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Kapitel 2

2. Bildung und Erziehung am Hittorf-Gymnasium

2.1 Bildungsbegriff und Schulkultur

"Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. (...) Zu dieser Aufklärung aber wird nichts erfordert als Freiheit; nämlich die: von seiner Vernunft in allen Stücken öffentlichen Gebrauch zu machen. Denn jeder Mensch ist berufen, selbst zu denken." Immanuel Kant

Die Geschichte der institutionalisierten Erziehung ist auch die Geschichte ihrer Bildungsstoffe und Bildungsbegriffe. Die hierbei anzutreffende historische Vielfalt oder das politisch nuancenreiche Nebeneinander moderner Bildungsmodelle mag zunächst verwirrend erscheinen und eine Konsensbildung mit Blick auf das Schulprogramm des Hittorf-Gymnasiums erschweren. Diesem Befund ist jedoch entgegenzuhalten: Ein Schulprogramm ohne einen demokratisch vertretbaren Bildungsbegriff bliebe eine bloße Ansammlung isolierter erzieherischer Absichtsbekundungen.

Das im vorhergehenden Kapitel entworfene 'Haus des Lernens' benötigt mithin ein geistiges Fundament, das die darin sich ausdrückende Auffassung von Erziehung im eigentlichen Sinne erträglich werden lässt und stützt. Erst auf diese Weise wird sich eine in sich schlüssige und lebendige Schulkultur entfalten lassen.

Leitprinzipien einer Schulkultur

Es sind erfahrungsgemäß vor allem vier Grundbegriffe, deren Verwirklichung sich eine reflektierte Schulkultur verpflichtet weiss, um über das Erziehen hinaus bildend auf alle am Erziehungsprozess beteiligten Menschen einzuwirken: Schulkultur ist stets mehr als 'Anstaltskultur' und in einem demokratischen Gemeinwesen auch als Teil einer öffentlichen Kultur den Prinzipien der Humanität, der Modernität , des fruchtbaren Dialoges und des sozialen Konsenses verpflichtet. Sie trägt mithin in einem demokratischen Gemeinwesen dazu bei, die Idee der Menschenwürde zu vermitteln, sich dem Gedanken des Fortschritts verbunden zu fühlen, egozentrisches Denken zu überwinden und die Verbindlichkeit von Regelungen und Vereinbarungen bewusst zu machen.

Es sind diese vier Leitprinzipien, die das Schulprogramm das Hittorf-Gymnasiums im Unterricht und in den Gremien vor thematischer Enge, gegenständlicher Willkür und sozialer Gleichgültigkeit schützen sollen.

Bildung, was ist das?

Bildung, was ist das? Der Erwerb von Bildung darf vor diesem Hintergrund nicht vereinfachend mit einer urkundlich bezeugten Absolvierung gewisser Curricula und Lehrgänge gleichgesetzt und mit dem Erhalt eines Zertifikates als abgeschlossen betrachtet werden. Ein so verstandener Anspruch verengt den Bildungsbegriff, ignoriert die Tatsache, dass das erzieherische Planen und Handeln der Schule sich auch dem Ideal einer allgemeinen Persönlichkeitsbildung mit dem Ziel einer durch authentische Erfahrungen ermöglichten Selbstfindung im gesellschaftlichen Kontext verpflichtet weiß. Diese Bildung erfolgt mithin nicht nur im Erwerb qualitätvoller und ökonomisch verwertbarer Schlüsselqualifikationen, sondern verlangt, dass sich Schule als umfassende Lebensnähe denkt, oder, wo diese in den unmittelbaren Unterricht nicht hinein zu holen ist, Lebensnähe in der öffentlichen Sphäre sucht.

