take in the master mix. The choice is done with notes Kate
has done; on this notes there are all text lines. While listening she adds
small comments. As soon as we get to the punch in of certain vocal parts there
might be problems if the noise gate produces synchronisation errors. But
nevertheless, says Palmer, he always finds a way to solve such problems,
regardless of how precise the work has to be. “Generally Kate records a
complete passage, which normally works - I just have to do slight corrections.
In some cases I just drop in a syllable of a word. Through the speed of digital
machines this works.”
Interfering noises
Palmer stresses that he doesn’t have to work on Bush’s voice not because
of an unstatic performance but rather because of the above mentioned way of
producing her vocal sound - many interfering noises also get onto the tape.
“It is subliminal, but on every album where we worked with that method
you can hear a chirp in the vocal passages. It is so live that everything gets
recorded. Sometimes, even when the red lights are on, you can hear people going
through the side gate and talking - then we have to turn off the tape and wait.
In addition we often can only record at night, because during the day you can
hear the cars from the highway that’s half a mile away.”
When Palmer and Bush have to fight with such problems they do not at all
rely on the old motto that everything can be improved later in the mix. Palmer
stresses that you really could take it out in the mix. Therefore both pay
attention that from the start everything is put onto the tape correctly. When
the time for the master mix of the actual album came they only had to create
the balance, space and a moment for everything. Nevertheless there were
exceptions.
“Indeed we kept some effects on the tape that Kate actually wanted up to
the mix. With the song RED SHOES for example, when she sings the text line
‘She’s gotta dance’, you can hear this little sound effect, a really high delay
out of an old AMS - octave above, octave below -, that goes through a SONY M7
digital multi effect unit. We fiddled with it while recording the song, but
kept it up to the mix. There we still would have been able to put it onto its
own fader and take it out if we wanted to. The whole thing depends on how you
build it up. You have to take it in and out at the right time and not spoil one
or two tracks to record it.”
With RUBBERBAND GIRL there is a wabbling effect that is made by fading
the voice while the stereo image of a digital delay is faded up below it. “Both
signals arrive at a point where they overlap and the effect signal gets louder.
Then the complete signal gets faded out and disappears more and more strangely
in the background. In the meantime the whole time a Lexicon 224 hall is added
to it to make it appear even more distant. In other applications I used a 480
L, a 244, a 244 L, a Quantec, a Yamaha Rev 5, a Rev 7, a SPX 90, an old
Eventide harmonizer, a Dimension D, a whole lot of stuff ... I always try to
use the Quantec for vocals, because it has a very cold and icy sound that
matches the chilly vocal sound; it makes the thing specific. On the other hand
I use a warm hall room from the 480 L for the background vocals and pianos and
a short room delay from one of the 244s. So I have a long and a short hall. On
the snare drum I had a reverse gate from the Rev 7 to get the sound harder. All
drums came out of the sampler, an Akai S9000, and were recorded with Simmons
pads. Our studio is so small that it has a very special sound, and we didn’t
want it. When we used samples we not only had complete separation of the sounds
but also a fantastic selection. With the Rev 7 the sound is certainly fatter
and rounder. Especially with songs like SO IS LOVE and RUBBERBAND GIRL this
happened to work well.”
One of the significant factors with tracks like RUBBERBAND GIRL and BIG
STRIPEY LIE is the pumping 5 string bass sound, played by John Gidman with a
G&K amp and miked with a RE20 in the kitchen to separate the sound from the
drums. “I turned it up that high that it really was distorted”, Palmer says,
“and added tons of compression to get the sound really pumping. And here again:
he plays that well that it always sounds, regardless of what you do with the
sound. He has a very light playing technique, and I had to tune the sound
especially for him, else he would have had problems. I had to make it possible
for him to play lightly, and when I did manage this it just knocked me down. It
was too good.”
The guest list
With the exception of the piano (recorded with 87s and Massenburg
Parametric EQ), Fender Rhodes and Yamaha DX7 all keyboard sounds were produced
with a Fairlight. The other musicians didn’t have very much room for experiments,
because Bush exactly knew what she wanted, though she wasn’t reserved for ideas
and suggestions. Exactly therefore Palmer recorded the complete sessions so
that at every time she was able to fall back on certain things.
“Even while the musicians build up I record everything, in case Kate asks
if I remember the things played while warming up. And it’s clear that you have
forgotten them if there’s no recording. As soon as someone is in the room I let
the 1/2 inch run.”
