Tierfutter aus Klärschlamm und giftigen Kadavern wird zur Gefahr
für die
menschliche Ernährung. Unter dem Preisdruck auf dem Fleischmarkt
setzen
Landwirte auf Massenhaltung mit Billigstfutter und Antibiotika. Die
Brüsseler
Verbraucherschützer lassen die Geschäftemacher gewähren.
Im Minutentakt donnern Lastwagen mit Containern durch die malerische
Dorfstraße
im niederbayerischen Plattling. Ihre Fracht kippen sie am Ortsrand
in
Fallschächte, die Schlünde führen ins Innere einer
Tierkörperbeseitigungsanlage.
'Stinkfabrik' nennen die Einheimischen das Unternehmen, das Abfälle
aus
Schlachthöfen, Tierarztpraxen und Tierversuchslabors in Viehfutter
verwandelt.
Neuerdings erst wird der penetrante süßsäuerliche Geruch,
der jahrelang über
dem Ort waberte, durch eine dicke Schicht Heidegras gemildert, das
die
Abluftkanäle bedeckt.
Ab und zu verliert ein Lkw unterwegs etwas von seiner Ladung, 'fällt
schon mal
ein Fetzen auf die Straße', wie die Wirtin vom Imbiss nahe der
Autobahnabfahrt
berichtet. Manchem ihrer Kunden 'vergeht da die Lust aufs Schnitzel'.
Die Menschen in Plattling haben vor Augen und in der Nase, was letzten
Endes
auf deutschen Tellern landet. Dem durchschnittlichen Esser hingegen
ist es kaum
bewusst: Am Anfang der Nahrungskette, die zum Menschen führt,
stehen
Tierkadaver. Schweinen und Hühnern ihre toten Artgenossen in Form
von Tier- und
Blutmehl vorzusetzen - das ist für
Landwirte eine bequeme Möglichkeit, die Ausgaben für Aufzucht
und Mast zu
senken. Nur Wiederkäuer dürfen nicht mit Tiermehl gefüttert
werden.
Unter dem Preisdruck, dem die Bauern auf dem Fleischmarkt ausgesetzt
sind,
macht manch ein Landwirt die Sauerei mit: Damit Fleisch und Wurst immer
billiger angeboten werden können, pferchen Agrarunternehmer immer
mehr Vieh in
immer größere Ställe - da können Tierschützer
noch so laut wettern.
So sind Nahrungsmittel vom Bauernhof immer seltener 'ein schönes
Stück Natur',
wie einst ein Werbespruch verhieß. Seit langem schon greifen
Landwirte zu
Chemikalien und Zusatzstoffen, um ihre Kosten zu drosseln. Weil die
Massentierhaltung die Ausbreitung von Seuchen begünstigt, werden
dem Futter
vorsorglich Antibiotika beigemengt. Die so genannten Leistungsförderer
sorgen
dafür, dass das Schlachtgewicht schneller
erreicht wird.
Der 'größte Posten in der Kalkulation der Mäster' aber,
weiß der
Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, Leiter des Europäischen Instituts
für
Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften, ist das Tierfutter.
Deshalb schlage
'Kreativität bei der Auswahl der Rohstoffe' stark zu Buche.
Schon die übliche Prozedur, Tiermehl zu produzieren, ist geeignet,
den Genuss
von Steaks und Schinken zu vergällen.
Es knackt und kracht in der Knochenmühle, wenn ein ausgedienter
Zuchtstier
durch das Mahlwerk gedreht wird. Mit einem gewaltigen Blubb platzen
die
gegorenen Gedärme einer Kuh. Die aufgedunsenen Leiber von Ziegen
und Schafen
werden in dem Riesentrichter zerschreddert.
Die 'Karkassen' und die 'Konfiskate', wie Schlachtabfälle im Fachjargon
heißen,
werden bei einem Druck von 3 bar auf 133 Grad erhitzt und mindestens
20 Minuten
lang im Sterilisator verkocht. Anschließend wird der braune Brei
in einem
Vakuumtrockner bei über 100 Grad vier Stunden lang gedörrt,
die
Trockenschmelzmasse schließlich durch eine
Schneckenpresse gedreht und zu Futterpellets gepresst.
Was früher der Schinder oder Abdecker war, ist heute der Betreiber
einer
Tierkörperbeseitigungsanstalt, abgekürzt TBA, amtlich ein
'Verarbeitungsbetrieb
nach Artikel 4 Abs. 1 der Richtlinie 90/667/EWG'. 43 solcher Fabriken,
die
Tierleichen zu Tierfutter recyceln, gibt es in Deutschland. Moderne
Anlagen wie
die vergangenes Jahr eröffnete TBA im mecklenburgischen Malchin
sind die
Ausnahme.