Damit gehören auch Elemente in den Bereich gymnasialer Bildung, die sich nicht unmittelbar unter dem Aspekt künftiger praktischer Verwertbarkeit und wirtschaftlicher Vorstellungen betrachten lassen. Aktivitäten wie Arbeitsgemeinschaften, Chöre, Orchester, SV-Arbeit, Theatergruppen, Schülerwettbewerbe, Schülerzeitungen, die Gestaltung von Schulgottesdiensten sowie Planungen von Schulfahrten müssen mehr denn je als für die Entwicklung der Jugendlichen bedeutsame Bildungsfaktoren begriffen werden. Aktivitäten dieser Art eröffnen ihnen realitätsgerechte Wege zur Gemeinschaftsfähigkeit, entwickeln originale personale Möglichkeiten und machen die Schüler kritisch gegen eine eindimensionale künftige Rollenzuweisung als Produzent und Konsument. Da erfahrungsgemäß für solche Aktivitäten gelegentlich auch die Mitarbeit von Eltern gewonnen werden kann, erweitert sich mithin in dieser 'Trias' noch der Rahmen für ein bildsames Handeln.

Bildung in einer demokratischen Gesellschaft, so wird deutlich, zielt auf Lebensnähe, weil dies auch "Zukunftsfähigkeit" bedeuten kann. Schule muss den jungen Menschen die Chance geben, zu "mündigen", d.h. zu verantwortungsbewussten und handlungsbereiten Bürgern heranwachsen zu können. Die müssen auf Grund ihres Wissens in der Lage sein, individuell oder gemeinschaftlich Richtungen und Bandbreiten zukünftiger Entwicklungen und Veränderungen vorurteilslos zu diagnostizieren. Sie müssen wissen, wie sich Erfolg versprechend etwaigen destruktiven Tendenzen in ihrer Umgebung begegnen lässt; ebenso, wie sich neue Einflüsse erforderlichenfalls "humanitätsfördernd" zum eigenen Nutzen "transformieren" lassen.

Bildungsrelevante Unterrichtsaspekte

Welche bildungsrelevanten Aspekte eröffnen am ehesten einen derart skizzierten "Bildungshorizont", und wie müssen sie formuliert sein, um einen für das Schulprogramm des Hittorf-Gymnasiums allgemeinen, d.h. fächerübergreifenden Konsens herzustellen? Ausgegend von den oben genannten "vier Grundgedanken" sollen hier einige richtungsweisende Sichtweisen genannt werden. Sie sind nicht fächerspezifisch formuliert, bevormunden insofern auch keine Fachrichtung. Vielmehr lassen sie die gemeinsame Bedeutsamkeit der Fächer für den Erwerb von lebensnaher Bildung deutlich werden. Sie enthalten, anknüpfend an die eingangs zitierten Worte des Königsberger Philosophen Immanuel Kant, von der praktischen Vernunft diktierte Zielrichtungen, die  verdeutlichen mögen, mit welchen Haltungen und Normen sich Bildung erwerben und sichern lässt.

Aspekte, die sich auf den Gedanken der Humanität beziehen:

Ø     Der tägliche Unterricht trägt dazu bei, werteorientiertes Handeln zu ermutigen, so dass die Schüler(innen) Tugenden wie Toleranz, Verantwortlichkeit, Solidarität und Besonnenheit praktizieren und als verteidigungswürdig anerkennen.

Ø     Im Unterricht erfolgen kritischen Anstrengungen, um sich nicht von den Wirklichkeitskonstruktionen bestimmter Medien und der Pop-Kultur verführen zu lassen.

Ø     Schule trägt dazu bei, in Lehrenden und Lernenden ein Bewusstsein davon zu erzeugen, dass der freie Zugang zu Wissen kulturhistorisch ein Privileg ist, das nicht alle Gesellschaften dieser Erde teilen.

Ø     Die Schule unternimmt Anstrengungen, um vor dem Hintergrund globaler Migrationsbewegungen Zuwanderer aus anderen Ethnien und Kulturkreisen die kulturelle Adaption zu erleichtern.

