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3. "Sex and Drugs and Rock'n'Roll"

"Sag, was du willst - aber ich find's nur noch geil", meinte Mick so nebenbei zu Otto.
"Wie meinst du das jetzt, sag, Kumpel?"
"Naja, alles halt - wir fahrn hier durch den Busch, es ist Januar und 100 Grad warm, wir ham geile Musik, geben uns 'nen Joint, und können alles ganz relaxed angehen. In ein paar Stunden holen wir uns in der Stadt Bier und Pizza und Frauen, und danach machen wir unser Konzert, und in ein paar Wochen sind wir in Sydney, und dann red ich mit Brian, ob er uns jetzt endlich 'nen Vertrag gibt, aber einen, bei dem wir auch mit entscheiden können und nicht nur verarscht werden."
"Hey, Kumpel, du hast das jetzt schon hundertmal probiert, und es ist nie was draus geworden", erinnerte ihn Otto.
"Okay, stimmt, aber dann versuch ich's halt noch'n paarmal." Mick nahm noch einen Zug. "Willst du?" Otto wollte.

Dann fuhren sie weiter, von Bendigo nach Ballarat. Von der Stadt war noch nix zu merken, aber die Berge drumherum konnten sie schon sehen. Mick und Otto teilten sich den Joint, vernichteten ein paar Dosen Lager-Bier und hörten ein bisschen Sex Pistols. Shark und der Doc waren noch am Pennen.
Ungefähr eine halbe Stunde später oder so waren sie da. Otto fuhr noch ein paar Meter in die Stadt rein, dann hielt er. Mick schaute raus.
"Und, wie meinst du, ist die Stadt?" fragte Otto.
"Naja, geht so", meinte Mick. "Für ein Konzert wird's schon reichen."
"Wenn wir erstmal in Melbourne sind, machen wir mindestens drei", meinte Otto. "Sag was du willst - aber die Stadt hat schon was."
"Okay, aber das Geilste ist immer noch Sydney, so seh ich das zumindest." Mick war irgendwie immer noch ein echter "Sid". "Das ist einfach meine Stadt, und da hab' ich halt auch die Ideen für meine genialsten Songs her."

Hinten im Bus bewegte sich was. "Sind wir schon da?" Das war Doc Tullamore.
"Hey, seid ihr auch schon wach?" Mick grinste sich einen ab, und Doc gähnte. "Wo sind wir jetzt?"
"Grad eben in Ballarat angekommen", sagte Otto.
"Und wie spät ham wir's?" wollte Shark wissen.
"Kurz vor Drei."
"Schon? Dann wär' jetzt grad die richtige Zeit, was zu essen", meinte Doc.
"Ja, nix dagegen, und wohin?" fragte Mick. "Zum Mäkki?"
"Nee, weiß nicht, kein Bock", meinte Otto.
"Okay, dann halt nicht, aber was haltet ihr vom Pizza-Hut?" Damit waren alle einverstanden.
"Wieviel Geld ham wir noch?"
Mick hatte noch einen Zehndollarschein. Die anderen waren praktisch total pleite.
"Tja, das wird wohl nicht ganz reichen. Halt mal da drüben."

Otto hielt vor 'nem Laden, und Mick sprang mal raus. Wie er drin war, griff er sich 'ne große Flasche Cola und ging zur Kasse, wo eine Frau hockte. Das traf sich gut: Nicht dass Verkäuferinnen allgemein blöder wären, aber er kam mit Frauen einfach besser zurecht. Einfach nett grinsen, und der Rest lief von selbst.

"99 Cents, bitte."
Er legte die zehn Dollar hin, und sie gab ihm das Wechselgeld.
"Upps, sorry, aber ich hab' auch noch 'nen einzelnen Dollar. Können Sie mir die Zehn zurückgeben?"
Also gab sie ihm die Zehn zurück, und er schob ihr das Wechselgeld hin und steckte so ganz nebenbei den Zehner ein.
"Das sind nur neun Dollar, ich bekomme noch einen."
Jetzt holte er den einen Dollar raus. "Okay, hier ist ein Dollar - oh, und hier hätt' ich noch zehn. Ich krieg' dann also zwanzig." Und wie er das sagte, gab er ihr den Zehner von vorhin. Das war die Absicht. Jetzt kam's drauf an.
Die Frau kam bei der ganzen Sache nicht mehr so ganz mit. Und Mick stand einfach ganz cool da und grinste sie an. Dann gab sie ihm endlich den Zwanziger. Mick grinste nochmal extra-nett, dann haute er ab.

