Geschichte
Was viele (ehemalige) Anwender der C64- und Amiga-Computerlinien gar nicht wissen: Commodore war in der schnelllebigen und recht jungen Computerbranche ein regelrechter Oldtimer. Die Anfänge reichen zurück in die Fünfziger Jahre. Und als eine der ersten großen Firmen ging CBM in Konkurs
Geschichte (1985-1994)
Wenn Sie
geschichtlich interessiert sind, werden Sie sich dieses Datum merken
wollen; mit diesem Tag gehörten die IBM PCs, Apple Macs und Dutzende
geringerer Silikonwunder des Jahrzehnts der Vergangenheit an. |
Auf dem Weg zur Weltpremiere wurden für die Geräte sogar eigene Sitze im Flugzeug belegt, so besorgt war man, dass eines kaputt gehen könnte. Zu diesem Zeitpunkt gab es exakt fünf Genlocks (Geräte zur Einblendung und Überlagerung von Computergrafik und Videobild, eine Spezialität der Amiga- Hardware). Am Vormittag vor der Premiere streikten dann zwei Genlocks und mussten mit Lötkolben und Messgerät wieder fit gemacht werden...
Als eines der Highlights der Show verfremdete dann Andy Warhol Videobilder vom Auftritt der Sängerin Debbie Harry (Blondie), begleitet von Amiga-Musik, in Echtzeit. Der IBM-XT-Emulator "Transformer" wurde vorgeführt, die Boing-Demo sowie viele andere Multimedia-Demos, die die Grafik- und Sound-Fähigkeiten des neuen Systems präsentierten. Die Show ließ die "Zeitgenossen" Apple und IBM-XT ziemlich alt aussehen.
Der Amiga bot Multitasking und Multimedia zu einer Zeit, als niemand mit diesen Begriffen etwas anzufangen wusste. Eine Palette von 4096 Farben zu einer Zeit, als die Konkurrenz gerade mal 16 Farben darstellen konnte. 4-Kanal-Stereo zu einer Zeit, als die Konkurrenz nur Pieptöne von sich gab. Präemptives Multitasking, etwas, das Windows erst zehn Jahre später und der Macintosh erst im MacOS X beherrschen sollte.
Im Februar 1986 waren dann die notwendigen Anpassungen an den europäischen PAL- Videostandard abgeschlossen, und der Amiga wurde in der alten Oper in Frankfurt am Main der staunenden Öffentlichkeit präsentiert - unter anderem von Frank Elstner.
Doch schon so früh in der Geschichte des Amiga gab es Probleme. Professionelle Produkte waren rar; teils aufgrund mangelhafter Unterstützung für die Entwickler, teils aufgrund endloser Verzögerungen in Commodores "Qualitätskontrolle" - mehr als ein Vermarktungsvertrag lief aus, ohne dass das Produkt jemals veröffentlicht wurde. Das Hin und Her führte u.a. zu 900.000 Dollar Schadensersatz, die der Firma A-Squared zugesprochen wurden: "LIVE!" war der allererste Videodigitizer. Leider wurde die Entwicklung so lange verzögert, das der Amiga A1000, für den das Gerät konzipiert war, inzwischen nicht mehr produziert wurde...
In den höheren Etagen von Commodore saß nicht einer, der etwas von Technologie verstanden hätte. Dort sah man den Amiga als Spielzeug für Heimanwender, und verpasste die Chance, den Amiga als Konkurrenz zum IBM-XT zu platzieren - eine Funktion, die er mit seinem Multitasking-Betriebssystem und der grafischen Benutzeroberfläche leicht hätte erfüllen können. (In den Büros rund um die Welt lief fast ausnahmslos MS-DOS!) Frustriert verließen mehr und mehr der ursprünglichen Entwicklercrew die Firma, darunter R.J. Mical und Carl Sassenrath. Jay Miner verließ ebenfalls die Firma, auch aus gesundheitlichen Gründen - er musste sich später einer Nierentransplantation unterziehen, und starb 1994 an Nierenversagen.
Inzwischen war das Betriebssystem bei Version 1.2 angekommen - frühe Versionen des OS waren mit unterschiedlichen Compilern erstellt worden, was zu teilweise üblen Fehlern in den Systemroutinen geführt hatte.
1987 präsentierte Commodore endlich die Amigas der zweiten Generation: der A2000, im großen Gehäuse und mit Ports für Erweiterungskarten, sowie der A500 als "Tastatur mit Computer". Letzterer sollte zum meistverkauftesten Amiga- Modell werden, und wird von vielen noch heute als "der Amiga" angesehen - und hat zum unglückseligen Spielkonsolen-Image des Amigas stark beigetragen.