Ø     In den Schülern und Schülerinnen soll im Laufe ihrer Schulzeit ein metaphysisches Bewusstsein von der letztendlichen Beschränktheit und Endlichkeit menschlichen Tuns geweckt werden, um sie gegen technische, ökonomische und politische Allmachtsfantasien zu immunisieren.

Aspekte, die sich auf die Modernität beziehen:

Ø     Unterricht trägt dazu bei, dass die Kluft zwischen praktischer Alltagskultur und dem notwendigen theoretischen Kulturwissen verringert werden kann.

Ø     Die Schule hilft, die Wissensmenge der Neuzeit mit Hilfe kategorialen Denkens und effizienter Arbeitstechniken so zu bändigen, dass Raum und Bereitschaft für die Verarbeitung neuer Fakten bleibt.

Ø     Unterricht muss so gestaltet werden, dass er zu eigenem und zu transkulturellen Denken führt. (S. die Anmerkungen im Folgenden zum bilingualen Unterricht.)

Ø     Lernhilfen müssen mit Blick auf die elektronischen Medien (z.B. das Internet) gegeben werden, damit die Schüler und Schülerinnen diese Medien gezielt für die Fragestellungen des Unterrichts nutzbar machen können.

Ø     Zunehmende Bedeutung muss künftig der Interdisziplinarität (dem fächerübergreifenden Lernen) zukommen, um größere kulturelle Sinnzusammenhänge zu stiften?

Aspekte, die sich auf den Gedanken des Dialoges beziehen:

Ø     Schule muss rationale Beurteilungs- und Begründungsmaßstäbe vermitteln, damit alle am Diskurs beteiligten Personen möglichst zu vernünftigen Urteilen und Handlungsstrategien gelangen.

Ø     Große Bedeutung kommt in dieser Hinsicht der Kenntnis der Muttersprache mit ihrem reichen Wortschatz und differenzierten Grammatik zu, wozu heute auch kritische Medien- und eine umfassende Textkompetenz gehören.

Ø     So sollte sich die 'Stimme' der Schule im öffentlichen Umfeld auch als ein Element der Stadtteilkultur begreifen und mit Konzerten, Theaterabenden und Vorträgen Menschen als Anwälte für Kultur zu gewinnen.

Ø     Im Dialog' mit europäischen Partnerschulen stellt sich die Schule inhaltlich so dar, dass Schulfahrten nicht zu programmatischer Routine erstarren.

Aspekte, die sich auf den Gedanken des Konsenses beziehen:

Ø     Vielfältige geistige Anstrengungen sind nötig, um schulische Fachcurricula so zu formulieren, dass sie von allen Lehrern, Schülern/Schülerinnen als verständlich und damit auch verpflichtend anerkannt werden.

Ø     Ein dialogischer Gesprächsstil im Unterricht, in den schulischen Gremien, in den Sprechstunden, auf Elternsprechtagen und -abenden dient der gemeinsamen erzieherischen Sache und schafft gegenseitiges Vertrauen.

Ø     Die Vertreter der Schulgemeinde bekennen sich ausdrücklich immer wieder zu einem Klima der Gewaltlosigkeit und zur Einhaltung bestehender Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Haus- und Klassenordnungen und stehen einmütig zu mehrheitlich beschlossenen Sanktionen.

Bildung als Ideal

Der Bildungsbegriff ist ein sehr komplexer: er beschreibt ein Ideal, einen Prozess, der mehr ist als eine Summe von Kenntnissen und Fähigkeiten. Die hier formulierten Gesichtspunkte  machen diesen "Prozesscharakter" deutlich und zeigen den Bildungsbegriff in Abhängigkeit von dem, was Schule, was das Leben an "bildungsrelevanten" Offerten den jungen Menschen in gemeinsamer Anstrengung zu bieten gewillt ist - und von der Bereitschaft der Jugendlichen, von diesen Angeboten einer freiheitlichen Gesellschaft Gebrauch zu machen, denn bilden kann sich der junge Mensch nur allein. Allgemeine Bildung ist umfassender und offener als das, was mit dem Begriff ‚Schlüsselqualifikationen’ bezeichnet wird. Letztere, nämlich Kommunikations- und Teamfähigkeit sowie Selbstständigkeit, sind unabdingbar für Erfolge in der Arbeitswelt, doch führt erst eine "allgemeine Bildung", wie oben umrissen, den Menschen zu sich selber und zu seinem Nächsten.

