Tschernobyl Journal (Band 2) |
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Radiophobie
Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl wurde berichtet, da? viele Falle von psychischen Storungen aufgetreten seien. Die sowjetischen und post-sowjetischen Psychiater diagnostizierten sie alle als „Radiophobie“. In Stalins GULAG-Lager war Mangel an Pillen, deswegen bekam jeder, der den Arzt aufsuchte, „ANALGIN“ – die gleiche Pille gegen alle Krankheiten. Manchmal brachen die Arzte die Pille in der Mitte durch und rieten den Gefangenen: „Nimm eine Halfte gegen das Fieber und die andere Halfte gegen deine Magengeschwure“. Das ist exakt die gleiche Methode nach der die Opfer von Tschernobyl gegen all ihre Krankheiten behandelt werden: egal, was sie plagt – die Diagnose ist stets „Radiophobie“ und die Behandlung ist stets die gleiche nutzlose Pille. September, 2006.
Belarus
Die Strahlung von Tschernobyl vergiftete ein Funftel des gesamten Nachbarlandes Belarus, das fur mich Belo-Russland ist, noch immer eine Provinz Russlands. Jedermann wei?, dass dieses Land zu sehr vergiftet ist, um darauf Landwirtschaft zu betreiben, und wei? auch, dass die Strahlung noch da sein wird, wenn Lukaschenkos ewige Prasidentschaft schon lange Geschichte ist.
In diesem Fruhjahr hat Luka ein weiteres Mal die Wahl gewonnen, den Oppositionsfuhrer eingesperrt und den totalen Sieg uber all seine Feinde einschlie?lich Tschernobyl verkundet. Feierlich kundigte er an, dass einige Landesteile nun sicher seien fur eine Wiederansiedlung von Menschen.
Ich wollte ihm zunachst einen Brief schreiben, indem ich ihm zu seinem Sieg gratuliert und vorgeschlagen hatte, dass seine Beamten und ihre Familien die ersten Siedler in diesen Totendorfern sein wurden.
Jetzt habe ich gehort, dass sie erfolgreich „Freiwillige“ fur diese Idee gewonnen hatten. Unter denen, die zugestimmt haben, sich an diesem Experiment zu beteiligen, sind Menschen, die nicht wissen, wohin: soeben bedingt entlassene Strafgefangene, Fluchtlinge aus den zentralasiatischen Sowjetrepubliken und aus Tschetschenien.
Insoweit sind alle offiziellen Versuche gescheitert, Tschernobyl neues Leben einzuhauchen und die einzig fassbaren Resultate ihrer Bemuhungen sind einige wenige Seiten wild-optimischer Statistiken fur entsprechende Berichte der Vereinten Nationen.
September, 2006
Unsere (Aus)Bildung.
Tschernobyl sollte der Jugend vermittelt und Teil der vorgeschriebenen Schulbildung werden. Je langer man lebt, desto mehr gewohnt man sich an die Dinge dieser Welt und findet sie gut. Normalerweise ist es die Jugend, die danach strebt die Welt zu verandern und nicht die Erwachsenen, die sich bestens mit der Hypokratie der Welt arrangiert haben und aus deren Fehlern Vorteile ziehen.
In der Sowjetunion war Atomphysik ein privilegierter Zweig der Wissenschaft. Als ob Wissenschaftler in Watte eingepackt, Nukleartechniken unter Aufsicht von KGB entwickelten, ihre Studien ausschlie?lich auf Marx und Wissenschaft ausgerichtet waren. Die humanistischen Teile ihrer Ausbildung wurden absichtlich von ihrem Lehrplan ausgeschlossen. Der Staat brauchte keine Philosophen, er brauchte rationelle Wissenschaftler und Patrioten, die nicht daran denken wurden, nukleare Geheimnisse der CIA zu verraten. Schlie?lich prasentierte diese ausschlie?liche Kultivierung von Verfahren Wissenschaftler, die den gesamten Lebensprozess nicht verstanden und deswegen wenig Gewissen fur ihre Aktivitaten hatten. Das sowjetische System von Erziehung brachte keine Achtung fur Menschen bei. Ohne Liebe und Leben im Allgemeinen zu respektieren, und Menschenleben im Besonderen, fuhrt Wissen nur zu Zerstorung und Elend.
