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Kapitel 4

4. Besondere Unterrichtsformen

Unter dieser Überschrift sollen kurz Arbeitsweisen und Unterrichtsformen vorgestellt werden, welche den herkömmliche Fachunterricht ergänzen und in besonderer Weise geeignet erscheinen, individuelles und selbständiges  Lernen zu fördern.

a)    Freiarbeit

Die Methode der Freiarbeit weicht stark vom lehrgangswei­sen Prinzip herkömmlichen Fachunterrichts ab. In diesem Rahmen können Sinn, Zweck und Einsatzmöglichkeiten von Freiarbeit am Gym­nasium auch nicht ansatzweise umfassend dargestellt werden. Gleichwohl kann diese Arbeitsform nicht ausgeklammert werden, stellt sie doch eine wichtige unterrichtliche Vorerfahrung dar, mit der die Schülerinnen und Schüler ins fünfte Schuljahr kommen.

In Freiarbeit werden den Schülerinnen und Schüler in umfassender Weise Materialien, Themen und Aufgaben zur eigenständigen Bear­beitung zur Verfügung gestellt. Man kann dabei unterscheiden zwischen einem Pflichtpensum, das von allen Schülerinnen und Schülern zu erledigen ist, und einem Wahl- oder Neigungspensum. Die Lernmaterialien sind in der eigentlichen Freiarbeit fächerübergreifend angelegt und umgreifen komplexere Themen. Sie sollten auch das Lernen in unterschiedlichen Sozialformen möglich machen.

b)    Lern- und Arbeitsmethoden

Wichtige fachspezifische Arbeitsmethoden, die auf eine selbständiges Studieren vorbereiten, werden sukzessive in den jeweiligen Fächern eingeführt und erarbeitete. Wobei eine scheinbar nebensächliche Tatsache sich doch als durchaus folgenreich erweist: Da die meisten Lehrwerke nur an die Schülerinnen und Schüler ausgeliehen werden, können elementare Formen der Textarbeit nur exemplarisch demonstriert werden. Hier wäre es wünschenswert, wenn Schülerinnen und Schüler Lehrbücher verstärkt in Eigenbesitz hätten.

Da gegenwärtigen Gymnasialschülerinnen und -schülern zunehmend fundamentale Lernmethoden aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr verfügbar sind, muss Schule darauf reagieren, indem zukünftig intensiver als bisher das Lernen gelehrt werden sollte. Ansätze gibt es am Hittorf-Gymnasium durchaus, insofern vornehmlich auf der Erprobungsstufe aber auch auf anderen Stufen das selbstständige, eigenverantwortliche Lernen thematisiert wird: Organisieren von Hausaufgaben,  Erstellen von effektiven Arbeitsplänen, verschiedene Arten des Lesens, Lernpartnerschaften, Kommunikationstraining, Einüben wirkungsvoller Präsentationsformen von Arbeitsergebnissen, wirksames Vokabellernen usw. werden i.d.R. in unterschiedlichen, meist fachlichen Zusammenhängen erklärt und eingeübt. Gleichwohl gibt es in diesem Bereich aber deutlichen Fortbildungsbedarf und besteht die Notwendigkeit einer Vernetzung bisheriger, eher punktueller Ansätze.

c)    Lernen in Projekten

Der Begriff ‚Projekt‘ bedeutet allgemein die Planung und Durchführung eines größeren Vorhabens und wird in diesem Sinn auch für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Wissenschaft und Industrie verwandt. Im Bereich von Schule und Unterricht ist diese allgemeine Definition - Projekt als Planung und Durchführung einer längeren Unterrichtseinheit - seit Mitte der sechziger Jahre ebenfalls gebräuchlich geworden, obwohl die pädagogische Tradition des Begriffs – er reicht bis in die Renaissance zurück - es nahe legt, nur bei bestimmten Zielsetzungen und Formen der Unterrichtsorganisation von Projektunterricht zu sprechen.

Die wesentlichen Dimensionen von Projek­tunterricht sind: Selbsttätigkeit der Schüler bei der Planung, Durchführung und Beurteilung von Unterricht, Abbau von Lehrerdominanz, problemorientiertes Lernen und Handeln, fächerübergreifender Unterricht, Wissen erwer­ben und überprüfen in der Anwendung, Aufhebung der Isolierung von schulischem und außerschulischem Lernen, Produktorientierung (sinnlich wahrnehmbares Ergebnis von Unterricht, an dem sich die intendierten Lernziele überprüfen lassen, was eine herkömmliche Notengebung überflüssig macht).

Allgemeiner gesagt gelten für die unterschiedlichen Formen des Lernens in Projekten vier Punkte: Erstens muss es eine Aufgabe enthalten, zweitens muss die Aufga­be einen größeren wichtigen Arbeitsvorgang umfassen und drittens muss der Schüler für die Planung und Ausführung der Arbeit die Verantwortung übernehmen. Und schließlich muss das Projekt eine auf die Lösung einer Aufgabe ge­richtete praktische Tätigkeit darstellen. Der Ablauf des Projektverfahrens lässt sich wie folgt beschreiben: Zielsetzung, Planung, Ausführung, Beurteilung. Ein alle Dimensionen des Projektansatzes umfassender Unterricht wird kaum realisier­bar sein -  meistens nur Reduktionsformen,  deshalb bietet sich der Terminus „projektorientierter Unterricht“ an. Dabei handelt es sich, genau genommen, um keine Unterrichtsmethode, die sich wie andere Methoden beliebig einsetzen ließe, son­dern letztlich um eine andere Art von Unterricht, der sich aus den Zielsetzungen einer demokratischen Schule und einem demokratischen (nicht-hierarchischen) Rollenverständnis von Lehrenden und Lernenden herleitet. Erreichbar ist ein solcher Unterricht nur in längeren reflektierten Lehr- und Lernprozessen eines (meta­)kommunikativen Unterrichts. Zentraler Punkt eines so verstandenen projektorientierten Unterrichts ist die Zielsetzung der »Selbstorganisation der Lerngruppe«.

Unter projektorientiertem Unterricht soll deshalb eine Organisationsform schulischen Lernens verstanden werden, die den Schülern Mit- und Selbstbestimmung ermöglicht bei der Wahl der Inhalte und Unterrichtsthemen, Festlegung der Unterrichtsziele, Bestimmung der Methoden bei der Durchführung, Er­arbeitung der Probleme und Ergebnisse, Beurteilung der geleisteten Arbeit. Aus einem bisher weitgehend lehrerzentrierten Unterricht wird ein schülerzentrierter: die Rolle des Lehrers verändert sich hierbei, er tritt zurück, verhält sich eher informierend, beratend, anregend, kooperierend und koordinierend, während bei der Lerngruppe Selbständigkeit und Selbsttätigkeit zunehmen. Die Themen eines solchen Unterrichts werden von der Situation und den Interessen der Schüler mitbestimmt, sollten tendenziell exemplarisch auf relevante Bereiche bezogen sein, problemorientiert und nicht eingeengt vom traditionellen Fächerkanon. Damit eng in Zusammenhang steht die Aufhebung der Isolation schulischen Lernens und die Verbindung zur außerschulischen Realität der Lebenswelt der Schüler und der gesellschaftlichen Umwelt.