Der Borgia Codex
1.
Die Herkunft des Borgia Codex
Der Borgia Codex ist
eine der schönsten präkolumbischen Handschriften. Der genaue Ursprungsort des Codices ist unbekannt.
Jedoch gibt es keinen Zweifel,
dass er aus
dem zentralmexikanischen Hochland stammt (wahrscheinlich aus der Nähe von
2.
Der Zweck des Borgia Codex
Der
Borgia Codex ist, wie die meisten präkolumbischen Handschriften, ein religiöses
Buch, geschrieben von hochspezialisierten Priester-Schreibern. Die
mexikanischen Codice sind natürlich keine Bücher im traditionellen Sinn, weder
hinsichtlich ihrer Herstellung noch was ihre Verwendung anbetrifft. Es gab
keinerlei mechanische Mittel, um mehrere Kopien anzufertigen. Aus diesem Grund
war eine Massenherstellung also unmöglich. Das war andererseits auch gar nicht
beabsichtigt, denn diese Handschriften wurden nicht angefertigt, um lediglich
Information zu bewahren, oder um vergnügliche Geschichten zu lesen. Der Zweck
der Codice ist vielmehr, die Zeit festzuhalten, um Geschichte und Religion zu
beschreiben.
Offensichtlich
waren Bilder wichtiger als Wörter, insbesondere bei den Azteken und anderen
zentralmexikanischen Völkern. Es darf nicht vergessen werden, dass Geschichten
hauptsächlich in mündlicher Tradition überliefert wurden. Ebenso wurden Bücher
nicht privat im stillen Kämmerlein gelesen, vielmehr waren sie auf aktive Art
und Weise Bestandteil von öffentlichen Zeremonien, wenn Priester öffentliche
Lesungen durchführten, Prophezeihungen machend, oder wenn sie die Codice
während Konsultationen benutzten, um Vorhersagen über das Leben von Ehepaaren
und ihre Kinder zu machen und so weiter.
3.
Die Herstellung des Borgia Codex
Aufgrund der
unglücklicherweise sehr kleinen Zahl von mesoamerikanischen Handschriften,
welche religiöser Wahnsinn und Ignoranz der spanischen katholischen Kultur des
16. Jahrhunderts der Nachwelt hinterlassen hat, können wir vermuten, dass jede
Handschrift als einmaliges Einzelstück angefertigt wurde, obwohl wahrscheinlich
Teile älterer Codice oft kopiert wurden.
Mesoamerikanische
Codice sind Faltbücher, das heisst lange Streifen von Tierhaut oder
Amate-Papier, welche akkordeonförmig gefaltet werden. Anschließend wurden die
Codice mit einer Stuckschicht überzogen, damit der Priester-Schreiber feinste
Details mit mineralischen und pflanzlichen Pigmenten bemalen konnte.
Alle Maya-Codice
bestehen aus Amate-Papier, welches aus der inneren Rinde des wilden
Feigenbaumes (ficus cotinifolia) hergestellt wird. Die Maya-Codice werden von
links nach rechts gelesen. Den Borgia Codex liest man dagegen von rechts nach
links. Das Original wurde aus Hirschhaut gefertigt. Die Streifen wurden
aneinandergeklebt und gefaltet, so dass jede Seite 27 mal 27 cm misst. Der
Originalcodex besteht aus 39 Blättern, von denen 37 beidseitig bemalt sind.
Zwei Blätter wurden nur auf einer Seite bemalt, um die andere Seite je an einer
Holztafel zu befestigen.
Somit ergeben sich insgesamt
76 bemalte Seiten und eine Länge von über 11 Metern.
4.
Der Inhalt des Borgia Codex
Natürlich
lebt heute niemand mehr, der diesen
Codex in der gleichen Art und Weise lesen könte, wie ein antiker aztekischer
Priester. Deshalb gibt es zum Teil viel Spekulation, was den exakten Inhalt
dieser Handschrift anbetrifft. Mit Sicherheit wissen wir jedoch, dass es sich
hier um ein Ritualbuch handelt. Der Originalcodex beginnt mit einem tonalpohualli, einem “Buch der Tage“.
Dieses beschreibt den berühmten Ritualkalender von 260 Tagen Länge. Diese 260
Tage sind das Ergebnis der Kombination von 20 Tagen mit 13 Koeffizienten. Die
nächsten Seiten zeigen die 20 Götter, welche mit den 20 Tagen assoziiert sind.
Es folgt eine Seite mit den 9 Göttern der Nacht, danach werden die Tageszeichen
mit den Himmelsrichtungen in Verbindung gebracht. Andere Seiten beziehen sich
auf des Solarjahr von 365 Tagen Länge, welche sich im Kalender der Maya und
Azteken aus 18 mal 20 Tagen plus 5 Extratagen zusammensetzen. Die Kombination
des 365-Tage-Kalenders und des 260 Tage-Kalenders ergibt die berühmte
Kalenderrunde von 52 Jahren. Weitere Seiten geben Vorhersagen für jedes Viertel
dieser 52-Jahr-Periode, wenn entweder Überfluss an Nahrung oder Krankheiten und
Hunger oder zu wenig oder zuviel Regen zu erwarten waren.
Der
längste Teil des Codex Borgia ist auch der rätselhafteste. Er gibt eine Art
Erzählung wieder, und ist aus diesem Grund einzigartig. Wahrscheinlich handelt
es sich hier um eine Schilderung historischer Ereignisse, welche möglicherweise
in Tula und Teotihuacan stattfanden. Dabei werden Opferungen und
Ballspielszenen geschildert. Schließlich enthält der Codex Seiten, welche
benutzt worden sind, um Prognosen für den Erfolg von Eheschließungen abzugeben.
Eine der letzten Seiten zeigt ein schönes Bildnis des Sonnengottes umgeben von
12 Vögeln und einem Schmetterling, welche zusammen die 13 Sphären des Himmels
symbolisieren.
5. Die Beschreibung
der Aztekischen Götter
und Tageszeichen
Hier findet der Leser eine
Liste der 20 Tageszeichen und der mit ihnen assoziierten aztekischen Götter.
1
Krokodil Tonacatecuhtli Oberste Männliche
Gottheit
2
Wind Quetzalcóatl Gefiederte Schlange, Windgott
3
Haus Tepeyóllotl Herz des Berges
4
Eidechse Huehuecóyotl Alter Coyote
5
Schlange Chalchiuhtlicue Göttin des Fliessenden
Wassers
6 Tod Tecciztécatl Mondgöttin
7
Hirsch Tláloc Gott des
Regens und des Sturmes
8
Kaninchen Mayáhuel Göttin der Maguey-Agave
9 Wasser Xiuhtecuhtli Gott des Feuers
10 Hund Mictlantecuhtli Gott der Unterwelt
11 Affe Xochipilli Prinz der Blumen
12 Gras Patécatl Gott des
Pulque-Trunks
13 Schilfrohr Tezcatlipoca
- Ixquimilli Rauchender
Spiegel mit
verbundenen Augen
14
Jaguar Tlazoltéotl Göttin des Schmutzes und der Erde
15
Adler Tlatlauhqui
- Tezcatlipoca Roter Rauchender
Spiegel
16
Geier Itzpapálotl Obsidian-Schmetterling
17
Bewegung Xólotl Gott der Zwillinge
18 Feuerstein Chalchiuh
- Totolin Truthahn der
Edelsteine
19 Regen Tonatiuh Sonnengott
20 Blume Xochiquétzal Blume-Quetzalfeder
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