Privilegiert zu werden bedeutet arrogant seiend, horten sie niemandem zu, der nicht von ihrer Liga war. Den Designern von Tschernobyl-Reaktor wurden viele Zeiten, Reaktoren nicht nahe gro?en Bevolkerungszentren zu bauen, angezeigt, aber sie ignorierten es. Es wurde ihnen gesagt, dass es gefahrlich war, Reaktoren mit keinen Mutzen zu bauen, aber sie sie jedenfalls bauten. Sie bauten nach dem Unfall sogar Tschernobyl-Typenreaktoren.
Tschernobyl ist so viel ein Ergebnis von gestortem totalitarem Ausbildungssystem, wo die Tempel von Lernen wie ein Schachausschuss waren. Ein Professor von Kerntechnik hatte Ehren einer Konigin, wahrend Professoren von Geschichte und Literatur weniger Achtung hatten als ein Pfand. Die Jahrzehnte, an Formeln zu hangen und Slogans zu wiederholen, hatten Millionen von Gelehrten und Technikern mit hinaus-datierten Fahigkeiten und bleischweren Herzen prasentiert. All diese wurden auf die Jobmarkte abgeladen, als das sowjetische System einsturzte. Diese sehr gleichen Schollen sind jetzt zuruck in Geschaft - in der Geschaftswelt.
Die Frage ist was jetzt? Ist neu die Generation von Kernphysikern und Kontrollraumoperatoren, mehr beruflich als das bisherige? Ich bezweifle es, weil Malstudenten mindestens wahrend des Sowjets studieren mussten. Jetzt in meinem Teil der Welt, die jeder ihre Weise durch Untersuchungen bestechen oder gerade ihr Diplom kaufen kann. Auf keinen Fall, damit sie aus Tschernobyl ersehen, weil die Wahrheit von Tschernobyl ihnen ebenso wie dem Rest von uns verheimlicht wird. Die Verantwortungslosigkeit von Beamten und Designern von neuen Reaktoren wird von der Tatsache gefordert, dass keiner nach Unfall von Tschernobyl bestraft wurde. Jetzt machen sie, was sie immer machten, aber diesmal offensichtlicher, und mit wirklichem Zynismus werden sie niemals gehalten werden weil sie wissen rechenschaftspflichtig fur ihre Akte.
Viele Regierungen werden von gro?en Korperschaften kontrolliert und haben gegenwartige Tagigerziehung unter ihrer Kontrolle genommen. Sie kultivieren Produktivitat, Leistungsfahigkeit, und Erfolg, aber wieder werden Themen, die die Achtung und Verstandnis fur Menschenleben unterrichten, niedergeschlagen. Studenten studieren nur fur einen bestimmten Beruf, sie wird gelehrt wie man einen Grad verdienen sollte und mechanisch produktiv sein sollte - aber, ohne intelligent zu sein.
Das ganze moderne Schulsystem ist ein Beforderer, Lehrer, die suchen, Bestechungsgelder aus Studenten zu bekommen, die suchen, Diplome zu bekommen. Unser Bildungssystem ist auf der letzten Buhne von Degradation, es ermoglicht dem Wort "Wermut" von dictinaries entfernt zu werden. Es prasentiert medics, die das beenden, dass Goren von Tschernobyl hoheres IQ haben als Kinder von nicht verunreinigten Gebieten, Journalisten, die schreiben, dass Tschernobyl gerade ein wenig Feuerunfall war... Was "beend" uber Seminar wo sie die Tagesordnung annahmen "alle Vortrage uber Tschernobyl"
Dieses System passt unserer Entscheidelite, weil es uns alle unterworfen und unvollstandig, tief gedankenlos, und hoffnungslos passiv macht. Solch eine domestizierte Bevolkerung ist konsistent nutzlich fur die Manipulationen von der Entscheidklasse von Gesellschaft. Dies ist der Traum von jeder Regierung: Unter Kontrolle eine Menge anders zu machen, die wie eine Herde von Tieren von einem verunreinigten Ort zu versetzt werden konnte. Aber dieser Traum von einem Utopisten, sinnlose Gesellschaft kann niemals existieren, viel weniger uberlebt, mit sovielen chemischen Industrien und nuklearen Einrichtungen wird Gesellschaft, wo Technologie vor ihrer eigenen Entwicklung gelangt, zu omnicide bestimmt. Zu Weltgericht Count-down Durchfuhren...
September, 2006
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Dezember 2006
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Amateure! Unprofessionelle! Das ist die schlechte Nachrede von denen, die Forschungen uber Chernobyl betreiben um ihre Gewinne zu erhohen, gegen jene, die es in dem Wunsch die Wahrheit zu finden oder aus reinem Interesse an der Geschichte von Chernobyl machen.