All in all this is certainly a clever way of working, especially since
some of the “band members” were only guests and others only showed up from time
to time. The violinist Nigel Kennedy who put his service at disposal for BIG
STRIPEY LIE and TOP OF THE CITY was recorded standing on a carpet in the
sound-proof chamber of the two main live rooms. “The thing with Nigel is that
he couldn’t stand still. Somehow he moves around the whole time. So after a
talk with him I decided to record with a pair of 87s. They are so all-purpose,
I use them for everything. One 87 was placed about two and a half meters above
the ground over his left shoulder and directed at his violin, the other was
diagonally to his right shoulder in a height of one meter, it was directed to
his breast. The violin always sounds a bit chirpy, and so I used the Massenburg
equalizer again. We have to take care of the mid-high frequencies, because our
rooms are so specific that you can produce a sound that goes straight through
the ear.”
Jeff Beck played his Beck-Signature-Stratocaster in YOU’RE THE ONE out of
the control room over a little amp that was positioned below the front of the
console next to his right foot. The signal was recorded with a 87 which was
placed about 7 centimeters from the amp and was directed directly towards it.
“I sat directly at the console, the racks to my left and Kate to my right side.
Jeff sat about one and a half meters behind us; so she could always tell him
how to do things. In the meantime I could operate the racks and the console.”
In the meantime Eric Clapton played his Signature-Strat over a similar setup
for AND SO IS LOVE, with the difference that his amp was placed in the studio
area. “What mostly happens with people like Eric Clapton is that a guitar
roadie lugs wheel barrows of equipment into the studio. And then, when Eric
appears, you say to him that you really just want his classic sound, and he
digs out his small Combo.”
Gary Brooker, think about his famous Procol Harum past, played his
Hammond C3, miked with an 87 (what else?) over a Leslie Cabinet in the main
room, another 87 was three meters away in the room, to get the room sound. And
again the Massenburg Equalizer and hard compression was used, with which a very
fat hammond sound at low volume was achieved.
The specific sound of Kate Bush’s studio in the head, they decided to use
the Abbey Road 2 studios to record the singing of the Trio Bulgarka more flat.
There they stood around a pair of - guessed correctly - 87s. The string
sessions for MOMENTS OF PLEASURE were recorded in Abbey Road Studio 1. These 20
headed string sections were arranged by Michael Kamen, and the engineering was
done by Hayden Bendall.
“The only other things we did in the Abbey Road studios were of pure
technical nature, as for example the transmission from analog materials to
digital ones”, says Del Palmer. “We began the album on 48 analog tracks with
two A80, and after a year it became clear to us that we should continue
digitally ... We weren’t sure if this would work - we thought that we couldn’t
get an as good drum sound without the tape compression, but after we had the
bloody bastards working for an hour I was convinced. They were simply good.
With Kate’s material, where you have so many level changes, there is a steady
fight between noise level and signal level. But with digital machines you don’t
have it. You can record the quietest things without getting any background
noises. Truth is that in the end I had to fight with the pult noises that also
got recorded. With a heavy heart I kept it that way because with an average
home stereo you can’t hear anything anyway. I noticed that with the digital way
of work I used much less EQ; I didn’t have to make compromises.”
As it showed up much of the analog material got replaced by digital
material, because they decided quite early during the RED SHOE sessions to use
a digital way of work - except the contributions of the Trio Bulgarka and Nigel
Kennedy, these stayed analog.
“With the digital way of work very many doors we didn’t think of before
have opened for us. The result was that Kate had a whole flood of ideas.”
The nameless small man
At a concert of Prince in the Earls Court he gave Kate Bush a sign of
admiring her work; that was the cause for a collaboration. After permanent
contacts and his approval to work in one track they send an analog tape to
Paisley Park. Bush tried to reach him on telephone. She was told by assistants
that “he works on it”. Then, a month later, several tapes came back from
Paisley Park.
“He took a four measure part of a chorus of one of Kate’s songs, made a
loop out of it and just slammed 48 tracks with everything possible: guitars,
keyboards, drums, voices ... I sat there and thought: Wow, that’s great, but
what the hell should we do with that? I created a mix and gave it to Kate, and
she puzzled months on it. We came back to this part again and again and with a
lot of work she made this song to what it once was. It was simply crazy, all
this stuff on a four measure loop; there was no relation, no sense. Completely
according to the motto: here it is, take what you need. It sounded this way
because she only told him: ‘I want that you sing a bit here and a bit there.’
