Als Meistersinger bezeichnet man diejenigen Bürger deutscher Städte, meist süddeutscher Reichsstädte, die sich im 14. bis 17. Jahrhundert, vereinzelt auch noch im 18. und 19. Jahrhundert, zum Zweck des Dichtens und des Vortragens von Meisterliedern in Gesellschaften zusammenschlossen (im heutigen Sprachgebrauch werden die Gesellschaften der Meistersinger als "Singschulen" bezeichnet, die Meistersinger selbst verwendeten dieses Wort jedoch nur für die Veranstaltungen, bei denen sie ihre Lieder öffentlich vortrugen, also in der Bedeutung "Konzert"). Es handelt sich bei ihnen in der Regel um Handwerker, die der städtischen Mittel- und der gehobenen Unterschicht angehörten, vereinzelt auch um Geistliche, Lehrer und Juristen. Den Meistergesang übten sie neben ihrem Beruf aus. Sie dichteten ihre Lieder in deutscher Sprache, mehr oder weniger über die gleichen, sich im Lauf der Zeit freilich verändernden Themen und nach überall gleichen, recht komplizierten Kunstregeln, die im 16. Jahrhundert in den "Tabulaturen" kodifiziert wurden und sich im Lauf der Jahrhunderte nur wenig änderten. Sie trugen diese Lieder überall auf die gleiche Weise, die ebenfalls (in den "Schulordnungen") genau festgelegt war, öffentlich oder im internen Kreis der Mitsinger vor. Die Gesellschaften waren überall gleich oder ähnlich organisiert und standen in lebhaftem Austausch untereinander. Dieser wurde wohl vor allem durch die Wanderschaften der Handwerksgesellen begünstigt. Ferner unterstanden die Gesellschaften überall der strengen Aufsicht der Stadtregimenter, die die Einhaltung der "Schulordnung" sowie der allgemeinen moralischen, religiösen und politischen Gesetze uberwachte. Gemeinsam war den Meistersingern schließlich ein ausgeprägtes Kunstbewußtsein.
Über Anlaß, Zeit und Ort der Entstehung der ersten Meistersingergesellschaft ist nichts bekannt. Die Meistersinger des 16. und 17. Jahrhunderts nahmen an, daß sie in Mainz bestand. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde sie im 14. Jahrhundert begründet. Als Erfinder ihrer Kunst verehrten die Meistersinger eine Reihe bestimmter deutscher Lyriker des 13. und 14. Jahrhunderts, die ihnen in mannigfacher Hinsicht zum Vorbild dienten. Die bekanntesten dieser sogenannten "alten Meister" waren: Walther von der Vogelweide (dichtete zwischen ca. 1198 und ca. 1230), der Marner (ca. 1230 bis ca. 1270), Konrad von Würzburg (+ 1287), Heinrich von Meissen, genannt Frauenlob (+ 1318), Regenbogen (+ nach 1318) und Heinrich von Mügeln (+ nach 1371). Sie alle waren freilich keine städtischen Handwerker, für die das Dichten und Singen Nebenbeschäftigung war, sondern fahrende Berufsdichter, die für ein adliges Publikum sangen. Ihre Strophen behandeln vor allem religiöse, moralische, ritterlichständische und politische Themen. In der modernen Forschung bezeichnet man diese Dichter als "Sangspruchdichter", ihre Strophen als "Sangsprüche".
Es scheint im 15. und frühen 16. Jahrhundert unter anderem in Mainz, Nürnberg, Augsburg und Straßburg Meistersingergesellschaften gegeben zu haben. Genaueres wissen wir aus dieser Zeit nur über die Nürnberger Meistersinger. Die bekanntesten Nürnberger Singer in dieser Epoche waren: Fritz Kettner (nachweisbar zwischen 1392 und 1430), der Bäcker Konrad (Kunz) Nachtlgall (~ um 1410/15, + 1484 oder 1485), der Nagelschmied Fritz Zorn (nachweisbar 1442/47), Sixt Beckmesser (archivarisch nicht nachweisbar) und der Leineweber Lienhard Nunnenbeck (nachweisbar 1514/15, + vor 1527), der Lehrer des Hans Sachs; der bedeutendste Nürnberger Meistersinger 1n dieser Zeit war der aus Worms stammende Wundarzt und Barbier Hans Folz (~ 1435/40, + 1513), der neben zahlreichen Meisterliedern auch Fastnachtspiele und viele andere Dichtungen verfaßte und zum Teil selbst druckte.
