Die du verborgen im himmlischen Zelt
Beherrschest mit goldenem Zepter die Welt,
Du Mutter der Freuden und Schmerzen,
Allmächtige Liebe, dir weih ich mein Lied,
Dir, die mit lächelnden Blicken mich sieht,
Dem freundlichen Weiblein am Herzen!
Im offenen Tempel der schönen Natur,
Umdüftet von Blumen auf blühender Flur,
Will ich mein Opfer dir bringen!
O! wehe mit göttlichem Hauche mich an,
Und laß, was du wohl eher gethan,
Und laß mir ein Märchen gelingen!
Dort, wo vertraulich der stillere Main
Umarmet den König der Füsse, den Rhein,
Von wallenden Fluten getragen,
Dort lebt' und liebte manch seliges Jahr
In Zeiten der Vorwelt ein glückliches Paar,
Wie Kunden der Väter besagen.
Der Ritter hies Karl, aus Hochburgs Geschlecht,
Er liebte die Wahrheit, er schützte das Recht,
Mit Schwerd und blitzender Lanze.
Und Klärchen, sein Weibchen, war schön wie der Mai,
Sie war ihm alltäglich so lieb und so neu,
Wie einst im bräutlichen Kranze.
So flogen die Jahre wie Stunden dahin,
Ein Knäbchen und Mädchen war süsser Gewinn,
Aus keuschem ehlichem Bette.
Es leitete Liebe das selige Paar
Aus himmlischem Zelte manch seliges Jahr
An ihrer rosigen Kette.
Doch wehe! - Nun hüllt sich sein freundlicher Stern
In traurige Wolken. - Es tobte von fern
Ein Orkan, die Wonne zu stören.
Schön Klärchen floh bang alljegliche Lust,
Es bebte von Ahnung die wallende Brust,
Sie weinte blutige Zähren.
Oft fragte sie Hochburg: "was fehlt dir, mein Kind?"
Und wollte die rollende Zähre geschwind
Den blühenden Wangen entküssen.
Da barg sie die Zähre und blickte den Mann
Mit Mitleid und himmlischer Zärtlichkeit an,
Doch innig im Herzen zerrissen.
Sie quält sich bei Tage, durchseufzte die Nacht.
Sie wachte, wenn Niemand im Schlosse gewacht,
Und träumte von blutigem Jammer.
Von Särgen und Trägern und Leichengesang,
Von rasselnder Ketten betäubendem Klang,
Ein Kerker dünkt sie die Kammer.
Nach Monden, da trabt' auf prächtigem Roß
Ein stattlicher Hewrold vom fürstlichen Schloß,
Im silbernen blanken Visiere,
Zum Ritter von Hochburg mit traulichem Brief
Des Fürsten; - er neigte sich freundlich und rief
Dem Ritter zum nahen Turniere.
Karl wand sich aus Klärchens Umarmungen los,
Und freudig bestieg er das bäumende Roß,
Im funkelnden Rittergeschmeide.
Dann gab er dem Hengste die spitzigen Sporn,
Und rannte durch Wälder und Hecken und Dorn,
Die lustigen Knappen zur Seite.
Vom Söller der Burg sah Klärchen ihm nach,
Rang weinend die Hände, manch trauriges "Ach!"
Entfloh dem bebenden Herzen.
Vergebens umhüpften die Kinderlein sie,
Und sangen ihr Märchen, sie lächelte nie
Bey ihren vertraulichen Scherzen.
So hatte drey Tage sie weinend vollbracht,
Und einsam die schaurigen Nächte durchwacht,
In Ahnung und drückendem Kummer.
Doch endlich schlos sich zu labender Ruh
Auf seidenem Lager ihr Aeuglein zu,
Es nahte der freundliche Schlummer.
Und als es wohl tief um die Mitternacht war,
Hopp, hopp! da rannte mir Reisiger Schaar
Veit Steinach zum einsamen Schlosse.
Sie kamen geritten im hurtigsten Trab,
Es rollten die Tropfen des Schweisses herab,
Vom Buge der dampfenden Rosse.
Einst hatte Veit Steinach mit Hochburg turnirt,
Doch Karl die Preise des Kampfes entführt;
Deß grollte der feindliche Ritter.
Er knirschte die Zähn' im schäumenden Mund,
Und schwur: Geduld, will harren der Stund,
Was gilts, ich zahl' es dir bitter!
