Andreas F. Mirrione
Innenansicht eines Artgenossen
Gedanken eines Verrückten/Uhura 1

Uhura Message 1

1997

Ja, dort sind sie, dort leben sie, dort hausen sie ... und vermehren sich! Ja, dort unter meinen Fingernägeln, unter meinen Zehennägeln. Unter allen zehn Fingernägeln, unter allen zehn Zehennägeln! Dort leben sie, und ich hasse sie. Ja, ich kann sehen, wie sie sich vermehren, zum Ziel meiner Zerstörung. Ich kann es mit bloßen Augen erkennen. Und ich spüre sie! Ja, ich kann sie spüren! Ich kann spüren, wie sie sich vermehren und Verschwörungen ausdenken und zuflüstern. Ich kann das Flüstern hören, ich kann es spüren, ich kann es riechen! Ja, sie hassen mich. Haha, ich hasse sie aber noch mehr! Haha!
Langsam färben sie den weißen Vorderteiel meiner Nägelunterseiten schwarz. Meines kleinen Fingers, meines Ringfingers, meines Mittelfingers, ... meines großen Zehs! Jaja, sowas tun sie, die kleinen Saudinger - ich habe sie noch nie gesehen, aber ich weiss, sie sind da! Und hassen! Mich!! Aber ich ...
Nein, die Nägel schneide ich nicht kurz. Ich will die Dinger leben lassen und mich daran ergötzen, sie zu zerstören! 3 mm, 3 mm lasse ich den weißen Teil meiner Nägel wachsen. 3 mm! Genau! Nicht 2,9 oder 3,1! Nein, 3 mm! Und ich hole sie heraus. Mit Scherenspitzen, Büroklammern, Sicherheitsnadeln, Gabelspitzen, Zahnstochern ... Ich hole sie heraus, um sie in der Luft sterben zu lassen. Das passiert nämlich und auch wenn es keiner mir glaubt, weiß ich es genau! Ja!
Und ich habe ihre endgültige Zerstörung vorausgeplant! Ich werde sie töten, vernichten für alle Ewigkeit! Es soll sie nie mehr geben, sie werden mich in Ruhe lassen, mich nie wieder hassen können! Ihre Existenz wird Vergangenheit, ihr Dasein der blasse Schimmer einer Erinnerung bleiben. Und mein Durst, Hunger und Verlangen nach Rache und Zerstörung wird gestillt sein.
Ich hasse sie und lasse sie sich nun vermehren. Und mit welch einem Eifer sie das tun werden - ich weiß es genau, ich kenne sie! Und meine Finger- und Zehennägel werden schwarz sein - schwarz wie die Nacht und mein Haß. Und im Wahn meines Zornes und meiner Rache werde ich beginnen mir die Zehen abzuhacken. Lachend, jede einzeln. Schreiend aus Freude. Und ich weiß, ich werde weinen vor Glück. Wenn ich mir alle Zehen abgehackt habe, weiß ich, daß ich vor Freude in die Hände klatschen werde. Der Adrenalinspiegel steigt, das Herz pocht schneller, beginnt zu rasen. Haha, ihr werdet alle sterben! Vor Aufregung zittere ich, hacke mit dem Beil in der Rechten meine linken Fingernägel ab. Ich weiß, sie schreien, diese schwarzen Sauviecher! Sie sehen macht- und tatenlos ihrem Ende entgegen, der Blick in des Todes Auge!
Das Beil nehme ich in den Mund, um mir die letzten fünf Finger abzuhacken. Jedes Ausholen ist eine Erektion, jeder Schlag ein Orgasmus ... und sie sind endlich alle tot, liegen mit meinen Fingern und Zehen auf dem Boden und fristen die letzten Augenblicke ihres Daseins.
Wie konnte ich sie nur hassen, die Minderwertigen? Abscheu und Spott werden von meiner Freude erdrückt. - Ich fahre mit den blutverschmierten Händen durch mein Haar. Ja, das Blut - es rinnt über meine Stirn, die Augen, und ich kann es schon an meinen Lippen ablecken.
Oh ja, süßes Blut, süße Trophäe meines Sieges ...

(1997)

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