Ursprünglich waren Abdeckereien 'mal sehr vernünftige Einrichtungen',
wie der
ehemalige 'Herta'-Wurstfabrikant und heutige Biobauer Karl Ludwig
Schweisfurth
urteilt: Es sollte 'eben nichts verkommen'. Ethische und ästhetische
Bedenken
gegen die Wiederverwertung toter Tiere wurden hingenommen: 'Man kann
das
meinetwegen unappetitlich finden', räumt der Plattlinger TBA-Betriebsleiter
Bernd Schillinger ein.
Mittlerweile ist das Tiermehl jedoch zum Gesundheitsrisiko für
den menschlichen
Fleischesser geworden. Denn die in den Bottichen verkochten Kadaver
sind nicht
nur reich an nahrhaften Proteinen, sondern auch an Giften: Die Laborratten
der
Pharma-Industrie, denen Krebs erzeugende Chemikalien gespritzt wurden,
enden
ebenso in der Tierkörperverwertung wie überfahrene Hasen
und tote Zootiere.
Bisweilen wird der Brei aus zerschredderten Tierleichen verbotenerweise
mit
Abwässern aus dem Schlachthof oder aus Toiletten gestreckt. Blut,
Federn,
Borsten, Sägespäne, Bodenbakterien, Pilze, Rübenschnitzel,
Kartoffelabfälle,
Kakaoschalen und stinkende Molke dürfen hingegen völlig legal
untergerührt
werden. Zur Deklaration der Inhaltsstoffe ist
kein Tiermehlhersteller verpflichtet.
In die Fleischmühle kommen auch Küken aus dem so genannten
Muser: Die Maschine
dient eigentlich der Obstverarbeitung, wird aber auch zum Zerquetschen
der
frisch geschlüpften männlichen Küken verwendet, die
sich naturgemäß nicht zum
Eierlegen eignen, mithin keinen Gewinn abwerfen.
Den TBA-Betreibern, weiß die bei Kiel lebende Tierärztin
Anita Idel, sei
'ziemlich egal, was reinkommt'. Entscheidend sei, 'dass nichts Infektiöses
herauskommt'. Das Tierkörperbeseitigungsgesetz schreibt in dieser
Hinsicht
lediglich vor, dass 'die Gesundheit von Mensch und Tier nicht durch
Erreger
übertragbarer Krankheiten oder toxische Stoffe
gefährdet' werden darf. Sicher ist das allerdings nicht.
Zu Viehfutter verarbeitet werden auch Haustiere, die zu Lebzeiten mit
Medikamenten gepäppelt worden waren und in deren Leichen die Gifte
'Eutha 77'
und 'T 61' gespeichert sind, mit denen sie eingeschläfert wurden.
Hersteller
Hoechst schließt nicht aus, dass ein Großteil der T-61-Jahresproduktion
von
5000 Litern im Tiermehl landet. Auch an der
Schweinepest verendete oder zwecks Seuchenprophylaxe getötete
Tiere finden via
TBA zurück in den Nahrungskreislauf.
Medikamentenrückstände, behauptet der Futtermittelexperte
Uwe Petersen vom
Bundeslandwirtschaftsministerium, würden 'durch die Hitzebehandlung
zerstört
oder in jedem Falle sehr stark verdünnt'. Was freilich passiert,
wenn aus
Kostengründen die Pampe nicht ausreichend erhitzt wird, zeigte
sich in
Großbritannien an der Ausbreitung von BSE: Die
schwammartige Gehirnschädigung der Rinder konnte um sich greifen,
weil
britische Tierfutterhersteller seit Anfang der achtziger Jahre bei
der
Verarbeitung der Kadaver von Scrapie-kranken Schafen die Prozesstemperatur
auf
80 Grad gesenkt hatten.
Was dort zunächst profitabler Pfusch war, wurde nun EU-weit legalisiert.
Die
Agrarminister beschlossen vergangenes Jahr, die strengen Vorschriften
zu
lockern: Schlachtabfälle und Tierkadaver müssen nun nur noch
auf 80 Grad
erhitzt werden.
Dieses Verfahren hilft der Futtermittelbranche zwar, Energiekosten
zu sparen.
