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Märchen

Die Wiege aus dem Bäumchen bei Baden

Über dem reizenden Baden unweit Wien erheben sich im St. Helenentale auf bewaldeten Felsenbergen die romantischen Trümmer dreier Schlösser: Scharfeneck, Rasenstein und Rauheneck.

In den Trümmern der letztgenannten Burg liegt ein großer Schatz vergraben, den zu heben jedoch noch niemand vermochte. Der Ritter, welcher den Schatz in die Tiefe senkte, knüpfte an ihn eine Verwünschung, indem er auf der Zinne des hohen Wartturmes einen Kirschkern in ein wenig Erde senkte.

"Dem Priester", so sprach er, "soll einst dieser Schatz werden, der in einer Wiege geschaukelt wird, welche aus dem Kirschbaume gefertigt worden, der aus diesem Kern erwächst. Verdorrt das Bäumchen, oder bricht es ein Sturm oder eine Menschenhand, so soll der Schatz nicht eher gehoben werden können, bis ein Vogel aufs neue einen Kern auf den Turm getragen, aus diesem ein Baum geworden und die übrige Bedingung erfüllt wird."

Auf der Mauer des Turmes der Ruine Rauheneck sprießt das schwache Reis eines Kirschbaumes, und es wird noch lange dauern, ehe des alten Ritters Verheißung sich erfüllt.

An der Stelle aber, wo der Schatz vergraben liegt, sieht man mitternachts hüpfende Flämmchen, und der Geist des Ritters umschleicht die Trümmer ächzend und klagend, denn er selbst ist nun gebannt an die Erfüllung.

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Sie tanzten nach der Pfeife

Es waren einmal ein Bauer und eine Bäuerin, die drei Söhne ihr eigen nannten. Zwei davon galten als die schönsten Burschen im Ort. Der dritte aber war bucklig. Seine Brüder hänselten ihn deswegen oft und taten ihm auch manchen Schabernack an. Er ließ sich gutmütig alles gefallen, als sie es aber zu bunt trieben, beschloss er, in die Welt zu ziehen, um sein Glück zu machen.

Der Bucklige ging also fort und wanderte den ganzen Tag über die Berge. Gegen Abend wurde er matt und schwach, und es befiel ihn ein so starker Schwindel, dass er am Wegrand niedersank und nichts mehr von sich wusste.

Als er erwachte, sah er ein kleines Männlein, das sich um ihn mühte und ihm aus einem Fläschchen zu trinken gab. Dann bemerkte er mit Staunen, dass er sich in einer Höhle befand, die durch ein mattes Licht erhellt wurde.

"Hast du Hunger?" fragte ihn das Männlein.

Der Bucklige nickte.

"Komm!" sagte der Zwerg freundlich und führte ihn an einen gedeckten Tisch. "Iss von diesen Speisen, soviel du willst. Wenn du genug hast, leg dich ins Bett dort und schlafe, bis ich dich wecke."

Der Bucklige tat, wie ihm der Zwerg gesagt hatte, und bald schlief er wie ein Ross.

Am andern Morgen weckte ihn das Männlein. Nachdem beide gefrühstückt hatten, führte es ihn durch einen langen Gang, der nur dann und wann von einer matten Öllampe beleuchtet war.

Erst nach zwei Stunden kamen sie durch eine Tür ins Freie. Hier nahm das Männlein von dem Buckligen Abschied, gab ihm die Hand und sagte: "Du bist hier in einer fremden Gegend, aber hab keine Furcht und wandere nur diesen Weg weiter. Und damit du eine Erinnerung an mich hast, nimm dieses Pfeifchen. Es hat eine besondere Eigenschaft. Jeder, der es hört, muss tanzen, solange du pfeifst!"

Das Männlein verschwand, und der Bucklige ging seines Weges dahin. Da begegnete ihm ein Hirte, an dem wollte er die Kraft seines Pfeifchens gleich versuchen. Er nahm es zum Mund und begann zu pfeifen, worauf der Hirte auch wirklich zu tanzen anfing. Sogar die Schafe sprangen freudig im Kreis herum.

Dann geriet der Bucklige in einen Wald, wo ihn die Nacht überraschte. Müde legte er sich unter einen Holunderstrauch und machte die Augen zu. Kaum war er eingenickt, wurde er durch laute Stimmen aufgeweckt.

Da erblickte er, nicht weit von seinem Holunderstrauch entfernt, eine Schar von Räubern. Sie wollten gerade im Schein eines Feuers ihre Beute, viele glänzende Goldstücke, zählen.

Als der Bucklige das Gold sah, fasste er den Plan, es den Räubern zu entreißen. Da fiel ihm sein Pfeifchen ein. Schnell führte er es zum Mund und blies mit aller Kraft hinein. Und siehe, sogleich erhoben sich die Räuber und tanzten so lange, bis sie zu Boden fielen und sich nicht mehr rührten.

Nun sprang der Bucklige hinzu, packte das Gold und eilte davon.

Als der Morgen dämmerte, kam er in ein Dorf, in dem die Leute mit trauriger Miene umhergingen. Weil ihm das seltsam vorkam, fragte er und erhielt zur Antwort: "Der Gutsherr, der stets gütig und freundlich zu uns gewesen ist, will sein Schloss verkaufen und in eine andere Gegend ziehen!"

Der Bucklige empfand Mitleid mit den Leuten, ging zum Schlossherrn und kaufte ihm mit seinem erbeuteten Schatz den ganzen Besitz ab. So wurde er der neue Gutsherr. Er war zu den Leuten ebenso gütig und freundlich wie der frühere, nur liebte er es, sie mitunter nach seinem Pfeifchen tanzen zu lassen.

