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Auf der Suche nach dem farbigen Schatten

Die Landschaften des Volker Tannert von Erich Kukies 2000.

Erstmalig am Ende des 18.Jahrhundert gewinnt die Landschaft als autarker Gegenstand Bedeutung in der Malerei.In England tritt sie als subjektiver Aspekt neben der Akt-,Portrait- oder Stillebenmalerei auf.John Constable und William Turner sind nicht nur die großen Anreger des Impressionismus sondern wirken auch heute noch nach.Dabei wurde die Landschaft als Romantik pur empfunden,was heute,Anfang des neuen Jahrtausends nicht mehr gilt. Auch wenn teilweise eine romantisierende Bilderwelt dominiert,liegt das Hauptanliegen der Küstler aber eher auf der umweltkritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Landschaft. Ein immer breiteres Bewußtsein gegenüber der Zerstörung unseres natürlichen Lebensraumes schüren die Sehnsucht nach einer intakten Natur. Das Einssein mit der Natur feiert Triumphe,auch wenn man es als fromme Lüge einer profitgeilen Tourismusindustrie brandmarken sollte. Unsere Landschaften haben aufgrund des menschlichen Versagens tiefe Wunden;Wunden,die erst wohl heilen können,wenn der Mensch den Planet Erde verlassen hat.Die Dinosaurier lassen grüßen. Den Mythos,der Mensch lebe mit der Natur im Einklang,kann man getrost als Marketingstrategie der Generation Spaß abtun.

Die Rückwärtssicht der Maler beschränkt sich seit den siebziger Jahre nicht mehr nur auf die Mythengeschichte der Menschheit, sondern vielerorts ist eine Malerei zu beobachten,die sich mit den soziologischen und gesellschaftpolitischen Aspekten einer Gesellschaft beschäftigt,die immer weiter ihrem eigenen Untergang entgegensteuert. Dabei empfindet man die Renaissance einer unbekümmerten,farbkräftig expressiven Malerei als eine Befreiung von den repressiven Zwängen der kopflastig-theoretischen Concept-Art,die zu rational und zu esotherisch erschien,und die mehr hochtrabende Gedankengebäude als reale Kunstwerke produziert hatte.Diese Anti-Kunst hatte in den 70ern die Malerei verdrängt. Nur ein ganz großes Manko haben die Concept-Art und ihre Protagonisten, übrigens auch in einem ganz besonderen Maße Beuys,nie überwinden können : Duchamp was here!!!!

In Europa bildete sich eine neoexpressive Malerei heraus,deren Hauptvertreter in Deutschland saßen und noch heute sitzen. Dieser kometenhafte Aufstieg der jungen Wilden verursachte in der Kunstszene einen derart großen Wirbel,wie es ihn wohl vorher nur bei den Aktionen von Beuys gab.Zahlreiche Kritiker,die diese jungen Maler als malende Punks,Stümper und als hochgemutete Nichtskönner bezeichneten,beschworen Endzeitszenarien herauf.Das ist nichts neues.Die zeitgenössische Kunst ist immer umstritten.Diesen Kritiker geht es aber nicht darum,etwas zu sehen oder gar zu begreifen.Sie schützen nur ihr mühsam erworbenes Wissen.Das haben sie schon immer gemacht, wohl wissend,daß sie ihre Meinung eines Tages ändern müssen, aber dann wird es ja wieder etwas geben,was man verdammen kann. So ging es den Informellen der 50er auch schon.Totgeschwiegen,ignoriert und letzlich nur beschimpft.Zehn Jahre später von den selben Leuten als größte Leistung der deutschen Nachkriegskunst glorifiziert. Kritikern fehlt es sehr oft an mangelnder Information.Gesegnet sind sie dagegen mit Routine und Besserwisserei. Auch heute,Anfang 2000,wird diese Malerei immer noch für tot erklärt.Nur interessant ist,auf einer Auktion einen "toten" Fetting zu einem Verkaufspreis von DM 70.000 zu sehen, während Arbeiten der von der Kritik hochgelobten Konzeptler dort nie auftauchen,weil niemand diese geniale Kunst haben will.Und was wird dieser Fetting kosten,wenn der Künstler wirklich tot ist?Nun,die Kunst lebt und sie wird mit Sicherheit alle Attacken der Todflüsterer überleben!
Für den Malereischub Anfang der 80er Jahre war eine Konzeption nötig, die antikonzeptionell,aber nicht antimodern sein sollte.Wesentlich sollte aber der Blick auf das Mythische und Seelenvolle sein.


