Commodore 610 mit SFD1001
Die Fertigungsstätten in der BRD bauten zunächst
importierte CBM 4000-Platinen in Gehäuse ein; es wurde dann groß "Made
in Germany" aufgeklebt. Die neue Entwicklungsabteilung schuf aber
bald den CBM 8032 und später den 8032SK, den ersten Rechner in einem
ansprechenden, von den Entwicklern ergonomisch gedachten, Gehäuse. Erstmals
konnte man die Tastatur abnehmen und den angebauten Monitor drehen und
schwenken. Leider war die Tastatur zu hoch, als dass eine gesunde
Schreibhaltung möglich gewesen wäre. Dafür hatte sie erstmals deutsche
Umlaute.
Eine Forderung der Geschäftsleitung in den USA war ein
neuer Heimcomputer. West Chester, USA entwickelte an etwas, was später der
C64 werde sollte. Und in Braunschweig machte man sich auch an einen
Tastaturcomputer (also ein System, in dem Motherboard und Tastatur in einem
flachen Gehäuse untergebracht sind.) Der 610 wurde zusammen mit dem 500
(technisch identisch mit 610, nur hat der den C64-Videochip) und dem 720
(technisch identisch, lediglich mit 256 KB RAM und in einem Gehäuse mit
Monitor und abgesetzter Tastatur) entwickelt. Leider konzentrierte sich die
Konzernleitung auf die Vermarktung des billigeren C64. Laut Pressestimmen war
der 610 dem C64 haushoch überlegen, war jedoch zu teuer (wegen 128 KB RAM)
und erst nach dem C64 zu haben. So folgte der Markt dem neuen System nicht,
obwohl er technisch besser war. Über den Expansionsport waren
Erweiterungskarten, z. B. Centronics, RAM-Ausbau bis maximal 960 KB (per
Bank-Switching, 16 Bänke á 64 KB) möglich. Ein interner Erweiterungsplatz für
Zweitprozessor (Z80/8080/8085) erlaubte CP/M, doppelte Taktgeschwindigkeit
(also fast doppelte Rechenleistung) im Vergleich zum C64, Tastatur mit
Ziffernblock, usw. Durch den riesigen Erfolg des C64 überrollt, wurde der 610
ab 1985 für wenig Geld verramscht und stellte den ersten Fehlschlag
Commodores dar.
Als 710 (technisch gleich dem 610, jedoch im Gehäuse des CBM 8032SK), 720
(256 KB) und 730 (zusätzlich mit 8080-Karte für CP/M) sollte die Linie
wieder Boden im Büro zurückerobern. Die c't schrieb damals, dass das Gehäuse
des 710 recht eigenwillig und bestimmt nicht ergonomisch wäre, denn die
Tastatur war zwar vom Rest getrennt, aber völlig sinnloserweise viel zu dick
(die eigentliche Tastatur war recht dünn, nur das Tastaturgehäuse war klobig
geraten), so dass eine natürliche Schreibhaltung unmöglich und längeres
Arbeitern sehr ermüdend sei. Außerdem ist die Anordnung der einzelnen Tasten
recht unlogisch, besonders die wichtigen Cursortasten liegen in einer Reihe
(rauf, runter, links, rechts), da greift man fast immer daneben. Dafür war
der Monitor dreh- und kippbar, für CBM-Rechner vorher völlig undenkbar (sie
waren immer fest mit dem Grundgerät verbunden). Mit Schnittstellen war er gut
bestückt: RS232C, IEE488 (gleich zweimal), Datassette (wurde aber vom
Betriebssystem nicht angesteuert!), User-Port (nur intern),
Erweiterungssteckplatz für RAM/ROM - und: Ein RESET-Taster! Das war ebenfalls
noch nie serienmäßig gewesen. Das eingebaute, stark verbesserte Basic (mit
Fehlerbehandlung, DELETE, IF-THEN-ELSE usw.) war zwar kompatibel zu den Basics
der Vorgänger, aber wieder einmal wurden viele Systemadressen in der
Zero-Page und im ROM geändert, so dass Maschinensprache-Routinen wieder
einmal angepasst werden mussten (das hatte CBM bisher bei jedem neuen Rechner
so gemacht, da erwartete man beim 710 auch nichts anderes mehr). Der Monitor
leuchtete sehr stark nach, dadurch flimmerte das Bild zwar nicht, aber die
Cursorpositionierung geriet zum Glücksspiel (das blinkende Kästchen
verschwindet bei Bewegungen völlig, erst wenn der Cursor etwa 0,5 sek. am
selben Platz steht, sieht man ihn wieder).
Resümee der Tester: Für den Anwender kaum zu gebrauchen, da keine alte
Software läuft. Und für Programmierer nur eingeschränkt, da CBM mit
Informationen zu Zero-Page, ROM-Code usw. geizte. Für 3000 DM ein halbwegs
gelungener Rechner, jedoch mit einigen Haken und: er kam zu spät. Angekündigt
bereits 1982, kam er erst 1984 auf den Markt, die Konkurrenz hatte ihn längst
überflügelt. Und trotzdem wurde er ohne deutsche Anleitung ausgeliefert (das
deutsche Handbuch "durfte" man später nachkaufen...) Den 610 konnte
man auf 256 KB RAM nachrüsten: 16 IC-Sockel einlöten (dazu 256 Lötaugen
freilöten), 16 RAM-Chips einstecken, und wundern... Denn erst durch Austausch
der ROM-Chips erkennt das Betriebssystem den größeren Hauptspeicher! Kleiner
Bug am Rande: Wie bei einer Schreibmaschine ertönt ein Glockenton aus den
internen Lautsprecher, wenn man beim Tippen die 75. Spalte erreicht. So kann
man rechtzeitig die Basic-Zeile beenden. Leider funktioniert diese Routine
nicht nur im EDIT-Modus, sondern immer! Sobald der Cursor die 75. Spalte
erreicht, bimmelt der Rechner. Bei einer Textverarbeitung kann das ja noch
recht sinnvoll sein (auch wenn die den Zeilenumbruch lieber selber macht),
doch wenn es auch bei Bildschirmausgaben dauernd klingelt, wird es nervig.
Denn auch bei PRINT-Befehlen wird geläutet! So musste der Programmierer bei
Bildschimausgaben den Lautsprecher abschalten, um den Anwender zu schonen...
Ein weiteres Produkt, dass man zwar bis zur Marktreife
brachte, dann aber doch wieder fallen ließ, ist der C900. Ein auf Unix
basierender Computer mit einer 16-Bit-CPU von Zilog (Z8000), 512 KB RAM (auf 2
MB erweiterbar), IEEE488-Bus, Festplatte von 20-87 MB, Textmodus mit 80x24
Zeichen, Grafik bis 1024x800, Betriebssystem OS UNIX bzw. Coherent, 1,2
MB-5,25-Zoll-Floppy, und Mausanschluß, so hätte er ein recht erfolgreicher
Workstation-Rechner werden können (damals gab es noch nicht allzu viele
Workstations mit Grafikausgabe und Mausunterstützung!) Allerdings entschied
das Management, dass CBM erstmals viele Homecomputer verkaufen sollte, statt
nur wenige Highend-Geräte. So gibt es nur etwa 500 Prototypen vom C900.
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