Sport
| 21.09.2000 Auf die Frage nach dem wahrscheinlich erfolgreichsten Athleten der Olympischen Spiele in Sydney fallen den Fachleuten nicht sonderlich viele Namen ein. "Ian Thorpe, Marion Jones" - oder: "Michael Klim." Australiens zweiter Superschwimmer, in den Schlagzeilen nicht viel weniger präsent als "Thorpedo", der neue Wunderknabe des Weltsports, hat bereits zwei Goldmedaillen in der Tasche, mindestens vier Olympiasiege sollen es am Ende insgesamt für ihn sein. Was kaum jemand weiß: Australiens Weltmeister, Weltrekordler und Olympiasieger mit dem kahlen Kopf ist eigentlich auch ein Hamburger. Zwei Jahre lang wohnte der 1,90 Meter große Modellathlet mit seinen Eltern und Schwester Anna schließlich an der Elbe. "Eine schöne Zeit", sagt der Superstar heute, "aber mein Dad wollte unbedingt nach Australien auswandern. Nichts gegen Deutschland, aber dieses Land hier ist einfach phantastisch. Ein Traum, wir sind hier sehr, sehr glücklich." Kein Wunder, inzwischen gehört Michael Klim zu den bekanntesten australischen Sportlern überhaupt, 1998 wurde er down under sogar zum "Sportler des Jahres" gewählt. Eine Ehre, zu der er wohl kaum gekommen wäre, wenn seine Eltern nicht 1989 in ihrer ursprünglichen Heimat Polen das Fernweh gepackt hätte. Die Klims aus Danzig durften damals nach Deutschland ausreisen, versuchten zunächst in Hamburg neue Wurzeln zu schlagen. "Die Stadt war okay", sagt Michael, der als Zwölfjähriger nach Deutschland kam. Aber sein Vater wollte unbedingt am anderen Ende der Welt nochmal ganz von vorne anfangen. Die Familie wurde schließlich in Melbourne sesshaft, heute lebt und trainiert Michael Klim bei Gennadi Touretski, einem der weltbesten Trainer, in Australiens Hauptstadt Canberra. Wenn "Lumpi", wie ihn seine Freunde nennen, nicht gerade im Pool an seiner Karriere arbeitet, spielt er am liebsten mit seiner Schwester Anna, die es im weißen Sport ebenfalls zu Profi-Meriten gebracht hat, Tennis. Oder er sitzt am Computer, lernt Sprachen und studiert die Aktien-Kurse. Seine Vorbilder? Michael muss nicht lange nachdenken: "Mein Vater, Michael Jordan, Muhammad Ali und Boris Becker." Der Schwimm-Weltstar über das Tennis-Idol aus seiner alten ,Heimat': "Boris ist ein großer Champion." Hat er nicht doch manchmal Sehnsucht nach Europa? "Nach den Commonwealth-Spielen 1998 habe ich Verwandte in Polen besucht. Ich wurde sogar dem Staatspräsidenten vorgestellt; überall, wo ich war, wurde ich von Kamerteams und Journalisten verfolgt. Jeden Abend war ich in den Nachrichten zu sehen. Diese Menschen waren stolz, einen erfolgreichen Sportler, der aus ihrem Land stammt, zu sehen - obwohl ich nicht mehr unter ihre Flagge an den Start ging. Ein schönes Gefühl." Hamburg dagegen hat er nicht mehr besucht. Angesichts der in Sydney immer dramatischer in den Blickpunkt rückenden Misere im deutschen Schwimmsport ist es dabei eigentlich höchst bedauerlich, dass die Klims vor elf Jahren nicht noch mehr Gefallen an der Hansestadt gefunden haben. Und an der Waterkant darf man ruhig ein bisschen um einen verlorenen Superstar trauern. |
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