Schulprogramm und Bilingualität

Das Schulprogramm des Hittorf-Gymnasiums unterscheidet sich insofern von den anderen weiterführenden Schulen Recklinghausens, als es weit mehr als einem Jahrzehnt über einen bilingualen Zweig (deutsch-englisch) in den Sachfächern Erdkunde, Politik und Geschichte verfügt.

Bilinguales Lernen legitimiert sich im Rahmen des wirtschaftlichen und politischen Einigungsprozesses in Europa, begreift sich bildungspolitisch als Bereitschaft zur Verständigung, zum Abbau von Vorurteilen und zur Anerkennung des Gemeinsamen unter Gleichzeitiger Bejahung der europäischen Vielfalt.

Eine solche Sicht des Lernens bedeutet keineswegs den Verlust der eigenen Identität. Als kulturelles Leitmotiv dieser erweiterten "interkulturellen Kommunikation" dient die historisch gesicherte Erkenntnis, dass sich die europäische Kultur durch eine nicht zu übersehende Zahl von gemeinsamen Leistungen und Wertvorstellungen definiert: Christliche Werte, z.B. die Caritas und die von ihr abgeleiteten Teiltugenden, politische Ideale wie die Ablehnung der Willkürherrschaft und der Wunsch nach Volkssouveränität, der Gedanke einer auf rationalen Prinzipien aufgebauten Gesellschaft sind nicht Besitz einer Nation schlechthin. Sie gehören ebenso wie die Wertschätzung von Menschen- und Bürgerrechten, das Streben nach technischer und medizinischer Innovation allen Europäern. Große Leistungen in der Musik, Kunst und Architektur werden unabhängig von ihrer nationalen Herkunft als gemeinsames europäisches Erbe angesehen und bewahrt. Und in der Tat weist die hier von den einzelnen Völkern verwendete wissenschaftliche Lexik auf gemeinsame griechisch-lateinische Wurzeln hin. Sie ist bei einigen Ausnahmen mithin europäisches Gemeingut und wirkt zudem über das Englische als Lingua Franca auch in nichteuropäische Kulturkreise hinein.

Eine derart verstandene "interkulturelle" Bildungsidee wird sich Kategorien wie "similarity and dissimilarity", "integration and isolation", "cooperation and non cooperation", modernity and traditionalism", "individual and collective memory" oder "freedom and submission" verpflichtet fühlen müssen, um einem transnationalen Denken den Weg zu bahnen, damit sich die Absolventen des bilingualen Zweiges auch in der Kultur ihrer Zielsprache heimisch fühlen und von deren Repräsentanten als gebildetes ("educated") Partner gegriffen werden.

Weitgehend durch authentische Materialien geschult, sollten also die bilingualen Schüler(innen) am Ende ihrer Schullaufbahn im Hörverstehen, Leseverstehen, im mündlichen Sprachgebrauch, und in der schriftlichen Textproduktion ein Niveau erreichen, das Didaktiker als "Effective Proficiency" oder gar "Mastery" bezeichnen, gleich ob die Zielsprache "medial vermittelt oder aktuell gesprochen" wird. (Informationen zu Projekten des sprachlichen und interkulturellen Lernens, Bd.5, LSW, NRW)

Die Einrichtung bilingualer Klassen verschafft einer Schule an sich noch keine zusätzliche Schulkultur. Der Erwerb einer Fachsprache und damit einer gesteigerten Sprachkompetenz sollte seitens der Schüler(innen) mit einer Reihe von kulturellen Aktivitäten in der Zielsprache (szenisches Spiel, Gesangsvorträge, Lyrikabende, Ausstellungen, Plakatierungen, Film- und Vortragsabende und Ähnliches mehr) begleitet werden, um so - ganz im Sinne des Bildungsbegriffes - einen gewichtigen Beitrag zur Entfaltung der Persönlichkeit und zur Fundierung einer Schulkultur zu leisten. Es ist zwar richtig, dass Menschen eine Sprache erwerben können, doch auch das Umgekehrte gilt: Leben ermöglicht und verhilft den Menschen zur Sprache.