Seinen Höhepunkt erlebte der Meistergesang im 16. Jahrhundert durch das Wirken des Schuhmachers Hans Sachs (1494-1576). Sachs gab weit über Nürnberg hinaus Anstöße zur Neu- und Wiederbegründung von Meistersingergesellschaften. Die bekanntesten Nürnberger Mitsinger des Hans Sachs waren Hans Vogel (+ 1549/54), Kunz Füllsack (seit 1517 nachweisbar) und Wolf Buchner (seit 1521 nachweisbar); 1556-1560 hielt sich auch der Schlesier Adam Puschman (1532-1600) in Nürnberg auf. Nach kurzfristigem Niedergang nach dem Tode des Hans Sachs erlebte der Nürnberger Meistergesang dann zwischen 1590 und 1630 eine weitere, letzte Blütezeit. Die wichtigsten Singer und Dichter dieser Epoche waren Georg Hager (1552-1634), Wolf Bauttner (1564-1634), Benedict von Watt (1568-1616), Hans Winter (+ 1627) und der Magister Ambrosius Metzger (1573-1632). Die Gesellschaft bestand danach noch lange weiter, erst um 1770 löste sie sich auf.
Die neben der Nürnberger Gesellschaft wichtigsten Meistersingervereinigungen des 16. und 17. Jahrhunderts bestanden in Augeburg (Wiedergründung 1534; die bekanntesten Dichter im 16. Jahrhundert waren Raphael Duller, Onoferus Schwarzenbach, Sebastian Wild und Johann Spreng), Kolmar (1546 durch Jörg Wickram gegründet), Breslau (1571 gegründet; Wolfgang Herold, Adam Puschman), Straßburg (wiedergegründet 1597; Peter Pfort, Cyriacus und Wolfhart Spangenberg), Mainz, Freiburg i. Br., Nördlingen, Ulm und Memmingen. Ferner gab es Meistersingergesellschaften in Österreich (Schwaz, Wels, Steyr, Eferding) und Mähren (Iglau). Die Ulmer Gesellschaft bestand bis 1839, der letzte Memminger Meistersinger starb 1922.
Die überwiegende Mehrzahl der aus der Zeit vor der Reformation überlieferten Meisterlieder behandelt religiöse Themen, in erster Linie Maria, die Trinität, Weihnachten, die Passion, die Auferstehung und die Schöpfung. Daneben gibt es Lieder zum Preis des Meistergesangs, Aufforderungen zum Gesang, Rätsel, Gedichte über die Septem artes liberales und einige wenige Gedichte erzählenden Inhalts. Politische Themen, denen die Sangspruchdichter viele Strophen widmeten, fehlen bei den Meistersingern. Sie waren wohl vor allem durch die in den Städten übliche strenge Zensur von vornherein ausgeschlossen.
Durch Hans Sachs wurde der Meistergesang dann entschieden in den Dienst der Reformation gestellt, er wurde zu einer vorwiegend lutherischen Angelegenheit. Sachs, seinen Zeitgenossen und Nachfolgern ging es weitgehend darum, den Text von Luthers Bibelübersetzung möglichst genau in Verse zu bringen. Daneben nahmen nun auch die Meisterlieder weltlichen Inhalts eine bedeutendere Rolle ein (Fabeln, Schwänke, historische Stoffe, Erzählungen antiker, mittelalterlicher und humanistischer Herkunft, Lieder über den Meistergesang). Für die Spätblüte des Nürnberger Meistergesang um 1600, vor allem bei Benedict von Watt und Ambrosius Metzger, scheint die Bildung größerer Liederzyklen kennzeichnend zu sein; Metzger dichtete unter anderem Ovids "Metamorphosen" in einen Zyklus von nicht weniger als 153 Liedern um.
Das wichtigste formal-musikalische Merkmal der Meisterlieder aus allen Epochen ist, daß sie nicht in individuellen Strophenformen mit je eigenen Melodien gedichtet und gesungen wurden. Die Dichter bedienten slch vielmehr stets vorweg feststehender, meist nicht einmal von ihnen selbst stammender "Töne". Als Ton bezeichnet man die Gesamtheit von metrischem Schema, Reimschema und Melodie der Strophe. So hat Hans Sachs seine über 4000 Meisterlieder in insgesamt nur etwa 280 verschiedenen Tönen gedichtet; lediglich 13 dieser Töne hatte er selbst geschaffen. Bezeichnet wurden die Töne mit den Namen ihrer Urheber und mit dem eigentlichen Tonnamen, z.B. Frauenlob, Langer Ton; Konrad Nachtigall, Abendton; Hans Sachs, Silberweise. Das durch die Jahrhunderte tradierte Tönerepertoire bestand schließlich aus insgesamt etwa 1000 verschiedenen Tönen, die freilich nicht alle überall und gleichzeitig benutzt wurden. Ein Teil der Töne stammte von Sangspruchdichtern des 13. bis 15. Jahrhunderts; ein weiterer Teil war den "alten Meistern" im Lauf der Zeit unterschoben worden, die wirklichen Urheber dieser "unechten" Töne waren unbekannt gebliebene Meistersinger (so schrieb man z.B. dem am meisten verehrten Frauenlob im 15. bis 17. Jahrhundert über 30 Töne zu, nur 7 davon gehen wirklich auf ihn zurück); schließlich waren seit dem 15. Jahrhundert zahlreiche Töne von jenen Meistersingern, deren Namen sie trugen, geschaffen worden.
