und der Mythos von sanften Fluessen
Als Josef Raab und Wolfgang Frommer,zwei ruestige Herren um die 50,ihre Kanutour auf Birch Creek planten,wussten sie wenig davon,was das Wetter und der Fluss ihnen abverlangen wuerde....
Birch Creek ist im Allgemeinen kein Wildwasserfluss,obwohl er sicherlich nicht mit "verbundenen Augen" kanut werden kann.Zwar bezeichnet das "Bureau of Land Management" in Alaska den Birch als einen Fluss,der in die Wildwasserklasse 1-2 eingeordnet werden kann,jedoch schehrt sich die Natur genauso wenig ueber die Meinung von Behoerden wie um die meinige,der den Fluss im Allgemeinen bis zur Wildwasserklasse 3 einstuft.
Als ich Josef und Wolfgang wohlausgeruestet am Birch Creek absetzte,taten sie,was fast jedes Team tuen musste:
Sie zogen sich ihre Hueftstiefel an,verabschiedeten sich und begannen ihre Flussreise zu Fuss,waehrend sie das Kanu im seichten Wasser hinter sich herzogen. Birch Creek ist ein seichter Fluss,und im August je nach Regenfall auf den ersten Kilometern des Oberlaufes so seicht,dass man das Kanu streckenweise ziehen muss,bevor mehrere Kilometer suedlich Harrington Fork mehr Wasser bringt.
Ich wartete,bis die Beiden um die erste Kurve verschwunden waren,bevor ich zurueck zu meinem Ford-Truck ging und den langen Heimweg antrat.Als ich allerdings ueber 12-Mile Summit fuhr,begann es langsam zu regnen.....
Es war August,einer der regenreichsten Monate Alaskas,aber was dann passierte,haette auch in jedem anderen Sommermonat passieren koennen: Es regnete insgesamt fuer 7 Tage.Flutwarnungen wurden fuer den Tanana River um Fairbanks herum ausgegeben.Alle Fluesse begannen zu steigen und waehrend sich das klare Wasser der Bergfluesse langsam in eine braune,lehmgetraenkte Bruehe verwandelte,nahm auch die Kraft der Stroemung zu,grub Baeume aus,indem sie einfach ganze Flusskurven mit sich trug und kreirte hohe,stehende Wasserwalzen an in Fluessen liegenden Felsbrocken,an denen den Sommer ueber viele Kanuten gemuetlich vorbeigetrieben waren,als diese Felsen noch mehr als einen Meter aus dem Wasser geragt hatten.
Auch Wolfgang und Josef bekamen am ersten Abend den Regen zu spueren,machten Camp,spannten Planen und sahen dem naechsten Morgen entgegen.Als sie allerdings aufwachten,hatte der Fluss sich verwandelt waehrend der Regen mit gleichbleibender Staerke vom Himmel fiel.
Birch Creek war nicht laenger klar,sondern braun.Das Kanu,das weit aus dem Wasser gezogen worden war,war fast im Begriff mit der steigenden Flutwelle davongeschwemmt zu werden,und Baeume aller Art und Groesse trieben mit einer Schnelligkeit auf dem ueber die Ufer steigenden Fluss dahin,die nichts mit dem Wasser zu tuen hatte,in dem die Beiden am Vortag streckenweise ihr Kanu gezogen hatten.
Als die beiden Kanuten ihr Boot verpackt und alle Ausruestung fest verschnallt hatten,legten sie ab.Die Stroemungsgeschwindigkeit hatte sich mehr als verdoppelt,Hindernisse unter Wasser waren schwierig zu erkennen und Birch Creek zeigte sich von einer Seite,die nie beschrieben wird.Sosehr der Fluss an den Aussenkurven des Flusses nagte,waren diese doch eng und Manoevrieren war schwierig.Treibende Baeume blieben an manchen Stellen stecken und bauten Schwalle auf,die kaum zu umgehen waren.
