Abscheu/Uhura 4 |
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Uhura Message 4 2000 |
Leise zog er sich seine Schuhe aus. Das Schlafzimmer war indessen schon in Finsternis gehüllt, doch die Gewohnheit lässt ihn mittlerweile auch in der Finsternis sehen. Nichts war zu vernehmen, kein Geräusch. Die Autos, die ansonsten an der Straße vorbeifahren, stehen in den Garagen ihrer Besitzer, die auch schon seit langem in ihren Betten liegen. Aber er hat sich heute vorgenommen später zu Bett zu gehen. Er hat lange nachgedacht, ist mit seinem Wagen das ganze Tal abgefahren, am Waldrand stehengeblieben und einfach nur still dagesessen und hat nachgedacht. Es waren keine konkreten Gedanken, sondern vielmehr wahllos zusammengewürfelt eine Mischung aus Erinnerungen und Gefühlen, aus neuen Erkenntnissen und zu verwirklichenden Plänen. Kein Wort ist über seine Lippen gekommen, nichts von seinem Umfeld konnte ihn aus der Konzentration bringen. Er saß einfach nur da, bewegungslos und rhythmisch atmend... Einatmen, ausatmen ... Er hört sie langsam einatmen und ausatmen. Er war früher öfter des nachts wachgeblieben um sie atmen zu hören und hat sich dadurch sicher und geborgen gefühlt. Und wie er sie jetzt so hörte, wusste er, dass kein Atemzug von ihr ihm diese Sicherheit und Geborgenheit wiedergeben. Ihr Atemzug. Wie sehr er es doch auch genossen hatte, ihr Keuchen beim Geschlechtsakt ganz nah an seinem Ohr zu hören. Das machte ihn immer noch wilder, sein Leben in ihr zu spüren und ihr Atem in seinem Nacken, in seinem Ohr. Aber nun widerte ihn ein jeder ihrer Atemzüge an. Er hatte nachgedacht, lange nachgedacht und mit jedem Gedanken sie immer mehr und stärker verabscheut. Es war schon längst nicht mehr alles so wie früher, er merkte es jetzt noch mehr, ihn störte ihr Ein- und Ausatmen. Und es kam ihm immer lauter vor, ja es schien ihm beinahe, als wolle sie ihn damit provozieren, so also kenne sie seine Gedanken, als hätte sie mitgehört, was er vorhin in seinem Wagen sitzend gedacht hatte. Aber nein, das kann doch nicht möglich sein. Sowas gibt es doch nicht. Abscheu vor ihr kam ihn ihm auf, immer stärker, durch jeden Atemzug von ihr verstärkt. Sie macht das absichtlich! Ja, er war sich schon fast sicher, dass sie absichtlich lauter atmet. In der Phantasie stellt er sich ihr schlafendes Gesicht vor. Sie muss wahrscheinlich grinsen, ja das
tut sie und atmet immer lauter - sie macht das mit Absicht. Sie
will mich provozieren! NEIN. NEIN! Er presst seine Hände stärker zusammen als wolle er seinen Schädel sprengen, doch sein Herzpochen kann er nicht mehr hören, nur noch das Einatmen und Ausatmen, Einatmen und Ausatmen. Er drückt noch einmal kräftig gegen seine Ohren und reisst anschliessend seine Hände vom Kopf, öffnet wild seinen Gürtel und zieht sich auch seine Hose aus. Aber ihr Einatmen, ihr Ausatmen ... das müssen ja schon die Nachbarn hören! Der Raum ist erfüllt mit ihrem Ausatmen, er fühlt, er müsse bald ersticken. Er möchte schreien, er möchte sie aufwecken ... Sie atmet aus, sie atmet ein ... Das muss aufhören! Sie atmet aus, sie atmet ein ... Mein Trommelfell platzt! Sie atmet ein, sie atmet aus ... Wie kochendes Wasser durchfliesst das Blut seine Adern, wie das Wasser am Fuße eines Wasserfalles wirbeln seine Gedanken umher. Jedes Einatmen drückt gegen sein Trommelfell, jedes Ausatmen scheint es platzen lassen zu wollen. NEIN! Ruckartig erhebt er sich vom Bett und presst wieder mit seinen Händen an den Ohren und schreit laut auf, doch es gelingt ihm nur seinen Mund zu öffnen und einen stummen Luftzug aus seinem Mund entfliehen zu lassen. ... Sie atmet ein, sie atmet aus ... Er spürt, wie das Blut in sein Gesicht steigt ... Sie atmet ein, sie atmet aus ... Er bückt sich nach seiner Hose und zieht den Gürtel heraus ... Sie atmet ein, sie atmet aus ... Er stürzt sich aufs Bett, mit beiden Händen den Gürtel fest im Griff ... Sie atmet ein, sie atmet aus ... Ihm ist, als sei ihr Atem schon in ihm, als hätte ihr Atem ihn aufgefressen und er sei nur noch Luft, die sie ein- und ausatmet ... Schnell und unkontrolliert in seinen Bewegungen, hastig sich nach einer Ausführung sehnend, drückt er ihr seinen Gürtel auf den Hals ... Sie atmet ein, sie atmet aus ... Er sieht trotz der Finsterheit, dass sie ihre Augen geöffnet hat und verzweifelt und fragend ihn ansieht und fragend kämpft ... Er hört ihr unregelmäßig gewordenes Ein- und Ausatmen ... Nein, er kann es nicht mehr hören! Er drückt fester zu, er verkrampft seine Arme, konzentriert sein ganzes Ich auf seine Hände, die den Gürtel gegen ihren Hals drücken. Sie atmet noch einmal aus ... Verstärkt
presst er gegen ihren Hals ... ... ... (Fre, 19. Nov 1999 23:51 Uhr) |