Commodore PET (der erste Computer)

Das war leichter gesagt als getan. Der Markt der Rechner und Halbleiter war risikoreich und unvorhersehbar. Irving Gould rettete noch einmal die Firma, indem er insgesamt 3 Millionen Dollar Risikokapital auftrieb, von denen CBM 1976 unter anderem für 800.000 Dollar die Chipschmiede MOS Technologie aufkaufte. MosTek war ein Anbieter von Taschenrechnern und Halbleitern, der zwar genauso in der Krise steckte wie CBM, aber gemeinsam war man stärker. Es folgten weitere Übernahmen: Frontier, ein Hersteller von CMOS-Chips in Los Angeles sowie MDSA, die LCD-Displays produzierten. Die Aufkäufe versorgten CBM mit Know-How in Schlüsseltechnologien der EDV-Branche, die einen gewaltigen Vorsprung zur Konkurrenz darstellten.
Um Steuern zu sparen, verlegte Tramiel den Firmensitz aus den USA in das Steuerparadies Bahamas. Das Hauptquartier zog nach Costa Mesa, Kalifornien um. Die neue schlanke Organisation war bereit, sich wiedererstarkt neuen Aufgaben zuzuwenden.
In den Siebzigern sahen alle Fachleute die Zukunft der EDV in riesigen Rechenzentren, die über Terminals mit dem Anwender verbunden waren. Firmen wie IBM, DEC oder Digital konnten sich nicht vorstellen, dass die Leistung eines Rechenzentrums jemals in einer Kiste auf dem Schreibtisch Platz hätte. Die Erfindung des Mikroprozessors hatte IBM zwar registriert, baute seine schrankgroßen Computer aber weiterhin aus Hunderttausenden von Transistoren und ICs. Tramiel dachte da anders. "Computer für die Masse, nicht für eine besondere Klasse", das war jetzt sein Leitgedanke.
Zusammen mit MosTek hatte man einen damals noch unbekannten Ingenieur namens Chuck Peddle eingekauft, der kurz zuvor den Motorola-Prozessor 6800 wesentlich verbessert hatte. Diese CPU nannte er 6502.  Sie kostete im Verkauf nur einen Bruchteil der Preises, den Intel für seinen 8080 verlangte. So wurde der 6502 auch von anderen Bastlern als Herz von Microcomputern eingesetzt, z. B. von Steve Wozniak in seinem Apple I.
Die Legende sagt, dass Peddle eines Tages Tramiel einfach auf dem Flur ansprach. "Vergessen Sie die Taschenrechner. Der Markt ist tot. Wie wär's mit einem Desktop-Computer?" - "Bauen Sie einen", sagte Jack. So wurde der PET geboren, mit dem MosTek 6502 als Herz. (Peddle wird später nach seiner Kündigung die Firma Tandon gründen.)
Die Ankündigung, dass CBM einen Computer bauen wollte, stieß auf wenig Interesse. Damals, Anfang 1976, bestanden die Käufer von Microcomputern aus Hobbybastlern, die in der Küche mit Lötkolben und einzelnen Chips herumbastelten, irgendwelche Selbstbaukits zusammensetzten und dann die gesamte Software selber programmierten. Das war Tramiel egal. "Die Bevölkerung weiß gar nicht, was sie braucht", so Jack. Der Name war wohl auch wichtig. PET heißt Haustier und die Buchstaben stehen für Personal Electric Transactor, etwa persönlicher elektrischer Geschäftsmann. Aber PET steht riesig groß auf dem Gehäuse, der Rest ganz klein. So nahm man dem Kunden die Angst vor einen Computer, denn damals waren Computer noch riesige Kisten, die in Rechenzentren herumstanden, massenhaft Strom fraßen, Unmengen von Luft zum Kühlen eingeblasen bekamen und mindestens 250.000 Dollar kosteten.
Die 8-Kilobyte-Version wurde zuerst auf der Chicago Consumer Electronics Show (CES, vergleichbar mit der CeBit heute) gezeigt, die Besucher und Journalisten waren begeistert. Der erste richtige Personal Computer, bereits fertig montiert, mit Tastatur und Massenspeicher (Kassettenrecorder), mit BASIC im ROM, zusammen für nur 800 Dollar, das war 1977 eine Sensation. Obwohl Peddle große Schwierigkeiten hatte, das Gerät lauffähig zu präsentieren (er musste mit einem nicht mal ganz fertigen Prototyp nach Chicago und brauchte 3 ganze Tage ohne Schlaf, um ihn messefertig zu bekommen), hielt der PET die Messetage durch.