"Und, wie is' gelaufen?"
Mick zeigte ihnen den Zwanziger, und jetzt grinsten die anderen auch. "Auf zum Pizza-Hut!"

Ein paar Minuten später waren sie da. Mick schaute durchs Fenster, was für Leute da waren.
"Und, siehst du was Interessantes?" fragte Doc.
Mick war selber noch nicht sicher, aber dann sah er sie. "Was haltet ihr von den Sheilas da drüben?"
"Ja, schaun nicht schlecht aus."
"Okay! Holt ihr die Pizzas, ich geh schon mal vor und bequatsch sie!"
"Was nimmst du, Catpunk?" fragte Shark.
"Eine Hawaii, und nehmt auch noch 'n Lager für mich mit", sagte Mick, ging zu den Frauen hin und grinste cool.

"Hi, ist bei euch noch was frei?"
Die vier schauten ihn an und fanden ihn - trotz Gammel-Aufmachung - einfach nur süß. "Okay", sagte Muriel.
"Danke." Mick hockte sich neben Muriel, weil sie am schärfsten aussah. "Ich heiß übrigens Mick, und wer seid ihr?"
Muriel, Betty, Debbie und Jenny stellten sich vor. Inzwischen hatten die anderen Drei die Pizzas bekommen und gingen Richtung Tisch.
"Ach ja, eine Frage: Wär das okay, dass sich meine Freunde auch hier hinhocken?"
Wenn Mick was fragte, konnte eigentlich keine Frau Nein sagen, also waren die Vier auch einverstanden.
"Das sind Shark, Otto und der Doc", stellte Mick vor.
"Hi!" sagten alle vier Frauen auf einmal. "Was macht ihr hier so?"
"Wir geben hier heut Abend 'n Konzert."
"Echt? Davon weiß ich gar nichts."
"Ja, wir sind auch grad eben erst angekommen", klärte Doc sie auf.
"Hockt euch erstmal hin, wir können noch später reden", ging Mick dazwischen. Die drei von der Band setzten sich dazu, und dann war erstmal Zeit für Pizza und Bier. Dann, wie sie fertig waren, wollten die Frauen natürlich ein bisschen mehr über sie wissen.