Sie verbessert aber auch die Überlebenschancen von Salmonellen
und
Kolibakterien; selbst den gefährlichen Botulismus- und Tetanustoxinen
machen
erst höhere Temperaturen den Garaus.
Die neue Vorschrift passt sich geschmeidig der laxen Praxis an. In
mehreren
EU-Mitgliedsstaaten, kritisiert Oskar Riedinger, Lehrbeauftragter für
Tierkörperverwertung an der Universität Stuttgart-
Hohenheim, 'produzieren
immer noch Anlagen, von denen man seit 20 Jahren weiß, dass sie
nicht
ordnungsgemäß sterilisieren können'.
Zu Tiermehl verkocht werden auch Pottwale, die bisweilen in der Nordsee
stranden. Die Kadaver der Meeressäuger sind teilweise voller Schadstoffe
wie
DDT, Chlorparaffine und PCB. Sie müssten deshalb als Sondermüll
entsorgt
werden, forderte Greenpeace-Chemieexperte Manfred Krautter: 'Niemand
käme auf
die Idee, hoch belasteten Klärschlamm als Futtermittelrohstoff
einzusetzen.' Da
irrte der Kritiker: Den Einfall hatten windige Unternehmer schon lange.
Französische Tierfutterhersteller haben, wie im vergangenen Sommer
bekannt
wurde, jahrelang Fleischmehl mit Klärschlamm aus den werkseigenen
Anlagen
vermischt. Durch die Enthüllung im Nachbarland kam auch die Plattlinger
Stinkfabrik ins Gerede.
Dort war ebenfalls Klärschlamm in die Abkochmaschinen geleitet
worden -
'bakterielle Biomasse', wie der Gewässerschutzbeauftragte des
Betriebs die
Zutat verharmloste. Der Vorfall zeigt, dass sich gleichsam aus Scheiße
Gold
machen lässt: Seit das Werk vor ein paar Jahren privatisiert wurde,
wirft es
Millionengewinne ab.
Der Schlamm-Mix war jahrelang von der zuständigen Aufsichtsbehörde
geduldet
worden. Die Bezirksregierung in Landshut hatte 1992 die Genehmigung
erteilt und
dabei ein kurz zuvor erlassenes EU-Verbot 'wohl übersehen', so
die amtliche
Erklärung.
Der Leiter des Instituts für Umweltmedizin an der Universität
Freiburg,
Professor Franz Daschner, warnt vor möglichen Schadstoffbelastungen
des
Fleisches von Tieren, die mit Klärschlamm-Fleischmehl gefüttert
wurden:
Schwermetalle, Bakterien oder Dioxine könnten sich darin befinden.
'Klärschlamm-Rückstände', so Daschner, 'können
praktisch jedes
organische System vom Gehirn bis zum Herzen, bis zum Muskel, bis zu
den Nerven
schädigen'.
Schon heute befürchtet jeder zweite Deutsche, dass Fleisch krank
macht. Besorgt
ist auch der Deutsche Bauernverband (DBV) - vor allem ums eigene Image:
'Das
Vertrauen der Verbraucher in die deutsche Landwirtschaft', erklärt
das
DBV-Präsidium, sei durch die Affären um verunreinigtes Futter
'in
Mitleidenschaft gezogen' worden. Die Hersteller von
Tiernahrung müssten ihre 'Kontrollen verstärken'.
Die Attackierten weisen den Vorwurf zurück und reichen die Schuld
weiter: 'Die
Zulieferer sind unsere Achillesferse', klagt Alexander Döring
vom
EU-Dachverband der Mischfutterindustrie.
Als eine Schwachstelle im System haben sich die Fettschmelzer erwiesen,
die
diverse Grundsubstanzen für kalorienreiche Kost liefern, wie sie
vor allem das
Federvieh braucht. 'Im Geflügelfutter steckt besonders viel Fett,
weil für die
schnelle Mast reichlich Energie nötig ist', erläutert Peter
Radewahn,
Geschäftsführer des Bundesverbandes der
Mischfutterhersteller.
Als billige Energiespender bieten sich die Abfälle aus Frittenbuden
an. 100 000
Tonnen Altfette aus deutschen Großküchen und Backstuben
fallen jährlich auf
diese Weise an. Ein Teil wandert nach Holland und Belgien, wo die größten
europäischen Fettschmelzen stehen.
Fett ist Fett, sagt sich manch ein Panscher, und auch Hydraulik-Öl
sättigt
Hühnermägen. Der Fettschmelzer Jean Thill von der belgischen
Firma Fogra soll
seine Fettlieferungen mit Schmiermitteln aus Automotoren gestreckt
haben.