Da es keine Moeglichkeit fuer die Beiden gab umzukehren,mussten sie wohl oder uebel dem Fluss folgen.Ueber den umliegenden Bergen fiel kontinuierlich Regen,der kaum Zeit brauchte um von den steinigen Huegelketten ueber Seitenfluesse in den Birch zu gelangen.Das Wasser stieg weiter.Natuerlich war genuegend Proviant und geistesanregende Getraenke vorhanden,um die Stimmung vor dem absoluten Tieftspunkt zu bewahren,aber in den 8 Tagen,in denen die beiden Kanuten sich bis zum Ende der Tour ueber 250 km vorkaempften,kenterten sie in reissender Stroemung 3 Mal und verloren ihr Kanu beim Treideln durch die "Twin Rapids",als ein Schwall das Heck des Bootes packte und ihnen das Boot entriss.Nur 50 Meter weiter blieb das Heckseil des Kanus an einem Hinderniss im Fluss haengen,und Wolfgang sprang in den Fluss um das Kanu mit einer Gewaltanstrengung weiter flussabwaerts wieder an Land zu bringen. Am 5.Tag war trotz sogenannter wasserdichter Saecke die gesamte Ausruestung nass.Nur durch diszipliniertes Verpacken hatten Wolfgang und Josef es geschafft,ihre gesamte Ausruestung zu behalten und gleichzeitig mehr ueber Wildnisfluesse gelernt,als sie jemals hatten wissen wollen.Der Regen hielt an....,stehende Wellen in engen Kurven wurden zumindest was Fachmaenner "Klasse 4" nennen,und der Fluss begann sich immer mehr mit Baeumen zu fuellen,die von der Stroemung aus den Uferwaenden gegraben worden waren.
"Am Ende sind wir einfach vor jeder Kurve ausgestiegen,sind gucken gegangen und haben uns dann oft entschieden,das Boot zu treideln",meinte Josef spaeter."Ach,...und einen Baeren haben wir eines Nachts auch noch im Camp gehabt.Der ist allerdings freiwillig gleich wieder abgezogen."Lachend fuegte er hinzu:"Wahrscheinlich haben wir ihm leid getan..."
Ueber den Handy eines Alaskaners,den die Beiden am Endpunkt ihrer Reise trafen,bekam ich einen Anruf von ihnen.Sie hatten ihr Ziel am Steese Highway mit der starken Stroemung und langen Paddelstunden drei Tage frueher als geplant erreicht und ich hohlte sie am naechsten Morgen ab.Das oben abgebildete Photo wurde nach ihrer Ankunft in Fairbanks geschossen....
Josef und Wolfgang waren das Senioren-Team der 2001 Saison und brachten gleichzeitig die schwierigste und gefaehrlichste Tour hinter sich.Vielleicht haette man die Flut "absitzen" koennen,wenn der Regen nicht so lange angehalten haette.In ihrem Falle allerdings hatten sie die Wetterbedingungen korrekt eingeschaetzt.Immerhin liess der Regen erst wirklich nach,als sie ihr Ziel erreicht hatten. Zur Bewaeltigung einer Tour,von deren Schwierigkeitsgrad und Haerte sie sich am Anfang keinerlei Vorstellungen gemacht hatten,muss ich gratulieren.Wahrscheinlich waere ich selbst unter diesen Umstaenden gekentert.Wer sagt,er haette mit der Situation keine Probleme gehabt gehoehrt mit seiner ueberheblichen Selbstsicherheit nicht in den Busch....
"Alaska State Troopers" retten dutzende von Wanderern,Jaegern und Kanuten jedes Jahr,die mit einer solchen Einstellung in den Busch gehen.
Obwohl die beiden Kanuten ihren Trip am Ende "ein tolles Abenteuer" nannten,und Josef meinte:"Also Maerchen muss ich meinen Enkelkindern vorerst nicht mehr erzaehlen,da habe ich jetzt bessere Geschichten...",schreibe ich deren Geschichte hier nieder um jedem klar zu machen,was ein sanfter Wildnisfluss der "Wildwasserklasse 1-2" sein kann,wenn die Natur es will.Umsicht,Geduld,Zaehigkeit und nicht zuletzt Vorsicht brachten die beiden durch eine Tour,die eigendlich nur spannend,nicht aber ernsthaft gefaehrlich haette sein sollen.
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Waehrend alle von mir vorbereiteten und ausgeruesteten Teams immer heil zurueckgekommen sind,ist und bleibt der Busch unberechenbar.Wildwasserklassen,die in jedem Buch nachzulesen sind beziehen sich entgegen landlaeufiger Meinung auf Wetter und nicht wirklich auf Fluesse.Vorsicht ist geboten und Unfaelle koennen passieren.Josef und Wolfgang kaempften sich durch eine Natur,die sich weder von ihrer freundlichen noch romantischen Seite zeigte.