"Wie heißt eure Band eigentlich?"
"Way to escape."
"Und wer von euch macht was in der Band?"
"Also, Catpunk ist unser Sänger..." fing Shark an.
"...und ich spiel nebenbei noch die Linksgitarre", machte Mick weiter. "Die Rechtsgitarre hat er."
"Ja" sagte Shark, "und Doc spielt Bass..." "...und Otto spielt Schlagzeug, und fährt Bus", beendete Doc die Vorstellung.
"Und die Organisation lasst ihr mich auch immer machen!" grinste Otto.
"Macht ihr das schon lange?"
"Wir sind jetzt mehr oder weniger seit zweieinhalb Jahren zusammen. Letztes Jahr haben wir unsere Tour gemacht - einmal quer durch das ganze Land und wieder zurück."
"Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen? Ich meine - warum wolltest du Rocksänger werden?" wollte Muriel wissen.
"Oh, das ist 'ne längere Geschichte", meinte Mick cool.
"Und, erzählst du sie uns?"
"Okay, für euch tu ich's." Mick nahm noch einen Schluck Lager. "Es ist jetzt schon 'n paar Jahre her - damals war ich vierzehn - da bin ich mal Nachts so in der Stadt, das heißt in Sydney - hab ich schon gesagt, dass ich aus Sydney bin? - also, ich bin so unterwegs gewesen, und da ist es halt passiert."
"Wieso, was war da?"
Mick beugte sich vor, damit er noch näher an den Frauen dran war, und dann fing er an, seine Story zu verzählen. Die Vier hörten zu und staunten halt nur noch. Sowas konnte wirklich nur er bringen.
"Zuerst war eigentlich gar nix los, aber dann auf einmal hab ich von irgendwo was gehört, ich bin weiter die Richtung lang, und dann auf einmal war nur noch das große Chaos los, überall 'n Wahnsinnskrach, das war nicht mehr feierlich."
"Klingt schlimm", meinte Muriel. "Aber was war da eigentlich wirklich los?"
"Tja, eigentlich hab ich da überhaupt keine Ahnung! So richtig mitgekriegt hab ich's erst am Tag danach, was die ganzen Leute sich so erzählt haben. Es war so: In der Stadt war eine Massenschlägerei, ein paar hundert Punks gegen die Bullen. Aber ich hab das alles irgendwie ganz anders erlebt, es hatte einfach nix mehr zu tun mit dem, was ich später gehört hab."
"Und was hat das jetzt mit deinen Songs zu tun?"
"Stimmt, das Beste hätt' ich fast vergessen. Ihr müsst euch erstmal vorstellen, was da abging: Überall Punks und Bullen, das totale Chaos, die Typen ham mit Steinen geschmissen, es sind 'n paar Fenster kaputt gegangen, und sie ham auch ein paar Autos angezündet, und die Cops prügeln auf alle ein, und ich bin die ganze Zeit dabei gestanden und hab nur geschaut, und auf einmal - da war alles total anders, nicht wie in Echt, sondern wie in einem Horrorfilm, aber einem ganz krassen. Und da war auch ein Polizei-Panzer, da hockte einer, war wohl der Boss von denen, ein absolut widerlicher, fetter, krasser Typ, und dann hab' ich mir so vorgestellt, wie der noch fetter und widerlicher wird, wie ein Monster halt. Eigentlich war's absolut krass, total strange, aber trotzdem irgendwie cool. Es war wie 'ne Vision für mich, wenigstens glaub ich das, weil sonst weiß ich nicht, wie 'ne Vision aussehen soll. Und daraus hab' ich dann später den Song gemacht." Mick lehnte sich zurück und war wieder ganz cool. "Und das war's, Leute."

Und Doc Tullamore fragte sich, wie Mick das schaffte, den Frauen eine so krasse Story zu verzählen, ohne dass sie gleich davonrannten. Aber irgendwie schaffte es Mick, die Leute einfach zuzulabern, und allen gefiel's.

"Das ist Wahnsinn!" meinte Muriel. "Aber wieso kannst du dich so gut dran erinnern? Das ist doch schon Jahre her."
"Ich geh ab und zu dahin zurück, wo's passiert ist - okay, jetzt war ich grad ein paar Monate nicht mehr in Sydney, aber sonst geh ich halt hin, und wenn ich mir dann alles so vorstelle, wie's war, dann bin ich einfach wieder richtig dabei."
"Und warum nennt ihr euch 'Way to escape' (Fluchtweg)?"
"Jaa, das lag daran, ich war halt grad an der Stelle, wo das Chaos am übelsten abging. Und dann wollte sich ein Cop mit mir anlegen, aber ich bin schnell 'nen Schritt zur Seite, hab ihm 'n Bein gestellt, und er ist halt glatt hingefolgen." (Das war ein bisschen übertrieben.) "Aber dafür sind dann gleich drei von denen auf einmal auf mich los, ich bin nur noch weggerannt, in ein Haus rein, dann wieder raus, die immer hinter mir her, ich bin nur noch gerannt, irgendwo quer durch die ganze Stadt, ohne Plan, aber ich bin halt ohne Ende weitergerannt. Eigentlich hätt' ich keine Chance dabei gehabt, aber so hab ich's doch geschafft. Weil ich eben am Ende doch 'nen Fluchtweg gefunden hab."
Muriel und die anderen wussten jetzt irgendwie nicht mehr weiter, aber Mick ließ sie gar nicht erst auf blöde Ideen kommen, wie zum Beispiel Abhauen. "Ich mach euch 'nen Vorschlag: Wie wär's, wenn ihr einfach mitkommt? Bis es losgeht, ham wir noch 'ne Stunde oder so Zeit, da können wir noch 'ne kleine Backstage-Party feiern."
"Wann ist euer Konzert genau?" fragte Debbie.
"Um Acht geht's los. Ruft vielleicht vorher noch eure Leute an und sagt ihnen, sie sollen auch kommen."