Auf
den Amiga angesprochen fällt den meisten Leuten heute nicht mehr ein
als "die Spielkiste aus den 80ern". Dabei hat der Amiga in den
80ern in Multitasking, Multimedia, Benutzerfreundlichkeit, Transparenz,
Plug & Play und modularer Architektur Maßstäbe gesetzt, denen die
Konkurrenz seit damals hinterherhinkt. Leider haben viele Anwender nie
mehr mit ihrem Amiga getan, als die nächste Spieldiskette einzulegen -
zu einer Zeit, als der IBM-PC zum Spielen noch nicht taugte - so glaubt
die Welt heute, Microsoft hätte all diese Dinge erfunden... |
Commodore kämpfte immer mehr mit Finanzproblemen. Man sparte an der Entwicklung und am Marketing, verpasste eine Gelegenheit nach der anderen, den Amiga ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Wer weiß heute noch, dass Amiga- Computer bei Filmen wie Max Headroom, Babylon 5, RoboCop, Miami Vice oder Jurassic Park für die Trickszenen eingesetzt wurden? Für die Steuerung der Anzeige in vielen Sportstadien? In unzähligen Fernsehstudios für die Wetterkarte, Nachrichteneinblendungen und als Teleprompter? Der Amiga war flexibel, leistungsfähig, zuverlässig und preiswert, doch nirgendwo sah man Logo oder Schriftzug...
Zudem schmolz der immer noch vorhandene technische Vorsprung stetig dahin. Dann wurde die Entwicklerabteilung im Silicon Valley geschlossen - die meisten Entwickler weigerten sich, nach Pensylvania umzuziehen, weil sie am Puls der Technologie bleiben wollten. Sie bekamen als "Berater" befristete Aufträge von Commodore, die Weiterentwicklung verzögerte sich um acht bis zwölf Monate, der Schwung ging verloren.
Es folgten einige Modelle ohne Sinn und Verstand - die verschiedenen Abarten des A2500, die nichts anderes waren als ein A2000 im Bundle mit verschiedenen Erweiterungskarten. In Amerika verkaufte sich der A2500 sich schlecht, in Europa gar nicht. Das Weihnachtsspecial - A500 inklusive Videorecorder - wurde ohne Verbindungskabel zum Videorecorder ausgeliefert... Commodore machte Verluste.
Es rollten Köpfe ab Fließband - man witzelte, das Chefbüro von Commodore Amerika hätte eine Drehtür. Unter Harry Copperman ging es dann endlich etwas besser voran: Beschleunigerkarten auf Basis des MC68030 (der A2000 und mit Einschränkungen auch der A500 boten spezielle Erweiterungsports, über die schnellere Prozessoren und Speicher nachgerüstet werden konnten), eine Grafikkarte von Lowell, ein Professional Video Adapter, verbesserte Festplattencontroller, ARCNET-Karten, und die verbesserten ECS-Chips.
Commodore
hat eines der bestgehütetsten Geheimnisse der PC-Industrie im Angebot. |
1990 kam dann endlich ein neues Modell auf den Markt, der A3000. Während Betriebssystem und CPU intern schon immer in 32 Bit-Technolgie ausgelegt war, zog jetzt die übrige Hardware nach. Der Zorro-III-Bus war gegenüber seinem Vorgänger Zorro-II um ein Vielfaches schneller, dabei asynchron und voll DMA- tauglich. Als Festplattenschnittstelle war serienmäßig (!) ein SCSI-Adapter eingebaut, statt des geplanten OS 1.4 steckte das komplett überarbeitete OS 2.0 "unter der Haube".
Doch Commodore weigerte sich weiterhin, die Amiga-Hardware für Dritthersteller freizugeben - wie es IBM mit dem PC so erfolgreich getan hatte. Interessenten gab es durchaus: Sun Microsystems wollte den A3000UX als preiswerte Alternative zu den eigenen Sparc-Stations, doch Commodore winkte ab. MicroMomentum und Gigatron hatten Pläne für Amiga-Laptops, doch Commodore war nicht interessiert.
