·
Im Aufklärungsbogen für Patienten war das anders (und m. E. korrekt)
formuliert: "....mit einer anderen,
unspezifischen, für diese Studie entwickelten Akupunktur....".
·
Was bei einem gestochen wurde, sieht man ja oft auch zuhause noch auf der
Haut - und ob tief oder oberflächlich gestochen wurde, sieht jeder i. d. R.
durch bloßes Hinschauen. Genaue Abbildungen der Lage echter Akupunkturpunkte
zum Vergleichen findet man kostenlos im Internet (2). Dadurch wurden Probanden
in die Lage versetzt herauszufinden, ob sie an Akupunkturpunkten oder Nichtakupunkturpunkten
gestochen worden waren, woraus sich dann ihre Gruppenzugehörigkeit (Verum- oder
Shamakupunkturgruppe) ergab (=mögliche Entblindung). Ob man an
Akupunkturpunkten oder Nichtakupunkturpunkten gestochen wurde, durfte
den Probanden aber auf keinen Fall von Anfang an offenbart werden, schließlich
ging es um eine Blindstudie !
·
In der Kontrollgruppe hätte man theoretisch aber auch
"richtige", aber nicht indizierte Akupunkturpunkte (mögliches
Studiendesign 2), Scheinakupunktur (3) (auch an "richtigen und
indizierten" Punkten (mögliches Studiendesign 3) nehmen können oder auch
an Nicht-Akupunkturpunkten tief stechen können (mögliches Studiendesign
4).
·
Beunruhigend finde ich aber auch die Informationen, die im Deutschen
Ärzteblatt (DÄ) im Juni 2002 auch dem Laienpublikum ohne besondere
Zugangseinschränkung im Internet frei zugänglich gemacht wurden und die
potentiell entblindend wirken konnten:
·
"....In der Sham-Akupunktur werden Nadeln oberflächlich
an definierten Nichtakupunkturpunkten gesetzt...."(Trampisch et
al., 4). Das DÄ hat eine riesige Auflage von etwa 370.000 Exemplaren pro Woche,
die Online-Ausgabe hat etwa 2.080.000 Pageimpressions pro Monat. Die
Öffentlichkeit konnte auch hierdurch wieder erfahren, daß „Studiendesign 1“ für
die GERAC-Gonarthrose-Studie gewählt wurde und die Designs 2, 3 oder 4 für
diese Studie nicht in Frage kamen. Ist das nicht so, als hätte man bei einer
großen Medikamentenprüfung der Öffentlichkeit vorher mitgeteilt, daß die
Plazebotabletten im Gegensatz zu Verumtabletten nur klein und flach sind ?
·
Das halte ich für einen schwerwiegenden systematischen Fehler, den man
auch nicht durch Nachbefragen (sog. Entblindungsfrage) heilen kann, denn wer
will schon wissen, ob entblindete Patienten beim Nachfragen wirklich noch
unbeeinflußt antworten ? Den
Telefoninterviewern wurde laut (5) anscheinend keine Entblindungsfrage
gestellt.
·
Devereaux et al. (2002) (6)
schreiben: "When unblinded, participants may introduce bias through use of
other effective interventions, differential reporting of symptoms,
psychological or biological effects of receiving a placebo (although recent studies
show conflicting evidence), or dropping out. .... ").
·
Und genau das könnte bei der Gonarthrosestudie stattgefunden haben:
Patienten wären durch mögliche vorzeitige Entblindung in ihren Ansichten und
Wertungen zur Therapie beeinflußt worden oder könnten frustriert über die
(Sham-) Plazebobehandlung weitere Behandlungen hinzu genommen
haben (KG, NSAR, Fango, Massage, Gymnastik, andere Arztbehandlungen), ohne
jemandem etwas zu verraten. Das könnte aber den Behandlungserfolg in der
Plazebogruppe verstärkt haben. Diese Patienten hätten m. E. auch wenig
Interesse die Entblindungsfrage wahrheitsgemäß zu beantworten, sondern würden
bei der Antwort eher mogeln. Das wäre auch eine Erklärung für den von einigen
Autoren vermißten bedeutsamen Unterschied in der Wirksamkeit zwischen den
beiden Akupunkturgruppen.
Dr. med.
Dieter Wettig
Facharzt für Allgemeinmedizin www.wettig.de d@wettig.de
Literatur:
1.
http://www.gerac.de/deu/download/Masternplan_V9.0_BK.doc
Von dieser offenbar nachgefragten Site hat google sogar ein cache/Speichdatei
angefertigt.
2. z. B. unter http://www.acuxo.com/meridianPictures.asp?point=PC1&meridian=Pericardium
3. Streitberger et al.: Randomised clinical trial comparing the effects of
acupuncture and a newly designed placebo needle in rotator cuff tendinitis,
Pain, Vol. 83 (2), p: 235-41 erhältlich auch unter:
4.
Trampisch, Hans Joachim; Victor, Norbert et al.: GERAC-Akupunktur-Studien:
Modellvorhaben zur Beurteilung der Wirksamkeit Deutsches Ärzteblatt 99, Ausgabe
26 vom 28.06.2002, Seite A-1819 / B-1539 / C-1435 MEDIZIN: http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=32190
5.
https://www.angelfire.com/sc/naturheilverfahren/cgi-bin/Blinding_and_Randomisation.htm
6. Devereaux PJ,
Bhandari M, Montori VM, Manns BJ, Ghall WA, Guyatt GH, Double blind, you have
been voted off the island!.
7. http://www.amib.ruhr-uni-bochum.de/download/Studienplan_V4.2.pdf
8. Prüfplan GERAC - Wirksamkeit und Sicherheit von Akupunktur bei gonarthrosebedingten chronischen Schmerzen, Heidelberg, Februar 2003, Scharf, Witte, Streitberger, Mansmann, Wollermann, Krämer, Victor
9. Badische Landesbibliothek , Signatur #103 B 51 009
10. Deutsche Bücherei, Signatur #2002 B 27 627
11.
ZBMED http://www.zbmed.de („Signatur :
erscheint als elektronische Ressource“)
12. http://www.biometrie.uni-heidelberg.de/publikationen/44_gerac.pdf Eine google-Suche führt schnell zum Ziel (Copyright bei google): Der Link zum öffentlichen Originalprüfplan..Google hat von dieser offenbar nachgefragten Seite sogar ein cache (Speicherdatei) angefertigt.
13. Efficacy and safety of acupuncture for
chronic pain caused by gonarthrosis: A study protocol of an ongoing
multi-centre randomised controlled clinical trial [ISRCTN27450856] Konrad
Streitberger, Steffen Witte, Ulrich Mansmann, Christine
Knauer, Jürgen Krämer, Hanns-Peter Scharf, Norbert Victor:
http://www.biomedcentral.com/1472-6882/4/6
Mit
Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass durch die
Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite ggf. mit zu
verantworten sind. Dies kann - so das LG - nur dadurch verhindert werden, dass
man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Deshalb distanziere ich
mich hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller hier gelinkten Seiten. Diese
Erklärung gilt für alle ausgebrachten Links.