Muriel und die anderen Drei sagten schnell ihren Freundinnen Bescheid, und dann fing überall in Ballarat das große Telefonieren an, und ein, zwei Stunden später wussten eigentlich alle Leute in der Stadt davon, und ein paar Fans hatten jetzt wegen dem Konzert auch schon Krach mit ihren Eltern gehabt.

Und kurz darauf bekam auch John Trilius in Sydney einen Anruf, von einem seiner Leute in Ballarat. Er hob ab. "Ja?"
"'Way to Escape' sind in der Stadt", meldete der Mann. Das war alles.
"Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?" wollte Trilius wissen.
"Nein, keine!"
"Weiter beobachten!" befahl Trilius und legte auf.

Inzwischen waren "Way to Escape" bei der alten Lagerhalle angekommen, wo sie ihr Konzert durchziehen sollten.

Otto hatte noch ein paar Sachen mit den Roadies und dem Hallen-Vermieter zu reden, und Debbie wartete solange auf ihn im Bus. Shark und Doc nahmen ihre Sheilas in irgendwelche Backstage-Räume mit, aber Mick hatte was anderes vor: Er ging mit Muriel auf die Bühne. Jetzt war hier noch nix los, aber das würde sich bald ändern.

"Und, wie findest du's?" fragte Mick. "Ich find's einfach nur noch geil, hier oben stehen, in deine Gitarre hauen, und den Leuten, die dir von da unten zujubeln, 'nen geilen Song geben. Das ist einfach das Geilste, was es gibt." Er grinste sie breit an. Und dann nahm er Muriel einfach in die Arme, gab ihr einen richtig fetten Zungenkuss, dann rissen sie sich die Sachen runter und trieben's halt auf der Bühne im Stehen miteinander, und alles war nur noch geil.

Um Acht war's dann soweit. Die Halle war jetzt ganz gut mit Fans gefüllt, ein paar Hundert waren's bestimmt. Ein paar von den Leuten schauten aus wie bei jedem Punk-Konzert: Ein paar breite Punks in Lederjacken, mit krassen aber teilweise genialen Sprüchen drauf, und Punketten, alle irgendwie halb mit Glatze und halb mit bunten Haaren, aber die meisten Leute sahen eigentlich ziemlich normal aus, und es waren sogar ein paar Typen da, die eindeutig schwul waren. Sowas gab's sonst bei keiner Punk- oder Punkrock-Band, nur bei "Way to escape". Und das lag an Mick.

Jetzt, wo Shark grad neben ihm stand, war er fast schon neidisch. Dort unten standen wieder ein paar Sheilas, und wahrscheinlich holten sie gleich ihre MICK-I- LOVE-YOU- und FUCK-ME-MICK-Schilder raus. Aber sowas war ja grad der Grund, warum "Way to escape" so viele Fans hatte.

Irgendwann fand Otto, dass jetzt Zeit zum Anfangen war.

Mick ging einfach ans Mikrofon und sang los, ohne die Leute irgendwie drauf vorzubereiten.
"When we want to love - we'll love..." Mehr nicht.
Es kam einfach perfekt. Mick hörte sich original wie die Frau an, die das Lied erfunden hatte. Die Leute klatschten und gröhlten los, und ein paar pfiffen auch. Jetzt war grad die richtige Stimmung zum Anfangen. Otto gab ihnen den Rhythmus, und Mick und Shark und Doc spielten ihre drei Akkorde, und dann legte Mick mit ihrer Punkrock-Version von dem Lied los, und unten im Publikum waren halt alle nur noch am losfeiern.
"When we wanna fuck - we'll fuck! When we wanna piss - we'll piss!"