Sechs Wochen später war das Commodore Dynamic Total Vision (CDTV) quasi die erste Set-Top-Box - ein Amiga mit CD-Laufwerk, auf dem spezielle Video-CDs, aber auch Spiele und Büroanwendungen laufen konnten. Die Software "AmigaVision" war ein Meilenstein, realisierte das, was Apple unter dem Schlagwort "Multimedia" propagierte, aber nicht liefern konnte: Sound von CD, Video von Laserdisk, Computergrafik, Live-Video, Interaktion... Wieder war Amiga als erstes mit einer neuen Technik auf den Markt gekommen, und wieder wussten viele Käufer damit nichts anzufangen. Einen Computer fürs Wohnzimmer? Das im CDTV das inzwischen veraltete OS 1.3 steckte, machte das System auch nicht gerade zum Renner.
Schließlich musste Commodore die Niederlage im PC-Sektor anerkennen: In Europa hatte man bisher noch Modelle wie den Commodore PC-10 und PC-20 verkauft, mit mittelmäßigen Erfolg. Der Versuch, diese Modelle in den IBM- dominierten US-Markt zu drücken, war ein Desaster.
Jetzt war Sparen angesagt, doch wieder wurden die falschen Entscheidungen getroffen. Lagerbestände von Amiga A500 wurden zu Schleuderpreisen verkauft, um Platz für den Nachfolger A500+ zu machen - was den Endanwender freuen mochte, aber Commodore weitere Verluste brachte. Bill Sydnes wurde neuer Leiter der Hardware-Entwicklung, und eben diese Entwicklung blieb schlagartig stehen.
Prototypen der dritten Chipgeneration (AGA) waren bereits fertig. In Entwicklungsgeräte wurden sie zusammen mit einem AT&T DSP 3210 Soundprozessor eingebaut, sollten als A3000+ auf den Markt. Doch Sydnes würgte die Entwicklung ab - "zu teuer für einen Heimcomputer" - und forcierte statt dessen das neue Billigmodell A600. Unterstützt wurde er dabei von Helmut Jost (Geschäftsführer Commodore Deutschland), der vollmundig behauptete, 300.000 Stück A600 pro Quartal verkaufen zu können - so viel hatte Commodore zu den besten Zeiten mit dem Renner A500 weltweit verkauft!
Was dieses Modell bringen sollte, wussten selbst die Marketing-Leute nicht zu sagen. Es war teurer als der A500+, leistete jedoch weniger. Er bot so gut wie keine Erweiterungsmöglichkeiten, außer über den PC- Card-Slot (PCMCIA), für den es aber kaum Hardware gab, und wenn doch, war sie teurer als das ganze Gerät.
Technologische Weiterentwicklungen auf der Amiga-Schiene kochten auf Sparflamme, während man nebenbei noch den "C65" entwickelte, den designierten Nachfolger des ehemaligen Verkaufsschlagers C64. So hätte man dem Amiga im eigenen Haus Konkurrenz gemacht, wenn der C65 nicht ebenso ein Flop geworden wäre wie der A600.
1992 kam endlich grünes Licht - aus AGA-Chips, Zorro-III und dem neuen OS 3.0 entstand der A4000. Die neuen Grafikchips boten eine bis dato unbekannte Farbenvielfalt. Das neue Betriebssystem ist nochmals schneller, flüssiger, leistungsfähiger und stabiler geworden. Für das untere Marktsegment wird der A1200 entwickelt, und diesmal kann sich das Ergebnis wirklich sehen lassen. Doch die Nachfrage im Weihnachtsgeschäft übersteigt das Angebot bei weitem, und die alten Modelle will schlagartig niemand mehr haben. Das Fiasko rückt näher, die endlosen Verzögerungen haben die Konkurrenz aufholen lassen...
Ein Jahr später ist Amiga wieder als erstes dabei - das CD32 ist die erste 32 Bit-Spielkonsole, basierend auf (und erweiterbar zu!) dem A1200 plus einem CD- Laufwerk. Doch schon reicht das Geld nicht mehr für eine Großserie, und von den produzierten 100.000 Stück werden die Hälfte allein in Großbritannien verkauft.
1994 - alles zu spät: Die nächste Chipgeneration, die AAA- Chips mit 24 Bit Grafik und 16 Bit Sound, sind bis auf Kleinigkeiten schon fertig, doch Commodore kann die Lieferanten nicht mehr bezahlen. Es wird noch der A4000T ausgeliefert, der erste Amiga im Tower. Ein MPEG-Modul zum CD32 und das OS 3.1 erscheinen, doch gleichzeitig werden bereits massiv Mitarbeiter entlassen, und April 1994 muss eine Filiale nach der anderen den Bankrott erklären.
Es
scheint ein weiterer Fall von Niederlage, den Klauen des Sieges
entrissen. |
Immer noch gut ein Jahr vor Windows 95, doch mit Commodore war auch der Amiga am Ende.
Am Ende?