BRIEFE
EINES VERFÜHRERS
Hilda
Hilst - Brasilien
Wie die Lust
denken, gewickelt in diese Lumpen? Meine. Diese Pein, mich flaumig und
geschwürig zu wissen, lange Haare wachsen dir in den Leisten, wenn du
es wagst, zu denken, und danach rund um die Haare trockene Wunden, ich
wage es, zu denken, sage ich mir, der Mund zahnlos vor Last und Lastern,
ich wage es, zu denken, sage ich mir, und das verzeihen sie nicht. Also
halte ich deine Schamhaare und Fotze fest, ficke wild, dein Schrei ist
fein, hart, Peitsche, Knochen, Trümmer sind im Zimmer verstreut, Splitter
dieser Kirche da in Caturré, der Typ hat alles in fünf Minuten in die
Luft gesprengt (war ich es?), er rief matt: Gott? hier, ey!, von Gott
weiß ich nur in der haarigen Muschi der Nutte, und gleich danach hörte
man den Knall, die Kirche explodierte in tausend Teile wie eine Brotfrucht,
die vom Baum fällt. Ich halte die Fotze meiner Konkubine fest, dann spucke
ich auf die Papiere, die ich seit sechs Monaten täglich glattstreiche
befühle zerreiße, beschmutze. Willst du nicht ficken, Tiu? bist du nicht
müde vom Schreiben? Ich sehe Eulália an. Sie ist klein und rundlich. Seit
einem Jahr begleitet sie mich auf den Straßen. - Wir betteln um alles,
was die feinen Leute in den Müll werfen, um alles, was nichts mehr taugt,
und wenn es Essensreste gibt, wollen wir die auch -. Die Wergsäcke füllen
sich, Scherben Bücher Steine, Einige, die sogar Ratten und Scheiße in
den Sack geschmissen haben, was für einen Gesichtsausdruck hatten die
Ratten mein Gott, was für einen verletzten Blick hatten die Ratten mein
Gott, dann sortierten wir alles: Ratten und Scheiße hierhin, Bücher Steine
und Scherben dorthin. Essen nie. Wir hatten den ganzen Tag zu tun. Dann
machte ich die Bücher sauber und begann zu lesen. Eulália sah wie sie
klar kam, um Essen zu besorgen. Was für Lektüren! Was für erstklassige
Leute! Was sie an Tolstoi und Philosophie wegwarfen war unglaublich! Ich
habe ein halbes Dutzend von diesem Meisterwerk "Der Tod von Ivan Ilitch"
und das Gesamtwerk von Kierkegaard. Und Scherben habe ich auch ein paar
besondere: einen Christusfuß aus dem 12.Jahrhundert, das halbe Gesicht
von Tereza Cepeda e Ahumada aus dem 18. Jahrhundert, ein Stück Schenkel
vom Heiligen Sebastian (mit Pfeil und Blut) aus dem 13.Jahrhundert, einen
rosa Plastikschwanz aus diesem Jahrhundert, völlig verbogen, als wäre
er verbrannt (ich habe ihn aufbewahrt, um mich dran zu erinnern... um
meinen nicht in eine von diesen Selbstentzündlichen reinzustecken...),
zwei Papageienfedern, einen Buddhabauch, drei Stücke Engelsflügel, sechs
Bibeln und zweihundertzehn mal "Das Kapital". (Dieses letzte Buch haben
sie viel weggeworfen, es scheint nicht mehr in Mode, glaube ich).
ja, wir ficken,
Eulália, gleich.
Sie lacht. Sie
hat erstklassige (!) Zähne und stört sich nicht an meinem leeren Mund.
Sie weiß, daß sie mir rausgefallen sind (die Zähne), als ich versuchte,
meine Hypothek zu bezahlen. Die Hypothek meines Hauses. Streß. Es ist
schon klar geworden, daß ich es nicht geschafft habe, ich habe Haus Zähne
Möbel und meine Frau verloren. Aber der Schwanz ist hier, ganz, hart,
die Zunge auch, und ich lecke Eulálias Pflaume, das Löchlein, und sie
schreit einen feinen, harten Schrei, Peitsche, Knochen. Dann stecke ich
den Mast rein. Wenn ich komme, wittere ich die Weite. Meine Weite hier
drin. Die ich nicht hatte. Die ich verlor. Ich verlor so viele Worte!
Sie waren wunderschön, weißblond, ich verlor "Monogatari", das ganz bergig
ist voller monos gatas atas gnomos, Affen Katzen Zuckeräpfel Zwergen,
ich habe Lutetia verloren, eine pathetische Frau, aber meine. Sie starb,
gleich nachdem sie mir gesagt hatte: ich geh rüber, um dir wenigstens
'ne Waffel zu holen. Sie wurde überfahren. Meine Lutetia. Die zermatschte
Waffel in der Hand. Meine Lutetia. Nie mehr. Sie war mollig und groß.
Und welche Zärtlichkeit zwischen den Titten, mitten im Drinnen, im Busch,
zwischen den Schenkeln. Was für Hinterbacken! Ich schmiegte mein Gesicht
dran und sagte weinerlich und einfältig zum weichen Fleisch: hätt ich
ein Kissen gehabt wie deins, Lutetia, als ich ein blasser kleiner Junge
war, wär ich Dichter geworden. Dann drehte sie sich um: Wein hier in die
Muschi, mein Junge, besabber die Blume, los. Ich weinte und besabberte.
Sie stöhnte traurig und lang. Ewige Lutetia.
an was denkst
du?
an unser Leben,
Eulália.
geht's uns nicht
gut, Tiu?
wenn ich es wenigstens
schaffen würde, zu schreiben.
schreib von mir,
meim Leben, bevor ich dich getroffen hab, den Prügeln vom Zeca, der Krankheit,
die ich von ihm hab, von meiner Mutter, die gestorben is vor lauter Mitleid
mit meim Vater, als dem seine ganze Leber rausgekommen is, vom Baby, das
ich verloren hab, von Brasilien eben!
ja, Eulália,
ich will von deinem Loch, meinem Stock schreiben.
sag nich sowas,
Schatz, ich will bloß helfen.
Sie legt sich
auf den Bauch, weint ein bißchen, dann schluchzt sie, da nehme ich die
Papageienfeder, eine von denen mit gelbgrünem Flaum, pfeife die Nationalhymne
und federe über ihr Hinterteil, stecke die Feder in den Reif, streichle
langsam über den Höhenzug der Hinterbacken und Eulália richtet sich auf
und streckt sich mir geil entgegen, da gehe ich in den Busch und lasse
der Feder das Fruchtfleisch, schön steckt sie da. Ich spritze dicke Soße
und denke: ich bin ein brasilianischer Autor, was für Machos, Negerpuppe.
Auf geht's.
(...)
© des Originals:
Hilda Hilst, 1991 / © der Übersetzung: Mechthild Blumberg, Bremen, 02/2000