Das Lied war einfach nur eine böse Verarschung, und wie sie fertig waren, merkte Mick, dass es anscheinend nicht allen Leuten so sehr gefallen hatte. Vielleicht war's ein bisschen zu hart für die Leute, die noch nie auf einem Punkrock-Konzert gewesen waren. Aber mit sowas kannte er sich schon aus. Er stellte sich einfach nur hin und grinste die Fans an.

"Hi Leute! Erstmal danke, dass ihr gekommen seid!" Dafür gab's schon wieder Beifall. "Ich find's einfach immer cool, wenn die Leute auf ein Konzert gehen; um mal so richtig Spaß zu haben; um ein paar geile Leute kennen zu lernen; um mal richtig einen zu saufen und die Sau rauszulassen; und um mal wieder wen zu treffen, der euch liebhat!" Damit sprach Mick einfach alle an: Die Typen ohne und mit Freundin, und natürlich ganz besonders seine hunderttausend weiblichen Fans.
"Wollt ihr, dass wir euch auch lieben?" Er zog seine Show gnadenlos ab, und alle Fans brüllten "Jaaahhh!!!".
"Ich hab euch überhaupt nicht verstanden! Wollt ihr wirklich?" "Jaaaahhhh!!!!"
"Das glaub ich euch noch nicht! Wollt ihr's wirklich?" "Jaaaaahhhhh!!!!!" Die Halle war am Wackeln, so ungefähr. Genau die richtige Stimmung.
"Okay, hier ist für euch 'We love you' von den Stones!" Und die vier zogen ihre Show ab, und spätestens jetzt fingen die Sheilas unten an zu kreischen wie sonstwas.

"We-e-e-...LOVE YOU! We-e-e-...LOVE YOU! And we hope - you - will love us, too!"
Nach dem Lied gab's keinen mehr in der Halle, der nicht in Stimmung war. Und Mick wartete gar nicht groß, sondern machte gleich weiter.

"Okay, Leute, jetzt ist es Zeit für einen Song von der genialsten Band, die's jemals auf dieser Welt gegeben hat, und wahrscheinlich wisst ihr schon alle, wen ich damit meine: Die SEX PISTOLS!"
Dann brachten sie ihre Cover-Version von "Anarchy in the UK", bloß dass er jedesmal an der Stelle "...in the UK..." noch "...and everywhere!" dranhängte. Inzwischen war so eine geile Stimmung in der Halle, dass alle beim Pogo-Tanzen mitmachten, sogar die Leute, für die's das erste Mal auf einem Punk-Konzert war.
Dann war's leider auch schon wieder vorbei. Mick holte eine Flasche Lager aus der Tasche, nahm einen Schluck und musste rülpsen. Ein paar Punks klatschten, und ein paar Leute lachten. Mick ließ sich davon nicht durcheinanderbringen.