He did do this, but over the loop that he created. So we had the wanted vocals,
but not at the right position. We had to puzzle around with the voice parts and
insert them were we wanted them; the same thing with the solo guitar. We also
had to reconstruct the verses, so that they again matched to the lyrics. Then
we exchanged the original drums with new, more adequate ones, because it became
more of an up tempo song. Goal of the whole procedure was to again make a Kate
Bush piece out of it. And even though it honestly didn’t work in many areas as
we hoped it would it still is a very interesting mishmash song.”
In the future Del Palmer sees a whole lot of new studio equipment with
which Kate Bush should get in contact, but with which he at first wants to
concern himself more closely. “One point where I want to work at is the user friendliness
of the studio for Kate. Everything should be cabled permanently, so that she
just has to press one button and the Fairlight or something else starts playing
or working. I will find a lot of toys for her...”
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . .
On the first album for almost four years break the English woman who’s
also titled “Garbo of pop” offers her fans the usual picture: cracked sounds,
tracked arrangements, lots of atmosphere, as dreamy as dared vocal passages, a
contingent of stars with no equals (Eric Clapton, Prince, Jeff Beck, Gary
Brooker, Nigel Kennedy), and the matching contingent of hits (RUBBERBAND GIRL,
TOP OF THE CITY). But for me the opus that was written and produced by Kate
Bush alone has its strongest moments when she frees herself from her
unmistakable (and for my taste overdone) play instinct and makes music alone
with keyboards (MOMENTS OF PLEASURE) or small line-up (YOU’RE THE ONE with
Brookers Hammond organ, Becks catchy guitar and the impressing singing of the
Trio Bulgarka) - these moments are much to seldom here ... My wish for the next
album: less is more!
Rebellinen – Die Geschichte der Frauen in der Rockmusik, 1994 – (Gillian Gaar)
Transcription : Tristan
Article provided by Michael Leitz
Vielleicht
wäre EMI glücklich gewesen, wenn Kate Bush sich als Sängerin ebenso entwickelt
hätte. lhre Entschlossenheit, bei Entscheidungen, die ihre Arbeit betrafen,
mitzureden und ihre Bereltschaft, Entscheidungen anzufechten, mit denen sie
nicht zufrieden war, verhinderten jedoch ihre Entwicklung zu einem bloßen
Pop-Produkt. Bush hatte zudem den Vorteil, daß sie nicht nur Sängerin, sondern
auch Musikerin und Songschreiberin war. Sie wurde 1958 in der englischen
Grafschaft Kent geboren und wuchs in einer künstlerischen Familie auf.
lhr Vater spielte Klavier, ihre Mutter war früher Volkstänzerin gewesen, und ihre
älteren Brüder beschiftigten sich mit Lyrik, Fotografie und Musik. Bush lernte
als Kind zunächst Violine und brachte sich mit elf jahren das Klavierspielen
selbst bei. Bald darauf begannt sie, Songs zu schreiben, was sie zuerst
sorgfältig vor lhren Freundinnen geheimhielt, obwohl die Familie ihre
musikalische Entwicklung förderte. Als ein Freund ihres Bruders David Gilmour
von Pink Floyd ein Demoband gab, das Bush aufgenommen hatte, ermöglichte und
finanzierte Gilmour Bush die Aufnahme eines professionellen Demobandes.
Produziert wurde diese Aufnahme von Andrew Powell, der auch bei ihren beiden
ersten LPs als Produzent fungierte. Das Demo und Gilmours Empfehlung waren
ausschlaggebend, daß Bush als Siebzehnjährige von EMI unter Vertrag genomrnen
wurde.
Wegen ihres jugendlichen
Alters war EMI damit einverstanden, Bush noch ein paar jahre darauf verwendete,
ihre Stimme sowie Fähigkeiten als Songschreiberin und Tänzerin
weiterzuentwickeln. Während dieser Zeit gründete Bush die KT Bush Band, um
Live-Erfahrungen zu sammeln und trat z.B. mit Cover Versionen von »I Heard It
Through the Grapevine« und »Come Together« in Pubs auf. Im Sommer 1977 begann
Bush mit den Aufnahmen zu ihrer ersten LP, The Kick Inside (auf der u.a.
zwei ihrer Demo-Songs zu hören sind, die sie mit Gilmour aufgenommen hatte).
