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Ein Hauch von Hollywood im Süden Thüringens
Frauenschwarm Joseph Fiennes spielt in Rauenstein den Luther

Freies Wort
17. April 2002
Von Volker Friedrich


RAUENSTEIN / HELDBURG – Ein wenig Flair der großen Filmwelt ist derzeit im Südzipfel Thüringens zu spüren: Zwischen Heldburg und Rauenstein entstehen Szenen des Hollywood-Epos Martin Luther. Mit dabei sind weltberühmte Stars – nur zu sehen bekommt man sie nicht. Die erste Klappe fiel gestern mit viel künstlichem Nebel und noch mehr Geheimniskrämerei im Rauensteiner Bärengrund. Im idyllischen Grenzland zwischen Thüringen und Franken wird das Leben des Reformators Martin Luther verfilmt. Mit dabei waren gleich zu Drehbeginn 20 Grundschüler aus der Coburger Gegend. Sie spielten in mittelalterlichen Kostümen kleine Rollen als Komparsen und wurden per Bus von der Schule zum Set gebracht.

Der gesamte Dreh unterliegt strengster Geheimhaltung. Kaum ein Einwohner des 1500- Seelen-Dorfes Rauenstein weiß von den Aufnahmen. Einer, der in ständigem Kontakt mit den Leuten vom Film steht, ist Reinhard Wielgoß, Wirt der Gaststätte "Urmel", in die sich die Berliner Produktionsfirma "NFP" für zwei Tage eingemietet hat. Rund 200 Kameraleute und Techniker sind vor Ort. Schauspieler hat der Gastwirt gestern nicht gesichtet. Er ist ein großer Fan von Peter Ustinov, der in der elf Millionen Euro teuren Kinoproduktion Friedrich den Weisen spielt. "Der ist leider nicht da." Woher er das weiß? "Die vom Film haben das so gesagt." Und der Luther-Hauptdarsteller Joseph Fiennes, weltberühmt seit Shakespeare In Love und Das Duell? "Den kenne ich nicht."

Andere schon. Fiennes soll gestern bereits mitgespielt haben, munkelte man in Rauenstein. Auch die weiteren Namen der Besetzungsliste sind wohlbekannt: Bruno Ganz spielt mit, Mathieu Carrière mimt einen Kardinal und Uwe Ochsenknecht den Papst. Wer wann wo spielt? "Kein Kommentar" heißt es bei der Produktionsfirma. "Wie früher in der DDR – ich darf jetzt nichts mehr sagen", bedauert der "Urmel"-Wirt.

Im Bärengrund wartet derweil ein mittelalterlich getrimmter Schäfer mit seiner Herde und zwei schwarzen Hunden auf seinen Einsatz. Oben erzeugen Techniker Nebelschwaden. Die Szenerie wirkt gespenstisch. Was, warum, mit wem – alles "top secret". Vor der Kneipe "Urmel" wimmelt es von geschäftigen Menschen. Arbeitssprache ist Englisch, und zwar nicht nur in den Dialogen. Schilder sprechen die Sprache der Filmwelt. Es geht nicht einfach zu den Toiletten, sondern zum "Restroom Gents" – damit auch Joseph Fiennes den Weg aufs Klo findet.

Alles ist "top secret"

Der 32-jährige britische Weltstar konnte von dem kanadischen Regisseur Eric Till als Luther-Darsteller verpflichtet werden, obwohl der Frauenschwarm eigentlich nie wieder historische Rollen spielen wollte, für die er sich (wie beim Welterfolg Shakespeare In Love) in Strumpfhosen zwängen muss. Die weiblichen Fans in der Region werden allerdings kaum einen Blick auf den hübschen Briten werfen können. Nicht nur die Dreharbeiten sind geheim – auch der Ort, an dem der Star die Nächte verbringt. Rauenstein ist es jedenfalls nicht. Dort nächtigt nur das Fußvolk. Coburg oder Seßlach lauten Spekulationen vor Ort. In Seßlach traf sich die Filmcrew jedenfalls am Montagabend zum internen Sektempfang.

In den nächsten Wochen soll an fünf weiteren Originalschauplätzen in der Region gedreht werden. Hier wird zunächst das Leben des jungen Luther verfilmt. Heute ist das Team an einer Scheune in Neundorf bei Schalkau zugange. Schlüsselszenen des Films entstehen demnächst im denkmalgeschützten Stadtkern von Seßlach (Kreis Coburg). Weil die Seßlacher Stadträte es ablehnten, eigens für den Dreh die Akazien auf dem Maximilianplatz zu fällen, weichen die Filmleute für einige Tage ins benachbarte Ummerstadt (Kreis Hildburghausen) aus. Dort wird der mittelalterliche Marktplatz mit seinen markanten Fachwerkhäusern zur Filmkulisse. Auch in Ummerstadt werden die Statisten wohl die einzigen sein, die sich einen Blick auf die Star-Schauspieler erhoffen können.

Kinostart Ende 2003

Bei einer Luther-Verfilmung dürfen natürlich Kirchen-Szenen nicht fehlen. Auch sie werden in Thüringen gedreht, und zwar im nahen Heldburg. Das Gotteshaus der Unterland-Hauptstadt wird für die Filmarbeiten im Innern komplett umdekoriert. In Heldburg erzählt man sich, als Drehtermin sei der 7. Mai vorgesehen. Nach weiteren Sets in Thüringen zieht der Filmtross dann weiter nach Rom, wo (natürlich!) im Vatikan gedreht wird.

Im Herbst 2003 soll Martin Luther in die Kinos in Amerika und Europa kommen. Nicht nur die Filmfans in aller Welt, auch die Heldburger und Ummerstädter, die Rauensteiner und Seßlacher müssen sich bis dahin gedulden, um zu sehen, wie Joseph Fiennes und Peter Ustinov durch die Gasssen der fränkisch-thüringischer Heimat gehen. Und die Coburger Schulkinder werden wohl noch ihren Enkeln von der kleinen Rolle in einem großen Werk der Filmgeschichte erzählen.


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