Ulli Oberkofler
Blau (Abhängigkeit, Zorn, Die blaue Fee)/Uhura 5

Uhura Message 5

2000

Abhängigkeit

Immer wieder fahre ich ganz ungeschützt hinaus mit meinem kleinen Boot. Es hat nur ein Segel. Ganz egal, welches Wetter sich am Horizont zeigt. Ganz egal auch, ob dort ein Sturm aufzieht, der nichts Gutes verrät.

Dann komme ich zurück und bin halb ertrunken. Das Meer spült mich an Land. Es speit mich wieder aus. Langsam treiben mich die Wellen an Land, das dauert lange. Endlich liege ich dann auf dem Bauch im Sand. Ich bin verletzt. Mein Körper schmerzt. Ich bin voller Wunden. Es kommt mir vor, als hätte ich eine Ewigkeit kein Wasser mehr getrunken. Mein Mund ist trocken und salzig. Ich kann mich fast nicht bewegen. Ich bin nicht ertrunken, was für ein Glück.

Es ist das Gefühl, wie nach einem Kampf mit ungleichen Kräften. Das Gefühl, wie nach einem Kampf David gegen Goliath. Aber es sind ungleiche Kräfte. Das zehrt mich aus, das raubt mir Energie, das lässt mich manchmal den Verstand verlieren.

Trotzdem gleicht es einem Wunder, dass ich die größten Stürme überstehe und immer wieder an Land zurückgespült werde.

Die Frage, die mich am meisten beschäftigt ist jene, warum ich immer wieder hinaus muss? Warum hat die Abenteurerin in mir so viel Kraft? Es ist eine Sucht, dieses Hinausfahren.

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Zorn

Manchmal möchte ich eine riesige zornige Welle sein, die alles unter sich begräbt, zerkleinert und zerhackt. Die mächtig und gewaltig ist, vor der sich alle fürchten. Aufbrausend sein. Oft bäume ich mich dann auf, mit ganzer Kraft, sechs Meter hoch, bevor ich mit aller Kraft hereinbreche übers Land und Alles mit mir reiße.

Dann werde ich langsam still, ganz ruhig. Allmählich gebe ich meine Kraft ab, füge mich dem Lauf der Dinge, werde weich und sanft. Ein letztes leises Zischen, sanft über dem Sandstrand bin ich dann wieder.

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Die blaue Fee

Es war einmal eine Fee, die war ganz blau. Sie spukte in einem Schloss und war deswegen so blau, weil sie immer so unsicher war. Unsere Fee war die Unsicherheit in Person, was sich in der Farbe Blau symbolisierte. Den ganzen Tag lang konnte sie um eine Entscheidung ringen. Diese Dinge, worum es da ging und worüber sie eine Entscheidung fällen sollte, waren ganz banal. Sie betrafen z.B. das Anziehen oder einen Weg einschlagen. Am meisten fürchtete die blaue Dame die Kettenreaktionen falscher Entscheidungen. Einmal hat sich Frau Unsicher nach langem Hin und Her endlich für einen Weg entschieden. Auf diesem Weg trifft sie auf einen anderen Geist, der ihr etwas erzählt. Etwas Grausiges und Grusliges natürlich. Vor diesem Erzählten fürchtet sich die blaue Fee dann die ganze Nacht lang, und sie denkt sich in der Folge: Hätte ich doch nur den anderen Weg eingeschlagen. Solche Dinge eben passierten ihr ständig.

Der größte Fehler der Fee war jener, dass sie nicht spontan Entscheidungen treffen konnte. Den ganzen Tag war sie nur am Knobeln und Überlegen, was sie wohl am besten tun sollte. Darüber wurde sie dann noch blauer. Am frühen Morgen war sie noch hellblau und am Abend war sie dann dunkelblau. Ihre Zähne waren wie von Tinte gefärbt. Sogar ihre Augen waren dann von einem tiefen Nachtblau. Sie bot wirklich einen unheimlichen Anblick.

Im Schloss war sie nur die, die sich nicht entscheiden kann oder Frau Unsicher. Nur wenige Menschen mochten ein Gespräch mit ihr führen, weil sie immer so unsicher war und bei allem, was sie sagte, zuerst stundenlang überlegen musste.

Die Fee verspürte eine große Sehnsucht, endlich einmal einen richtigen Entschluss zu fassen und nicht immer nur herumzuknobeln. Sie schämte sich für ihre Unfähigkeit, sich nicht entscheiden zu können, den ganzen Tag lang. Sie wollte sich endlich einmal in einem richtigen Abenteuer bewähren und richtig glänzen und nicht immer nur blau sein, sondern vielleicht sogar auch einmal rot.

So kam es eines Tages, dass der König des Schlosses Krieg führte. Die Feinde waren richtige Bösewichte, die mit der dunklen Magie im Bunde standen. Frau Unsicher mochte sie gar nicht. Ihr Anführer, der ein schrecklicher Kerl war und vor dem sich sogar die Geister des Schlosses fürchteten, war überall nur bekannt als der Schreckliche Sven. Er belagerte das Schloss, in dem unsere Fee wohnte und lehrte alle dort das Fürchten. In den Mauern hallte sein schreckliches Gelächter wider, wenn er vor den Toren den König endlich zum Aufgeben überreden wollte. Was für ein schrecklicher Winter der Belagerung! Er dauerte noch länger als gewöhnlich. Unsere Frau Unsicher war nun schon morgens tiefblau, vor lauter Kälte. Es war aber auch in diesen Tagen, als sie plötzlich eine seltsame Kraft zu spüren begann. Und irgendwann dachte sie sich einfach: jetzt oder nie. Sie spürte, dass der Moment in dem sie sich heilen konnte, bald kommen würde.

Eines Abends wandelte sie durch die Gänge, als sie bemerkte, dass die Truppen des Schrecklichen Sven dabei waren, das Schloss zu stürmen. Schnell lief sie zum König, veranstaltete ein Riesengepolter, dass dieser darauf aufmerksam wurde. Schnell schlug er Alarm, und es wurde mächtig gegen den Schrecklichen Sven gekämpft. Jedoch waren die Truppen des Letzteren einfach zu stark, und es gelang dem König nicht, sie zurückzudrängen, trotz der Warnung von Frau Unsicher. Da hatte die blaue Fee eine Idee. Sie stellte sich auf die Mauer, johlte laut, färbte sich in alle Blaus, die sie kannte und die es gab und erschreckte und verunsicherte die Angreifer dadurch zu Tode.

Endlich hatte sie durch ihre schnelle Entschlossenheit etwas geschafft. Die Folge davon war, dass sie total stolz auf sich selbst war und zum ersten Mal in ihrem Leben rot wurde. Ihre Seele erlöste sich dadurch und ob sie den Königssohn wirklich heiraten sollte, das musste sie sich nun doch nicht mehr lange überlegen.

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