Dieser benachteiligte Rest steht vor der Tatsache, dass der personliche Erfolg nur durch gemeinsame Forschung uber Chernobyl erreicht werden kann, wenn die Interessen der Energieindustrie verteidigt werden. Es muss auch bei jeder Gelegenheit die allgemeine Uberzeugung bestatigt werden, dass jeder der keine dementsprechende Ausbildung oder Diplome hat nicht ernst genommen wird. Der Gro?teil der Offentlichkeit, der nichts von den Auswirkungen der Strahlung wei?, hat also die gleichen Ansichten und halt an derselben Meinung fest. Daher ruhrt der Ursprung des Vertrauens in die Regierungsbeamten und der Respekt fur die „Fachleute“ und die Respektlosigkeit gegenuber der „Dilettanten und Unprofessionellen“.
Die Wahrheit ist jedoch, dass fur die Amateure die Sache das Ende ist, wahrend es fur die Professionellen als solches die Bedeutung darstellt; in Wirklichkeit sind die einzigen wahren Profis jene, die ehrlich interessiert sind an Chernobyl sind und diejenigen die sich selbst von dem Interesse an der Tatigkeit vereinnahmen lassen. Das Wort „Amateur“ kommt von dem lateinischem Verb „amare“, welches bedeutet „etwas mogen“. Ein Amateur macht das, was er tut, weil er es mochte und nicht weil er oder sie dafur bezahlt wird. Nur so ein Mensch wir es mit der richtigen Ernsthaftigkeit machen. Man verdankt es solchen Menschen wie diesen und nicht den einfachen Lohnempfangern und Karrieremachern, dass die gro?en Errungenschaften ans Licht kommen.
Was die Forscher angeht, die nicht akzeptiert werden und folglich fur immer als unprofessionell gelten, ist das gro?te Problem, dass sie ihre Auszeichnungen und Zuwendungen von den "Atom-Baronen" bekommen mussen. In diesem Zusammenhang sagte Schopenhauer richtig, dass das gro?te Ungluck des intellektuellen Verdienstes sei, dass er warten muss bis das Gute von denen gepriesen wird die nur boses wollen.
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Babynahrung.
Eine Frage die ich mir oft stelle ist: Wie lange werden die Menschen in Unkenntnis bleiben uber die Vorgange in Tschernobyl? Die Geschichte zeigt gewohnlich, dass es Zeit braucht um derart komplexe Vorgange wie das Tschernobyl Desaster und seine Folgen zu verstehen. Es ist verstandlich, dass von der Energiewirtschaft diese Nachrichten nicht positiv aufgenommen wurden und viele am liebsten die Informationen daruber im Dunkeln vergraben wollen. Nichtsdestotrotz werden fruher oder spater diejenigen kommen, denen die Tatsachen unvoreingenommen ein Anliegen sind. Erst dann werden die Fakten auf hoherer Ebene als der von Buchhaltern und Schonrednern wahrgenommen werden.
Der Optimist in mir mochte glauben, dass das Thema spater nach und nach eingehend untersucht werden wird. Das Scheinwerferlicht wird darauf gerichtet werden, es wird uberdacht, erortert diskutiert werden und vielleicht wird am Ende eine korrekte Sichtweise erreicht werden. Nach einer Zeit, deren Lange von der Schwierigkeit des Subjekts bestimmt wird, wird auch die allgemeine Bevolkerung verstehen, was jeder wache Verstand sofort hatte sehen konnen.
Ob wir jemals diesen Tag erleben werden hangt von vielen Faktoren ab. Je wichtiger ein historisches Ereignis ist, desto unwahrscheinlicher ist es im allgemeinen, dass die Uberlebenden und Zeugen den Tag erleben konnen an dem sich der Nebel liftet und die Wahrheit sichtbar wird. Zum Beispiel dauerte es fur die Mehrheit der Menschen hier 50 - 70 Jahre, um die Wahrheit uber die Revolution, die Hungersnote und die Unterdruckung zu erfahren. Es sieht so aus, als ob die Geschichte nur uber vergangene Ubeltaten siegt, wahrend gegenwartiges oder gerade vergangenes Ubel mit Leichtigkeit uber die Geschichte siegt. Im Falle von Tschernobyl mag es etwas langer dauern, aber das wird nicht fur immer sein.
