I.
„Lucky” lebte wie
Millionen anderer Vierbeiner in einer Familie. Genauer gesagt, früher
-
als er noch ein Welpe
war - da war es noch eine richtige Familie - so mit Mama, Papa und
mit Tim, seinem besten
Freund.
Sein Freund ist Tim
auch heute noch! Wenn er doch bloß wieder mehr Zeit für ihn
hätte.
Denn seit Mama und
Tim alleine leben, ist nichts mehr so wie es mal war. Mama geht schon
morgens aus dem Haus,
um Geld zu verdienen, wie sie sagt, damit Tim und er auch immer
etwas zu futtern haben.
Tim, ja der geht morgens auch früh weg. In die Schule. Er muß
eine Menge lernen,
damit er später auch einmal viel Geld verdienen kann. Nachmittags
muß er seine
Hausaufgaben machen, danach die Wohnung aufräumen und einkaufen.
Abends geht er dann
zum Fußballspielen oder zu seinen Freunden. Da bleibt für „Lucky”
kaum Zeit.
Einmal war Tim krank.
Er war so krank, daß Mama ihn in ein Haus brachte, wo ganz viele
Kranke waren. Mama
weinte und war ganz durcheinander. Lucky ging zu ihr und leckte ihr
die Hand. Aber Mama
schien es gar nicht zu bemerken. Sie murmelte vor sich hin: ”Wenn
Tim morgen operiert
wird, dann bringe ich ihm noch heute das Plüschschweinchen vorbei,
welches ich gestern
im Kaufhaus gesehen habe. Es soll sein Glückschweinchen sein und ihm
im Leben als Talisman
viel Glück bringen”. Lucky verstand von alledem nichts und ging
traurig in sein Körbchen,
weil Mama - ohne eines Blickes ihn zu würdigen - fortging, um
das Schweinchen zu
kaufen.
II.
So vergingen die Tage
und „Lucky” war nun noch mehr allein. Ab und zu ging er mal in den
Garten, um zu sehen,
was so auf der Straße los war. Seine Hundefreunde kamen mit ihren
Herrchen und Frauchen
vorbei auf dem Weg zum Park, wo sie früher alle gemeinsam
stundenlang gespielt
hatten. Ach wie gerne wäre er mit ihnen gegangen! Und so schaute er
sehnsüchtig hinter
den anderen her und kratzte aus Langeweile Löcher in den Boden. Das
eine Loch, ganz nah
am Zaun war bald so groß, daß er schon ganz leicht den Kopf
unter
den Latten durchstecken
konnte. Von hier aus konnte er ohne Mühe die Straße entlang
bis
zum Park schauen,
wo er auf der Wiese seine Freunde toben sah.
Und dann, oh welches
Glück kam Tim - sein Freund Tim - endllich wieder nach Hause. Wie
hatte „Lucky” sich
auf diesen Moment gefreut. Tim sah auch wieder ganz gesund aus und
unterm Arm trug er
sein Glückschwein. Doch schon sehr bald bemerkte „Lucky”, daß
Tim
ihn gar nicht mehr
beachtete. Stundenlang saß Tim am Fenster, lächelte vor sich
hin
während er hinausschaute
und streichelte dabei sein Glückschein, welches er immer mit
sich herum trug. „Lucky”
war verzweifelt, denn auch Mama kümmerte sich nicht mehr um
ihn, sondern nur noch
um Tim. Manchmal vergaß sie sogar, sein Futter hinzustellen.
So überlegte
„Lucky”, wie er es wohl anstellen könnte, daß alles wieder so
würde wie
früher, wo alle
ihn lieb hatten, mit ihm spielten und schmusten. .....Und dann, dann hatte
er
die Idee!
Tim war doch glücklich,
wenn er stundenlang zum Fenster hinaus schaute weil er dabei
lächelte. Denn
wer lächelt der freut sich und wer sich freut, der ist auch glücklich.
Das
wußte er ganz
genau, denn wenn er früher zwischen seinen Menschen über die
Wiese
tobte und dabei vor
lauter Übermut mit allen Vieren gleichzeitig hin und her hopste, dann
lachten sie alle und
waren glücklich.......und er war auch glücklich, weil seine Familie
es
war!
Ganz einfach wäre
das Problem zu lösen, dachte „Lucky”, wenn er doch auch ein
Glückschwein
wäre, dann würde Tim ihn in den Arm nehmen und streicheln. Er
wäre bei
seinem Freund und
sie wären glücklich! Beide!
III.
Da fiel ihm ein, daß
Mama im Schrank so einen alten rosé-farbenen Pullover mit Kapuze
hatte. Am nächsten
Tag, als Mama gerade zum Einkaufen gegangen war und Tim wieder
einmal lächelnd
zum Fenster hinausschaute, schlich er sich in Mama´s Schlafzimmer.
Zum
Glück war die
Schranktür nur angelehnt, so daß es ein Leichtes für ihn
war, sie
aufzudrücken.
Nach kurzem Suchen fand er den Pullover. Er lag zusammengefaltet ganz
unten im Schrank.
So konnte „Lucky” ihn mit spitzen Zähnen herauszuziehen. Dann legte
er ihn glatt auf den
Boden und kroch auf dem Bauch an ihn heran. Mit spitzer Schnauze
hob er das Bündchen
hoch und so schaffte er es schließlich nach ein paar vergeblichen
Versuchen, sich in
den rosé-farbenen Pullover hineinzurobben. Die Vorderpfoten steckte
er rechts und links
in die Ärmel und schüttelte sich einmal kräftig, damit die
Kapuze auch
über seinen Kopf
fiel. So schaute er sich prüfend in Mama´s Spiegel an und gefiel
sich
schon ganz prima.
Die Ärmel waren wohl ein wenig lang aber der Pullover reichte bis
zur
seinem Stummelschwanz
und die Kapuze war so groß, daß er gerade noch mit seinen Augen
drunter durch schauen
konnte. Aber irgend etwas fehlte noch! ..... Ja richtig, eine schöne
rosane Schweineschnauze
würde ihm gut zu Gesicht stehen. Und da fiel es ihm auch schon
ein, daß Mama
gerade gestern erst so einen neuen schönen runden Schwamm gekauft
hatte. Und der war?
.....richtig! Rosa!
In rasantem Tempo
konnte der kleine Junge, wenn er denn gerade nicht lächelnd mit
seinem Glückschwein
auf dem Schoß aus dem Fenster geschaut hätte, eine rosane Gestalt
durch den Flur ins
Bad huschen sehen. „Lucky”schnappte sich den Schwamm und
knabberte mit seinen
Zähnen zwei Löcher hinein. Den Schwamm in der Schnauze huschte
er wieder zurück
in Mama´s Schlafzimmer, um sich nun im Spiegel zu betrachten.
Perfekt dachte er,
und war glücklich, denn er gefiel sich in seinem neuen Kostüm
saumäßig
gut.
IV.
Da Tim immer noch
an seinem Platz saß und Mama auch noch nicht zu Hause war, dachte
sich „Lucky”, er wolle
die Zeit nutzen und einen kleinen Ausflug machen, um zu
überprüfen,
ob sein Kostüm tatsächlich so gut war, daß die Leute ihn
für ein
Glückschwein
halten würden. So verschwand er ungesehen durch den Garten unter dem
Zaun hindurch. Er
wußte, wenn dieses Experiment klappte, dann würde er ab sofort
als
Glückschwein
immer bei seinem Freund Tim sein können und gesteichelt werden. Bei
diesem Gedanken spürte
er in sich ein unendliches Gefühl des Glücks .