Die Töne der Meistersinger bestehen in der Regel aus mindestens 7, meist jedoch aus 12 oder mehr Verszeilen mit Endreim. Die meisten Töne haben um die 20 Verse, es gab jedoch im 16. und 17. Jahrhundert auch einzelne Monstra mit weit über 100 Zeilen. Die Länge der Zeilen wurde nach der Zahl der Textsilben gemessen, die kürzeste Zeile besteht aus 1 Silbe, länger als 13 Silben sollte nach einer aus dem 16. Jahrhundert überlieferten Regel eine Zeile nicht sein, da sie auf einen Atem vorgesungen werden mußte. Die Stellung der Reime ist frei und vielfältig. Gegliedert sind die Töne nach Strophenbau und Melodie stets folgendermaßen: auf den ersten Teil, genannt 1. Stollen, folgt der metrisch-musikalisch völlig gleiche zweite Teil, der 2. Stollen; die beiden Stollen zusammen bilden den Aufgesang. Darauf folgt der metrisch-musikallsch abweichende dritte Teil, der Abgesang. Die Länge der einzelnen Teile ist im Prinzip frei. Die dargelegte Bauform hatte bereits für die Sangspruchdichter seit dem 13. Jahrhundert kanonische Geltung besessen, die Meistersinger hatten sie von ihnen übernommen. In der heutigen Germanistik bezeichnet man diese Strophenform als "Kanzonenform", die Musikwissenschaftler sprechen von "Barform". Allerdings wird die Bezeichnung Bar hier falsch gebraucht: die Meistersinger bezeichneten mit dem Wort nicht etwa ihre Strophenformen, sondern ihre Lieder als ganze. Dabei ist anzumerken, daß Bare, Meisterlieder also, stets aus einer ungeraden Zahl von Strophen, mindestens aus dreien, bestanden. Vorgetragen wurden Meisterlieder stets einstimmig ohne jede Inatrumentalbegleitung, Die hauptsächliche Funktion der Meisterkunst war es ohne Zweifel, die Angehörigen der städtischen Mittel- und Unterschicht - ob sie aktive Mitglieder der Gesellschaften oder passive Zuhörer bei den Singschulen waren - mit religiöser und weltlicher Bildung vertraut zu machen. Diese Bildung war den Angehörigen dieser Schichten durch den auch in den Städten damals noch hohen Analphabetiamus, durch die hohen Bücherpreise, durch den relativ geringen Bildungsstand, der auch diejenigen, die Lesen und Schreiben konnten, nicht ohne weiteres instand setzte, das oft komplizierte System der gedruckten Literatur zu bewältigen, und durch die große zeitliche Beanspruchung durch die Berufsausübung damals sonst nur schwer zugänglich. Es wäre ganz falsch, Meisterlieder deshalb, weil sie in Strophen abgefaBt waren und gesungen wurden, unter den Begriff "Lyrik" mit all seinen aus neuerer Zeit stammenden Implikationen zu subsumieren. Das Meisterlied ist vielmehr in erster Linie ein Kommunikationsmedium, durch das die geistliche und weltliche Bildung der Zeit von dem nur relativ wenigen zugänglichen Zustand der Lesbarkeit in den allen offenen Zustand der Hörbarkeit überführt wurde.
Der Erforschung dea Meistergesangs stehen zahlreiche Quellen zur Verfügung; sie sind bisher noch längst nicht hinreichend ausgeschöpft. Die wichtigsten Quellen sind die rund 120 Handschriften des 15. bis 18. Jahrhunderts, die die Lieder der Meistersinger, deren Zahl derzeit auf etwa 16 000 geschätzt wird, enthalten. Sie sind über zahlreiche Bibliotheken verstreut; die wichtigsten und umfangreichsten Sammlungen befinden sich in West-Berlin, Dresden, München, Nürnberg, Weimar und Zwickau. Erst 1968 wurde in der Stadtbibliothek Nürnberg begonnen, eine zentrale Sammlung von Kopien aller Meistersingerhandschriften anzulegen. Auf ihr basiert das 1974 begonnene, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Forschungsprojekt "Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder" (Arbeitsstellen am Deutschen Seminar Tübingen und in der Stadtbibliothek Nürnberg). Durch dieses Projekt sollen alle überlieferten Meisterlieder umfassend registriert und detailliert erschlossen werden.