Die Fetthändler haben sich nicht von ungefähr in der Nähe
des Hafens von
Rotterdam angesiedelt. Abfall- und Reinigungsfirmen, die Containerschiffe
und
Frachter ausfegen, verkaufen das ölhaltige Spülwasser an
die Fettsammler, die
damit ihre ranzige Ware verlängern. Der Einfachheit halber verkochen
manche
Fettschmelzer Plastikbehälter
gleich mit.
Die EU lässt die Futtermittelhersteller weitgehend unbehelligt
gewähren.
Die amtlichen Kontrolleure schaffen pro Jahr gerade mal 18 000 Stichproben.
Dabei werden in der EU von 3700 Unternehmen jährlich 120 Millionen
Tonnen
Mischfutter hergestellt; allein die 526 deutschen Produzenten bringen
19
Millionen Tonnen auf den Markt.
Mit chemischen Analysen lassen sich zudem nur Schadstoffe aufspüren,
nach denen
gezielt gesucht wird - und Transformatorenöl war bisher im Tierfutter
nicht
vermutet worden. 'Man kann ja nicht auf alle scheußlichen Substanzen
untersuchen', sagt die Tiermedizinerin Idel.
Deutsche Lobbyisten verweisen gern darauf, dass sich Agrarskandaledurchweg
im
Ausland ereigneten. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Auch in Deutschland
haben sich Tierärzte immer wieder zu Komplizen von Kälbermästern
gemacht und
die Fleischproduktion durch Hormon-Missbrauch kräftig gesteigert.
Auch
dioxinverseuchtes Hühnerfutter ist in der
Bundesrepublik in den Handel gekommen: Zwei brandenburgische Trockenwerke
wurden im vergangenen Herbst vorübergehend geschlossen, weil sie
zur
Herstellung von Grünmehl giftigen Bauschutt und Plastikmüll
verbrannt hatten;
mit dem Rauch waren Dioxine ins Futter gelangt.
Und: Auf kriminellen Umwegen importierte Billigware wird auch in Deutschland
verarbeitet. Im vorigen Sommer, auf dem Höhepunkt des belgischen
Dioxinskandals, wurden in Gießen 3000 Schweine aus dem Nachbarland
geschlachtet. So wurden Tiere, für die in Belgien ein
Schlacht- und in Deutschland ein Handelsverbot bestand, die mithin
legal nicht
zu vermarkten waren, durch einen Stempel vom Schlachthof zu deutschen
Koteletts.
'Radikale Änderungen' bei der Überwachung der Lebensmittelsicherheit
in Europa
hat der seit September 1999 amtierende EU-Kommissar für Gesundheit
und
Verbraucherschutz, der Ire David Byrne, angekündigt. 60 Prozent
der
Unionsbürger, besagt eine EU-Statistik, machen sich Sorgen, ob
Agrarprodukte
ohne Risiken verzehrt werden können.
Doch bis vor kurzem haben Politiker die Warnungen vor Gesundheitsgefahren
als
hysterisch verketzert und die regelmäßig wiederkehrenden
Nahrungsmittelskandale
verharmlost. Dioxin im Hühnerschenkel, wiegelte der deutsche
Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke ab, sei doch nur ein 'Betriebsunfall'.
Die Ignoranz gegenüber möglichen Spätfolgen erklärt
sich Angelika Michel-Drees,
Referentin bei der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände
(AgV) in Bonn,
mit der simplen Logik, dass nicht schade, wovon 'man nicht auf der
Stelle tot
umfällt'.
Erst in jüngster Zeit beginnen Politiker, das Thema Lebensmittelqualität
ernst
zu nehmen. EU-Verbraucherschützer Byrne jedenfalls kündigt
die Schaffung einer
neuen Lebensmittelbehörde an, der die Kontrolle der Nahrungsmittelkette
'vom
Acker bis zum Teller' obliegen soll. Was am dringlichsten geboten wäre,
eine
Positivliste der für Tierfutter
zugelassenen Inhaltsstoffe, kann Byrne indes nicht durchsetzen.
Auch sonst darf er an Symptomen herumdoktern, aber das Übel nicht
an der Wurzel
packen. Denn die Risiken, die der Verbraucherkommissar eindämmen
will, haben
ihre Ursachen nicht zuletzt in der EU-Agrarpolitik. Die Schockerserie
von BSE
bis Dioxin sei deshalb nur 'die Spitze eines Eisbergs', fürchtet
Lutz Ribbe von
der Stiftung Euronatur. Derlei Gefahren werde es geben, 'solange die
industrielle Fleischproduktion nicht gestoppt wird'.