Es gibt einen bestimmten Vorteil den jeder genie?t, der mit einem klarem Verstand ausgestattet ist: Dies ist inmitten von Desinformation klar sehen zu konnen. Er kann die wahre Natur einer Sache sofort erfassen, nicht erst nach einem halben Jahrhundert. Die einfacheren Gemuter warten darauf, bis ihnen die Resultate auf Historie- TV Kanalen bis zum Erbrechen vorgekaut und verdaut werden.
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Man sagt, dass ein Einaugiger Konig ist in einem Konigreich von Blinden. Wenn du inmitten von allgemeiner Desinformation die Wahrheit sehen kannst, bist du zumindest jemand der ein Auge hat, wahrend alle anderen um dich herum keines haben.
Du bist dann wirklich ein Konig oder eine Konigin und du siehst die Sachen wie sie wirklich sind, wahrend der Rest das glaubt was er horen will. Du siehst, dass jeder falsche Massstabe ansetzt und angefuhrt wird von stockblinden Fuhrern. Alle tasten umher zwischen den anderen blinden Wanderern, aber du kannst nichts tun um das zu andern. Es gibt keinen Weg fur dich jemandem zu helfen das zu erkennen was du siehst, dafur wurde er deine Augen benotigen.
September, 2006
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Was mich an Tschernobyl beeindruckt, ist die Halbwertszeit der Isotope einiger Atome. Hunderte, tausende, sogar zehntausende von Jahren! " Tschernobyl wird andauern bis der zweite Jesus Christus erscheint", sagte Gorbatschow einmal in einem Interview.
In diesem Fruhjahr haben die Nachrichtensprecher einen neuen Begriff eingefuhrt:" Old Chernobyl ,- altes Tschernobyl !" Vielleicht wollen sie uns auf diese Weise glauben machen, dass Tschernobyl jetzt anfangt Vergangenheit zu sein und bald ganz verschwunden sein wird... Unglucklicherweise sind es nur dessen Opfer, die verschwunden sind bevor sie alt werden.
" Tscherny" bleibt fur immer jung, fur immer gefahrlich. Die Geburtsschmerzen des Nuklearunfalls vor 20 Jahren sind nur ein paar Sekunden in der Lebensdauer dieses ewigen Babys. Warum das Gro? der Bevolkerung nicht das Ausma? der Zeitdauer eines Nuklearunfalls begreifen kann liegt, wie ich glaube, teilweise daran, dass Menschen Zeit nur begreifen konnen wenn diese bereits vorbei ist. Wir sind zeitlich noch zu nah an Tschernobyl, um das ganze Ausma? dieser Katastrophe zu sehen. Will man den Umriss der Struktur eines gro?en Gebaudes im ganzen sehen, muss man es aus gro?er Distanz betrachten. Das gleiche gilt fur Tschernobyl: Die ganze Monstrositat der zeitlichen Ausdehnung seines Schattens wird erst nach vielen Generationen sichtbar sein. Auch danach wird er nicht verschwinden, bis ans Ende aller Tage.
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Uber die Eingangstore des Sarkophags wurde ich bedruckt die gleichen
Worte schreiben wie Dante uber den Eingang zur Holle : "Lasst, die
ihr eingeht, alle Hoffnung schwinden!“
Bloggers und Jounalisten
Heutzutage mussen die etablierten Medien hart gegen den Wettbewerb aus dem Internet ankampfen. Bloggers gewinnen immer mehr Publikum, und viele Zeitungen kampfen gegen den drohenden Bankrott. Der Grund dafur ist einfach: Internet Blogger sind wesentlich objektiver, authentischer, und freier in ihrer Berichterstattung als Leute, die fur Zeitungsagenturen arbeiten. Zeitungsreporter und Medienvertreter wundern sich oft, warum Menschen im Internet bloggen. Was hier wirklich nicht verstanden wird ist warum Blogger genau das unbezahlt tun, was die Journalisten nicht annahernd erreichen, aber dafur bezahlt werden.
Im Grunde liefern Blogger einen besseren Job ab, weil sie nicht fur Geld schreiben. Leute fangen, schlecht zu schreiben, sobald sie Geld dafur bekommen. Ein Author kann nur objektiv bleiben, wenn er unbeeinflu?t bei den Fakten bleibt, die er aufdeckt. Authoren, die aufgrund einer Bezahlung schreiben, konnte man mit Prostituierten vergleichen: Ihr erstes Ziel ist es, die Medienbosse und den Geschmack ihrer Leserschaft zu befriedigen. Weiterhin, um bei dem Vergleich zu bleiben, ist es ihnen versagt, wirkliche Freude aus ihrer Aktivitat zu ziehen. Ein engagierter Blogger schreibt nicht, weil er irgendjemand oder eine bestimmte Zielgruppe befriedigen will. Sehr oft ist ihre Arbeit eine Herausforderung, kontrar zu offentlicher Meinung oder wirtschaftlichen Regeln; sie schreiben weil sie Freude daran haben, sich Gedanken zu machen und ihre Ruckschlusse mit anderen zu teilen.
