Elizabeth - Die Macht und ihr Preis
Sequence # 2, 11/12/1999, Seite 51
Im Jahre 1558 glaubt niemand, daß die Königin von England über irgendwelche
besonderen Tugenden verfügt, die sie befähigen könnten, ein Weltreich zu
führen. Das Land ist vom Kampf der beiden kirchlichen Konfessionen geschwächt,
Feinde unterschiedlicher Coleur greifen nach der Krone.
Ausgerechnet jetzt muß Elizabeth ihre Reformpläne vor dem Rat der Bischöfe
verteidigen. Es wird ein denkwürdiger Auftritt. Zuerst schüchtern, zaghaft,
unsicher, kämpft die rhetorisch gewandte Regentin plötzlich mit den Waffen
einer Frau. Eben noch kokettierend und flirtend, konfrontiert sie die
halsstarrigen Würdenträger im nächsten Moment mit patriotischer Polemik.
Und siehe da: Keine feste Burg war unser Gott.
Der Inder Kapur zeigt in suggestiven Filmbildern, wie eine gebildete,
eigensinnige Frau ihre Identität als Herrscherin entwirft. Am Anfang stehen
Bilder idyllischen Landlebens mit einer jungen Elizabeth als Mittelpunkt,
die den Sinnesfreuden des Daseins wohl zugetan ist. Doch mit der Inhaftierung
durch "Bloody" Marys Vasallen, wird das lichte Interieur für immer von
modrigen Festungsmauern abgelöst. Der Verstand bändigt die Gefühle. Unter
der Regie des dämonischen Sir Francis Walsingham (Geoffrey Rush) wird
Elizabeth zur kaltblütigen Herrscherin. Der Zenit ihrer Macht ist nicht
ihre Inthronisierung, sondern der Moment als sie sich als "jungfräuliche"
Königin ihren Untertanen vorstellt. Cate Blanchett spielt mit gleicher
Virtuosität sowohl die lebensfrohe, fast linkische 25jährige, als auch die
puppengleiche, beherrschte Monarchin, die alle ihre Feinde abschlachten
läßt. Die australische Schauspielerin ist der Star des Films. Der Oscar wäre
die verdiente Krönung ihrer Leistung. Die reifere Queen Bess, wußte der
Historiker Egon Friedell zu berichten, freute sich, wenn das Volk ihr auf
der Straße zurief: "Wie geht's, alte Hure?". Sie konnte angeblich zanken wie
ein Fischweib.
Zeitschrift für Kultur und Kommerz, Berlin
Von Dirk Hennings