Sie stießen die Porte des Schlosses hinein,
Und rannten bey leuchtender Fackeln Schein
Hinauf die marmornen Stufen.
Sie brüllten gleich hungrigen Löwen im Wald,
An Säulen und Bogen und Pfeilern verhallt
Ihr dumpfes, ihr gräßliches Rufen.
Raubgierig erspähten sie Klärchens Gemach,
Durchbohrten den Knappen, den Hochburg zur Wach
Dem liebenden Weibe gegeben.
Die Jammernde flehte, zur Erde gebeugt,
Der wüthende Steinach entgegnete: "Schweigt,
Sonst endet ihr blutig das Leben!"
Zween Knappen ergreifen das herrliche Weib,
Umwinden mit hänfenden Stricken den Leib,
Und tragen sie eilend vom Schlosse.
Dann binden sie, aller Erbarmungen taub,
Im Strale des freundlichen Mondes den Raub
Auf eins der hurtigsten Rosse.
Und jach, wie der Sturmwind auf tobenden Meer,
So eilte mit Klärchen der Reisigen Heer,
Von Steinach geführet, nach Franken.
Er hört das Gewinsel des Weibleins und lacht:
"Brav, wackre Gesellen, brav habt ihrs gemacht,
Mein Lebenlang will ichs euch danken!"
Indessen kehrt Hochburg zurück vom Turnier,
Es flattert in Lüften des Ritters Pannier,
Es glänzen die silbernen Speere.
Schon hat er im Geiste so innig, so warm,
Sein herziges Klärchen im nervigten Arm,
Geschmückt mit Lorbern der Ehre.
Doch Jammer! - Sie eilt nicht vom Schlosse herab!
Ringsum ists todt und still, wie das Grab,
Wo sonst nur Freuden ihm blühten;
Wo durch der Liebe gefällige Macht
Der glücklichen Herzen bey Tag und bey Nacht
Im reinsten Feuer entglühten.
Er herzet die Kinder mit wonniger Lust,
Drückt sie an seine bebende Brust,
Und ruft ein warmes "Willkommen!"
O! - jammern die Armen mit Thräen ihm zu,
O Vater! - die Mutter - ach! - wärest du -
Ach, wärst du doch eher gekommen!
Die Mutter? - Wo ist sie? - Barmherziger Gott! -
Sprecht eilends! - Entriß mir die Holde der Tod? -
Geschwinde! - mir brennen die Sohlen! -
Nicht todt ist die Mutter, - nein, - ärger als todt -
Vielleicht in Ketten, in Elend und Noth,
O Vater, - sie ist dir gestohlen!
Mehr wußten die weinenden Kinderlein nicht.
Die Blässe des Todes deckt Hochburgs Gesicht,
Er zittert an Füßen und Händen.
"Barmherziger Himmel, erbarme dich!
Du beugest zur Erde mich fürchterlich!
Wann wird mein Jammer sich enden?"
Nun streiften die redlichen Knappen durchs Land,
Und schwuren, zu Hochburg an Klärchens Hand
Mit Jubel wiederzukehren.
Sie schwuren vergebens! - Mit weinendem Blick
Kam jeder Vasalle zum Schlosse zurück,
Das Elend des Ritters zu mehren.
Dahin war Hochburgs genossenes Glück;
Vergebens wünscht er sein Klärchen zurück,
Und alle die goldenen Stunden,
Die einst, wie Perlen in silbernen Quell,
Dem glücklichen Paare so heiter und hell
In froher Umarmung verschwunden.
Doch endlich, - du Freundin für jegliche Noth,
Für jegliches Elend gewählet von Gott,
Der Sterblichen Jammer zu stillen, -
O Zeit! - da schwangst du den magischen Stab,
Den deine Mutter, die Hoffnung, dir gab,
Das Herz mit Wonne zu füllen.
Ein Mädchen, vollkommen an Seel und an Leib,
Verband sich mit Hochburg und wurde sein Weib,
Erleichtert' ihm Kummer und Schmerzen.
Oft dacht' er an Klärchen, doch ruhiger nun,
Und freut sich in Kunigunds Armen zu ruh'n,
Mit Dank erfülltem Herzen.
Einst saßen am Abend auf lachender Flur,
Vor deiner Schöne, du süße Natur,
Entzückt, die glücklichen Beyden.