Journalisten und Blogger sind sehr verschieden. Ein echter Blogger kann nicht fur Medienagenturen schreiben, und ein Journalist kann nicht wirklich bloggen.
Jeder, der sich fur einen Job in der regularen Medienwelt bewirbt, sei es Zeitungen, TV oder Radio, wird dazu verpflichtet, bestimmte Regeln der "politcal correctness" einzuhalten: keine ethnische Minderheiten kritisieren, ja keine religiose Gefuhle verletzen, nicht auf die Zehen der nuklearen Energieversorger treten, nicht die Hand der chemischen Nahrungsmittelindustrie bei?en, etc.... Mit all diesen Restriktionen ist der Blick des Journalisten auf einen sehr engen Rahmen beschrankt, und ist wie ein Vogel im Kafig. Der Geist eines Bloggers hingegen ist ungebunden und frei, ohne aufgezwungen Grenzen, in der Lage die Dinge so zu sehen wie sie sind. Ein Blogger kann sich so ausdrucken, wie er will, ohne Beschrankungen. Grundsatzlich ist Intelligenz oder auch Ausbildung eher zweitrangig; am Wichtigsten ist es fur den Blogger, Herr seiner eigenen Gedanken zu sein und seinen Intellekt frei zu entwickeln. Im Gegensatz dazu steckt der Verstand des Journalisten schliesslich in einem Morast aus Ingoranz und Apathie fest und verschlechtert sich zusehends.
Wenn du in der etablierten Medienwelt arbeiten willst mu?t du ihre Regeln einhalten. Schliesslich wirst du dich fuhlen als warest du in eine Disco eingeladen, und mu?t dann feststellen, da? dort jeder mit Krucken tanzt. Spater stellst du fest, da? es dabei ausser jenen uberall auftretenden "Lahmen" auch bessere Tanzer gibt, die das Spiel nur mitspielen weil sie beispielsweise ihre Familien ernahren mussen. Aber wenn du diesen Tanz der "Lahmen" mitmachst, wirst du nach einiger Zeit herausfinden, da? du selbst lahm geworden bist und ohne die Krucken gar nicht mehr tanzen kannst. Gratulation - du bist zu einem Journalisten geworden.
October, 2006
Uber das Veroffentlichen von Buchern
Vor zwolf Jahren lieferte ich Bucher an ein Gefangnis aus. Wir entfernten auch die alten sowjetischen Bucher aus der dortigen Bibliothek. Der Gefangnis-Bibliothekar, den ich in der
Kurzgeschichte
"Nikholayevich",
beschrieben habe, weinte, als er sah wie tausende dieser Bucher aus seiner Bibliothek hinausgetragen wurden. "Mehrere Generationen", sagte er, "sind mit diesen Buchern aufgewachsen, und nun mussen wir sie einfach wegwerfen, um Platz zu schaffen".
Wenn ich heute durch die endlosen Reihen neuer Bucher auf einer Buchmesse gehe, geht es mir
ahnlich wie meinem Freund, dem Gefangnis-Bibliothekar: ich kann nur seufzen, wenn ich daran
denke, das sich in ein paar Jahren kaum einer an einen der Authoren erinnern wird. Die ganze
moderne Literatur ist wie eine Lotterie, bei der es nie Gewinnlose gab: es ist eine Industrie, in der
alles darauf ausgerichtet ist, mit der Literatur Geld zu verdienen. Authoren und Verleger, Kritiker und Werbefirmen - alle korrupt - halten alle zusammen, unterstutzen sich gegenseitig, sind Teil
desselben Systems und haben nur ein Ziel, dem Publikum die Zeit und das Geld zu rauben.
Diese Industrie floriert aufgrund des hirnlosen Bedurfnisses des Publikums, nur Bucher zu kaufen die "Bestseller" sind. Offne solch ein Buch und du wirst feststellen, wie leicht es sich lesen lasst, wie Zuckerwatte, ohne einen nennenswerten Nachgeschmack. Es liegt daran dass es kaum moglich ist, wirklich seine Gedanken in einem Buch beschreiben zu konnen. Dieses System kann keine intellektuellen Themen vertragen, deswegen publizieren die Autoren lieber Bucher uber Drachen oder fliegende Untertassen als uber die Realitat. Gleichwohl ist es hier in der Ukraine unmoglich ein Buch uber Chernobyl zu publizieren. Alle unsere Chernobyl-Bucher mussen in Westeuropa gedruckt werden, und neuerdings ist es seit der Wiederauferstehung des nuklearen Monsters schwierig geworden, sie uberhaupt irgendwo verlegen zu lassen.