 

2.2 Erziehung am Hittorf-Gymnasium

Schulische Bildung und Erziehung auf der Schwelle des neuen Jahrhunderts findet in einem gesellschaftlichen Umfeld statt, das geprägt ist von einer Uneinheitlichkeit ethisch-moralischer Normen und Werte und von konkurrierenden gesellschaftlichen Vorstellungen darüber, was Kinder und Heranwachsende lernen und wozu sie erzogen werden sollen. Kein Gemeinschaftswesen kann ohne eine Übereinkunft hinsichtlich der Werte und Regeln des Miteinander-Umgehens auskommen. Dies gilt insbesondere für die Schule und somit auch für das Gymnasium, das einen deutlichen Konsens über einen ethisch-moralischen Werterahmen benötigt, in dem Erziehungsziele angesiedelt werden, damit es seinem Doppelauftrag, durch Erziehung  undBildung „die Schülerinnen und Schüler zur mündigen Gestaltung des Lebens in einer demokratisch verfassten Gesellschaft zu befähigen“ (Richtlinien und Lehrpläne für das Gymnasium – Sekundarstufe I – in Nordrhein-Westfalen, S. 11), nachkommen kann. Im Austausch mit den Eltern und ihren Vorstellungen sollte bewusst an diesem Konsens gearbeitet werden.

Den allgemeinen Rahmen geben der politisch demokratische Basiskonsens – wie er im Grundgesetz und der Landesverfassung formuliert ist –  und Erlasse und Verfügungen für den schulischen Bereich – wie die Allgemeine Schulordnung – sowie Richtlinien und Lehrpläne vor. Für einen funktionierenden und gedeihlichen Schulalltag zum Wohle der nachwachsenden Generation benötigt die einzelne Schule jedoch eine möglichst klare Übereinkunft über grundlegende konkrete Erziehungsziele und Wertmaßstäbe.

Erfreulicherweise kann das Schulprogramm des Hittorf-Gymnasiums auf einen solchen Konsens zwischen Eltern, Lehrern und Schülern bauen. Befragungen und Gespräche in den Pflegschaften und der Schülervertretung sowie im Kollegium haben ergeben, dass alle drei Gruppen sich in wesentlichen Fragen des sozialen Umgangs und der individuellen Werthaltungen einig sind. Erkennbar wird dies auch in einem grundsätzlich angenehmen, sozialen Klima an der Schule, einer insgesamt positiven Einstellung unserer Schülerinnen und Schüler zu Schule und Lernen, sowie einer spürbaren Identifikation mit „ihrem“ Hittorf-Gymnasium. Diesen zwar vorhandenen, bislang aber nicht explizit gemachten Konsens auszuformulieren, ist Ziel dieses Kapitels.

Im Hittorf-Gymnasium wird von einem Erziehungsbegriff ausgegangen, in dem der Einzelne in Wechselbeziehung zu seiner Umwelt gesehen wird. Er reagiert ebenso auf Dinge, Einflüsse und seine Mitmenschen, wie er sie durch sein eigenes Verhalten beeinflusst. Daraus folgt, dass die Entwicklung eines stabilen Ichs, die Förderung und Stärkung individueller Fähigkeiten eingebettet sind in die Verantwortung für das eigene Tun: Selbstbestimmung in sozialer Verantwortung als Leitziel der Erziehung am Hittorf-Gymnasium. Beide Teilziele – die Förderung des Individuums und die Förderung des sozialen Verhaltens – finden sich in unterrichtlicher Bildung aufgehoben.

