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Als die Liebe starb

"Wir hatten doch so eine schöne Zeit zusammen", sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr. Er sah sie nicht an sondern blickte hinüber zum Waldrand, der schwarz und lauernd wartete wie ein böses Tier.
Aus den morastigen Wiesen stieg der Abendnebel empor, legte sich wie ein Leichentuch über die Landschaft und erstickte sie, langsam und grausam, und schluckte selbst ihre letzten verzweifelten Geräusche, bis sich nichts mehr regte.
Der Nebel, dachte er, wie gut, dass heute der Nebel kommt. Er verbirgt das Schlechte und das Unreine. Wir werden hineingehen, Hand in Hand. Wir werden unsere Liebe in den Nebel legen, wo sie niemand jemals wiederfindet. Und dann wirst du gehen.
"Du willst es doch"? Fragte er laut ohne den Blick aus der Ferne zu wenden. Er hatte sie mit einem Arm umfangen und spürte, wie zart und leicht sie war.
Sie gab keine Antwort. Sie stand nur da am Brückengeländer neben ihm und schwieg. Sie hatte viel geschwiegen in letzter Zeit. Er hatte sie oft nach ihm gefragt aber sie hatte nur geschwiegen. Und manchmal sagte sie: "Es ist nun einmal so. Es tut mir Leid aber es ist so."
"Mein Gott", murmelte er, "weisst du denn nicht mehr, wie schön unsere Zeit war"?
Das Wasser floss träge und schwarz. So träge und schwarz wie seine Gedanken. Eine düstere, bedrohliche Flut, die sich durch seinen Kopf wälzte und ihm Schmerz zufügte. Aus dem Fluss wurde eine Strasse im Regen, die durch unendliche Einsamkeit führt. Er stand auf dem nassen Asphalt und das einzige Licht das ihm leuchtete, wurde immer kleiner und verschwand im Nirgendwo.
"Du willst also gehen", sagte er und sah sie an. Sie regte sich nicht sondern sah starr auf irgend einen Punkt in der beginnenden Finsternis.
"Sieh mich wenigstens an. Es ist doch das letzte Mal. Bitte"!
Er legte zärtlich seine Hand auf ihre Wange und drehte ihr Gesicht zu seinem. Sie wehrte sich nicht. Ihre Haut war ganz blass und kalt. So kalt wie das Metall der alten Eisenbahnbrücke, unter der sich der schmutzige Fluss hindurchwandt. Sie sah ihm jetzt in die Augen, aber ihr Blick traf ihn nicht.
Wie schön sie ist. Alles könnte so schön sein, dachte er und küsste sie ein letztes Mal ganz behutsam auf den Mund. Sie liess es geschehen, aber sie erwiederte den Kuss nicht und er spürte ihre Kälte und wusste, dass er sie verloren hatte.
Auf Wiedersehen. Ich wünsche dir all das Glück, das wir zusammen nicht gefunden haben", murmelte er.
Dann hob er ihren schlaffen Körper über das Geländer und der Fluss, schmutzig und düster, versteckte sie vor einer wunderschönen Welt, die sie nicht haben wollte.