Wandsbeck, den 12. Juli 1779
[Der vorletzte Abschnitt erwähnt Christian Jakob Wagenseil]
Viel Glück zu Fritzens Geburtstag, Gott sgne ihn und erhalte ihn Ihnen zu Ihrer Freude.
Ich habe es Ihnen ganz treu und offenherzig vorher gesagt, daß ich eine elende Briefschreiberin sei. Sie hin- [S. 256] gegen versprachen mir viel zu schreiben und tun es doch nicht, also sind Sie es, der nicht Wort gehalten hat. Ich habe es ganz treulich getan. Es tut mir doch leid, daß ich ihnen so lange nicht geschrieben habe, ich will sehen, daß ich es in Zukunft besser mache. Ich könnte aber wirklich vieles zu meiner Entschuldigung sagen, wills aber nicht tun, wills bloß garstige Nachlässigkeit nennen. Ich bin den ganzen Sommer über nicht so recht gesund gewesen, aber vor 14 Tagen war ich 8 Tage lang recht krank an einen Seitenstich, aber der ehrliche Riesenberger hat mir treulich geholfen und Aderlaß, Spanische Fliegen und Dick und Dünn verschrieben und da mußte der Stich weichen, er mochte wollen oder nicht. Mein Mann ist itzo Gottlob recht gesund, die Kinder auch; die beiden Großen gehen in die Schule bei Martens. Dem seine alte Frau ist vor 14 Tagen gestorben. Ich hab sie ungern verloren, weil die Kinder bei und nicht bei ihm waren und weil sie ein gut Teil vernünftiger war als er ist und jemals werden wird. Sein Mädchen vertritt ihre Stelle in der Schule itzt schon und wird es, so bald es sich mit Ehren tun läßt, auch außer der Schule tun, so sagt man wenigstens. Anna sitzt bei mir auf ihren Stuhl und läßt mir fast keine Ruhe zu schreiben. Sie ist aber eine herrliche Dirne und macht uns viel Freude, sie spricht so rein, als mancher Magister nicht tut, und geht so flink als eine Wachtel. Neuigkeiten von hier weiß ich fast keine, die Ihnen interessieren, als daß Trapp seine Aloe geblüht hat und entsetzlich viel Leute da gewesen sind, sie zu sehen. Bei Milow kränkeln die Kinder viel, daß sie ein klein Mädgen geboren hat, wissen Sie vermutlich. Herr Wilm sehen wir die Woche 2 mal, Madam gar nicht, sie soll auch bald in Wochen. Der Rektor Meyer war neulich wieder in Hamburg und wollte wieder Kinder abholen, er war auch hier bei Jenisch, dem sein Sohn er bei sich gehabt hat. Die Mutter wollte ihn ihm aber [S. 257] nicht wieder mitgeben, weil er nicht allein nichts bei ihm gelernt hat, sondern das, was er gewußt, sogar wieder vergessen hat.
Die Fürstnaun ist ganz wieder von Sinnen seit einiger Zeit. Hier werden noch immer sehr viel neue Häuser gebaut, Oeler kriegt eins grade gegen Willm über in der Allee und unten bei Erich wird eine ganze Straße gebaut. In Ihren alten Hause wohnt Brandau, der Jude, Wehrs hat die ganze Reihe gekauft und schön ausbauen lassen.
Harmsen gibt bald Hochzeit mit seiner Schwiegerin. Der Gerorgius (Chirurgius) Albers ist wieder hier und wird auch wohl als Doktor hier bleiben. Es tut mir leid um Willm, der verliert doch dabei.
Wagenseil hat mein Mann ein Singesspiel dediciert, Ehrlichkeit und Liebe betitelt. Er hat auch einen Roman gemacht, den wir aber nicht gesehen haben. Mein Mann hat ihm geschrieben, er hätte besser getan, wenn ers ihm nicht dediciert hätte. Es ist doch schade, daß Sie nicht mehr hier sind, sonst hätten wir einen lustigen Abend gehabt, als sein Buch und Brief ankam. Im nächsten Brief will ich Ihnen eine Abschrift von der Dedikation schicken. Wir haben gehört, daß Sie den jungen Kühl bei sich nehmen. Nehmen Sie sich in ach, daß er Ihnen Ihre ganze Herde nicht verdirbt. Er ist ein Bösewicht und hat böse Krankheiten gehabt, das ist ganz stadtkundig. Wenn Sie ihn bessern könnten, verdienten Sie ein Gottes Lohn um der alten Mutter willen, der er das Leben hier sauer macht und Gott dankt, daß sie ihn los wird. Daß ich Ihnen recht gut bin und Ihnen gern hier hätte, brauche ich Ihnen nicht zu schreiben.
Wir grüßen alle herzlich Groß und Klein an Groß und Klein, schreiben Sie doch bald.
Adio.