Was er jedoch nicht
wußte: Im ganzen Land war seit einigen Monaten in den Zeitungen,
im Fernsehen und auch
im Radio immer wieder die Rede von ein paar Rosahunden, die
Menschen und auch
Hunde gebissen, verletzt ja sogar getötet haben sollten. Dazu wurden
im schönsten
Rosa diese Hunde in überdimensionalen Fotos gezeigt. Die Bilder von
gähnenden Hunden,
bei denen man eindruckvoll Rachen und Zähne sehen konnten wie auch
die Überschriften
glichen sich landauf, landab. Es war die Rede von der rosanen Gefahr
und daß die
Menschen vor der dieser Rasse von Killerhunden geschützt werden müßten.
Aber von all dem ahnte
„Lucky” als ganz normaler Familienhund nichts, als er frohgemut
in seinem Glückschwein-Kostüm
auf die Straße trat. Er trottete zunächst ganz gemächlich
in Richtung Park,
um seine Freunde zu besuchen.
V.
Es waren auch tatsächlich
einige da, die ihn zunächst recht mißtrauisch betrachteten.
Da
„Lucky” nach Schweineart
zur Begrüßung in den höchsten Tönen quiekte, waren
die
anderen Vierbeiner
äußerst verwirrt. Sie zogen sich etwas zurück und beratschlagten,
was sie denn davon
halten sollten. Einer meinte, das müsse wohl eine neue Schweinerasse
sein: „Recht klein
und mager mit Stummel- statt Ringelschwanz, aber die Farbe stimmt
und quieken tut es
auch! Vielleicht können wir mit ihm ein wenig spielen!”
So rannten die Hundefreunde
auf den neuen Spielgefährten zu, um ihn zum Spaß ein
wenig vor sich herzutreiben.
„Lucky”, der das Hundeknäuel auf sich zufliegen sah,
erschrak ganz fürchterlich.
Vor lauter Angst überrannt zu werden und beim Toben sein
Kostüm zu verlieren,
rannte er so schnell er konnte weg, denn er wollte sein Geheimnis ja
schließlich
nicht verraten. Er lief immer schneller und erleichtert konnte er nach
einer
Weile feststellen,
daß seine Hundefreunde in dieser Geschwindigkeit nicht mithalten
konnten und nicht
mehr zu sehen waren.
VI.
Laut hechelnd saß
er auf dem Bürgersteig und schaute sich um. In seiner Eile hatte er
gar
nicht bemerkt, daß
er in Richtung Innenstadt gelaufen war und mit Schrecken stellte er
fest, daß er
er beim Rennen - weil er ja schließlich auch mal Luft holen mußte
- seine
schöne rosane
Schwamm-Schweine-Schnauze verloren hatte.
Auch hatte er völlig
die Orientierung verloren. Hier in der Gegend war er in seinem
ganzen Leben noch
nicht gewesen. Es blieb ihm wohl nichts anderes übrig als irgendwie
den Weg nach Hause
zu finden. Vielleicht könnte er ja unterwegs mit einem
hundefreundlichen
Menschen in Kontakt treten. Wenn der die Telefon-Nummer an seinem
Halsband sah, dann
würde er bestimmt Zuhause anrufen und Mama würde ihn abholen.
Und plötzlich
sehnte er sich ganz doll nach seiner Familie und dem Körbchen mit
seiner
Decke. Auch fiel ihm
ein, daß es heute abend noch etwas besonders Gutes zum
Abend-Fresschen geben
sollte.
So kam es, daß
„Lucky” in seinem Glückschwein-Kostüm den Weg durch die belebte
Innenstandt nach Hause
suchte. Sehr bald jedoch wunderte er sich über das eigenartige
Verhalten der Menschen.
VII.
Alle die ihm entgegen
kamen, hatten Schreck geweitete Augen, ruderten hektisch mit den
Armen und rannten
eiligst hinüber auf die andere Straßenseite oder um die nächste
Häuserecke. Gerade
kam eine Frau mit Kinderwagen genau auf ihn zu. Sie war mit ihrem
Baby beschäftigt
und hatte ihn wohl nicht bemerkt. Aus einem Fenster über ihr schrie
eine hysterische Stimme:
„Vorsicht! Schnell, schnell! Da kommt eine von diesen Bestien!
Ein Rosahund! Die
junge Frau wurde leichenblaß, rieß ihr Baby aus dem Wagen und
verschwand mit einem
Satz im nächsten Hausflur.
„Lucky”, der vertrauenvoll
und freundlich - mit seinem Stummelschwanz heftig wedelnd -
auf die Frau zugelaufen
war, erschrak ganz gewaltig, als die schwere Haustür mit einem
„Rumms” ihm genau
vor der Nase zugeknallt wurde. Ratlos stand er da und wußte gar
nicht, was er davon
halten sollte, hatte er doch nur die Frau mit dem süßen kleinen
Baby
begrüßen
wollen.
Während er noch
so überlegte, wie er denn jetzt nach Hause kommen sollte - langsam
bekam er Hunger -
kamen von hinten ein paar Jugendliche, die von der anderen
Straßenseite
die Flucht der jungen Frau beobachtet hatten, langsam herüber. Die
Gesichter der Jungs
schauten nicht gerade freundlich aus, als „Lucky” sich zu ihnen
umdrehte. Wenn nicht
sein Hunger schon recht quälend gewesen wäre, hätte er um
die
drei Gestalten einen
Bogen gemacht, aber so dachte er, vielleicht wissen sie, wie ich
Nachhause komme oder
haben wenigstens ein Würstchen für mich.
VIII.
So ging er zwar zögernd
aber freundlich wedelnd auf die Gruppe zu und erschrak sich
fast zu Tode, als
ihn ganz unvermittelt ein Stein am Kopf traf. Für einen Moment wurde
ihm ganz schwindelig
und als er sich eine Sekunde später wieder aufgerappelt hatte, sah
er die drei schon
über sich. Ehe er noch klar denken konnte, erhielt er von einem Knüppel
einen derartigen Schlag
auf den Rücken, daß er unter dem Schmerz zusammenbrach.
Die Jugendlichen schrien
und grölten:”Diese Rosahund-Bestien müssen vernichtet werden.
Das Volk muß
vor diesen Killermaschinen geschützt werden. Die müssen endlich
vernichtet
werden!” Einer aus
der Gruppe, der zufällig einen Benzinkanister bei sich trug, hatte
die
zündende Idee:
„Hey Leute ist es nicht schon ganz schön dunkel geworden, sollten
wir die
Straße für
die Leute die alle an den Fenstern stehen nicht ein bißchen besser
erleuchten?” Mit diesen
Worten öffnete er den Kanister. Ein wenig von der übel
riechenden Flüssigkeit
tropfte auf das Glückschwein-Kostüm von „Lucky”der immer noch
auf dem Boden lag
und vor Schmerzen wimmerte. Dieser ekelhafte Gestank ließ ihn seine
letzte Kraft zusammennehmen.
Mit einem Satz stand er wieder auf seinen Pfoten und
trotz seiner Schmerzen,
rannte er um sein Leben.
Er rannte und rannte,
als wollte er bis ans Ende der Welt. Lange Zeit traute er sich
nicht, sich umzuschauen,
weil er Angst hatte, die Jugendlichen seien noch hinter ihm. Die
jedoch waren ihm gar
nicht nachgelaufen sondern hatten nur gelacht und waren
frohgelaunt und grölend
wegen der geilen Abwechslung ihrer Wege gegangen. Doch so
schnell er auch lief,
der widerliche Gestank haftete an ihm. Ihn wurde er einfach nicht
los, ebenso wie die
Angst, die sich in seiner Hundeherzen breit machte.
IX.
Irgendwann, es war
bereits ganz dunkel geworden, kam er an einem Spielplatz vorbei,
der in Anbetracht
der späten Tageszeit völlig leer war. Er war müde, sein
Rücken tat ihm
so weh, daß
er kaum noch laufen konnte, und so beschloß er, sich unter dem Holzboden
eines Klettergerüstes
in den weichen Sand eine Mulde zu scharren und sich dort bis zum
kommenden Morgen hinein
zu legen. Trotz seines Hungers schlief er auch sofort ein.