Nach der Fertigstellung hatte sie so viel Selbstvertrauen, daß sie dmuf
bestand, »Wuthering Heights« als erste Single auszukoppeln. EMI hätte zwar
lieber das rockigere »James and the Cold Gun« ausgekoppelt, doch während Bush
mit ein paar Managern des Labels über das Thema diskutierte, kam ein anderer
Manager herein und sagte bellhufig: »Hallo, Kate, die LP ist toll! ‘Wuthering
Heights’ wird doch bestimmt die erste Single, oder?« »Das war so ein gutes
Timing, fast so, als hätte ich den Typ dafür bezahlt«, erinnerte sich Bush in
einem Interview mit Q. »Offensichtlich hielten sie mich zwar für ein
willensstarkes Mädchen, vertrauten dann aber doch seiner Meinung.« Bei der
Auswahl des Cover-Designs für das Album war sie ebenso hartnäckig, und wieder
setzte sie sich durch, obwohl das bedeutete, daß sich die Veröffentlichung der
LP verzbgerte. The Kick Inside erschien schließlich im Februar 1978 und
erreichte Platz 3. Bush hatte bezüglich der ersten Singleauskoppelung eine gute
Intuition bewiesen. Der im Januar 1978 erschienene Titel »Wuthering Heights«
wurde im März Spitzenreiter der Charts. Das britische Publikum konnte der
Kombination aus Bushs hoher Stimme, die eine ätherische Darbietung der
Geschichte von Cathy und Heathcliff lieferte, und ihrem wirkungsvollen Äußeren
nicht widerstehen.
EMI vermarktete Bushs Aussehen mit einem Plakat, auf dem das Bild zu sehen
war, das die Firma als Cover für The Kick Inside verwenden wollte (und
das, für die japanische Version der LP auch tatsächlich verwendet wurde). Es
zeigte Bush in einem eng anliegenden Top, das ihre Brüste betonte. Bush war
sich damals der Wirkung einer solchen Werbung anscheinend nicht bewußt und
sagte 1978 gegenüber dem Melody Maker: »Diese Sex-Symbol-Sache fiel mir
eigentlich gar nicht auf, bis ich merkte, daß mich die Leute in fast jedem
Interview fragten: ‘Fühlst du dich als Sexsymbol?’« In späteren Interviews
zeigte sie wesentlich deutlicher, daß sie über ihre Vermarktung als Sexsymbol
Ende der siebziger Jahre im klaren war. Sie wies darauf hin, daß dieselben
Techniken auch bei Debbie Harry angewandt worden waren: »Wir wurden beide auf
der Grundlage vermarktet, daß wir sowohl einen weiblichen Körper hatten als
auch Sängerinnen waren«, sagte sie 1982 gegenuber dem NME. »Ich wurde
nicht als Sängerin/Songschreiberin angesehen. Den meisten Leuten war nicht
einmal klar, daß ich meine Songs selbst schrieb oder Klavier spielte. Die
Medien vermarkteten mich als weiblichen Körper. Es war, als hätte ich beweisen
müssen, daß ich ein Künstler in einem Frauenkörper war.«
Bush gab zu, daß auch sie selbst traditionellen Vorstellungen von Frauen in
der Rockmusik zum Opfer fiel. »Wenn ich Klavier spiele, hasse ich den Gedanken,
eine Frau zu sein, weil die Leute dann automatisch Vorurteile haben«, sagte
sie 1977 gegenüber dem Melody maker. »Die Frauen, die man am Klavier
sieht, sind entweder Lynsey DePaul oder Carole King. Und die Musik von Männern
– nicht alles, aber die guten Sachen – hauen dich wirklich um, und das ist
genau das, was ich machen möchte. Ich möchte mich mit meiner Musik einmischen.
Es gibt nicht viele Frauen, die das schaffen. Ich identifiziere mich eher mit
Musikern als mit Musikerinnen, weil ich dazu neige, Musikerinnen als... äh...