Nach einer Zeit trug es sich zu, dass zwei Bettler in das Schloss kamen und um eine Gabe baten. Der Bucklige erkannte in ihnen gleich seine beiden Brüder und fragte sie: "Wie konnte es geschehen, dass ihr zu Bettlern geworden seid?"

Da erzählten sie: "Der rote Hahn flog auf das Dach unseres Vaterhauses und vernichtete all unsere Habe. Das größte Unglück aber war der Tod unserer Eltern. Sie konnten das Haus nicht mehr verlassen und mussten im Rauch ersticken."

Darauf gab sich der Bucklige seinen Brüdern zu erkennen. "Was blieb uns anderes übrig, als in die Ferne zu ziehen?" schloss der eine Bruder. Und der andere bat den Buckligen: "Kannst du uns all das Böse, das wir dir angetan haben, verzeihen?" Dazu war der Gutsherr gern bereit. Er verzieh ihnen und behielt sie fortan bei sich.

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Für einen Kreuzer hundert

Es war einmal eine Witwe, welche einen Sohn hatte, den sie christlich erzog und auch fleißig in die Kirche schickte. Da hörte der Knabe einst in der Predigt die Worte: "Wer den Armen etwas gibt, dem zahlt es Gott hundertfach zurück." Sogleich gab der Knabe einen Kreuzer in den Klingelbeutel und hoffte nun von Tag zu Tag, dass Gott zu ihm kommen werde, um ihm hundert Kreuzer zurückzuzahlen.

Als er aber vergebens wartete, ging er zum Pfarrer und erzählte ihm alles. Der Pfarrer stellte ihm vor, dass dies ganz anders zu verstehen sei. Der Knabe wollte sich aber damit nicht zufrieden geben. Um ihn loszuwerden, gab ihm der Pfarrer den Rat, er möge sich aufmachen und den lieben Herrgott suchen, vielleicht begegne er ihm, und dann werde er ihm die hundert Kreuzer wohl zurückzahlen. Der Knabe ging sogleich nach Hause, schnürte sein Bündelchen, verabschiedete sich von seiner Mutter und wanderte fort.

Als es Abend geworden war, sah er eine Hütte, in die er hineinging und den Bauern um Brot und Nachtlager ansprach. Dieser fragte ihn, wohin er gehe.

"Ich will den lieben Herrgott aufsuchen", sagte er.

Der Bauer war verwundert und versprach ihm Brot und Nachtlager, wenn er beim lieben Herrgott einen Gruß von ihm ausrichten und ihn fragen wolle, warum sein Apfelbaum, der früher soviel Obst getragen habe, jetzt gar nichts mehr trage. Der Knabe versprach es und wanderte am Morgen weiter.

Abends kam er in eine große Stadt, in deren Mitte sich das königliche Schloss befand. In dieses ging er hinein und bat wieder um Nachtlager und Brot, indem er den Zweck seiner Reise erzählte. Man berichtete es dem König, dieser ließ ihn zu sich rufen und gab ihm zuletzt den Auftrag, dem lieben Herrgott einen Gruß auszurichten und ihn zu fragen, warum das früher so heilsame und reine Wasser des Schlossbrunnens jetzt verunreinigt und stinkend geworden sei. Der Knabe versprach auch dies und wanderte nach herzlichem Dank am anderen Morgen weiter.

Am Abend fühlte er sehr große Müdigkeit, und zum Glück erblickte er ein Kloster und ging hinein. Auch hier bat er um Brot und Nachtlager und erzählte dem Torwärter, wen er suche. Dieser berichtete es dem Prior, und der gab ihm den Auftrag, im Falle er dem Heiland begegnen sollte, so möge er von ihm einen Gruß ausrichten und ihn fragen, warum in dem früher so friedlichen und stillen Kloster jetzt immer um 12 Uhr mittags gezankt würde. Der Knabe versprach auch dies und wanderte weiter.

Doch die ganze Nacht hatte es geregnet, und am Morgen goss der Regen in Strömen herab. Der Knabe war schon bis auf die Haut nass geworden, als er auf einmal einen Mann mit einem großen roten Regenschirm vor sich erblickte. Er beeilte sich, ihm nachzukommen, und bat diesen, er möge ihn doch auch unter dem Regenschirm gehen lassen. Das geschah, und im Gehen erzählte nun der Knabe, warum er eigentlich die Reise angetreten habe.

Der Fremde hörte lächelnd zu und sagte ihm: "Da kannst du noch lange fortgehen, bis du den Heiland antriffst; wenn du mir aber folgen willst, so kehr um und sage jenem Bauern: in früherer Zeit haben die Äste des Baumes über den Zaun gehangen und von den Früchten sei den Armen viel zugute gekommen, während er später den Zaun weiter hinausgerückt habe; rücke er den Zaun wieder herein, so werde der Baum wieder fruchtbar werden. Dies sollst du dem Bauern aber erst dann sagen, wenn er dir hundert Kreuzer versprochen hat. Dem König sage, seitdem er das Wasser des Brunnens den anderen Menschen entzogen habe, sei es so schlecht geworden; übergebe er den Brunnen wieder dem öffentlichen Verkehr, so würde das Wasser wieder seine vorige Güte bekommen. Aber dies musst du ihm erst sagen, nachdem er dir für die Angabe der Ursache hundert Taler zugesagt hat. In dem Kloster sage, dass der Koch der Zwietrachtteufel sei, und sie sollten ihn deshalb so geschwind als möglich entfernen. Vorher musst du dir aber hundert Gulden ausbedingen."

In dem Augenblick verschwand der Fremde, und der Knabe kehrte sogleich um und tat, wie ihm der Fremde befohlen hatte. So bekam er mehr als hundertfachen Lohn.

 

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