Darüber hinaus gibt es am Hittorf-Gymnasium eine Reihe unterrichtsergänzender Anlässe und Veranstaltungen, in denen Normen und Werte vermittelt werden: Klassenfahrten und –feiern, Arbeitsgemeinschaften, Sportturniere, Wettbewerbe wissenschaftlicher Art, Schulfeste usw. usw. All diese Elemente lebendigen Schullebens dienen auch einer intensiven Identifikation mit der eigenen Schule („corporate identity“).

Das Leitziel entfaltet sich in konkreten Normen und Formen eines humanen Umgangs miteinander:

Das Beziehungsgeflecht Eltern – Schüler – Lehrer - „nichtlehrendes“ Personal der Schule (also Sekretärinnen, Hausmeister, Reinigungskräfte usw.) muss geprägt sein von Respekt, Achtung und gegenseitiger Toleranz. Die Liberalität der Schule drückt sich in der Freiheit des einzelnen aus, die ihre Grenze in der sozialen Verantwortung und der Verpflichtung findet, sich demokratisch für das Gemeinwesen „Schule“ einzusetzen.

In diesem Sinne müssen alle am Schul-Leben Beteiligten rücksichtsvoll miteinander umgehen und die Besonderheiten des jeweils anderen Geschlechts achten, sie erteilen der Gewalt eine Absage, verpflichten sich vielmehr zu rationalen Formen der Konfliktbewältigung.

Für ein Wirksamwerden dieser Werte sind Tugenden unumgänglich, die die Voraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit von Lehrern, Schülern und auch Eltern bilden.

Diese Tugenden spiegeln sich in folgenden Forderungen an humane Umgangsformen wider:

Ø      Zu einer grundlegenden Höflichkeit gehören gegenseitiges Grüßen und Hilfsbereitschaft zueinander ebenso, wie das Freimachen von Gängen und Treppen für Passanten. Selbstverständlich sollte es auch sein, für Zuspätkommen und versäumte Stunden um Entschuldigung zu bitten. Auch sind die Eltern auf das adäquate Verhalten hinzuweisen.

Ø      Aus der Anerkennung des Rechts auf Bildung resultieren die Verpflichtung zu einem pünktlichen Unterrichtsbeginn, zur Nacharbeitung versäumten Stoffes, zur vollständigen und regelmäßigen Erledigung übertragener Aufgaben und der Verzicht auf mutwilliges Stören oder sonstige Behinderungen eines geordneten Unterrichts.

Ø      Phasen der Entspannung und des Lernens sollten deutlich voneinander geschieden sein, deshalb gehören Essen (natürlich auch Kaugummikauen) und Trinken nicht in den Unterricht.

Ø      Ein gedeihliches Schul-Leben erfordert auch den Respekt vor Sachen als Bestandteilen der Umwelt. Dem gemäß werden Einrichtungsgegenstände, Räume und Medien der Schule sowie fremdes Eigentum pfleglich behandelt. Durch mutwilliges Verhalten entstandene Schäden sind selbstverständlich von den Schülern zu ersetzen. Ordnung und Sauberkeit im Klassenraum und der übrigen Schule zu halten, ist keine „kosmetische“ Angelegenheit, sondern sorgt mit für ein angenehmeres Arbeitsklima und kommt damit allen zugute. Letztlich zeugt ein darauf abzielendes Verhalten auch von Achtung vor der Arbeit des Hausmeisters und des Reinigungspersonals.

Ø      Dem hier formulierten Konsens trägt die Hausordnung Rechnung, deren Beachtung Schülern wie Lehrern eine tägliche Verpflichtung ist.

Auf der Basis dieser dargelegten Werte, Normen und Umgangsformen gehen Schüler, Lehrer und Eltern des Hittorf-Gymnasiums optimistisch ins erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts.