Stets hatte Floh, die braune
Mischlingshündin, ihrem Herrn, den Bauern
Mehwald, treu gedient. Sie bellte mutig, wenn Fremde
auf den Hof kamen und
achtete auf die Kinder des Bauern, wenn sie in der Nähe
des kleinen Baches
spielten. Einmal war es ihr sogar gelungen, mit lautem
Gebell einen Fuchs zu
verjagen, bevor er in den Hühnerstall einrechen
konnte.
Sie führte nicht gerade
ein luxeriöses Leben, seit sie vor sechs
Jahren als Welpe auf den Hof kam, aber sie konnte zufrieden
sein. Im Stall
fand sich immer ein warmes Plätzchen zum Schlafen
im Stroh, zu Fressen gab
es auch genug und ab und zu steckte die Bäuerin
einen Leckerbissen zu.
Besonders liebte Floh die Kinder, die mit ihr tobten
und spielten.
Wenn die Zeit kam, dass
Floh läufig wurde, sperrte sie die Bäuerin in
den Auslauf zu den Hühnern. Doch diesmal hatte die
Bäuerin nicht aufgepaßt
und Rex, der Hund von Bauern Lars hatte die Gelegenheit
genutzt und nun
bekam Floh Babys.
Die Wochen waren vergangen
und irgendwann ließ sich das Mißgeschick
nicht mehr verheimlichen. Anfang November warf Floh fünf
Welpen. Die Bäuerin
hatte ihr eine Kiste in der warmen Küche zurecht
gemacht und ihr bei der
Geburt beigestanden.
Am Nachmittag kam der Bauer
mit einem Korb, nahm die fünf Welpen,
legte sie hinein und verließ die Küche. Floh
war außer sich, warum nahm man
ihr die Welpen weg, was sollte mit ihnen geschehen. Sie
schrie und winselte,
bellte und sprang an der Bäuerin hoch. Doch diese
sah sie nur traurig an,
streichelte sie und gab ihr ein paar Leckerbissen. Floh
wollte sich aber
nicht beruhigen, sie rannte zur Tür und kratzte
jaulend daran. Bis die
Bäuerin sie dann nach einer Stunde hinaus ließ.
Floh lief umher und suchte,
schaute in jede Ecke und schnupperte
überall herum. Sie war so verzweifelt, doch sie
konnte ihre Welpen nicht
finden. Irgendwann trieb sie ihr Instinkt zum Misthaufen,
und da lagen die
Welpen. TOT! Der Bauer hatte sie alle getötet und
dann dorthin geworfen.
Floh sah ihre Welpen und
leckte über die kleinen Körper. Auf einmal
war es ihr, als hätte einer der Welpen gezuckt,
sie leckte nochmals und
schnupperte, tatsächlich einer der Welpen schien
noch am Leben zu sein.
Sie nahm ihn vorsichtig
ins Maul und trug ihn in den warmen Stall, in
eine Ecke, wo sie sich manchmal versteckte, um einen
Knochen, den sie
bekommen hatte, in Ruhe aufzufressen. Hier lagen ein
paar alte Säcke und ein
bißchen Stroh, auf das sie jetzt ihren Welpen legte.
Viel Leben war nicht mehr
in ihm. Er zuckte schwach und ab und zu
wimmerte er kaum hörbar. Floh leckte zärtlich
über den kleinen kalten
Körper, bis er wieder ganz warm war, dann legte
sie sich so zurecht, daß er
an einer ihrer Zitzen trinken konnte. Die Wärme
und die Nahrung ließen den
Welpen wieder zu sich kommen. Bald schon trank er kräftig
seine Milch.
Floh war glücklich,
aller Kummer war vergessen, sie hatte ein Baby.
Zärtlich schaute sie den kleinen Rüden an:
" Ich werde dich NIKO nennen,
denn bald ist Nikolaus und daran erinnere ich mich gerne".
Beschenkte doch
die Bäuerin alle Tiere des Hofes am Nikolausmorgen.
Letztes Jahr gab es für
Floh ein neues Halsband und einen großen Hundekuchen.
Floh liebte den kleinen
Niko. So oft sie konnte war sie bei ihm.
Hierbei mußte sie immer sehr vorsichtig sein; denn
niemand durfte merken,
daß es Niko gab. Nach 14 Tagen merkte Floh glücklich:
Niko öffnete die
Augen. Er konnte jetzt sehen und hören. Wie alle
Mütter, so auch
Hundemütter, sang sie ihrem Sohn Lieder vor. Sie
streichelte ihn mit ihrer
Zunge und als Niko die ersten Gehversuche machte, unterstützte
sie ihn mit
ihrer Schnauze.
Floh war keine erfahrene
Hundemutter, sonst hätte sie schon früher
bemerkt, daß mit Niko etwas nicht stimmte. Er konnte
sich auf den
Vorderbeinen hochstemmen, doch die Hinterbeine gehorchten
ihm nicht, nur die
Schwanzspitze bewegte sich etwas, wenn er seine Mutter
begrüßte. Floh
ermunterte ihren Sohn, es immer wieder zu probieren,
wobei sie ihm soweit es
ihr möglich war, half. Irgendwann begriff sie, Niko
würde nie laufen können.
Floh war verzweifelt, sie weinte viel.
Die Tage vergingen, Niko
wurde älter und fragte sie immer öfter: "Wie
lange dauert es noch, bis ich gehen und laufen kann,
und wann gehst Du mit
mir hinaus?"