Sie dankten dem Himmel für jegliches Glück,
Und sah'n mit erleichterten Herzen zurück,
Auf vorige Qualen und Leiden.
Da naht sich ein Weibchen, in heilige Tracht
Des Pilgers gehüllet, indessen die Nacht
Allmählig vom Himmel sich senkte;
Die Sternlein erschienen am lieblichen Blau,
Und Gras und Blumen der silberne Thau
In Tropfen befeuchtet' und tränkte.
Gastfreundlich nahm Hochburg die Pilgerin mit.
Sie wanket ermattet bey jeglichem Schritt,
Es rollten ihr Thränen der Freude
Vom schwimmenden Auge verstohlen herab.
Oft ruht sie, gestützt von dem knotigen Stab,
Und blickt auf die glückliche Beyde.
Sie fühlt es im Herzen so wahr und so warm,
Wie selig dem Ritter in Kunigunds Arm
Die Stunden des Lebens entschwinden.
Sie siehet beym Mahle mit englischer Ruh
Dem Kosen und Küssen der Liebenden zu,
Und kann mit ihnen empfinden.
Nun hält sies nicht länger: "Allgütiger Gott!
Du Retter aus Kerker und Jammer und Noth!" -
So ruft sie mit bebendem Munde,
"Nun sinket dein Klärchen zufrieden hinab,
O Hochburg, zur freundlichen Ruh' ins Grab!
Nach dieser glücklichen Stunde!"
Der Ritter verstummt, - begreifet nicht, wie
Ihm plötzlich geschiehet; - so hatt' es ihm nie
Die Sinnen alle zerrissen.
Er schweiget Minuten, dann plötzlich - da drückt
Er's liebliche Weibchen am Busen entzückt,
Und deckt sie mit wüthenden Küssen.
O Klärchen! - O Hochburg! - O Kunigund! - Sieh,
Das ist sie, die Holde! - "dein Klärchen, Karl?" - "Sie,
Sie hat uns der Himmel gegeben!"
Und Kunigund drückt an die klopfende Brust
Die Pilgerin brünstig mit himmlischer Lust,
Und fühlet ihr Innerstes heben.
Karl holet die Kinder, die Klärchen gebahr,
Da stand es, das herzige Zwillingspaar,
Im nie gefühlten Entzücken.
"O Vater! - o Mutter!" - Mehr sprachen sie nicht.
Die Beyden verhüllten ihr weinend Gesicht,
Und wollten in Thränen ersticken.
Schön Klärchen erzählte die traurige Mähr
Von Steinachs Entführung, - wie schrecklich und schwer
Im tiefen Thurm sie gelitten,
Wie Niemand vernommen ihr Jammergeschrey,
Und wie sie für Tugend und ehliche Treu
Sechs lange Jahre gestritten.
Wie endlich vom Himmel ein schlängelnder Blitz
Die Burg des Entführers, der Bosheit Sitz,
Verwüstet, - die Unschuld gerochen,
Der bravste der Knappen Erbarmung empfand,
Und in der Verwirrung mit freundlicher Hand
Schnell ihre Kette zerbrochen.
Der Ritter umarmet das edelste Weib,
Und ruft im Entzücken: "du Engel, nun bleib
Auf ewig im traulichen Kreise!
Spricht Kunigunds Mündlein das Jawort dazu,
So machen wir beyde, lieb Klärchen, und du,
Zusammen durchs Leben die Reise!"
Und ohne zu sinnen, spricht Kunigund: "Ja!
Von Herzen, mein Hochburg!" - "Du Herrliche! - Ha! -
Das will ich dir ewig vergelten!
Uns scheide hinfort keines Sterblichen Hand,
Es kann dies zärtliche Liebesband
Selbst Gott im Himmel nicht schelten!"
Ich kann ihn nicht singen, den herzlichen Drang,
Und wie eine Rede die andre verschlang,
Mir stocket die klingende Leyer! -
Froh hiengen die Weiblein an Hochburgs Blick,
Und liebten ihn innig; - er fühlte sein Glück,
Sie waren ihm beyde so theuer.
Auch segnet von Rom aus mit freundlichem Mund
Der heilige Vater den doppelten Bund,
Und sprach sein herzliches: "Amen!"
Lang lebten die Edeln so fromm und so gut,
Und wie sie im ewhlichen Bette geruht,
So ruh'n sie im Grabe beysamen.