Ob Teams via Flugzeug aus der Brooks Range zurueckkehren oder ich sie nach langen Fahrten auf endlosen Schotterstrassen abhohle,...ich warte immer mit grosser Neugier auf ihre Geschichten.Die meisten Erzaehlungen sind witzig,gut,spannend oder lehrreich.Alle Teams kommen selbstsicherer und gewandter,in gewisser Hinsicht als gestandene Buschkanuten,zurueck.Manche Geschichten allerdings,und dies ist etwas das sich haeuft,sind eher traurig.
Man fand zerbrochene Kanus nur wenige Kilometer von der Einsetzstelle am Beaver Creek,wo ein Team gedankenlos und ohne vernuenftige Karten im wahrsten Sinne des Wortes ueber ein Hindernis gestolpert war.
Man fand gestrandete Teams,die ihre gesamte Ausruestung verloren hatten,weil sie die erste und wichtigste Grundregel eines Buschkanuten nicht beherzigt hatten: "Packe um zu kentern,nicht um zu kanuen !!"
Man fand Teams,die weder ausgeruestet noch informiert waren und aus diesem Grund drei Tage nach Beginn einer dreiwoechigen Tour alle romantischen Gedanken verloren und bis zum Ende der Tour im Marathon-Stil durchpaddelten.
Es war ein alter Schwede in Nordsaskatchewan/Kanada,der mich als erster in die mehr oder minder grossen Geheimnisse der noerdlichen Wildnis einweihte.Er war "Chief Ranger" und 58 Jahre alt.Ich war 22 und hatte mir grade ein Bowie-Messer von ansehnlicher Groesse gekauft um mich im Falle eines Falles vor Wolfsrudeln und Baeren verteidigen zu koennen,denn immerhin plante ich in den Busch zu gehen.Natuerlich weiss ich heute,dass Wolfsrudel nie angreifen und im Sommer noch nicht einmal im Rudel jagen.Auch hat mir eine Kodiak-Braunbaerin gelehrt,dass es wahrscheinlich hilfreicher ist ein Bowiemesser wegzuschmeissen um mit weniger Gewicht schneller auf einen Baum zu klettern,als sich der Idee hinzugeben einem 450 kg schweren mit Zaehnen und 20 Krallen bewaffnetem Ungetuem einen Messerkampf zu liefern,aber damals war meine Welt eben noch von Phantasien jugendlicher Art bevoelkert.
"Hm,"meinte er nachdenklich und guckte mir mit pruefendem Blick in die Augen."Du willst also die hohe Schule des Nordens besuchen."Da ich dies anscheinend wollte,nickte ich bedaechtig.Der Herr war ein Huehne von Mann,und obwohl ich mich 20 Jahre spaeter nicht mehr an seinen Namen erinnern kann,sehe ich immer noch das Laecheln in seinen blauen Augen."Nun denn,"seufzte er,"...lass dir allerdings eins gesagt sein:Die Schule,in die du gehen wirst kann dir Belohnungen bringen von denen du bis jetzt keinerlei Vorstellungen hast....Allerdings,"so fuhr er fort:"...die groesste Bestrafung fuer schlechtes Benehmen in dieser Schule ist immer noch der Tod !"
Obwohl diese Strafe kaum jemals von Mutter Natur in Betracht gezogen wird,sollte sich jeder im Klaren sein,dass das Leben unberechenbar ist,ob man ueber eine Strasse oder in den Busch geht.
Natuerlich hilft allerdings wie meist im Leben gutes Benehmen.
Wolfgang und Josef kamen im Juni 2004 zurueck um Beaver Creek zu paddeln und kamen wohl gelaunt,sonnengebraeunt und ohne einen einzigen Tropfen Regen gesehen zu haben von dieser Tour zurueck.
Die besten Photographen und Tourenberichte:
JACKY, LATZE & SHILO - Koyukuk & Alatna River - Ein Wettrennen mit dem Eis
MAJORIE & UELI - Leckere Abendessen auf dem Koyukuk
GERHARD & HARALD - Sommer auf dem Sheenjek
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STEFAN UND MANDY - 24 Tage auf dem Sheenjek
MARKUS UND HEIKO - Chandelar River - die unmoegliche Kanutour
MARTINA & FLORIAN - Chandalar River - 17 Tage bis Venetie
HUBERT & MICHAEL - Canning River - Kanuen und
Trekking auf dem Weg zum Eismeer
FRANZ HAGER - Bilder einer Solotour auf Beaver Creek
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ECKI & CO - Reisebericht von Beaver Creek
MARIO & IRENE - Sommer auf Beaver Creek
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ROLAND & WOLFGANG - Birch Creek im Juni
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