Jaws (John Williams)
von Matthias Noe
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Dun-Dun Dun-Dun Dun-Dun Dun-Dun DUN Dun Dun-Dun DUN...
Selten hat es wohl ein Film(komponist)
geschafft, mit den einfachsten musikalische Ideen von Anfang an eine Signatur für
die gesamte Spielzeit eines Films zu finden. John Williams "Main
Title" aus "Der weiße Hai" (engl. Titel u. CD-Titel: "Jaws")
ist nicht nur unter Filmmusikfans bekannt, wie ein bunter Hund. Egal, wann man
es hört, man denkt automatisch an drohende Gefahr aus tiefen Gewässern, an
eine Welt der schwimmenden Ungeheuer unter der ruhigen Oberfläche.
DER WEIßE HAI, der die Geschichte des Badeortes Amity, in dessen Gewässern ein
Menschenfresser fröhlich Touristen und Einheimische dezimiert, erzählt,
ist einer von Spielbergs besten Filmen und in puncto Spannungsaufbau und
Timing wegweisend gewesen. Der 1975 noch unbekannte Regisseur bekam von den
Produzenten RICHARD D. ZANUCK u. DAVID BROWN, die sein Kinodebut SUGARLAND
EXPRESS bereits produziert hatten, den Auftrag PETER BENCHLEY Buch "JAWS"
(dt.~ Kiefer, Gebiss(e)) zu verfilmen, nachdem er sein ausdrückliches Interesse
daran betont hatte. Nun die Dreharbeiten mit dem mechanischen Hai (nach
Spielbergs Anwalt "Bruce" genannt) waren ein Desaster. Das mechanische
Pendant zum "Killer der Meere" war ein äußerst schwerfälliger
Mechanismus, durch die damaligen Möglichkeiten der Robotertechnik (bis zu Stan
Winston's JURASSIC PARK- Dinos dauerte es noch knapp 20 Jahre) extrem im
Realismus eingeschränkt und nur in etwa einem Drittel der ursprünglich
geplanten Szenen einsetzbar. Doch Spielberg wollte, dass das Publikum merkte,
dass der Hai anwesend ist (z.B. am Anfang, wo man nur die Auswirkungen des
Untiers sieht, sein Angesicht abgesehen von einer Rücken-/Schwanzflosse jedoch
bis zur Hälfte des Films verborgen bleibt). Also musste John Williams
Spielbergs ursprüngliches Musikkonzept ("melodisch und doch
unheimlich") überarbeiten und eine Signatur finden, die dem Zuschauer
vermittelt, dass das Untier anwesend ist, ohne es zu sehen.
Heraus kam jenes von Streichern getragene Dreiton-Motiv, dass zusammen mit
Bernard Herrman's "Geigengequietsch" (abfällige Bezeichnung) aus
Psycho das wohl größte musikalische Klischee der Filmgeschichte ist [Trevor
Rabin's Score zum modernen Hai-Thriller DEEP BLUE SEA (1999)enthält in
Anlehnung am Anfang ein ähnliches Motiv].
Die Musik war eine frühe Ankündigung vom Genie des Komponisten John Williams
und ist seit gut einem Jahr auf zwei Veröffentlichungen erhältlich, die sich
inhaltlich gleichen, wobei es sich bei dem Decca-Release um die Originalaufnahme
handelt und bei der Varèse-Veröffentlichung um eine tonqualitativ bessere
Neuaufnahme unter dem Taktstock von Joel McNeely. Des weiteren gibt es noch ein
drittes, das 75er Original-Release, dass in knapp über einer halben Stunde nur
Teile der Musik enthält und somit durch die 2000er Veröffentlichungen
abgesetzt wurde, die einen viel besseren Blick auf die Musik ermöglichen!
JAWS ist nicht nur ein Synonym für die
richtungsweisende Vertonung von Filmen, sondern auch für deren geschickten
Einsatz. Z.B glaubt ab der Hälfte des Filmes jeder Zuschauer, dass die Musik
ihn bei Angriffen des Hais vorwarnt. Und genau ab diesem Punkt tut sie genau das
nicht mehr. Somit ist sie sowohl kompositorisch, als auch von ihrem Einsatz her
ein Geniestreich.
Doch die Musik auf dieses Zweiton-Motiv zu reduzieren ist genauso falsch, wie
Herrman's PSYCHO auf jene Duschszene herabzulassen. Besonders hervorzuheben ist
hier MONTAGE. Es präsentiert im Gegensatz zum Hai-Thema eine hübsche
romantische Melodie die im Film die Ankunft der Touristen in Amity Island
begleitet. Und die düster-unheimlichen Stücke BEN GARDNER’S BOAT und
QUINT’S TALE sind das Fundament, auf dem der Zuhörer auf das Gleiß zur später
aufkommenden Panik geleitet wird. Auch OUT TO THE SEA ist hier eindeutig
melodischer anglegt und beinhaltet so etwas wie ein „Gefährten“-Thema, dass
die drei Männer, die den Hai auf hoher See fangen wollen, musikalisch
charakterisiert und bei dramatischen Ereignissen um sie herum ein meist kurzes
Gastspiel hat. Nicht so aber in MAN AGAINST BEAST, dem wohl besten Stück des
Soundtracks, dass alle drei Hauptthemen beinhaltet (Hai, Montage, Gefährten)
und diese äußerst gekonnt variiert und speziell dem Hai-Thema eine noch elektrisierendere
Wirkung verschafft, während das Gefährten-Thema hier in seinem triumphalen Übermut
ebenfalls hervorragend zur Geltung kommt! Weiterhin herausragend präsentiert
sich das Dreiton-Motiv (vor allem in der Wirkung) bei THE PIER INCIDENT , das
einen Zwischenfall an einem Steg schildert, bei dem einer von zwei Fischern
gerade so der Bestie entkommt, sowie bei INTO THE ESUTARY, dass eine der
brutalsten und zugleich dramatischsten Szenen unterlegt, jene, in der eine Meute
von Touristen am Strand einen Paddler in einer Bucht vergebens vor dem Untier
warnt und bei dessem Ableben zusieht. Die Streicher formieren sich in einer
ansteigenden Geschwindigkeit, und lassen somit im Zuschauer eine Panik
regelrecht aufquellen. Gerade in diesen Szenen ist man der Musik, teils
unbewusst, ausgeliefert und sie spielt mit dem Zuschauer wie selten zuvor oder
danach eine Filmkomposition, auch von Williams. Nach diesem Auf und Ab, dass die
hervorragende(n) CD(s) so markant macht, bekommt man zum Schluss wieder das
lyrische Gefährten-Thema zu hören, auf einer Flöte, von Streichern begleitet,
dass den ohnehin perfekte Eindruck komplettiert!
DAS HEIßT: Wer
die CD(s) nicht schon hat und sich nur im Entferntesten Filmmusikfan nennt
sollte zugreifen. Mein Favorit ist zwar die Decca-Version, Leute die jedoch die
Varèse-Neueinspielung mit mehr Zusatzmaterial im Booklet besitzen können sich
beruhigen, da den Unterschied für mich nicht die Ton-Qualität ausmacht,
sondern die Tatsache Williams’ und nicht McNeely’s Version zu hören. Hier
sollte man sich nicht zuviel Gedanken machen, beide sind von erster Klasse und
repräsentativ für die Musik, die definitiv zu den Highlights der
Filmgeschichte gehört!