Sehr weniges unserer modernen Literatur wird uber "den Tag danach" hinaus bestehen konnen, au?er vielleicht jenes von eher mittelma?igen Autoren: die Erfinder irgendeines neuen Glamours, mit starken Verbindungen zum Showbusiness, welche eine neue Periode von Literaturgeschichte erschaffen und die Nachwelt mit grotesken Wortkonstrukten zum Seufzen bringt. Es wird die Turen dieser verfallenen Konstruktionen aufsto?en und wird nichts als gahnende Leere finden, nichts Lebendiges im inneren dieses Sarkophags, nicht eine lebendige Blute kann in diesem Herbarium aus Konventionen gefunden werden. Nicht einmal eine Spur von Gedanken die zukunftige Bibliothekare davon abhalten konnte, die sogenannten Bestseller unserer Tage vor dem Abfalleimer zu retten.
Oktober 2006
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Unsere zivilisierte Welt ist ein gro?er Karneval, in dem die Trauer der Offiziellen, das Lacheln des Ladenbesitzers, die Passion des Philanthropen und die Lusternheit der Porno-Darsteller nur Masken sind - nichts davon ist real. Einer setzt die Richter-Maske auf und ist Richter, ein anderer nimmt die Maske des Parioten und sie verwandelt ihn oder sie in einen Politiker, ein Dritter wahlt die Religion oder die Doktrin der Reinheit und wird ein Prister, und so weiter und so fort. Schlie?lich und endlich stecken hinter diesen Masken Geldverdiener und Falschmunzer, deren Erfolgsrate als Schwindler gro?er ist, als ihre Fahigkeit, ihr wahres Gesicht zu verbergen.
Mit den Landern der Erde verhalt es sich genau so: Jedes zeigt nur ein strahlendes Gesicht, vorgefuhrt durch eine Auswahl von Politikern, Pop-Stars, Filmpersonlichkeiten, Sportlern und Beruhmtheiten jeder Art.
Sie zeigen aber nur das Spa?gesicht ihres Landes, von dem wir nichts ablesen konnen. Das wahre Gesicht eines Landes wird erst enthullt, wenn soziale Aufstande, Streiks und Kriege diese sprode Maske zerschellen lassen. Wenn die Scherben abfallen, sehen wir fur kurze Zeit die wahren Probleme. Tschernobyl ist in diesem Sinne ein volliges Desaster - das Image meines Landes ist fur Jahrzehnte befleckt. In den ersten zehn Jahren nach dem Unfall war es sehr schwer fur sie, auch nur irgend eine Maske auf dieses dustere Gesicht zu setzen, aber jetzt konnen alle Burger beim Maskenball mitmachen. Die Ukraine hat sich ein paar gute Fu?ballspieler, Boxer, Sanger und Tanzer angeschafft. Egal, wie dunkel die Nacht ist, die Party geht weiter und weiter....
September, 2006
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Wenn die Insassen der Lager des Gulag einen Informanten umbringen wollten, ohne dabei selbst als Tater erkannt zu werden, dann wickelten sie einen langen Strick um den Hals des Verraters. Anschlie?end zogen an einem Ende des Seils ein paar Dutzend Leute und gleichzeitig ein paar Dutzend am entgegengesetzten. Auf diese Art und Weise konnte nie eine einzelne Person als Verursacher identifiziert werden.
Je mehr Menschen sich an dem Tauziehen beteiligten, umso gro?er war ihre Chance sowohl einer Verurteilung, als auch einer Bestrafung zu entgehen. Dies ist das Prinzip aller Straftaten, die kollektiv begangen werden. Und dies ist auch die Erklarung dafur, warum bis heute die Anzahl der Opfer von Tschernobyl stets die gleiche geblieben ist und warum bis heute fur dieses Verbrechen niemand seine Schuld zugegeben oder seine Mittaterschaft bereut hat. Es waren einfach zu viele Menschen an beiden Enden des Stricks.