Am nächsten Morgen
wurde er durch das schrille Geschrei eines etwas dreijährigen
Mädchens jäh
aus dem Schlaf gerissen. „Mama, Maaamaaa, schau mal ein gefährlicher
Rosahund ohne Maulkorb!”
„Lucky” verstand die Welt nicht mehr. Er konnte einfach nicht
verstehen, warum die
Leute sich so hysterisch benahmen, denn er wollte nur eines: Einen
netten Menschen finden,
der ihn zu seinem Freund Tim brachte. Aufgeschreckt durch das
Gezeter der Kleinen
und durch die schlechten Erfahrungen des Vortages beschloß „Lucky”
sich vorsichtshalber
ins nächste Gebüsch zurückzuziehen. Seine Schmerzen im Rücken
waren über Nacht
nicht weniger geworden und so humpelte er von dannen.
In der Zwischenzeit
hatte die Mutter ihr Kind in Sicherheit gebracht und per Handy die
Polizei angerufen:”Sie
müssen sofort kommen! Auf dem Spielplatz an der Hauptstraße
läuft ein agressiver
Rosahund herum. Als meine Tochter ihn fand, hat er sie gleich
angegriffen. Ich konnte
mein Kind gerade noch retten. Sie müssen die Bestie sofort
erschießen,
damit er nicht noch Kinder zerfleischen kann.”
X.
Ein paar Minuten später
fuhren zwei Streifen- und zwei Mannschaftswagen vor. „Lucky”
konnte aus seinem
Versteck beobachten, wie ganz viele grün bekleidete Menschen aus den
Autos ausstiegen.
Die meisten von ihnen hielten längliche Gegenstände hoch, die
vorne ein
Loch hatten. Sie hatten
sich im Halbkreis aufgestellt und kamen immer näher. Hinter
dieser grünen
Front hüpfte ein Mann mit einer Fotokamera ganz aufgeregt umher.
„Lucky” kannte so
etwas von den Sonntags-Ausflügen.
Man hatte einen Reporter
gerufen, der sich die einmalige Chance nicht entgehen lassen
wollte, der Menschheit
in Wort und Bild die Vernichtung eines gefährlichen Rosahundes -
selbstverständlich
medienwirksam auf gemacht - zum nächsten Frühstück zu servieren.
Das würde die
Auflagenstärke der Zeitung und auch sein Gehalt erheblich erhöhen.
„Lucky” verstand das
alles nicht. Ihm war trotz seines rosa Pullovers kalt und er wollte
jetzt nur noch nach
Hause. So raffte er sich auf und trat ganz langsam aus dem Gebüsch.
Im gleichen Moment
hörte man von weit hinten ein Raunen einer großen Menge
Schaulustiger. „Da
seht nur, die Bestie! Auf was wartet Ihr noch, erschießt sie doch
endlich, bevor sie
noch einen von uns anfallen kann!” Gleichzeitig rissen die „Grünen”
die
länglichen Gegenstände
hoch und man hörte das ununterbrochene Surren des Motors der
Fotokamera.
XI.
„Lucky „ war müde.
Er war sooo müde und hatte plötzlich Angst vor den Menschen.
Früher waren
alle freundlich zu ihm. Was war bloß geschehen? Er war doch immer
noch
der gleiche! Er war
doch immer noch „Lucky”! Er legte sich mitten auf den Weg. Die
Schnauze auf den Boden.
Er wußte nicht, was nun geschehen würde und wartete geduldig
auf das, was da kommen
sollte. Hoffentlich würde er bald nach Hause zu Mama und Tim
können.
Der Kreis der „Grünen”
mit ihren komischen länglichen Gegenständen wurde immer enger.