Weitere bedeutende Quellen des Meistergesangs sind die überlieferten Tabulaturen und Singschulordnungen. Die älteste derartige Schrift, die erhalten ist, ist der "Schulzettel" der Nürnberger Meistersinger von 1540. Durch den Druck verbreitet wurden Tabulatur und Schulzettel durch Adam Puschmans "Gründlichen Bericht des deutschen Meistergesangs" (gedruckt 1571 und 1596). Von besonderer Bedeutung sind ferner Zeugnisse, in denen sich das Traditions- und Kunstbewußtsein der Meistersinger ausspricht. Hierher gehören zahlreiche Lieder, die den Meistergesang zum Thema haben, ferner Chroniken und Vorreden zu Handschriften. Eine umfangreiche Musik- und Literaturgeschichte aus meistersingerlicher Sicht "Von der Musica und den Meistersingern" verfaßte 1598 der Straßburger Theologe und Meistersanger Cyriacus Spangenberg (1528-1604). Um 1600 wurden Teile des Buchs von Cyriacus, Sohn Wolfhart Spangenberg (um 1570- 1636) zu einem Spiel mit dem Titel "Singschul" umgeformt, nach 1614 schrieb Wolfhart dann eine gründlich überarbeitete Fassung des Traktats seines Vaters, 1n den er die neuen Erkenntnisse der damaligen "Literaturwissenschaft" einarbeitete (beide Werke sind gedruckt bei András VIZRELETY [Hrsg.], Wolfhart Spangenberg: Sämtliche Werke. Bd. 1. Berlin/New York 1971 [Ausgaben deutscher Literatur des l5.bis 18. Jahrhunderts]). Allgemein zugänglich waren Teile des bis dahin nur handschriftlich überlieferten Traktats Cyriacus Spangenbergs seit 1654 durch einen durch Enoch Hanmann publizierten Druck. Über die äußeren Verhältnisse der Meistersingergesellschaften sind wir besonders durch die aus Nürnberg und Augsburg über längere Zeiträume hin erhaltenen Protokolle ihrer Veranstaltungen, sowie aus Archivalien, meist Schriftwechseln mit den Behörden, unterrichtet. Ferner gehören hierher Plakate, auf denen Veranstaltungen der Meistersinger angekündigt wurden, Tafelbilder und weitere Requisiten. Quellen für die Erforschung des Meistergesangs sind schließlich auch noch Nachrichten und Äußerungen über die Meisterkunst von Zeitgenossen, die nicht selbst Meistersinger waren. Der älteste ausführlichere Hinweis dieser Art stammt von dem Nürnberger Barockdichter Georg Philipp Harsdörffer (1607-1658). Er ging 1644 im 4. Teil seiner "Frauenzimmer Gesprächspiele" mit Verständnis auf die Meistersinger, in denen er Überreste uralter Zeiten sieht, ein. Auch in der Folgezeit finden sich in gelehrter Literatur, etwa in den Barockpoetiken, immer wieder Bemerkungen Uber die Meistersinger. Ohne Zweifel bestand bei Gelehrten und Gebildeten also bereits ein gewisses Interesse als der Altdorfer Professor Johann Christoph Wagenseil im Jahre 1697 als Anhang zu seinem Werk "De civitate Noribergensi commentatio" sein "Buch von der Meister=Singer Holdseligen Kunst" vorlegte. Es war die für sehr lange Zeit umfassendste und gründlichste Darstellung des Meistergesangs.
Johann Christoph Wagenseil, dessen Kupferstichporträt von Joachim von Sandrart "De civitate Noribergensi commentatio" vorangestellt ist, war zu seinen Lebzeiten "ein durch ganz Europa berühmter Polyhistor" (Georg Andreas WILL, Nürnbergisches Gelehrten-Lexicon 4, 144). Er war am 26.11.1633 in Nürnberg als Sohn des Kaufmanns Georg Christoph Wagenseil (um 1610-1653) geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte Johann Christoph in Stockholm, wohin seine Eltern kurz nach seiner Geburt übersiedelt waren. 1646 kehrten sie nach Nürnberg zurück. Johann Christoph, der außer in Stockholm auch in Greifswald und Rostock Privatunterricht erhalten hatte, besuchte in den nächsten Jahren das Nürnberger Gymnasium bei St. Egidien. 1649 bezog er die reichsstädtische Universität in Altdorf. Von 1654 bis 1667 wirkte er dann als Hofmeister Österreichischer Adliger. Als Begleiter des jungen Grafen Ferdinand Ernst von Traun bereiste er seit 1661 Italien, Frankreich, Spanien (von wo aus er einen Abstecher nach Nordafrika machte), Holland und England. Er sammelte in dieser Zeit viele Kenntnisse, knüpfte zahlreiche Bekanntschaften, wurde Mitglied mehrerer italienischer Akademien und erhielt aus Vermittlung Jean Chapelins, zu dem er in enge Beziehung trat; zweimal eine "Gratification" Ludwigs XIV. - als "Gegengabe" trat er damals und später propagandistisch für den König ein. 1665 wurde er in Orlans zum Dr. jur. promoviert. Im März 1667 kehrte er nach Nürnberg zurück, am 15. April des gleichen Jahres wurde er ordentlicher Professor des öffentlichen Rechts und der Geschichte in Altdorf, im Jahr darauf Genannter des Größeren Rats seiner Vaterstadt und damit wenigstens formal am Stadtregiment beteiligt. 1674 vertauschte er seine Professur mit der für orientalische Sprachen, 1697 wechselte er schlie8lich auf die Professur für kanonisches Recht. Zweimal war er Dekan, zweimal Rektor. Eine Berufung nach Leiden lehnte er 1693 ab. Er starb am 9.10.1705 in Altdorf.
Illustrieren läßt sich der hier in nüchternen Fakten mitgeteilte Lebenslauf durch einige "Hesonderheiten" Wagenseils, die im Nürnbergischen Gelehrten-Lexicon 8, 369f. mitgeteilt werden: "Wagenseil (Johann Christoph), hatte seine Besonderheiten, z.E. dass er seine Frau nicht auf der rechten Hand, auch nicht grade neben sich, sondern einen halben Schritt zurückgehen liess; dass er sich ein Bedenken machte, die Nägel zu beschneiden, und um die Füsse mit den Händen in ein ordentliches Verhältnis zu bringen, desto längere Schuhe trug, woran man, so oft er hinter einem Eckhause hervorkam, ihn erkannte, bevor man ihn sah..."
Wagenseil war Jurist, Theologe, Klassischer Phllologe, Orientalist, Hebraist, Jiddist, Germanist, Historiker und Erfinder - am besten belegen läßt sich diese seine Zugehörigkeit zur damaligen Zunft der Polyhistoren durch die Titel einiger seiner insgesamt 88, vielfach mehrbändigen Werke: "Hadr. Valesii, Histor. Regii, et Io.Cph.Wagenseilii de Cena Trimalcionis nuper sub Petronii nomine uulgata dissertationes" (Paris 1666, Nürnberg 1667, Paris 1687 - über die Frage der Echtheit von Petrons "Gastmahls des Trimalchio"); "Disputatio de titulis Imperatoris eiusque insignibus" (1674); "Tela ignea Satanae, h.e. arcanl et horribiles iudaeorum aduersus Christum Deum et Christianam religionem libri anecdoti, ex Europae Africaeque latebris eruti et in lucem protrursi" (Altdorf 1681); "Wasserschild, welchen in dem Ehrentempel der geheiligten Majestät Kaiser Leopolds aufhencket J.C.W." (1690 - über einen von Wagenseil angeblich erfundenen Wasserschild zur Rettung Ertrinkender, den er 1691 in Wien dem Kaiser überreichte); "Theses des principes du Blason, ou de 1'art heraldique" (1695); "Pera librorum iuuenilium, qua ingenuos uiamque ad eruditionem et bonam mentem affectantes adolescentes donat" (1695 - "Es sind 6 Bände, in welchen Wagenseil die lateinische Sprache, die Oratorie, Poesie, Geographie, Historie, Philosophie und Rechtsgelehrtheit in eine Encyclopädie gebracht hat", WILL/NOPITSCH 4, 151); "Von des Grafen Ferd.Leop. von Hallweil Ertödung in dem Wald bey Wien" (1696); "Belehrung der Jüdisch-Deutschen Schreibart etc. Unter andern Büchern wird dargestellt das Talmudische Buch von dem Aussatz. Zur Zugabe wird ein Bedenken beygefüget über die Frage: ob die H. Schrifft einem Manne erlaube, zwo Schwestern nach einander zu heirathen" (1699 - mit diesem Werk begründete Wagenseil die Jiddistik); "Von der Erziehung eines jungen Prinzen, der vor allen Studien einen Abscheu hat, daß er dennoch gelehrt und geschickt werde. Es werden Gedanken beygefüget, welcher Gestalt ein jeder Mensch zu einer seinem Geschlecht, Alter und Lebensbeschaffenheit wohlanständigen Wissenschaft in geistl. und weltl. Sachen leicht anzuführen" (1705); Benachrichtigung wegen einiger die Judenschafft angehenden wichtigen Sachen, erster Teil: 1) die Hoffnung der Erlösung Israels, 2) die Widerlegung der Unwarheit, daß die Juden zu ihrer Bedürfniß Christen-Blut haben müssen, 3) Anzeigung, wie leicht es dahin zu bringen, daß die Juden forthin abstehen müssen, die Christen mit Wuchern und Schinden zu plagen" (1705).
Dies ist die literarische Umgebung, in der das "Buch von der Meister=Singer Holdseligen Kunst Anfang/ Fortübung/ Nutzbarkeiten/ und Lehr=Sätzen" - auf dem Titelblatt des Gesamtwerks heißt es "De Germaniae Phonascorum Von der Meister=Singer/ Origine, Praestantia, Utilitate, et Institvtis, Sermone vernaculo liber" - steht. In ihm gibt Wsgenseil eine umfassende Gesamtdarstellung des Meistergesangs, vorwiegend wie er ihn selbst in Nürnberg kennengelernt hat. Er stützt sich dabei auf eine verhältnismäßig große Zahl von gedruckten und ungedruckten Quellen meistersingerlicher und anderweitiger Herkunft, läßt aber auch seine persönliche Kenntnis eingehend zu Wort kommen. Auf diese Weise entsteht ein ungemein lebendiges Bild des Meistergesangs am Ende des 17. Jahrhunderts, allerdings behaftet mit vielen historischen Irrtümern, wie sie sich die Meistersinger selbst, aber auch die Gelehrten der Zeit haben zu Schulden kommen lassen. Freilich berichtet Wagenseil keineswegs sehr konzentriert und einsträngig - dies hätte einem Autor seiner Wesensart sehr fern gelegen. Den krausen - man ist fast versucht zu sagen: auf eine etwas naive Weise jeanpaulschen - Reiz des "Buchs" nicht nur für heutige Leser macht es vielmehr aus, daß Wagenseil sich bei jeder nur passenden Gelegenheit freudig ablenken läßt, um auf alle moglichen anderen literarischen oder nichtliterarischen Themen zu sprechen zu kommen, um Gelehrsamkeit, Anekdoten und persönliche Erlebnisse einfließen zu lassen. So werden wir etwa eingehend über die von ihm vermutete Herkunft der Z[...] [Sinti und Roma] belehrt, werden Zeuge eines weitschweifenden Gesprächs über die deutsche Sprache, das Wagenseil mit Mlle de Scudéry geführt haben will und in dem er alle ihm zu Gebote stehende Weltläufigkeit zutage treten läßt, erhalten ein behagliches Gemälde der Nürnberger Spruchsprecher, insbesondere des Wilhelm Weber, das ebenfalls in die weite Welt der Literatur ausschweift und erfahren etwas über die "Entwicklung der Gesetz=Rollen in denen Jüdischen Synagogen". Wir werden weiter über den Schaden informiert, den das Verbot der Bibellektüre durch Laien der bildenden Kunst zugefügt hat und lesen "eine klelne und nit weit ausschweiffende Digression", weshalb der Verfasser die Sieger in den Wettsingen der Meistersinger "Übersinger" nennt - natürlich mit grundgelehrter Begründung aus dem Bereich des Hebraischen. Schließlich erfahren wir noch etwas über die unterschiedllche Belohnung, die Poeten in Frankreich und Deutschland erhalten - dort haben sie "nichts zu klagen/ es wird ihre Kunst daselbsten hoch geschätzet/ und also auch theur bezahlet", hier bekommen sie nichts. Endlich werden wir Teilnehmer an einer gelehrten Polemik gegen den schwedischen Altertumsforscher Rudbeck, der Schweden als die Urheimat der Menschheit und die Wiege aller Kultur dargestellt und damit nicht nur Wagenseils berechtigten Nationalstolz auf das empfindlichste verletzt hatte.
Als Quelle für die Geschichte des Meistergesangs ist Wagenseils Buch heute weitgehend überholt. Die moderne Meistersingerforschung, die um ein kritisches und historisches Bild des Meistesgesangs bemüht ist - eine Skizze des derzeitigen Wissensstandes habe ich zu Beginn dieses Nachworts versucht -, holt sich ihre Kenntnisse aus authentischeren Quellen. Allenfalls, einige Anekdoten über Meistersinger, die Schilderung des Verhaltens der Meistersinger gegenüber Externen, das umfangreiche Töneregister, die farbige Beschreibung des Ablaufs der Singschulen und der Abdruck der Melodien der Vier gekrönten Töne sind für sie noch von Belang. In anderer Hinsicht aber ist Wagenseils "Buch" für die Meistersingerforschung dennoch von größter Bedeutung: es hat annähernd 200 Jahre lang das in Wissenschaft, Kunst und öffentlicher Meinung allgemein verbreitete Bild des Meistergesangs ganz entscheidend bestimmt. Kritische Untersuchungen des Meistersingerbildes der Neuzeit, damit die Untersuchung der jahrhundertelangen Prämissen der Meistersingerforschung selbst, haben ohne jeden Zweifel bei der kritlschen Analyse des Wagenseilschen "Buchs" anzusetzen. Zu fragen wäre insbesondere danach, ob nicht die auch in der Forschung bis in die Mitte unseres Jahrhunderts vertretene Vorstellung, der Meistergesang sei ein durch die Jahrhunderte hindurch weitgehend geschichtslos-gleichbleibendes und für die breitere Öffentlichkeit in seiner Zeit fast ganz funktionsloses Phänomen gewesen, in der Hauptsache durch die Sichtweise Wagenseils bestimmt war. Wagenseil entwirft ein weitgehend "synthetisches" Meistersingerbild, in dem historische Differenzen vielfach verwischt sind - am deutlichsten in der Tabulatur des 5. Kapitels, die aus nicht weniger als fünf verschiedenen Quellen kompiliert ist - und in dem historisch späte Erscheinungen des Meistergesangs verallgemeinert werden. Vermittelt wurden die hier kritisierten Vorstellungen vom Meistergesang freilich nicht nur unmittelbar durch Wagenseils "Buch", sondern vielfach auch mittelbar über literarische Werke. Damit kommen wir auf die große Bedeutung, die das "Buch von der Meister=Singer Holdseligen Kunst" als Quelle filr die deutsche Literatur des 18..und 19. Jahrhunderts hatte. Sie war nicht auf die Meistersingerthematik beschränkt, ich nenne im folgenden nur die drei wichtigsten Benutzer des "Buchs".
