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Das Rollenspiel als Hypermedium im Unterricht

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
2. Begriffsklärung
3. Spielstruktur
3.1 Aufwärmphase
3.2 Spielphase
3.3 Entlassungsphase
3.4 Reflexionsphase
4. Die Ziele des Rollenspiels
5. Chancen und Risiken des Rollenspiels
6. Fazit


1 Einleitung

Wenn man an Medien im Unterricht denkt, dann hat man sofort die Tafel, ein Poster, eine Powerpoint-Präsentation, ein Radio- oder TV-Gerät im Kopf. All dies sind Medien, die der Lernende passiv erfährt.
Hier soll jedoch ein Medium untersucht werden, mit dessen Hilfe der Unterrichtsstoff sowohl anschaulich dargestellt wird als auch den Schüler zum aktiven und handelnden Teil macht: das Rollenspiel. Es soll untersucht werden, ob kognitives Lernen möglich ist.
Zunächst wird eine Abgrenzung des Begriffs vorgenommen. Dann wird der Ablauf eines Rollenspiels näher erläutert und an einem Beispiel veranschaulicht. Anschließend wird untersucht, was dabei mit den Schülern erreicht werden soll und was besonders beim Rollenspiel beachtet werden muss. Anschließend wird ein Fazit gezogen.

2 Begriffsklärung

Das Rollenspiel wird in der Literatur sehr vielfältig definiert. An dieser Stelle sollen nur einige ausgesuchte Begriffsklärungen aufgezeigt werden.
Schützenberger definiert es folgendermaßen: Ein Rollenspiel ist eine „Aktionsmethode[ ] zur Erkundung der Erlebnisinhalte eines Menschen.“ Das Spiel „geschieht in der Gruppe, durch die Gruppe und mit der Gruppe“ und es kann vom Spielleiter mehr oder weniger aktiv geleitet werden. Weiterhin bezeichnet sie es „als Lernhilfe und Trainingsmöglichkeit in Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen.“
Andere Autoren verstehen das Rollenspiel auch als Vorbereitung auf die Wirklichkeit durch ein So-tun-als-ob. Eine weitere Definition bezeichnet das Rollenspiel als „lerneraktivierendes Unterrichtsverfahren mit Simulationscharakter.“

Die Vielfältigkeit der Definitionen zum Rollenspiel rührt daher, dass es in so vielen Anwendungsgebieten eingesetzt wird. Zu therapeutischen Zwecken wurde es erstmals von dem Arzt und Psychologen Jakob L. Moreno in Form des Psychodramas eingesetzt. Mittelerweile findet es neben der Pädagogik unter anderem auch in der Sozialpsychologie, bei Selbsterfahrungsgruppen oder im Management-Training Anwendung.

Das Rollenspiel wurde aus der Rollentheorie abgeleitet. Der Begriff der Rolle stammt aus der Soziologie. Soziale Rollen bezeichnen Ansprüche der Gesellschaft an die Träger solcher Positionen, wobei von deren Inhabern ein bestimmtes Verhalten erwartet wird. Im Rollenspiel wird dies aufgegriffen, so dass jedem Protagonist bewusst ist, welche Rolle er innehat und wie er diese spielen soll. Beispielsweise herrschen klare Vorstellungen darüber, wie sich eine Mutter verhält oder wie ein Polizist auftritt.

Diese Arbeit bezieht sich auf den Einsatz des Rollenspiels im Unterricht. Bei näherer Betrachtung der verschiedenen Begriffsdefinitionen wird deutlich, dass es beim Einsatz in der Schule zwei Arten von Rollenspielen gibt. Das sind einerseits solche, die sich am Unterrichtsthema orientieren und sich mit den Inhalten auseinander setzen. Auf der anderen Seite gibt es auch jene, die am sozialen Lernprozess orientiert sind und die Spieler zum Erwerb sozialer Kompetenzen befähigen sollen. Obwohl sich das Rollenspiel aus dem psychotherapeutischen Rollenspiel und dem Psychodrama entwickelte, hat das handlungsorientierte Rollenspiel im Unterricht keinen psychotherapeutischen Anspruch. Hier liegt der Sinn des Rollenspiels entweder als Methode im sozialen Lernen oder als Hypermedium im kognitiven Lernen. Da diese Arbeit den Anspruch hat, das Rollenspiel als Medium zu betrachten, wird es im Folgenden nur noch als ein solches angesehen.

Ebenso wie Planspiele und Fallstudien gehört das Rollenspiel zu den pädagogischen Simulationsspielen. Die Teilnehmer agieren in einem Modell, einer Abbildung der sozialen, politischen und ökonomischen Wirklichkeit.

Ein Rollenspiel muss immer gut vorbereitet und moderiert werden. In der Schule wird die Funktion des Spielleiters zumeist durch den Lehrer ausgefüllt. Oft ist es aufgrund großer Schülerzahlen nicht möglich, jedem Schüler eine Rolle im Spiel zuzuteilen. Alle diese Schüler erhalten dann eine Beobachterrolle, die auch mit einem Arbeitsauftrag versehen sein kann.

3 Spielstruktur

Die meisten Autoren teilen das Rollenspiel in drei Phasen ein: die Aufwärmphase, die Spielphase und die Reflexionsphase. Jedoch ist es sinnvoll, zwischen der Spiel- und der Reflexionsphase eine kurze Entlassungsphase einzubauen, um eine klare Abgrenzung zwischen Spiel und Wirklichkeit zu schaffen.
Im Folgenden werden die vier Phasen jeweils kurz erklärt und an einem Beispiel verdeutlicht. Dieses Beispiel bezieht sich auf ein Rollenspiel zum Thema Erweiterung der Europäischen Union. Dabei sollen die Schüler die beteiligten Staaten während einer Plenarsitzung im Europaparlament repräsentieren. Sie finden sich in Gruppen zusammen, die je ein EU-Land oder einen Beitrittskandidaten vertreten. Innerhalb der Gruppen können die Schüler jeweils einen Verantwortlichen für den Bereich Gesellschaft, Wirtschaft, Innenpolitik, Sprache o.ä. ernennen. Eine Gruppe übernimmt die Präsidentschaft und ist somit für die Moderation während der Sitzung verantwortlich.

3.1 Aufwärmphase

Diese Phase dient der Einstimmung, Lockerung und Entspannung und ist besonders wichtig, wenn sich die Schüler noch nicht so gut kennen. Durch bestimmte Vorübungen kann die Lehrperson die Lernenden auf das Spiel vorbereiten. Einerseits kann dies durch spezielle Übungen geschehen, um Hemmungen bei den Spielern abzubauen und eine lockere Atmosphäre zu schaffen. Andererseits kann hier bereits die Neugier der Schüler geweckt werden, indem das Problem gestellt und ein Handlungsrahmen vorgegeben wird. Die Schüler können daraufhin Rollenanalysen durchführen und die Rollen zuteilen. Zumeist ist es sinnvoll, den Schülern, die das Publikum spielen, bestimmte Beobachtungsaufgaben aufzutragen.
Nun soll auf das Beispiel eingegangen werden: Zur Vorbereitung der Plenarsitzung werden die Gruppen verteilt, die Aufgaben gestellt und Informationsmaterial beschafft. Beispielsweise kann jede Gruppe damit beauftragt werden, ein Positionspapier als Diskussionsgrundlage zu erstellen.

3.2 Spielphase

Während des Spiels nehmen „die Spielerinnen und Spieler .. ihre Rollen an, erleben die Situation und reagieren auf die Reden und Handlungen der anderen so, wie sich ihrer Ansicht nach Menschen in diesen Rollen verhalten würden.“
An dieser Stelle können mehrere Techniken des Rollenspiels zum Einsatz kommen. Ein Spieler kann beispielsweise eine Doppelrolle innehaben, indem er beiseite redet, was er in der konkreten Situation denkt oder fühlt. Eine andere Technik ist das Doppeln, bei der ein anderer Spieler ausspricht, was der Protagonist nicht sagt, sondern denkt. Es ist auch möglich, einen Rollentausch durchzuführen, indem ein Protagonist die Rolle seines Antagonisten übernimmt .

Im Beispiel des Rollenspiels zur EU-Erweiterung wird die Plenarsitzung durchgeführt. Dabei können entweder alle Schüler teilnehmen, um das von ihnen gewählte Land zu vertreten oder jede Gruppe schickt nur einen Vertreter in die Sitzung und die übrigen Schüler verfolgen das Geschehen als Beobachter. Es wird nun diskutiert, welche Länder in die EU aufgenommen werden sollten. Dabei gibt es die Perspektiven der Mitgliedstaaten und die der Beitrittskandidaten, die durchaus gegenteilige Meinungen haben können.

3.3 Entlassungsphase

Hier erfolgt eine Verabschiedung und somit die Beendigung des Spiels. Diese Phase ist insofern wichtig, da die Spieler eine gewisse Distanz zu ihrer Rolle erlangen und die spätere Kritik der Beobachter nicht persönlich nehmen.

3.4 Reflexionsphase

Nun erfolgt die Auswertung. Dies ist der eigentliche Lernprozess. Das Geschehene wird analysiert und diskutiert, indem die Akteure mitteilen, wie sie sich während des Spiels fühlten und was sie dachten. Anschließend erfolgt ein Feedback durch die Beobachter. An dieser Stelle können Fehler und Missverständnisse korrigiert werden.
Es erfolgt weiterhin ein Transfer in die Realität. Zusammen wird festgelegt, wie ein Vorgehen in einer konkreten Situation in der Zukunft aussehen sollte. Die Ergebnisse und Verbesserungsvorschläge sollten schriftlich festgehalten werden. Zur Lernkontrolle kann das Rollenspiel erneut durchgeführt werden, um die besprochenen Veränderungen umzusetzen.

Im Beispiel kann nach der Plenarsitzung und der Auswertung beispielsweise eine Übersicht mit den Argumenten für und gegen den Beitritt bestimmter Staaten erstellt werden.

4 Die Ziele des Rollenspiels

Wird das Rollenspiel als Hypermedium benutzt, so stehen in erster Linie kognitive Lernziele im Mittelpunkt der Betrachtung. Durch das Umsetzen des Unterrichtsstoffs in eigene Handlungen soll er besser behalten werden. Die behandelten Themen können vertieft und gefestigt, der Stoff auch mit eigenem Wissen, Erfahrungen und Einstellungen verknüpft werden. Das Sachwissen der Schüler wird erhöht, wenn die Sachverhalte im Rollenspiel anschaulich erarbeitet und analysiert werden.
Im Beispiel des Rollenspiels zur EU-Erweiterung erwerben die Schüler konkrete Kenntnisse über die Mitglieds- und Beitrittsstaaten und werden sich der Funktionsweise eines Staatenbundes bewusst.
Gerade bei der Anwendung des Rollenspiels im fremdsprachlichen Unterricht können positive Ergebnisse erzielt werden. Schüler sind oft sehr unsicher beim Sprechen der Fremdsprache, da die Situation im Klassenzimmer kaum eine Verbindung zum täglichen Leben ermöglicht. Dieses Problem können die Schüler während des Rollenspiels vergessen und werden sich somit bewusst, wie sie mit der Sprache im Alltag umgehen können und ob sie sich ausdrücken können.

Neben dem inhaltlichen Lernen werden beim Rollenspiel auch immer sozial-kommunikative Lernziele verfolgt, wenn auch nicht primär. Eher nebenbei lernen die Schüler, wie sie ein Problem oder eine Meinung in einer Diskussion artikulieren, wie man sich in einer Diskussionsrunde verhält und wie man mit Feedback umgeht. Das Rollenspiel fördert Wahrnehmung, Empathie, Flexibilität und Offenheit sowie den Erwerb von Kooperations-, Kommunikations- und Problemlösefähigkeiten.

Im konkreten Beispiel müssen zunächst Informationen beschafft und verarbeitet werden und eine Position entwickelt werden, um die Interessen des Landes zu vertreten. Die Schüler müssen sich intensiv mit dem zu vertretenden Land auseinandersetzen und spezifische Informationen sammeln. Während der Sitzung aber müssen die Parteien aufeinander zugehen und Kompromisse schließen, um zu einer Lösung zu kommen.

5 Chancen und Risiken des Rollenspiels

Ein Risikofaktor bei der Durchführung von Rollenspielen ist der hohe Zeitaufwand. Für das Rollenspiel zur EU-Erweiterung sind mindestens drei Doppelstunden veranschlagt. Die meiste Zeit dient der Vorbereitung und Informationsverarbeitung, jedoch muss auch für die Auswertungsphase genügend Zeit eingeplant werden. Das Spiel an sich soll im konkreten Beispiel lediglich 30 Minuten dauern.
Weiterhin sollte die Lehrperson schon Erfahrungen mit dem Rollenspiel haben und es selbst auch mögen. Nur so weiß sie, wann und wo Probleme auftauchen und wann ein Spiel unterbrochen werden sollte. Es ist wichtig, dass sie sich während des Spiels zurückhält und nur unter bestimmten Bedingungen eingreift. Dass kann beispielsweise sein, wenn die Schüler in Gelächter verfallen oder wenn ein Schüler aus seiner Rolle fällt, sodass das Spiel in die falsche Richtung verläuft.br /> Der Spielleiter muss sehr gut vorbereitet sein, wenn er ein Rollenspiel durchführen möchte. Er muss sich über die Ziele im Klaren sein, die die Schüler mit dem Spiel erreichen sollen. Weiterhin muss er Arbeitsaufträge erarbeiten, sich eine Einstimmung ausdenken und die Auswertungsphase gut strukturiert durchführen.
Es besteht weiterhin die Gefahr, dass während eines Rollenspiels Konflikte aufbrechen, die schon seit Längerem in der Gruppe schwelen. Sind nur mangelnde Personal- und Sozialkompetenzen vorhanden, so kann ein Teilnehmer mit seiner Rolle identifiziert und auf dieser Ebene angegriffen und kritisiert werden. All dies muss ein Lehrer auffangen oder versuchen dies schon im Vornherein zu verhindern. Der Erfolg des Rollenspiels ist also stark abhängig von der Motivation und der Kommunikation untereinander.

Es bestehen aber auch Chancen bei der Anwendung des Rollenspiels als Hypermedium. Bis auf den hohen Zeitaufwand bei der Vorbereitung und Durchführung des Rollenspiels sind kaum mehr Investitionen nötig. Es kann in nahezu jeder Räumlichkeit, mit Teilnehmern aller Altersstufen und in sehr vielen Themenbereichen ohne Weiteres durchgeführt werden. Das Rollenspiel zur EU-Erweiterung kann in den Fächern Geographie, Sozialkunde, Politik oder Wirtschaftslehre eingesetzt werden.
Die Aussicht auf ein Spiel wirkt motivierend auf die meisten Schüler, da es eine Abwechslung zum stark lehrerzentrierten Unterrichtsalltag darstellt. Darum zeigen sie Einsatz und es kann gelingen, dass während der Auswertung das Unterrichtsthema im Mittelpunkt einer lebhaften Diskussion steht. Dadurch lernen und behalten die Teilnehmer viel Inhaltliches. Der Transfer zur Praxis ist durch das Rollenspiel insofern gewährleistet, dass einerseits das Gelernte im Beruf oder im Alltag angewendet werden kann, andererseits auch praxisrelevante Inhalte im Rollenspiel verarbeitet werden können.

6 Fazit

Nur unter bestimmten Bedingungen ist es sinnvoll, ein Rollenspiel im Unterricht durchzuführen. Die Lehrkraft sollte bereits Erfahrungen im Umgang mit dem Spiel haben und gut vorbereitet sein. Während des Spielens sollte sie nicht oder nicht zu oft eingreifen. Wenn die Schüler über genügend Sozialkompetenzen verfügen, so können die pädagogischen Ziele es durchaus erreicht werden und die Schüler setzen sich gern mit dem Unterrichtsthema auseinander. Das Gelernte wird vertieft, während die Schüler aktiv sind.


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