Doch „Lucky” blieb
liegen. Weglaufen hatte keinen Zweck, das erkannte er ganz genau.
Die grüne Mauer
schien undruchdinglich. Schräg vor ihm jedoch teilte sie sich plötzlich
und auf ihn zu kam
ein junger Mann mit einer Stange, an deren Ende eine Schlaufe
befestigt war. Der
junge Mann hatte freundliche Augen und sprach mit ruhiger Stimme
zu „Lucky”:”Komm mein
Junge, jetzt bringe ich Dich erst mal weg hier. Du frierst und
hast bestimmt auch
Hunger. Deine Wunde am Kopf muß auch mal angeschaut werden.
„Lucky” war glücklich,
endlich wieder einen freundllichen Menschen gefunden zu haben
und schaute dem jungen
Mann vertrauensvoll entgegen. Er bewegte sich nicht, nur sein
Stummelschwanz wedelte
zaghaft. Man legte ihm die Schlinge um den Hals und zog sie an.
Ohne Widerstand ging
„Lucky” mit dem jungen Mann mit. Der führte ihn an der grünen
Mauer vorbei zu einem
Transporter. Die meisten der grünen Männer beobachteten diese
Aktion mit haßerfüllten
Augen. Nur bei ganz wenigen bemerkte „Lucky” ein unruhiges
Flackern.
XII.
Der Hundefänger
brachte ihn schließlich nach längerer Autofahrt in ein Industriegebiet
und hielt vor einer
großen Halle. Hier war er noch nie gewesen und er wußte auch
nicht
was er hier sollte.
Daß das nicht der Weg nach Hause war, hatte „Lucky” bereits erkannt.
Aber er vertraute
dem jungen Mann, der würde ihm bestimmt bald helfen.
Als er dann jedoch
durch eine Art Schleuse die Halle betrat, verschlug es ihm den Atem:
„Lucky” konnte nicht
glauben, was er dort sah. In dem riesigen Raum waren auf dem
Betonboden Reihen
von Käfigen montiert worden.. Einer neben dem anderen!. Und in
jedem dieser Käfige
saß ein Rosahund. Wie gesagt, „Lucky” hatte von der Kampagne gegen
Rosahunde bisher nichts
mitbekommen. Aber beim Anblick dieser Menge, vor Aufregung
laut bellender Rosahunde
schaute er entsetzt an sich herunter. Er hatte immer noch
Mamas alten rosé-farbenenen
Pullover als Glückschwein-Kostüm an. Zwar war der nun
schon etwas schmutzig
und nach Benzin stank er auch, aber rosa ist nunmal rosa, mußt
sich „Lucky” eingestehen.
Mit Entsetzen erkannte
er, daß er warscheinlich niemals mehr zu seiner Familie nach
Hause kommen würde.
Und in seiner Not fing er an zu jaulen. Er jaulte und jaulte all
seine Not aus seiner
Hunde-Seele hinaus. Alle Rosahunde waren plötzlich still und hörten
ihm zu. Doch der junge
Mann konnte „Lucky” leider nicht verstehen. Denn sonst hätte er
„Lucky” schreien hören
können:” Neeeeiiiiiin! Nein, ich bin gar kein Rosahund, ich wollte
doch nur ein Glückschwein
werden. Ich wollte nur wieder beachtet werden. Ich wollte nur
wieder geliebt und
gestreichelt werden! Woher wollt Ihr wissen, daß ich agressiv bin?
Nur weil ich rein
zufällig rosa bin? Schaut mir doch in die Augen, Ihr Menschen! Ich
bin
kein Rosahund! Ich
bin doch der liebe „Lucky!”
Doch sein herzzerreißende
Jaulen nützte „Lucky” gar nichts. Der junge Mann schob ihn
mit einem Tätscheln
in einen freien Käfig. Danach schloß er die Tür mit den
Worten:”Tut
mir leid, mein Junge,
ich kann Dir leider nicht helfen. Die Gesetze sind nun mal so! Die
Politiker haben beschlossen,
daß die Stadt von Rosahunden befreit wird.