September, 2006
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Heute, am 16. Dezember 2006, musste ich feststellen, da? die radioaktiven Werte bei mir Zuhause hoher als normal sind. Ich ging daraufhin ins Freie und ma? die Strahlung in verschiedenen
Bereichen unseres Viertels. Dabei verwendete ich verschiedene Geigerzahler, nur um sicher zu
gehen.
Spater erfuhr ich aus meinen Insformationsquellen, da? die hohe Strahlenbelastung auf
Wartungsarbeiten am Chernobyl-Sarkophag zuruckzufuhren sind - es wurde dort ein Teil der
Dachstruktur geoffnet. Ich frage mich, ob die Strahlenbelastung durch vom Wind hergetriebene
Partikel verursacht wird oder ob es eine Reflexionserscheinung vom Himmel ist. Wir konnen nur
spekulieren, denn in den Nachrichten wird grundsatzlich nie uber solche Ereignisse berichtet, und
unsere Wettervorhersage [die Strahlungswerte veroffentlicht] meldete, da? die radioaktiven Werte
normal seien.
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Dezember 2006
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Chernobyl ist unserem Zeitgeist gegenuber deswegen fremdartig, weil unsere Kultur der
Misere ablehnend gegenuber steht und nur Erfolg akzeptieren kann. Wir lernen, mit einem
minimalen gedanklichen Aufwand ein maximales Vergnugen zu erzeugen. Realismus hat heute keinen Platz, und wenn jemand von realistischen Aussichten spricht so hort er sich an wie ein
furchtbarer Pessimist.
Die riesige Propagandamaschine schreibt vor, da? Frohlichkeit obligatorisch ist, hingegen die
Misere allenfalls optional zulassig ist. Das ewige Mantra lautet "erfreue dich taglich deines Lebens, und das auf alle denkbaren Arten und lebe so, als gabe es kein morgen". Schlie?lich und endlich verhindert dies allerdings, da? menschliche Gesellschaften ihre Fehler akzeptieren und daraus lernen konnen. Das bittere Resultat ist, da? die Welt immer schlimmere Nachrichten generiert.
Eine zeitlose Regel fur eine weise Lebensart wurde von Aristoteles ausgedruckt. Er ladt uns dazu
ein, unsere Lebensziele nicht in der Verfolgung von Genuss und Wohlgefallen zu sehen, sondern
eher in deren Vermeidung und damit des daraus entstehenden zahllosen Ubels. Heute wird diese Regel mi?achtet. Ich glaube, da? die Umgehung dieser Regel eine Quelle derzeitiger und
zukunftiger Probleme darstellt. Wie konnen Leute Ubel, Fehler und Versagen vermeiden, wenn sie
verleugnen, da? solche Probleme uberhaupt existieren?
P.S.
Wenn wir so lebten, als gabe es kein Morgen, dann wird es auch kein Morgen geben.
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Chernobyl ist eine schwere Lektion und hat der Welt gezeigt, da? wir den technologischen Fortschritt nicht vor unsere eigene, menschliche Entwicklung geraten lassen durfen. Ich glaube, da? das grosste Problem unserer Tage das Rennen nach wirtschaftlichen Profiten ist, in dessen Ablauf nur dem technischen Fortschritt Raum gegeben wird, und nicht der dringend notwendigen Entwicklung humaner Werte.
Dezember 2006
Die Kirchen von Tschernobyl
Es gibt uber 2000 tote Stadte und Dorfer im Umkreis von 250 Kilometern um den zerstorten Reaktor von Tschernobyl. Niemand kann die Dorfer alle erfassen; viele von ihnen wurden durch die Behorden systematisch abgerissen.
Auf meinen Reisen durch die tote Zone habe ich noch nie eine zerstorte Kirche gesehen. Plunderer sind aberglaubisches Volk; sie wagen nicht, ein Gotteshaus auszurauben. Au?erdem kommen alle paar Jahre Mitglieder nahegelegener Gemeinden und pflegen die aufgegebenen Kirchen. So stehen sie langer als alle anderen Gebaude in der Zone.
Die Turen in diesen alten Kirchen sind unverschlossen. Es ist nichts Wertvolles darin, nur ein paar billige Ikonen, Tucher und eine leicht radioaktive Bibel – meist ist die Seite aufgeschlagen, auf der das Zeitalter des Wermuts verkundet wird (Offenbarung 8, 10-11*). Kaum einen Menschen beruhrt es nicht, wenn er erfahrt, da? das ukrainische Wort fur „Wermut“ „Tschernobyl“ ist. Ich bilde da keine Ausnahme, und deshalb beschlo? ich, die sakrale Seite Tschernobyls zu erkunden.
