In Amsterdams Zentrum gibt es viele individuelle Wohnhäuser mit eigenem Dach, eigenem Vordergiebel und eigener Tür. Neben deutlichen Unterschieden in der
Gestaltung gibt es auch viele Gemeinsamkeiten, die dem Ganzen Harmonie geben. So sind die meisten Häuser z.B nur 7 bis 8,5 m breit (dafür aber relativ tief). Das sogenannte doppelte Haus ist entsprechend breiter. In der Höhe unterscheiden sich die Häuser selten - die meisten verfügen über vier Etagen.
Die Giebel bestehen zum großen Teil aus Backstein oder Sandstein.
Viele Häuser besitzen weiße Lisenen oder Pilaster und außen eine kleine Treppe, über die man zur etwas höher gelegenen Eingangstür gelangt, wobei sich diese bei Gebäuden aus dem 17. Jahrhundert meist in der Mitte befindet.
Diese Treppen/ steinernen Zugänge zum Haus (in Amsterdam "stoep" genannt) sind sehr verschieden gestaltet und eine nähere Betrachtung wert. Anfangs waren sie nicht mehr als ein Aufgang mit einem eisernen Geländer. Später wurden diese Vorbauten so hoch, dass man in sie einen zweiten Eingang (den Dienstboteneingang) einarbeiten konnte. Im 18. Jahrhundert wurde die "stoep" in Einheit mit dem gesamten Giebel gestaltet, was sich nicht zuletzt auch an der Balustrade erkennen läßt. Z.B. in der Kalverstraat findet man inzwischen keine "Stoepen mehr". Im 19. Jahrhundert wurden viele von ihnen abgerissen, u.a. weil sie den "modernen Verkehr" behindern würden.
Auffällig sind die vielen verschiedenen Giebel der Häuser. Die meisten Häuser stehen mit der schmalen Zeite zur Straße und dementsprechend wurde dem oberen Hausabschluss viel Aufmerksamkeit geschenkt. Man unterscheidet verschiedene Giebelarten:
Treppengiebel,
Halsgiebel,
Glockengiebel,
Leistengiebel. Vom Namen kann man auf die Form des Giebels schließen.
Bestimmte Zeiten hatten typische Fenster. Leider sind von den historischen Fenstern nicht viele erhaltengeblieben. Im 17. Jahrhundert gab es zunächst Kreuzfenster, oft mit Fensterläden. Mit der Zeit konnte man immer größere Scheiben herstellen, was sich in einer Abnahme der Kreuze äußerte. Um 1700 wurden Schiebefenster ohne Fensterkreuz modern, im 19. Jahrhundert waren es die französischen Fenster. Diese konnten nach außen offengedreht werden. Schließlich entstanden T-Fenster mit zwei großen Scheiben unten und einer kleinen oben. Immer größere Glasplatten wurden gebraucht und heute kann man in einem Haus auf verschiedenen Etagen unterschiedliche Fenstertypen sehen.
Typisch für Amsterdam sind auch die vielen Balken an den Hausgiebeln, die ursprünglich zum Heraufziehen von Lasten dienten, heute aber wohl v.a. bei Umzügen gute Dienste leisten.
U.a. kann man Kaufmannshäuser und Herrenhäuser unterscheiden. Ein Kaufmannshaus besitzt ein hohes Dachgeschoss und einen Keller zur Nutzung als Lagerraum. Kaufmannshäuser findet man beinahe immer an den Grachten, denn die Handelsgüter wurden v.a. auf dem Wasser transportiert.
Eine weitere Art von Häusern sind die "winkelhuizen", Häuser mit einem Laden. Ihre untere Fassade ist aus Holz und ihr Eingang liegt auf Straßenniveau. An den Grachten waren früher übrigens nur an den Straßenecken Läden erlaubt.
Die Entwicklung des Amsterdamer Grachtenhauses wurde im 18. Jahrhundert vollendet. Damals bestand ein solches Haus aus einem Vorhaus, einem Innenplatz, einem Treppenhaus und einem Hinterhaus,
wohinter noch ein Garten mit einem Gartenhaus lag. Viele der Häuser verfügen noch immer über eine wertvolle, aufwendige Einrichtung. Das Vorhaus besteht meist aus einem vorderen und einem hinteren Zimmer. Jedes Zimmer ist vom Flur aus zu erreichen. Über einen Gang kommt man zum Hinterhaus, zum "Zaal", dem Prunkzimmer des Hauses, von dem aus man früher auf den (in der Regel kunstvoll angelegten) Garten sah.