Sothebys Contemporary Art SALE N08186 15 Mar 2006 New York
Lot 188 Amen , oil on canvas , Size 39 3/8 by 31 5/8 in.(100x80,5 cm)
signed Volker Tannert and dated 1984 (on reverse).

Die Kunst der 80er Jahre vollzog ein Kehrtwende und plazierte wieder den Homo sapiens mit all seinen Wünschen,Träumen,Sehnsüchten und Vorstellungen in das Zentrum der malerischen Vorstellungen.Der Mensch,dem wir begegnen,ist nicht mehr gefällig und angepaßt,sondern illusionslos und ironisch.Alles ist erlaubt,nichts wird verschwiegen.

Die sogenannte >Wilde Malerei<, wie sie 1980 anläßlich einer Ausstellung im Berliner >Haus am Waldsee< genannt wird, greift sowohl auf den klassischen Brücke-Expressionismus wie auch auf jene expressiv-subjektive Figuration zurück, die Maler wie Georg Baselitz, Bernd Koberling und Karl Horst Hödicke sowie Markus Lüpertz bereits in den frühen sechzigerJahren in Berlin ausstellten. Auch wenn es heute viele nicht glauben oder wahrhaben wollen:Diese jungen wilden Maler haben Maler wie Polke,Richter,Penck,Baselitz,Immendorf und Lüpertz erst wieder in die kunsthistorische Auseinandersetzung katapultiert.Es ist einfach falsch zu behaupten,diese Maler hätten die jungen Wilden hervorgebracht.Die ersten Ausstellungen Anfang der 80er Jahre,sei es Bildwechsel,Rundschau Deutschland usw.,zeigten nur die wirklich jungen Maler aus dem Geburtsjahrzent 1945-54.Erst auf der documenta 7 in 1982 wurden die jungen Maler (in),E.Bach,S.Anzinger,W.Dahn,J.G.Dokoupil,M.Disler, Salome und V.Tannert,zusammen mit den Äteren,oben genannten,gezeigt.
In 1983 erfogte dann die wohl wichtigste Ausstellung der wilden Malerei, die "Zeitgeist"-Ausstellung im Martin-Gropius-Bau,Berlin.
Eine weitere Wurzel hat die >Wilde Malerei< in den expressiven Elementen des Informel der frühen 50er Jahre,wie er exemplarisch bei K.F.Dahmen,Hann Trier,Fred Thieler und K.O.Götz zu sehen ist.Eine weitere,vielleicht die wichtigste Wurzel,haben diese jungen Maler in dem Maler-Moment CoBrA. Die Betonung der Inhaltlichkeit, von Appel und Gilbert mit Gepolter, von Corneille,Götz und Lucebert in gehauchter Lyrik vorgetragen, veranlaßt ein stetes Changieren zwischen abstrakter Geste und gegenständlicher Metapher. Sie ermöglichte erst die Akklamation der wilden Malerei und anderer, dem seelischem Ausdruck verpflichteter Positionen.