Frauen anzusehen.« Bei der Aufnahme ihres zweiten Albums, Lionheart, kam
es zwischen Bush und ihrem Produzenten Andrew Powell zu Differenzen, und sie
mußte feststellen, daß sich Vorurteile gegen Musikerinnen auch auf ihre Musik
auswirkten. »Wenn du in diesem Geschäft jung bist [Bush war zwanzig, als sie Lionheart
aufnahm] und dann auch noch eine Frau, wird vieles von dem, was du sagst,
nicht ernst genommen«, erklärte sie in der britischen Radiosendung Small
Beginners. »Und so kam es, daß ich vieles von dem, was ich eigentlich
durchsetzen wollte, nur vorschlug. Wenn ich dann gesagt bekam, daß das nicht
ginge, versuchte ich nicht weiter, es durchzusetzen. Aber jetzt würde ich auf
jeden Fall versuchen, es durchzusetzen! Das ist nämlich meine Art.«
Bei der Arbeit an Lionheart (Dezember 1978),
gab es noch weitere Probleme. Der Zeitraum von zwei oder drei Jahren, den Bush
gebraucht hatte, um The Kick Inside aufzunehmen, wurde für Lionheart auf
zwei oder drei Monate komprimiert. Zudem war Bush frustriert, weil die
Aufnahmen ständig für Werbearbeiten unterbrochen wurden. Und so überraschte es
nicht, daß die LP wie ein Abklatsch von The Kick Inside wirkte und auch
Bush selbst nicht gefiel. Als Konsequenz daraus bemühte sie sich verstärkt
darum, mehr Kontrolle über ihre Karriere zu bekommen und gründete einen eigenen
Verlag und eine Management-Firma (Kate Bush Music und Novercia). In beiden
Unternehmen war sie selbst Geschäftsführerin und setzte ihre Familie als
Vorstandsmitglieder ein. Bush erreichte ihre Unabhängigkeit dadurch, daß sie
sich nach und nach von den Geschäftsleuten in der Musikindustrie distanzierte
und deren Rollen entweder mit Familienmitgliedern besetzte oder selbst
übernahm. Als nächstes plante sie ihre erste Tournee. Mit ihrer typischen
Aufmerksamkeit für Details war Bush an allen Aspekten des Unternehmens
beteiligt. Sie entwarf die Bühnenbilder und Kostüme, choreographierte die
einzelnen Nummern und engagierte MusikerInnen und Roadies. Doch obwohl die Tour
im Frühjahr 1979, die aus achtundzwanzig Auftritten bestand, von den KritikerInnen
gepriesen wurde und auch kommerziell ein Erfolg war, fand Bush die
Vorbereitungen so anstrengend, daß sie erst über zehn Jahre später wieder auf
Tournee ging.
1980 begann sie mit den
Aufnahmen für ihre dritte LP, Neverfor Ever und betätigte sich
erstmals als Co-Produzentin. Bei ihrer Arbeit als Background-Sängerin fär Peter
Gabriels dritte LP hane sie Rhythmusgeräte
und den Fairlight kennengelernt, einen Musik-Computer und Sampler*, der auf
ihrem ersten Nummer-l-Album Never for Ever eine bedeutende Rolle
spielte. Auf ihrer ersten, vollständig von ihr selbst produzierten
LP TheDreaming (1982) zeigt Bush völlig neue musikalische Ansätze.
Obgleich sie wohl kaum die naive, romantische »Vorstadtprinzessin« war, als die
sie manchmal dargestellt wurde – in ihren frühen Stücken geht es um Themen wie
Inzest, Ehebruch, Mord und Atomkrieg – gab sie auf The Dreaming ihre
vormals so reichhaltige Melodik zugunsten einer insgesamt härteren, perkussiven
Musik auf. Die im Juni 1981 erschienene Vorab-Single »Sat in Your Lap« gab
einen Vorgeschmack auf die LP. Aus der frischen Neunzehnjährigen, die 1978 in
»Them Heavy People« noch optimistisch das geistige Wachstum besungen hatte, war
plötzlich eine eher desulusioniert klingende vierundzwanzigjährige Frau
geworden, die mit einem Aufschrei der Enttäuschung ihre Einsicht darüber
beklagt, daß das Streben nach Wissen unwiderruflich zum Scheitern verurteilt
ist.