Innerhalb weniger Monate erhielt Commodore bis zu 50 Händleranfragen pro Tag. Alle wollten den PET vertreiben, alle diese Händler wurden von ihren Kunden gelöchert, wann der PET endlich in ihrer Stadt erhältlich war. Diese enorme Nachfrage ermöglichte es Commodore, die Händler auszusortieren. Wer PETs verkaufen wollte, mußte seinen Finanzen offenlegen, eine hohe Sicherheit hinterlegen, einen Servicetechniker nachweisen und seine Kunden- bzw. Anfragelisten präsentieren. Die Verkaufszahlen stiegen langsam in die Tausende (damals waren das riesige Stückzahlen!), und da erinnerte sich Tramiel an seine Lektion, die ihm Texas Instruments gelehrt hatte: "Schmeiß den Mittelsmann raus. Warum sich mit Einzelhändlern herumärgern?"  Jack verkaufte nun direkt an große Handelsketten, und die bestellten gleich Dutzende von PETs auf einmal, statt wie die kleinen Händler, immer stückweise. Diese kleinen Händler, die so hart um ihr Recht gekämpft hatten, PETs verkaufen zu dürfen, waren nun fast ausgebootet.
Mit dem PET wurde Commodore erstmals eine weltweite Firma. Die mechanischen Geräte waren nur in den USA und Kanada angeboten worden und die Taschenrechner verkauften sich auch nur dort gut. Der Computer aber wurde gerade in Europa in Schulen, Universitäten und von kleinen Geschäftsleuten gut aufgenommen.
Technisch gesehen, war der PET vor seiner Marktreife verkauft worden. Die erste ausgelieferte Version des Betriebsystem-ROMs enthielt gravierende Fehler. Z. B. verhinderte ein simpler Tippfehler des Programmierers das Laden abgespeicherter Programme von der Floppy. Wer sich die teure Floppy leisten konnte, stellte sofort fest, das er sein Basicprogramm zwar auf Diskette ablegen konnte, aber die Laderoutine gnadenlos abstürzte. Auf Anfrage verkaufte CBM bzw. der jeweilige Händler das neue ROM für teures Geld. Die nach Auslieferung der Floppy 2031 hergestellten PETs bekamen zwar das neue ROM, aber etliche standen noch bei den Händlern, die wurden nur auf Kundenanfrage umgerüstet. Diese Verhalten wurde für Commodore und viele andere Firmen in der Branche üblich. "Nutz den Erstkäufer als Betatester. Wenn dieser Fehler feststellt, ist er froh, wenn sie beseitigt werden. Da zahlt er gerne noch mal drauf." In der Autobranche wäre so etwas völlig unmöglich. Oder bezahlt jemand noch mal, wenn sein Neuwagen nachträglich mit Rückwärtsgang, Handbremse oder Blinker ausgerüstet wird bzw. die Ölpumpe 3 Monate nach dem Kauf endlich gegen eine funktionsfähige ausgewechselt wird?
Und so wurde CBM nicht zum Marktführer. Der etwa zum gleichen Zeitpunkt vorgestellte Apple II war leistungsfähiger und besser zu erweitern als der PET. Im Business-Bereich war der Apple II die erste Wahl, den PET kauften Anwender, die Wert auf ein komplettes System legten (der Apple bestand aus mehreren Teilen: Monitor, Kassettenrecorder, Rechner; das sorgte für Kabelsalat. Den PET steckt man in die Netzdose und fertig.) Und die richtigen Freaks, die sowieso lieber selber am Gerät herumbasteln wollten, kauften den TRS-80 von Tandy, einer Firma, die viele Millionen CB-Funk-Geräte unter die amerikanische Bevölkerung gebracht hatte. Zwar war der Tandy auch nicht schneller oder besser als der PET, aber die Bastler gingen eben lieber in den Laden, in dem sie auch Ersatzteile, Erweiterungschips, Rat und Tat bekommen sowie andere Bastler trafen.

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