Niko verbrachte seine Tage
damit, aus seinem Versteck heraus, die
anderen Tiere zu beobachten. Gespannt lauschte er den
Geschichten, die sie
sich untereinander erzählten. Wenn Floh zu ihm kam,
bestürmte er sie immer
mit tausend Fragen: "Mutter, was ist Gras - Mutter, was
sind Blätter -
Mutter was ist Schnee und Mutter, was ist Weihnachten
und was ist ein
Weihnachtsmann?"
Floh beantwortete ihm so
gut es ging seine Fragen. Einmal brachte sie
ihm ein trockenes Blatt mit. Ein anderes mal hatte sie
einen Schneeball im
Maul. So lernte Niko durch Erzählungen die Außenwelt
kennen.
Floh wollte nicht wahrhaben,
wie krank Niko wirklich war, trotz ihrer
Pflege und Zuwendung wurde er immer schwächer. So
gerne sie es wollte, sie
vermochte ihm nicht zu helfen.
Es war Heilig Abend und
die Bäuerin bedachte alle Tiere mit einem
Geschenk. Floh schenkte sie eine neue Futterschüssel
in der eine große Keule
vom Gänsebraten lag.
Floh dachte nur an Niko
und wollte nicht in der warmen Stube unter dem
Tannenbaum liegen. Sie kratzte so lange an der Tür,
bis die Kinder sie
hinaus ließen.
Sofort lief sie zu Niko
in den Stall um ihm die Gänsekeule zu bringen.
Aufgeregt erwartete Niko sie, seine Stimme überschlug
sich, als er sie
fragte: "Mutter wie sieht ein Tannenbaum aus, Mutter
was sind Kerzen, Mutter
kennst Du ein Weihnachtslied? Sing es mir bitte und erzähl
mir eine
Weihnachtsgeschichte."
Als Floh das Lied "Stille
Nacht" anschlug, sangen alle Tiere des
Stalles mit. Es war ein prächtiger Chor. Es war
eine feierliche Stimmung und
die Tiere beschlossen noch einige Geschichten zu erzählen.
Es waren lustige Geschichten
und alle Tiere lachten laut. Als sich die
Stimmung wieder beruhigt hatte, erzählte Floh noch
die Weihnachtsgeschichte.
Sie änderte die Geschichte nur ein wenig ab. Niko
zuliebe erzählte sie, daß
ein Hund die Krippe mit dem Christuskind warmgehalten
hatte. Niko hörte
allen Geschichten aufmerksam zu. "Mutter" fragte Niko
"kommt der
Weihnachtsmann auch zu kleinen Hundekindern? Dürfen
Hundekinder sich auch
etwas zu Weihnachten wünschen? Mutter ich möchte
so gerne laufen können und
draußen spielen und Löcher graben. Meinst
Du, wenn ich ganz doll drum bitte,
der Weihnachtsmann erfüllt mir meinen Wunsch?"
Floh war es sehr schwer
ums Herz und wie Mütter sind, griff sie zu
einer Notlüge: "Ja Niko, auch wenn Hundekinder sich
etwas wünschen, kommt
der Weihnachtsmann."
Im Stall war Ruhe eingekehrt.
Alle Tiere schliefen.
Eng aneinander gekuschelt
schliefen auch Floh und Niko ein. Floh - tot
unglücklich ihrem Sohn nicht helfen zu können
und Niko in freudiger
Erwartung, daß der Weihnachtsmann ihm über
Nacht seinen Wunsch erfüllen
würde.
Irgendetwas hatte Floh
geweckt; die anderen Tiere im Stall waren auch
erwacht. Floh schlägt die Augen auf. Im Stall, ganz
hoch oben unterm Dach,
leuchtet ein kleiner Stern und seine Strahlen fallen
auf Niko.
Er hat seine Augen weit
geöffnet und sein Gesicht strahlt vor Glück.
Floh spricht ihn an, aber er scheint sie nicht zu hören.
Seine Vorderbeine
bewegen sich, als liefe er über Felder, seine Rute
schlägt, er bellt, er
winselt: "Mutter es ist so schön. Der Weihnachtsmann
hat mich gestreichelt,
und ich kann laufen. Ich laufe über die Wiese und
jage Schmetterlinge, die
Sonne scheint, die Vögel zwitschern, und die Blumen
duften so wundervoll, es
ist alles noch schöner als Du es mir immer erzählt
hast. Ich fühle mich so
leicht, so glücklich, so zufrieden. Meine Beine
- sieh doch, wie schnell ich
laufen kann!"
Floh weinte, sie sieht,
wie in Nikos glücklichem Gesicht die Augen
aufleuchten. Sein kleiner Kopf sinkt auf´s Stroh.
Der Stern erlischt. Es
ist still im Stall. Nur ab und an hört man ein
leises Seufzen der anderen Tier. Floh schließt
die Augen. Trotz ihrer Trauer
weint sie nicht mehr.
Am Himmel fährt der
Weihnachtsmann mit seinem - von 6 Rentieren
gezogenen - Schlitten davon. Voran tobt, vor Freude und
Übermut laut
bellend, ein kleiner brauner Welpe.
Um den Hals trägt
er ein rotes Halsband auf dem geschrieben steht:
"NIKO - Gehilfe des Weihnachtsmannes"
Quelle : "Rita" <rihu@gmx.net>