Der Krieg. Eine Cantate.

Christian Jakob Wagenseil

(Von Herrn Musick = Direktor Steudle zu Kaufbeuren in Musik gesetzt.)

Chor.

Entfleuch, entfleuch zur Hölle nieder,
Du, der sich ihr zur Qual der Welt entrang,
Du, der sein schreckliches Gefieder
Im schwarzen Flug auch über Deutschland schwang! O Furie des Krieges! - In die Hallen
Des Orkus müsse dir
Der Menschheit Fluch noch lange niederschallen,
Dir, Ungeheuer, dir!

Recitativ.

Horch! welch Gewinsel steigt empor!
Geschrey vom Aufgang bis zum Niedergang!
Gewinsel und Geschrey der Tödtenden
Und Fallenden!
Ha! - Ströme Bluts versiegen in
Der Erde Schoos und Ström' in blauen Fluten.
Hier winden sich Verstümmelte,
Dort ächzt im Blut der Sterbende,
Haucht mit dem Roß, das ihn ins Schlachtgewühl
Erschrocken trug, die Seele aus.
Ha! - "Jammer! Jammer" schreyt das edle Weib
Am Grabe des geliebten Gatten,
Und jammernd ringt der Säugling seine Hand,
Indeß das Haupt des Vaters blutig sinkt.

Arie.

Gott! - des Jammers Schreckensruf
Uebertäubt Karthaunen=Knallen.
Alle Berge wiederhallen
Von der schnellen Pferde Huf.
Trommeln raßeln, Schwerder klingen,
Kugeln pfeifen durch die Luft.
Der Trompete schmettern ruft,
In der Feinde Schaar zu dringen.
Menschen sind Erbarmungslos,
In dem rasenden Getümmel,
Du alleine, Gott in Himmel,
Merktsts, wenn eine Thräne flos.

Recitativ.

O trockne sie, die ungezählte Menge,
Die manchem Aug des Krieges Wuth erpreßt!
Wer zählt des Städters Thränen, wenn
Die Flamme nun des Wohlstands Fülle frißt,
Pallast und Hütt' in Schutt und Staub zerfällt?
Wer zät des Landmanns Thränen, wenn
Des Feindes Arm den reifen Acker mäht,
Den Traubenberg verwüstet und den Baum,
Von Segen schwer, zu Pallisaden fällt?
Wer mißt des Jammers Größe, wenn
Der Vater, aus der Seinigen
Geliebtem Zirkel fortgeschleppt,
Als Geisel schwankt und - stirbt,
Eh ihm ein freundliches "Willkommen!" wieder schallt?
O trockne sie, die Millionen Thränen,
Allgütiger! - und lehre mit Geduld
Die Leidenden auf deine Hilfe harren!

Arie.

Vater, aus den bängsten Nöthen
Kann uns deine Hand erretten,
   Vater, du verbirgst dich nicht!
Du entzeuchst nicht deine Rechte;
Durch des Kummers Mitternächte
   Leitest freundlich du zum Licht.

Recitativ.

Sprich nur ein Wort, so endet sich der Jammer,
Der jetzt die arme Menschheit drückt.
Wir trauen deiner Huld, wir harren deiner Güte,
Die nie des Seufzenden vergißt:
Sieh uns gebeugt zu deinen Füssen,
Allmächtiger! - Erbarmender!
Verwirf uns nicht und neig' auf unser Stammeln
Dein gnädig Ohr herab!

Schlußgesang.

Send', o Gott! von deinem Throne
Bald in seiner Rosenkrone
Uns den Frieden mild herab!
Schwach gestützt vom Knotenstab,
Und des Erdelebens müde,
Flehen Greise: "Friede! Friede!
Dann willkommen, kües Grab!"
Hoch gehebt von Mutterarmen,
Fleht der Säugling dein Erbarmen,
Lächelt sanft den Wolken zu.
Männer falten ihre Hände,
Bitten um des Elends Ende,
Bitten dich um Fried und Ruh.
Ende diese Jammer=Scenen,
Stille banger Herzen Sehnen,
Trockne diese Thränen ab!
Vater, ach! von deinem Throne
Send' in seiner Rosenkrone
Bald den Frieden mild herab!