Auch
in den übrigen Songs der LP klingt Bush wilder und wütender als auf ihren
früheren Alben, z.B. als sie sich in einen Vietkong-Soldaten oder die Frau des
Illusionisten Harry Houdini verwandelt, das Verschwinden der Aborigines beklagt
und in »Get Out of My House« eine Affäre mit einem besonders energischen
Türeknallen beendet. Das Album stellte das britische Publikum vor ein Rätsel
und verkaufte sich schlechter als alle vorherigen LPs von Bush. Trotzdem
erreichte es Platz 3 der britischen Charts. »Das war mein ‘Sie ist verrückt
geworden’-Album«, sagte Bush gegenüber Q. Interessanterweise wurde die
LP ausgerechnet in Amerika – wo die Reaktionen auf The Kick Inside so
schwach gewesen waren, daß EMI Lionheart und Never for Ever in
Amerika erst gar nicht herausbrachte – als »Meisterstück« und »musikalische
Glanzleistung« gepriesen. In Großbritannien war EMI jedoch nicht gerade
glücklich, und Bushs Reaktion war, wie immer, ein Schritt zu noch mehr
Selbständigkeit. So erklärte Gail Colson, die als Peter Gabriels Managerin Bush
kennenlernte: »Kate erzählte mir, daß sich die Leute von EMI nach The
Dreaming mit ihr hinsetzten und von ihr veriangten, daß sie mit einem
Produzenten zusammenarbeitete, weil sie nicht produzieren könne. Darüber war
sie so sauer, daß sie nach Hause ging, sich ein Studio einrichtete und Hounds
of Love machte.«
Ein eigenes Studio verlieh Bush nicht nur völlige
Kontrolle über ihre Arbeit, sondern gab ihr auch die Möglichkeit, sich so viel
Zeit für die Fertigstellung eines Projekts zu nehmen, wie sie brauchte.
Folglich lagen drei jahre zwischen The Dreaming und Hounds of Love (1985),
und es dauerte weitere vier jahre, bis sie ihre nächste LP, The Sensual
World (1989), herausbrachte. Obwohl man Bush nie mit Punk Rock in
Verbindung bringen würde, war sie eine der KünstlerInnen, die sich konsequent
an die do-it-yourself-Devise des Punk hielt, indem sie zwar ihre Verbindungen
zu einem großen Label aufrechterhielt, gleichzeitig jedoch einen völlig
unabhängigen Arbeitsansatz entwickelte. Punk war mehr als nur eine kurze
Energiespritze: Er gab KünstlerInnen die Möglichkeit, die Fäden selbst in die
Hand zu nehmen. Und für die Frauen, die sich these Möglichkeiten zunutze
machten, war Punk eine höchst befreiende Erfahrung.
* Mit einem Sampler
werden natürliche oder künstliche Klänge aufgenommen und digital gespeichert.
Anschließend können sie über eine Tastatur in jeder Tonstufe wieder abgepielt
und außerdem beliebig manipuliert werden.
Rock- & Pop-Lexikon Band 1, 1995 – Kate Bush (Frank / Ingrid Laufenberg)
Transcription :
Tristan
Article provided by Michael Leitz
*30.7.1958 in Bexley, Kent, als Catherine Bush.
Translation by Tristan
Kate Bush
*30/07/1958 in Bexley, Kent, as Catherine Bush. Dave Gilmour from Pink Floyd heard the then 16 year-old Kate
Bush sing some songs and was enthusiastic. He rent her a studio to record demos
and got her a deal with EMI, who wisely decided to wait for Kate as a singer,
and encouraged her to write further songs, build her voice and take dance and
acting lessons. She did that too, and collected live performances in Londonian
pubs with the K. T. Bush Band. In January 1978 her first record was released : Wuthering
Heights, from the homonymous novel by Emily Brontë. It got no. 1 in the UK
in February 1978. With The Man With The Child In His Eyes, Babooshka
and Running Up That Hill, she got further Top-10 successes. She sang Don’t
Give Up in duet with Peter Gabriel in 1986. Her love for literature shows
again in 1989 on Sensual World : she takes the Molly Bloom monologue
from James Joyce’s “Ulysses”. In 1990, EMI honours the singer, who had belonged
to the company for 16 years, with the release of the box A Woman’s Work.
Kate’s exceptional sensibility doesn’t only show in her songs, but also in the
transpositions on video. In 1993 the CD The Red Shoes is released,
coupled with an actually nice but not particularly successful number (e.g. Rubberband
Girl).
If anybody can provide other articles in anything
but English or a translation to the articles, please let me know!
Email: croula@yahoo.com
Tristan