"Okay! Jetzt hab ich eine Frage: Sind zufällig ein paar Leute aus Sydney hier?" Es waren ein paar da. "Cool, Leute! Ich bin zufällig auch aus Sydney, und hier ist ein Song für euch, den ich ganz allein geschrieben hab! Es geht darum, ich hab früher in Sydney Ärger gehabt mit gewissen Leuten - ich sag jetzt nicht mit wem, vielleicht könnt ihr's euch vorstellen, aber ich nenn' sie einfach nur die 'fetten Schweine'! Es kann sein, dass sie mir deswegen jetzt wieder Ärger machen, aber wisst ihr was? Das ist mir total scheißegal!" Die Fans jubelten. Und dann spielten sie ihren ersten eigenen Song.
"Let the fat pigs come to us, we will beat 'em anyway, and if they'll ever shoot us up, we will stand up anytime... " Das war einfach ihr Song, und deshalb spielten sie jetzt auch noch besser, noch härter, noch geiler als vorhin bei den gecoverten Songs. Und die Leute im Publikum rasteten fast aus.
"Ja, okay, Leute, danke, ihr seid echt ein geiles Publikum!" Mick winkte den Leuten zu und grinste. Aber Shark, der ja gleich daneben stand, konnte sich schon denken, was jetzt kam: Jetzt verarschte Mick die Fans. "Aber trotzdem: Was verdammt nochmal glaubt ihr, wer ihr seid?"
Er hatte es wieder getan, und den Leuten gefiel's auch noch. Aber wenn er nicht so ein geiler Typ wäre, würden sie ihn dafür garantiert schlagen. Sowas konnte wirklich nur Mick mit den Leuten machen.
Aber so hatte er die Leute auch auf den nächsten Song vorbereitet - "Who the hell you think you are" von Hard Core Logo.
Die Vier hatten keinen festen Plan, was sie wann spielten, und deshalb fragte jetzt Otto Mick, was als nächstes kommen sollte. Mick überlegte kurz. "Ein Lied für Sheila", sagte er einfach. Dann wendete er sich wieder an die Fans.
"Ich seh grad unter euch 'n paar Leute, die mit ihrer Sheila hierher gekommen sind; da will ich nur sagen: Macht weiter so, Leute, macht mal was mit eurer Sheila zusammen, unternehmt mal wieder was, irgendwas Geiles. Ich bin übrigens heut auch mit meiner Sheila hier - kennt ihr meine Sheila?"
Irgendwer antwortete: "Nein!"
"Das ist ziemlich schade", meinte Mick, "weil, ich find, sie ist wirklich absolut geil drauf. Früher war sie eigentlich gar nicht mal so die Frau dafür, aber jetzt ist sie halt genauso geil auf Punkrock wie ich, und deshalb sing ich jetzt dieses Lied, extra für sie." Und dann spielten sie den alten Song von den Ramones, nur halt leicht abgeändert. "My Sheila is a punkrocker...now!" Und so weiter.

Die Stimmung war eigentlich schon perfekt, aber bis jetzt hatten sie noch gar nicht das Genialste gebracht. Und darum stellte Mick sich jetzt hin und brüllte solange "Seid mal kurz still!", bis die Fans tatsächlich alle Ruhe gaben.
"Okay, das nächste Lied ist wieder mal zur Abwechslung von uns, es ist nicht irgendwo gecovert, ich hab's selber geschrieben - und zwar für alle Sheilas da draußen, die schon immer mal mit mir losziehen wollten."
Und sie spielten wieder, aber diesmal ging der Rhythmus ganz anders als vorhin. "And we keep on running through the streets of the never-ending city..."
Das Lied übertraf einfach alles. Dabei war's gar nicht mal so hart oder so laut wie die anderen, aber es war halt grad das, was die Leute irgendwie am meisten ansprach. Und vorne, wo die abgedrehtesten Fans von Mick waren, ging's am härtesten ab.

Dort passierte es. Irgendwie bekam in dem Chaos eine von den Frauen keine Luft mehr, weil sie von den anderen zu stark eingequetscht war, und fiel in Ohnmacht. Und dann rutschte sie irgendwie Richtung Boden, konnte nicht mehr aufstehen, und geriet den anderen unter die Füße. Aber kein Mensch merkte etwas davon, die Fans nicht, und Mick und die anderen von der Band auch nicht, obwohl sie bloß ein paar Meter weit weg waren. Leider.

Danach spielten sie noch ein paar andere gecoverte Songs, zwei davon von Rancid, einer ihrer absoluten Lieblingsbands. Sie spielten "Junkie man, tell me what your story is" und "Ruby Soho". Das waren einfach gute Lieder, sowohl für die Leute, die grad erst mit Punkrock anfingen, und auch für die harten Fans.

Dann war mit dem Konzert leider schon Schluss, aber deswegen war die Party noch längst nicht vorbei. Es gab zwar ein paar Leute, die jetzt schon gehen wollten / mussten, aber es waren immer noch genug Leute und genug Biere für eine geile Feier da. Mick und die anderen machten erstmal Pause bei ihren Sheilas, aber danach feierten sie mit den Fans mit. Erst so um vier Uhr, als die meisten Fans schon weg oder am Pennen waren, legten sie sich in den Bus.

So Vormittag bis Mittag wachten die meisten Fans auf, die noch da geblieben waren, und hauten ab. Um Zwölf waren nur noch ein paar besonders krass Besoffene und Bekiffte da, die noch nicht aufwachten. Und ein Mädchen, das garantiert nicht mehr aufwachen würde.

