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Archiv der gefälschten Geheimdokumente

Akte 030: BEI RENATE ZU HAUSE

05.12.2000
Hintergrundinfo: http://taxiorange.orf.at/txo1/renate/12601

by rayna

Renate bietet TV-Zusehern und "Fans" an, bei ihr zuhause Gespräche über Gesundheit, Esoterik und Spiritualität zu führen und dabei Lebenshilfe-Tipps und -Tricks auszutauschen. Ich habe dies gewagt und stehe nun vor einem antiken Gemeindebau im 9. Bezirk, direkt über dem Omm-Esoterik-Laden.
Ich habe Angst, dennoch glaube ich an das Gute im Menschen und drücke den Klingelknopf. "Tatata-Taaaa" - Ludwig van B., Schicksalssymphonie - wie passend.
Schritte schlurfen düster über den Parkettboden. Die Tür öffnet sich, eine graublaue Nebelwolke tritt aus der Tür. Der Nebel lichtet sich. Durch Kerzenschein und Schwarzlicht nur unzureichend beleuchtet erkenne ich nun eine Silhouette. Sie ist es, kein Zweifel. Das Ende ihrer Stiefel ist nur zu erahnen, wahrscheinlich in Schrittnähe. Darüber trägt sie einen schwarzen Lederrock, der über und über mit kleinen Morgensternen behangen ist. 'Nur keinen Fehler machen', denke ich. 'Jeder falsche Schritt kann tödlich sein'. Ihr Latexbustier schimmert. Um den Hals trägt sie ein mit Stahlspitzen besetztes Hundehalsband. Nun spricht sie zu mir. Ihre rauchige, dunkle Stimme löst Unbehagen und nacktes Grauen in mir aus. "Konn i dia heelfn?" tönt es durch den Raum. Das Echo hallt durch den Gang bis hinüber zur Bassena. 'Hilft mir denn keiner?' schreit es in mir. Warum hab ich mich bloß darauf eingelassen?
'Der, der-18-Uhr-Termin?' stottere ich. Plötzlich - ein schmerzverzerrter Schrei! Ängstlich blicke ich um mich und stelle mit Entsetzen fest: der Schrei kam direkt aus einem Hinterzimmer von Renates Wohnung. Wilde Panik macht sich breit. Renate bemerkt meine Blicke und lächelt süffisant. "Er war nicht artig..." Sie bittet mich rein.
Die Wohnung ist nicht gerade klein. Es riecht nach ätherischen Ölen, Patchouli und - seltsamer Weise - Koriander und Zimt (anscheinend hat der Advent auch in Renates Wohnung Einzug gehalten...) Trotzdem, diese angenehmen Düfte können den Geruch des Todes und der Fäulnis nicht beseitigen, sondern bestenfalls übertünchen.
Ich folge ihr in ein Hinterzimmer. "Wos du hiiier sehen konnst, iis meein Theerapieraum". 'Was wird das wohl für eine seltsame Therapie sein' denke ich. Die Neugier überwiegt und ich setze mich widerstrebend. "Sog mir gonz eeinfoch wos dich beweegt!" fordert sie. Ich bin unfähig zu sprechen, als Renate plötzlich aus einem Terrarium eine pelzige Vogelspinne nimmt und sie im ganzen Stück verspeist. Dennoch bemühe ich mich, mich nicht zu übergeben. "Kannst du meine Energien sehen?" höre ich mich sagen. "Ich muuss gonz eehrlich sogn, ich biin no net soo weeit, dass ich die gonzn eenergiien seehen konn, aber von dir kumman einige seehr neegative energien umma..." 'Die wievielte Zigarette wird das wohl sein?' frage ich mich. 'Die achte seit dem ich angeläutet habe?'. Plötzlich kommt ein Sklave mit Lederoverall herein. Nur der Mund und die Augen schauen heraus. "Entschuuldige! I muss gonz kuurz ausdämpfn!" bemerkt Renate. "Hilmar, Muund auf!" herrscht sie den Sklaven an. Ich traue meinen Augen kaum, als sie die Zigarette auf der Zunge des devoten Kerls ausdrückt. Er wimmert vor Schmerz, doch ich bemerke ganz genau, wie sehr es ihn erregt. "Und nun verschwiiind eeendlich!" knurrt Herrin Renate. "Uund leeeg deeine Ketten on! Wir weerdn später über deein Beeneehmen spreechen!". Mit einer mit Reißnägeln besetzten Peitche schlägt sie dreimal auf ihn ein. Seine müden Augen leuchten für einen kurzen Moment auf; dann verschwindet er leicht humpelnd wieder. Einen keltischen Fluch aussprechend wendet sie sich wieder mir zu. "Du konnst deeine neegativen Eenergiien auch auf dieesse Weisse loosweerdn..." lächelt sie.

'Rette sich, wer kann! Ich muss sofort diesen Ort des Grauens verlassen!' denke ich.
Ich springe von der Couch auf. "Bleeib doch nooch! Wiir siind noch longe nicht feertig miteinonder!" - "Ich hab noch ein paar ganz dringende Erledigungen!" rufe ich voller Panik und mache die Tür auf. Renate läuft mir nach und will mich packen. Doch ich bin etwas schneller als sie, da sie nach drei kurzen Sprüngen durch ihre Raucherlunge schon außer Atem ist. "Dos wiirst duu bereuen!" verwünscht sie mich.
"Hilmar! Susanne! Peter! Jörg! Foolgt ihm!" Ich hetze hastig die Stufen hinunter und rette mich in den D-Wagen. Vor Wut schnaubend stehen die prominenten Sklaven an der Haustüre und schimpfen mir wild gestikulierend nach. 'Noch einmal gut gegangen!' sage ich zu mir und lösche kommentarlos die Nummer des Esoterik-Studios "Zur wilden Renate" aus meinem Handyspeicher...

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