Jean Paul zog Wagenseils "Buch" im "Sechsten Reise-Anzeiger" der Palingenesien. Jean Pauls Fata und Werke vor und in Nürnberg" (1798) eingehend heran. Nürnberg wird bei Jean Paul nicht romantisiert dargestellt. Es wird vielmehr in all seiner unbehaglich reichsstädtischen Enge und Überkommenen, längst zur Belastung gewordenen Beschränktheit dargestellt. Es ist vorzugsweise ein Ort der Satire, vergleichbar dem Reichsmarktflecken Kuhschnappel im "Siebenkäs" und den Residenzen 5cheerau ("Die unsichtbare Loge"), Flachsenfingen ("Hesperus"), Ha4lau ("Flegeljahre") und Pestitz ("Titan"). Wagenseils "Buch" wird zur Ausmalung dieser aufs äußerste beschränkten unidyllischen Idylle herangezogen. Der Ich-Erzähler Jean Paul trifft im "Sechsten Reise-Anzeiger" den Drechsler und Meistersinger Metzger, einen Nachkommen des Ambrosius Metzger: "Ich betrübte und erfreuete mich zugleich über den reichen Bildungstrieb einer vom Schicksal infibulierten Seele, die außer den hölzernen Figuren noch poetische zu machen strebte. - "Sucht man" (sagt' ich, aber wahrlich wohlwollend) "in Nürnberg Seine Verse sehr, Meister, singt Er oft?" - "Daß Gott erbarm," versetzt' er (...)". Eingeschachtelt in Jean Pauls Erlebnisse bei dem Drechsler ist eine Satire gegen die "jetzigen gräzisierenden Poeten", d.h. gegen die kritischen Frühschriften Friedrich Schlegels und 5chillers "Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen": Sie geht von der Ähnlichkeit zwischen diesen Poeten und den Meistersingern aus: "Jedes wissenschaftliche Gehirn, das nur so groß ist wie das Hirsenkorn, worein Kallikrates einige homerische Verse eingrub, und dem wenigstens kein geringerer Inhalt eingekratzet ist als dem Hirsenkorn, weiß es vielleicht ohne mich, daß gute Gedichte, gleich den alten, vollkommen sind - ohne Bilder, ohne Feuer, ohne Herz, ohne großen Inhalt - bloß durch reine leere Darstellung, durch Objektivitdt (...). Ich wünschte wohl, die jetzigen Kunstrichter untersuchten ernstlich, ob nicht die Meistersänger im lobenden Sinne M e i s t e r - sänger waren, und ob ihre so kühlen bilderfreien und stofflosen Gedichte nicht jene reinen Darstellungen ohne allen Inhalt (den wenigen Sinn ausgenommen, der von Worten nicht zu trennen ist), kurz, ob sie nicht jene Vollendung in sich tragen, nach der wir ringen, und die viele Griechen wirklich erreichten". In der Anmerkung dazu zitiert Jean Paul aus Wagenseil die 2. Strophe des Trauerlieds auf Tobias Martin ("Buch" S. 556), zu der er bemerkt: "Wo ist hier Schwulst oder nordischer Bilderschwall? Wo spricht hier der Dichter selber? Mit reiner Griechheit und mit völliger besonnener Herrschaft über sein Feuer stellet er bloß das Objektive dar. Einige veraltete Worte abgerechnet, die wir in jeder Messe zu den allerneuesten machen können, wfire das StUck in einen Musenkalender tauglich (...)".
In ganz anderer Weise benutzte E.T.A. Hoffmann Wagenseils "Buch". Für ihn war insbesondere das Ineinander von bürgerlich-solidem, zwar beschränktem, aber doch tüchtigen und sicheren Dasein, wie es sich aus der Schilderung der Meistersinger und überhaupt des alten Nürnberg bei Wagenseil herauslesen läßt, und dem Geheimnisvollen, Gefahrvollen, Mysteriösen, das bei Wagenseil in der Darstellung der Z[...]r, in der Erzählung vom Sängerkrieg auf Wartburg und in anderem angelegt ist, von Interesse. Er zog das "Buch" für nicht weniger als vier Erzählungen als Ouelle heran. In "Der Kampf der Sänger. Einer alten Chronik nacherzählt" (1819) erzählt er den Wartburgkrieg nach den bei Wagenseil S. 509ff. abgedruckten Berichten als Kampf zwischen der "hohen", "dem reinsten Gemüt entströmende(n) Kunst des Gesanges" und dem "unheimliche(n) Spuk", dem "Wahnsinn". Auch in "Meister Martin der Küfner und seine Gesellen" (1819) benutzte er Wagenseils "Buch" (darüber hinaus auch andere Teile von "De civitate Noribergensi commentatio") eingehend. Die Erzählung spielt im Jahre 1580 in Nürnberg, einer "Stätte (...), wo die herrlichen Denkmaler altdeutscher Kunst wie beredte Zeugen den Glanz, den frommen Fleiß, die Wahrhaftigkeit einer schönen ver- gangenen Zeit verkünden", wie es zu Beginn heißt. Auch hier fehlt es nicht ganz