Diese Gärten (privat, aber heute z.T. zugänglich), formen bis heute eine in der Stadt beinahe unwirklich anmutende Oase der Ruhe. Es war 1614 übrigens gesetzlich festgelegt, wie die Pazelle (8 mal 54 m) bebaut werden musste: Nur 31 m durfte Hochbau sein. Die übrigen 23 m waren für den Garten und das Gartenhaus (nicht höher als 3 m) vorgesehen.
Wie wurden die Amsterdamer Wohnhäuser eigentlich gebaut? Bemerkenswert ist sicher, dass in der Regel kein Architekt an ihrem Bau beteiligt war, sondern dass sie das Produkt von Handwerkern sind, wobei die Zimmerleute die Leitung hatten. Auch wenn man es nicht unbedingt sieht - Amsterdam ist eine "hölzerne Stadt".
Hinter den dünnen steinernen Giebeln liegen Holzskelette. Bedingt durch den weichen Untergrund mussten viele leichtere Materialien wie Holz zum Bau verwendet werden.
Der Moorboden von Amsterdam erschwerte schon das Fundieren. Unter dem Moor befindet sich Sand, der eine festere Grundlage liefert. Darum wurden Pfähle (zwischen 11 und 17 m lang, paarweise in einem Abstand von ca. 80 cm) in den Boden gerammt, um dem Haus die nötige Festigkeit zu geben.
An diesem Pfählen befestigte man schwere Fundierungsplanken. Hierauf baute man das eigentliche Haus.
Mit der industriellen Revolution war die Zeit des Baus von individuellen Grachtenhäusern vorbei. Immer mehr Arbeiter kamen nach Amsterdam und brauchten eine Wohnung, konnten sich ein so teures haus aber natürlich nicht leisten. Demzufolge kaum es zum Bau von weniger prächtigen Wohnblöcken.
Eine weitere Hausform in Amsterdam sind die Packhäuser.
In keiner europäischen Stadt findet man so viele Packhäuser ("Pakhuizen") wie hier. Wenn man bedenkt, dass die Stadt im 17. Jahrhundert sozusagen der "Stapelmarkt" von der Welt war, kann man sicher verstehen, dass damals sehr viel Lagerraum gebraucht wurde. Immerhin 600 bis 700 dieser Häuser gibt es heute noch. Die meisten von ihnen werden mittlerweile zum Wohnen genutzt.
Auf den ersten Blick fallen Amsterdams Packhäuser (die beinahe alle an einer Gracht stehen) dem Vorbeigänger wahrscheinlich nicht zu sehr auf. Ist man aufmerksam, sind sie durch eine vertikale Reihe Bodenfenster mit Fensterläden auffallen. Über Jahrhunderte wurden diese Häuser im beinahe gleichen Stil gebaut. Im Gegensatz zu den Kaufmannshäusern besitzen die in der Regel ca. 30 m tiefen und 5 bis 8 m breiten Packhäuser kein Vor- und Hinterhaus, sondern bestehen aus einem Bau. Oft stehen mehrere in Reihe nebeneinander. Es gibt aber auch "doppelte" Packhäuser, die eine Breite von etwa 15 m haben. Oft besitzen sie zwei Giebel, manchmal einen Trapezgiebel.
Daneben gibt es sogenannte Magazine. Einst waren sie Eigenturm der Stadt oder der VOC. Das "Oost-Indisch Zeemagazijn" (1661, 1822 eingestürzt) z.B. war 215 m breit und damit das größte Packhaus der Stadt.
Die Packhäuser am IJ-Ufer (auch "Vemen" genannt) stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert.
Beispiele für Packhäuser findet man u.a. hier:
Keizersgracht 483-489, Browersgracht, Oude Schans, Prinseneiland, Prinsengracht, Oudezijds Kolk.
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