Tschernie wird von vielen Geistern heimgesucht, weil dort immer noch und fur immer zwei geistliche Armeen miteinander im Krieg liegen: die Krafte von Gut und Bose. So lange die Kirchen stehen, geht die Schlacht weiter. Sie sind nicht einfach leere Raume, wie die verlassenen Kohlenbergwerksstadte. Tschernobyl ist magisch, absto?end, interessant und furchteinflo?end zur gleichen Zeit. Wer allein durch Tschernobyl reist, fuhlt sich niemals allein; da ist immer dieses Gefuhl, beobachtet zu werden. Das Unbehagen ist real. Dieses unnaturliche und unangenehme Gefuhl wird sogar noch auf Fotos und Videos von Tschernie spurbar. Die Christen nennen das: die Gegenwart des Teufels.
Ich glaube nicht, da? Tschernobyl nur den bitteren Geschmack des Wermuts bedeutet, nur den fallenden Stern aus der Offenbarung. Unser Tschernobyl ist nur die finale Konsequenz menschlichen Irrtums und menschlicher Gier, die Triebfedern, von denen auch in vielen Buchern des Alten und Neuen Testaments die Rede ist.
Wenn ich ein paar Bibelstellen nennen sollte, die die Grunde fur Tschernobyl erklaren, wurde ich als augenfalligste und einleuchtendste die Versuchung Jesu in der Wuste anfuhren. Diese Versuchung stammt nicht aus einem begreifbaren, irdischen Verstand, sondern vielmehr von dem ewigen, absoluten und vollkommen bosen Geist eines Engels im Exil: von Satan selbst.
Die Namen der Versuchung sind: Wunder, Brot und Macht. Die Versuchung des Brotes ist die, die das Desaster von Tschernobyl am besten erklart – und die, der die Menschen am schwersten widerstehen konnen.
„Siehst du diese Steine in der leeren und feindlichen Wuste? Befiehl, da? diese Steine zu Brot werden – und die Menschen werden dir nachlaufen. Zeig den Leuten ein Wunder, und sie folgen dir“, flustert der bose Engel.
Jesus konnte den Versuchungen widerstehen, aber die Menschen sind zu schwach. Die Wissenschaft hat herausgefunden, wie man Brocken von Uran in Brot und in Waffen verwandelt. Das Volk hat diese Idee mit ungezugeltem Enthusiasmus aufgenommen, verlockt von den Kunststucken nuklearer Alchemie. Ohne einen Blick auf die Wucherzinsen der Zeit und die Verletzung aller Naturgesetze jagten die Menschen diesen verdorbenen Wundern hinterher, marschierten in Nuklear-Paraden und schrien Hurra.
Nach der Reaktorexplosion war die Begeisterung der Leute allerdings verflogen. Auch die Wissenschaftler sind frustriert und niemand glaubt mehr an Wunder. Die Zeit des freien Willens ist vorbei und die wahre nukleare Gewalt beginnt. Wir konnen sie nicht aufhalten, denn wenn wir ihnen ihr Schwert wegnehmen, verlieren wir auch unser tagliches Brot. Deshalb mussen wir es jetzt verzehren um weiterleben zu konnen. Die zweite Ankunft der Kernenergie verspricht keine Wunder wie die erste – jetzt ist es lediglich Notwendigkeit. Tagliches Brot aus Nuklearteilchen zu gewinnen, ist zu einem Industriezweig geworden, welcher nun durch Uberlebenswillen angetrieben wird.
In der Geschichte von der Versuchung Jesu finden wir, wie in einem Gleichnis oder einer Prophezeiung, die gesamte Menschheitsgeschichte. Wir sehen drei Bilder, die in sich alle grundlegenden, unlosbaren Zukunftsprobleme und Widerspruche der menschlichen Natur vereinen. Die Saat dieser Wahrheit wurzelt uberall in der Bibel; es sind nicht nur ein paar zerstreute Passagen. Tschernobyl ist eine wichtige Ikone des modernen Christentums und ein bitterer Quell der Erfahrung fur uns alle.
* Die Offenbarung des Johannes, Kapitel 8:
10 Und der dritte Engel blies seine Posaune; und es fiel ein gro?er Stern vom Himmel, der brannte wie eine Fackel und fiel auf den dritten Teil der Waserstrome und auf die Wasserquellen.
11 Und der Name des Sterns hei?t Wermut. Und der dritte Teil der Wasser wurde zu Wermut, und viele Menschen starben von den Wassern, weil sie bitter geworden waren.
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