an Elementen des Geheimnisvollen und an "süßem Weh", im Mittelpunkt steht aber freilich die behagliche Schilderung des tüchtigen Handwerkertums, zu dessen Darstellung der Meistergesang gehört. Wagenseils "Buch" lieferte dafür viele Einzelheiten, unter anderem den Namen der Titelfigur Tobias Martin, ferner die Meistertöne, in denen Hoffmann die in die Erzählung eingelegten fünf Liedstrophen gedichtet hat (auch die bei Wagenseil gedruckten Texte in diesen Tönen boten einige Anregungen). Nichts mit dem Meistergesang zu tun hat Hoffmanns Novelle "Das Fräulein von Scuderi. Erzählung aus dem Zeitalter Ludwig des Vierzehnten" (1820), die ebenso wie die beiden zuerst genannten Erzählungen in die "Serapions-Brüder" aufgenommen wurde. Im Rahmengespräch zu ihr heißt es: "(...) soll ich euch aber treu und ehrlich die Quellen angeben, aus denen ich schöpfte, so muß ich euch sagen, daß die Worte der Scuderi: 'Un amant qui craint etc.' wirklich von ihr und zwar beinahe auf denselben Anlaß, wie ich es erzählt, gesprochen worden sind. Auch ist die Sache mit dem Geschenk von Räuberhänden durchaus keine Geburt des von günstiger Luft befruchteten Dichters. Die Nachricht findet ihr in einem Buche, wo ihr sie gewiß nicht suchen würdet, nämlich in Wagenseils 'Chronik von Nürnberg' (vgl. "Buch" S. 562f.). Der alte Herr erzählt nämlich von einem Besuch, den er während seines Aufenthalts in Paris bei dem Fräulein von Scuderi abgestattet, und ist es mir gelungen, das Fräulein würdig und anmutig darzustellen, so habe ich das lediglich der angenehmen Courtoisie zu verdanken, mit der Wagenseilius von der alten geistreichen Dame spricht (vgl. "Buch" S. 453ff.)." - "Wahrhaftig," rief Theodor lachend, "wahrhaftig, in einer Nürnberger Chronik das Fräulein von Scuderi anzutreffen, dazu gehört ein Dichterglück, wie es unserm Sylvester beschieden." Schließlich griff Hoffmann in seiner unvollendet hinterlassenen Erzählung "Der Feind"."(erschienen 1824), die wieder im alten Nürnberg - zur Zeit Dürers - spielt, nochmals auf Wagenseil zurück - auch hier finden sich wieder Meistersinger und neugedichtete Strophen in Meistertönen.
In der romantischen Linie Hoffmanns steht Richard Wagner. Hereits sein "Tannhäuser" (1845) basiert über Hoffmanns "Der Kampf der Sänger" mittelbar auf Wagenseils "Buch". Die Bedeutung des "Buchs von der Meister=Singer Holdseligen Kunst" für "Die Meistersinger von Nürnberg" (1868), in denen alle Einzelheiten der Darstellung des Meistergesangs auf Wagenseil beruhen, hier darzulegen, ist überflüssig.
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Druckvorlage der Neuausgabe des "Buchs von der Meister=Singer Holdseligen Kunst" war das Exemplar der Universitktsbibliothek Erlangen, Signatur: 4° Hist. 621i. Es wurde, laut Widmung auf dem Vorsatzblatt, der Universitätsbibliothek Altdorf am 10.9.1714 von Helena Sibylla Moller (1669-1735), der Tochter Johann Christoph Wagenseils, geschenkt. Bei der Auflistung der Altdorfer Universität kam es 1809 nach Erlangen. Es handelt sich um ein tadelloses, sehr sauberes Exemplar. Daß trotzdem die Wiedergabe im Faksimile nicht völlig befriedigend ausgefallen ist, ist nicht mangelnder Sorgfalt von Herausgeber oder Drucker, sondern dem schlechten Druck des Originals selbst zuzuschreiben.
Horst Brunner
Mit der Veröffentlichung dieses LITTERAE-Bandes sowie des gleichzeitig erscheinenden Bandes zum "Ackermann aus Böhmen" (Nr. 37) wird realisiert, was bereits bei der Gründung der Reihe mitgeplant war, nämlich die Faksimile-Veröffentlichung von überlieferungsgeschichtlich wichtigen Drucken. Mit dem Buch Wagenseils, das sowohl für die Überlieferungs- als auch die Rezeptionsgeschichte - des Meistergesangs von größter Bedeutung ist, wird eine Gruppe von LITTERAE-Bänden eröffnet, durch die in lockerer Folge wichtige Uberlieferungszeugen zum Meistergesang und seiner Geschichte in Abbildungen zugänglich gemacht werden sollen; besonderer Nachdruck soll dabei auf die Musiküberlieferung des Meistergesangs gelegt werden. Die Planung dieser Bände erfolgt in Zusammenarbeit mit unserem Erlanger Kollegen Horst Brunner, der ja auch diesen "Eröffnungsband" betreut hat.
U.M., F.H., C.S.