Commodore C 64 + SX 64

Anfang 1982 hatte CBM etliche neue Produkte in der Entwicklung, darunter den legendären C64. Tramiel wusste, um erfolgreich zu bleiben, muss man Gewinner sein. Die Entwicklungsabteilung, die bereits den VC-20 herausgebracht hatte, wurde verstärkt. Es entstand ein recht einfach aufgebauter Computer mit besseren Grafik- und Soundfähigkeiten sowie mehr Speicher, als die anderen Heimsysteme bieten konnten. Der Soundchip war der erste, den Commodore extra für einen Homecomputer entwickelte, statt wie bisher, bestehende ICs einzubauen. Der Entwickler, Bob Yannes, konnte sich so richtig austoben, und Funktionen teurer Profi-Synthesizer (z. B. Filter und Audio-Eingang) integrieren. Aus Kostengründen entschied man sich wieder für das Gehäuse des VIC-20. So unterscheidet er sich von seinem Vorgänger optisch nur in der Farbe. 64 KB RAM waren damals eine Domäne der Profirechner. Und dieser Homecomputer mit Fähigkeiten, die manche Bürorechner nicht bieten konnte, wurde auf die selbe Art wie der VC-20 vermarktet: in Spielwarenketten wie Toys 'R' Us. So erreichte der C64 gleich die richtigen Käufer: den Heimanwender. Diese Kundschaft wurde vom elitären Gehabe der klassischen Computergeschäfte abgeschreckt, aber bei den Ketten gingen sie ein und aus, um die Barbie-Puppen für ihre Kinder zu kaufen. Da konnten sie dann gleich noch für Papi den Heimcomputer mitnehmen. Allerdings gaben diese Ketten keinerlei Rat, Hilfestellung und Service, das sparte Personal und die eingesparten Kosten machten den C64 billig. War das Gerät defekt, wurde es nur umgetauscht, hatte man Softwareprobleme, dann belästigte man nicht den Verkäufer damit, sondern wendete sich an Zeitschriften und Computerclubs. Die klassischen CBM-Händler verkauften die 8000-Serie am liebsten gleich mit Wartungsvertrag, so etwas machte aber kein Privatkunde.
Zwar hatte der C64 am Anfang massive Qualitätsprobleme (etwa 25% waren innerhalb einer Woche nach Kauf defekt), aber die Geräte wurden ja sofort ausgetauscht, der Kunde war glücklich, dass alles so schnell über die Bühne ging und keiner redete groß darüber. Glücklicherweise bekam man innerhalb eines halben Jahres die Fertigung besser in den Griff, die Fehlerrate sank auf damals übliche 4%. 1983 schaffte man es, eine C64-Platine, eine Floppyplatine, ein Floppylaufwerk, ein Netzteil und einen Farbmonitor (5 Zoll) in ein gemeinsames Gehäuse zu integrieren, und so den ersten portablen (schleppbar bei ca. 17 kg Gewicht) Farbcomputer herzustellen und als SX64 zu vermarkten. Leider war er etwas zu früh und vor allem zu teuer, um ein großer Erfolg zu werden.
Kurze Zeit wurde im US-Bildungsmarkt der 4064 vertrieben: Ein C64 in einem 4032-Gehäuse. (Leider ist mir nicht bekannt, ob er einen internen Lautsprecher, eingebaute Floppy oder sogar einen Farbbildschirm hatte.)
Bis 1984 hatte CBM 4 Millionen Rechner weltweit verkauft und pro Monat gingen weitere 300.000 Stück über die Ladentheken. Der C64 war der erfolgreichste Homecomputer geworden. Und Tramiel glaubte weiter an den Erfolg, denn erst 6% aller US-amerikanischen Haushalte hatten einen Computer. In der besten Zeit der Videogames hatten 25% ein Videospiel gekauft, diese Zahl wollte Jack auch erreichen.
Ab 1990 stiegen die Verkaufszahlen, die durch den Amiga und Konsorten sanken, noch einmal enorm an. Die Öffnung des Ostblocks und der Fall der Mauer sorgen für Nachfrage an billigen Computern. Hatte vorher ein C64-System in der DDR bis zu 25.000 Ostmark gekostet, gab es das Gerät mit Floppy und Monitor NEU für weniger als 500 DM. Bis zur Produktionseinstellung 1993 wurden weltweit mehr als 22 Millionen Computer verkauft. Mehr Geräte des selben Typs hat niemals eine andere Computerfirma geschafft. Und überboten werden kann diese Zahl auch nicht mehr, da die Rechner sich inzwischen in immer kürzeren Abständen abwechseln.
Warum wurde der C64 so erfolgreich? Nun, zum einen wohl der damals riesige Speicher von 64 KB, seine damals großartigen Grafik- und Soundfähigkeiten. Der Soundchip "SID" ist wohl der beste, jemals in einen Computer verbaute Klangerzeuger (Von Soundkarten der PCs reden wir nicht, die können nur Samples abspielen.). Er hat Filter, die Klänge ermöglichen, die den damals teuer zu kaufenden Profisynthesizern durchaus nahekommen. Die Erfindung des "Sprite", eines 24 x 20 Pixel großen Bildes, das der Videoprozessor selbsttätig auf dem Bildschirm bewegt, ohne dass der Hauptprozessor diese Grafikdaten ins Video-RAM einkopieren muss, ist zwar nicht direkt von Commodore (Ataris Computer der 400/800-Serie hatten etwas ähnliches schon 1978). Aber erst die CBM-Sprites wurden vom Grafikchip (den man schon fast Grafikprozessor nennen darf) auf Kollision untereinander bzw. mit dem Hintergrund überwacht. Das war ein Novum und vereinfachte die Programmierung von Spielen enorm. Und durch einen Programmiertrick lassen sich die Sprites vervielfachen, so dass man 64 Sprites darstellen kann.
Aber der eigentliche Grund für den Erfolg des C64 liegt wohl darin begründet, dass er seine Fähigkeiten dem Anwender nicht preisgibt. Ohne Erweiterungen kann man die Sound- und Grafikfähigkeiten nur durch endlose POKE- und PEEK-Orgien steuern. Die Kommunikation mit den Peripheriegeräten geschieht über serielle Interfaces mit einer Geschwindigkeit von 500 Zeichen in der Sekunde. So konnte CBM den Rechner preiswert anbieten. Demzufolge verkaufte er sich recht gut. Die Zubehörindustrie entdeckte ihn und bot schnell Erweiterungen an, um die in ihm schlummernden Fähigkeiten dem Anwender erreichbar zu machen. Spieleprogrammierer schufen neue Genres, die nur mit den Sprites möglich waren, und auf anderen Computern nicht oder erheblich langsamer abliefen. So war ein bald unüberschaubares Angebot an Soft- und Hardware für den C64 am Markt. Wer sich einen neuen Rechner kaufen wollte, orientierte sich nicht nur am Preis, sondern auch am Angebot. Und das war für den 64'er eben riesig. So wurde der C64 der erste Selbstläufer der Computergeschichte, der kaum Werbung brauchte, dem Hersteller immer guten Gewinn schaffte (viele spätere Experimente wurden mit den Gewinnen des C64 bezahlt) und der Konkurrenz die Luft abdrehte. Zeitweise hatte Commodore über 75% Marktanteil!
Vielleicht ist diese Dominanz der Grund, warum man später so wenig Werbung für seine Produkte machte und darauf baute, dass sich Systeme wie der Amiga, das CDTV oder CD32 von allein bzw. nur durch Mundpropaganda verkauften.

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