XIII.
Nun saß „Lucky”
da in seinem neuen Domizil. Er hatte sich an die Zwinger-Stäbe
gequetscht und schaute
in das gleißende Licht der künstichen Beleuchtung. Von hier
aus
konnte er weder das
Blau des Himmels noch das Grün der Natur, das er so sehr liebte,
sehen. In seinem neuen
„Zuhause” gab es nur eine Holzpalette. Vergeblich suchte er eine
weiche Decke, wie
sie ihm Mama immer in sein Körbchen gelegt hatte. Auch ein Bällchen
fand er nicht.
Müde, verzweifelt
und immer noch hungrig, denn für die morgendliche Fütterung war
er
zu spät eingeliefert
worden, rollte er sich in einer Ecke seines Käfigs zusammen. Er
wollte nur noch eines,
ganz schnell einschlafen, um dem nagenden Gefühl von Hunger und
Einsamkeit zu entfliehen.
In seinem Traum sah er seinen Freund Tim auf ihn zulufen. Die
Freude war riesengroß.
Endlich, endlich wieder beisammen. Er sprang an dem Jungen hoch
und der nahm ihn ganz
fest in die Arme. Von hinten aus dem Nebel heraus tauchte dann
auch Mama auf mit
einem ganzen Teller duftender Würstchen.
Nachdem er sich den
Bauch damit vollgeschlagen hatte, hörte er von irgendwo her die
vertraute Stimme von
Papa: ”Na, „Lucky”, sollen wir jetzt im Garten mit dem Bällchen
spielen?” „Lucky”
drehte sich mehrmals um sich selbst, weil er nicht erkennen konnte,
woher die Stimme kam.
Er hatte „seinen” Papa schon so lange Zeit nicht mehr gesehen! Als
er hörte:”Na
komm doch mal her!”, vernahm er das Klappern einer Tür. Während
er
langsam wach wurde
und in das künstliche Licht blinzelte, mußte „Lucky” jedoch
erkennen,
daß es sich
hierbei nicht um die Terassentür handelte sondern um die Zwingertür
seines
Käfigs. Vor ihm
stand der junge Mann und ein älterer mit einer Brille auf der Nase.
Er
wußte nicht,
wer das ist, aber den Geruch kannte er von den jährlichen Impfterminen
beim Tierarzt.
XIV.
Der Brillenmensch
hatte ihn genau untersucht, auch das Halsband, auf dem sein Name u.
die Telefon-Nr. standen.
Für sein Fell hatte er sich ebenfalls interessiert. Er hatte
seinen Körper
abgetastet und dabei gestutzt. Dann hatte er den rosé-farbenen Wollstoff
hochgehoben und darunter
gefühlt.
Er nahm sein Blatt
zur Hand, schob seine Brille zurecht und zog die Stirn kraus. Lange
beugte er sich so
über die Seite, bis ein Ruck durch ihn hindurch ging und während
er vor
sich hin murmelte:”
Sicher ist sicher....man weiß ja nie!”, notierte er:
lfd. Nr. der Liste: 487
Chip-Nr. des Hundes: bei Aufnahme keine
Name des Hundes: „Lucky”
zu vermitteln als: Kat.1
geschätztes Geburtsjahr: ca. 1997
Rasse: Rosahund (?)
Geschlecht: m
Aufnahme Halle am: 20.08.
Was „Lucky” nicht
wußte: Dieser Ruck, der da durch den Brillenmenschen hindurch
gegangen war, sollte
sein ganzes weiteres Leben entscheiden.
XV.
Wortlos verließ
der Bebrillte den Käfig und der junge Mann verriegelte die Tür
hinter
ihm. Er blickte „Lucky”
freundlich an und sagte zu ihm:”Leider kann ich Dir nicht helfen,
die Gesetze sind nun
mal so. Aber Kopf hoch, mein Junge, es wird schon werden!” Dadurch
schöpfte „Lucky”
wieder ein wenig Hoffnung. „Wenn mein neuer Freund das sagt, wird es
sicher stimmen”, dachte
er. Warum sollte er ihn auch anlügen, wo er doch immer ein
freundliches Wort
für ihn hatte.