Die Produktionsbedingungen führen auch dazu, dass immer mehr Pharma-Produkte
ins Tierfutter gemischt werden - als so genannte Wachstumsförderer.
Früher
brauchten Schweine etwa ein Jahr, bis sie ihr Schlachtgewicht erreicht
hatten.
Spezialfutter bringt sie heute in etwa drei Monaten auf 80 Kilo.
Gebräuchliche Wachstumsförderer sind Carbadox und Olaquindox
- Mittel, die im
Verdacht stehen, Krebs zu erregen beziehungsweise das Erbgut zu schädigen.
Jedes Jahr werden in der EU rund 1600 Tonnen Antibiotika prophylaktisch
an
Schlachttiere verfüttert, etwa ein Fünftel der gesamten Antibiotikaproduktion.
Auch im Fleisch, das der Mensch verzehrt, sind noch 'Reste von Antibiotika',
weiß der Mikrobiologe Wolfgang Witte vom Robert-Koch- Institut
in Wernigerode.
Als so genannte Leistungsförderer sollen Antibiotika die Mikroflora
des Darms
für eine bessere Futter- und vor allem Eiweißverwertung
stabilisieren. So
können die Futtermengen reduziert und Kosten gesenkt werden.
Die verschwenderischen Antibiotika-Gaben rotten die Bakterien jedoch
nicht
völlig aus, sondern machen sie nur widerstandsfähiger gegen
die Arzneien - mit
gefährlichen Folgen auch für die Menschen. In Hongkong starb
im vergangenen
Jahr eine Frau an einer Bakterieninfektion, weil die resistenten Erreger
mit
Antibiotika nicht zu behandeln waren.
Immerhin: Seit vergangenem Jahr dürfen auf Grund einer EU-Verordnung
zwei der
vielen gebräuchlichen Antibiotika, Virginiamycin und Zink-Bacitracin,
nicht
mehr als Tierfutterzusatz verwendet werden. Die beiden Hersteller klagten,
erfolglos, vor dem Europäischen Gerichtshof.
Ein Verbot von Antibiotika, hatte zuvor der Geschäftsführer
des Bundesverbands
für Tiergesundheit, Martin Schneidereit, getönt, 'wäre
wissenschaftlich nicht
gerechtfertigt'. Hinter der Organisation steckt nicht, wie der Name
vermuten
lässt, eine Tierschützergruppe, sondern der Wirtschaftsverband
der
veterinär-pharmazeutischen Industrie.
Abhilfe verspricht sich 'Zeit'-Feinschmecker Wolfram Siebeck nur noch
von einem
Fleischboykott - das sei das einzige Mittel, 'um gewissenlose Geschäftemacher
und gleichgültige Agrarier zur Räson zu bringen'.
Siebeck setzt darauf, dass der Verbraucher 'endlich seine Illusionen
aufgibt
und sich klarmacht, dass das, was er täglich isst, ein ziemlicher
Dreck ist'.
Doch die Konsumenten geben sich in Meinungsumfragen zwar gesundheits-
und
qualitätsbewusst, im Supermarkt
aber greifen sie zur Billigstware.
Eier aus Legebatterien haben in Deutschland einen Marktanteil von 75
Prozent,
echte Bio-Eier bringen es gerade mal auf 0,7 Prozent. Fleisch aus kontrolliert
art- und umweltgerechter Tierhaltung ist im Handel lediglich mit 2
Prozent
vertreten.
Ob die neue Lebensmittelbehörde, die der Brüsseler Verbraucherkommissar
Byrne
einrichten will, die Gesundheit der Menschen in Europa besser schützen
kann,
ist zweifelhaft. Eingriffe in ihre Souveränität lassen sich
die
Mitgliedsstaaten kaum gefallen. Selbst die Kommission kann sich bisweilen
kaum
Respekt verschaffen.
Unlängst verschickten die Brüsseler Aufseher einen Fragebogen
an alle
Mitgliedsländer, in dem detailliert Auskunft erbeten wurde über
die Einhaltung
des Verbots, Klärschlamm zu Tierfutter zu verarbeiten.
Lediglich 4 der 15 EU-Staaten hielten es für angebracht, auch
nur fristgerecht
zu reagieren.
NORBERT F. PÖTZL
http://www.spiegel.de/