Uhura Message 2
1998 |
Schien es mir nur kurz sie zu sehen oder
war sie wirklich da, vielleicht während des kurzen Augenblickes,
welchen ich zum Augenblinzeln nutzte? War es nur die Einbildung?
Oder gab das kalte Kribbeln, welches mir in dieser von Nacht
umhüllten Umgebung wie stechend über den Rücken
lief, den Hauch des Abnormalen ins Unterbewußtsein oder
sogar schon den Hang zum sogenannten "Übersinnlichen",
"Unerklärbaren"? - Es mußte wohl so sein,
anders hätte ich mir das Erscheinen und Verschwinden ihrerseits
nicht vorstellen können. Und dennoch blickte mich diese
Stelle, an welcher mir schien, sie gesehen zu haben, fixierend
an, wie aufmerksam beobachtend, wie ein neugieriges kleines Kind,
das ihn faszienierende Spiel von Lichtern beobachtend. Ja, diese
Stelle schien mich anzustieren, so als ob sie Augen hätte
und mich mit ihnen zu durchbohren versuchte, um mich und in mich
hinein zu sehen. So als ob sie das ihr von mir Unbekannte noch
in sich aufnehmen möchte, meine soeben erlebten Gefühle.
Als ob sie Augen hätte, die genannte Stelle, Augen und ein
Gehirn. Aber trotz aller Toleranz und allem naiven Glauben ans
Geisterhafte war es lächerlich und hirngespinstig. Diese
Mauer und diese Säule,...
Meine Freundin indessen bemerkte, daß ich für diesen
Bruchteil einer Sekunde im Meer meiner Gedanken versunken lag,
und blickte mich wie fragend an. Ich kenne ihre Blicke und sie
die Wasserfälle und Stürme von Ideen, Theorien und
Gefühlen, welche in meinem Kopf ihre oftmals von der Realität
fernen Spiele trieben. Es genügte aber, daß ich meinen
Mund zu einem Lächeln verziehe, damit sie versteht, daß
ich meine Gedanken oder in diesem Fall dieses Gefühl und
diese Vision für mich behalten würde oder daß
es für sie eine schwere und im Nachhinein sich wahrscheinlich
als unnütz herausstellende Arbeit handeln würde. Wahrscheinlich
verschwendete sie keine weiteren Gedanken mehr daran, wohl auch,
weil sie es von mir gewohnt ist, daß ich solche Kurzausflüge
in meine Gedankenwelt unternehme. Sie rückte mit ihrem auf
meiner Schulter liegenden Kopf etwas näher an meinen Hals,
was mich wie instinktiv dazu verleitete, ihr kurz in den Oberarm
zu kneifen. Sie erwiderte mein Lächeln als ob sie meines
verstanden hätte, als ob ich ihr sagen wollte "Alles
in Ordnung, ich bin wieder da." - Was aber trotzdem nicht
der Wahrheit entspricht, denn je näher wir an die Stelle
kamen, desto mehr schien mir, Schwingungen aus dieser Richtung
kommend zu spüren. In mir versuchte ich diese Empfindung
abzustreiten, da ich sie selbst als Einbildung zu deuten versuchte.
Aber nein, da war sie wieder, die schwarze Dame, welche ich zugleich
als in billigen Filmen dargestellten Sensenmann erkennen konnte,
als schwarze Katze, Monster in Form eines Dämons. Obwohl
ich sie, abgesehen von filmischer Darstellung oder phantastischer
Illustration, nie gesehen hatte oder nie versucht mir vorzustellen,
merkte oder vielmehr fühlte ich, ja mir schien förmlich
ich konnte dieses Gefühl berühren, als ich sie erkannte.
Sie, diejenige, die den Weg aus dem Leben lenkt. So real und
irreal sie mir auch vorkam, ich wollte und konnte keineswegs
an ihrer Präsenz Zweifel aufstellen. Und so plötzlich
diese Erscheinung auch kam, konnte sie mich nicht erschrecken
oder mir die Sprache verschlagen. Als ob ich vorher schon davon
wußte, als ob ich ein Treffen vereinbart hätte, als
ob es schon in meinem Terminkalender verzeichnet wäre. Die
Frage kam mir spontan, wie man sie sich auch nicht anders hätte
vorstellen können: "war's das für mich, bis jetzt?"
Ich wußte, daß, ich einem Frage- und Antwortspiel
zukommen würde, war mir aber bis jetzt noch nicht bewußt,
auf welcher Ebene es ablaufen würde, da ich bis noch nicht
verstehen konnte, ob ich meine Frage in Worten stellte oder mental,
wie durch Telepathie, weiterleitete. Und so erfuhr ich auch die
Antwort, welche gleichzeitig als Erwiderung auf meinen als Frage
gestellten Gruß galt: "nein, ihretwegen bin ich gekommen."
Ich ließ mir nicht die Zeit, um die Antwort zu verstehen,
und ein, "nein, nein, dann nimm eher mich" war die
logische erste Reaktion. So kurz diese auch war, genügte
sie mir zu bemerken, daß ich mir da allerdings nicht so
sicher war. Ein innerer Zweikampf zwischen Egoismus und Trauer
um meine Freundin entfachte sich. Die Lust auf weiteres Leben
und der Schmerz um den Verlust meiner Liebsten standen sich gegenüber.
Und die Neugierde war diejenige, welche verbissen versuchte,
auf beiden Seiten gegen sich zu kämpfen, was allerdings
sehr schwer war, denn da war einerseits die Neugierde zu wissen,
wie mein Leben weitergehen würde, oder vielmehr das Nicht-Leben
sei, das Feststellen, welche Theorie vom Leben nach dem Tod sich
als richtig erwiesen hätte oder am nächsten gekommen
sei. "Deine Zeit ist noch nicht gekommen", unterbrach
den inneren Zweikampf, was zugleich aber einen weiteren auslöste,
zwischen Freude, Erleichterung und Schmerz, Trauer, allerdings
dämpfte die Resignation die Heftigkeit und Sinnlosigkeit
des Kampfes. "Dein Lebensweg führt dich noch ein Stück
weiter - wir werden uns aber auch mal begegnen."
Und während das Herz meiner Freundin aufhörte zu schlagen,
schien auch meines für kurze Zeit stillzustehen, und während
ihr Körper zusammensackte, krachte in mir meine Welt zusammen
und ließ mich innerlich mitsterben...
(1997)
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