In der Kunst haben sich schon in den 60er Jahren vor allem Joseph Beuys,Klaus Staeck und Rissa, in der unmittelbaren Gegenwart HA Schult, Volker Tannert und Tim Ulrichs als Chronisten der Umweltzerstörung hervorgetan.
Sie nutzen bereits seit den siebziger Jahren das Spannungsverhältniss zwischen Natur und Kultur zur bildnerischen Problematisierung.
Ebenso wie in seinen anthropologischen expressiven gestischen Bildern steht auch in der Landschaftsmalerei der Mensch,obwohl nicht immer präsent, aber oft als negativer Protagonist,im Mittelpunkt der Tannert'schen Arbeiten. Schon 1982 erkannte Volker Tannert,daß sich diese wilde Malerei in einer Sackgasse befand.Er formulierte es so:"Ich möchte schöne Malerei machen".Ästhetische Empfindsamkeit sollte sein Werk leiten.Die Zeit der gestischen Pinselschwünge war für ihn vorbei.Tannert war einer der wenigen jungen Wilden,der seinen malerischen Ansatz weiterentwickelte.


Christies POST-WAR & CONTEMPORARY ART London
Feb 09, 2007 Lot Number 0296 Sale Number 7358
Untitled (Landscape) 1984 .oil on canvas 39½ x 31½in. (100.3 x 80cm.)
signed and dated 'Volker Tannert 1984' (on the reverse) .

Er begann in der ikonographischen Tradition der deutschen Romantiker,hier insbesondere Caspar David Friedrich,die überwältigende Macht der Natur im lichtnuancierten Farbempfinden darzustellen.Tannert strebt in seinen Bildern eine Re-romantisierung an.Gleichzeitig weist er jeglicher Romantik- Hörigkeit die Schranken.
Die Darstellung der Realität verbindet Tannert in seinen Landschaften mit symbolreichen Visionen.Obwohl subjektiv,trifft er in monumentaler Weise genau seine gewollten Bildaussagen. Dabei sieht er den Menschen nur als einen Teil der chaotischen Welt heutzutage.Klein,unscheinbar,nur ein Detail im Kosmos. Der Mensch wird oft als Figur mit Überlängung dargestellt, unwirklich,dem irdischen Leben entzogen. Tannert's Landschaften schüren emotionale Ängste. Tiefblaue informelle Himmel flößen Angst ein.Bäume, von ihm als Metafern für menschliche Gefühle eingesetzt, liegen zerbrochen auf der Erde.Zerstört von der Allmacht der Natur.Die Sicht der Natur wird von Tannert stark überbetont, Dramatik pur.Seine teilweise aggresiv kritische,aber mit farblichen Delikatessen brillierende Malerei prangert die Umweltzerstörung unserer Zeit an.Die Farbe wird gewalttätig. Berge sind surreal übersteilt,viel imponierender als in Natura. Umgestürzte Bäume sind monumentaler als real.Sie signalisieren Vergänglichkeit,Tod.Die Ewigkeit ist für den Menschen auf ewig unmöglich machbar. Trotzdem strotzen diese Bilder von Mythos und Pathos.Sie verführen zu einer romantischen Meditation,zur Nostalgie. Einfache archaische Formen prägen seine Landschaften.Er verleiht der stillen Idylle eine ungeheuere Monumentalität. Gefühle kommen hoch.Melancholie,durch milde Farben erzeugt,liegen im Wesen seiner Kunst.

Die Suche nach Arkadien war für Volker Tannert erfolgreich.Arkadien ist sein Landhaus in Ligurien nahe den legendären Orten Rapallo und Portofino,wo 1906 schon Gabriele Münther und Wassily Kandinsky auf eine ihrer Reisen Station machten. Hier kann man am besten fühlen,was seine Landschaften beinhaltet: Die Schönheit der Natur. Volker Tannert lebt im Einklang mit der Natur.Nie kommen seine Farben und Formen,obwohl teilweise Gewalt plakatierend, in Konflikt mit der Harmonie in den Bildern.Dramatisches,durch suggestive Leuchtkraft der Farben annonciert, wandelt sich in seinen Bildern ins Epische.

Die Schönheit der Natur bzw.der Landschaft wird der Mensch trotz aller Anstrengungen nie wirklich zerstören können.


Publiziert in Katalog : Volker Tannert Landschaften . Europ-Kunsthof Vicht 2000
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