So verging ein Tag
nach dem anderen. Es war immer der gleiche Lärm durch das Gebell
der unglücklichen
Hunde. Es war immer das gleiche künstliche Licht. „Lucky” hatte im
Laufe der vielen Wochen
und Monate schon fast vergessen wie schön das Licht der
Morgensonne sich in
den Tautropfen der Gräser spiegelte. Er träumte oft davon, eines
Tages wieder mit seiner
Familie durch den Garten zu hüpfen und er wünschte sich nichts
sehnlicher als bei
ihnen und mit ihnen zusammen glücklich zu sein.
Doch jedes Mal wachte
er irgendwann wieder auf und war immer noch in dieser
schrecklichen Halle.
XVI.
Inzwischen hatte man
ihn auch einem Wesenstest unterzogen. Dazu wurde er von anderen
Hunden und auch von
Menschen bedroht. Er sollte an einem Kinderwagen mit schmutziger
Windel vorbeigehen,
aus dem ein von einem Gerät für Hundeohren völlig verzerrtes
Babygeschrei kam.
Man spannte einen Regenschirm in nächster Nähe vor ihm au und
viele
verwunderliche Dinge
mehr..
Doch „Lucky” ließ
alles gelassen über sich ergehen. Oftmals schien es so, als sei er
schon
gar nicht mehr hier.
Obwohl er den Wesenstest
bestens bestanden hatte, wurde er wieder in seinen Käfig in
der Halle gesperrt.
Was „Lucky” nicht wußte und was ihn hätte endgültig verzweifeln
lassen. Er konnte
nie wieder zu seiner Familie zurück.
Man hatte „seine”
Mama und seinen Freund Tim für unzuverlässig erklärt, weil
sie nicht
gut genug auf ihn
aufgepasst hatten, da er „ausbrechen” konnte.
So saß er wieder
für eine lange Zeit in seiner Zelle und träumte sich so oft es
eben ging
in eine bessere Welt.
Das jedoch gelang ihm immer seltener. Er konnte sich kaum noch an
Mama und Tim erinnern.
Er war mutlos, einsam.......
XVII.
Eines Tages wachte
er auf. Irgend etwas war heute anders! Das Bellen der Rosahunde
war aufgeregter als
sonst! In der Luft lag eine seltsame Spannung.
Der junge Mann und
der Brillenmensch gingen langsam durch die Reihen und schauten sich
die Hunde aufmerksam
an. Zu jedem Hund wurde ein Buchstabe notiert. Entweder ein „V”
oder ein „E”. Bei
„Lucky” angekommen, sagte der Bebrillte: ”Tja, an sich sieht der ja noch
ganz ordentlich aus!
Keine Leckekzeme - und entzündete Augen hat er auch nicht!. Aber
dieser Stummelschwanz!
Coupierte Schwänze sind eben nicht mehr gefragt. Auch wenn
der Hund den Wesenstest
ohne Abstriche bestanden hat, aber die Leute halten Hunde mit
abgeschnittenen Schwänzen
für noch viel gefährlicher. Den kriegen wir nicht vermittelt!”
Zu dem jungen Mann
gewandt sagte er:”Notieren sie ein „E”!.
Damit war die Begutachtung
zu Ende und „Lucky´s” Leben auch.
Am nächsten Tag
wurde er mit mehreren anderen Hunde abgeholt. Als er auf dem Tisch
lag und die Injektion
in seiner Vene spürte, leckte er dem Bebrillten die Hand..........
......während
er sich mit Papa, Mama und seinem Freund Tim in dem feuchten Gras liegen
sah, in dessen Tautropfen
sich das Licht der Morgensonne spiegelte.
*Ende*