Ungefähr um ein Uhr, wie die vier von der Band gerade auf dem Weg nach Geelong waren, bekam John Trilius einen zweiten Anruf aus Ballarat. Sein Kontaktmann hörte sich ziemlich aufgeregt an.
"Bei dem Konzert hat es einen Todesfall gegeben! Es ist ein Mädchen - ungefähr sechzehn Jahre alt!"
Das war die beste Nachricht, die er sich vorstellen konnte. Jetzt hatte er endlich den richtigen Anlass, um eine großangelegte Jagd auf Mick und seine Band zu starten. Jetzt konnte er endlich ein für alle Mal dafür sorgen, dass sie ihren Fans keine dummen Ideen mehr in den Kopf setzten.
"Schicken Sie mir die Beweise rüber!" befahl er. "Ich muss nur mit ein paar Leuten reden, und in einer Stunde habe ich alle Leute, die ich brauche, um 'Way to escape' für immer auszulöschen!"
Eine Stunde später waren überall im Bundesstaat Victoria Polizeiautos unterwegs, und ständig kamen neue Durchsagen über Funk: "Auf einem unangemeldeten Konzert der Punkgruppe 'Way to escape' in Ballarat wurde heute ein sechzehnjähriges Mädchen getötet. Gegen die Mitglieder der Gruppe sind offiziell Haftbefehle ausgestellt. Die Gruppe ist nach den letzten Berichten in einem hellblauen VW-Bus von Ballarat aus Richtung Südosten unterwegs. Zu der Gruppe gehören: Michael Pratchett, 21 Jahre, Kennzeichen: sehr lange, dunkelblonde Haare..."

Wenn Mick und seine Leute irgendwie 'ne Ahnung gehabt hätten, was los war, hätten sie sicher was anderes gemacht, aber so fuhren sie wie immer durch den Busch und dachten sich gar nix. Das war gar nicht böse gemeint, sie machten's halt einfach.
"Und wo spielen wir diesmal?" wollte Mick wissen.
"In der Stadt, in 'ner alten Fabrik, glaub ich", meinte Otto.
"Klingt cool", fand Mick. Da fiel ihm was auf. "Hey, halt mal, da steht wer!"

Otto hielt kurz vor der Tankstelle, Mick schaute raus, und jetzt konnte er die Tramperin erkennen. "Hey, Sheila, könn' wir dich mitnehmen?"
"Oh ja, das wär nett!"
Mick machte die Tür auf. "Unser Bus ist leider schon ziemlich voll, aber wenn du willst, kannst du auf meinem Schoß sitzen." Sie war sofort einverstanden, stieg ein, und Otto fuhr weiter.

"Wie heißt du eigentlich?"
Sie schaute ihn an. "Sheila. Ich dachte, das wusstest du schon!"
Damit hatte Mick nicht gerechnet. "Echt jetzt? Ohne Scheiß?"
"Ja, das ist kein Witz!"
Mick war ganz kurz überrascht, aber dann grinste er wieder. "Okay, Sheila! Wo sollen wir dich hinbringen?"
"Ich muss nach Geelong. Fahrt ihr da zufällig vorbei?"
Mick grinste. "Du wirst lachen: Wir wollen auch dorthin, wir geben dort nämlich heut Abend 'n Konzert, und vorher machen wir noch 'ne kleine Privatparty. Willst du mitfeiern? Das wär einfach cool."
"Das geht schlecht", meinte Sheila, "da hab ich leider schon was anderes vor. Aber zum Konzert komm' ich ganz sicher!"
"Das ist okay!" Mick steckte den Kopf zum Fenster raus. "Geelong, wir kommen!"

Sie setzten Sheila am Stadtrand ab, dann fuhren sie weiter zu der Fabrik. Ein oder zwei Stunden war noch Zeit, bis die ersten Leute kamen. Also noch genug Zeit für eine kleine Party. Sheila war leider nicht mit dabei, also vernichteten sie bloß ein paar Lager und Zigaretten und zerschmissen die leeren Flaschen auf dem Boden.

Dann gingen sie auf die Bühne und machten ihre Instrumente bereit. Die Fabrikhalle war jetzt noch absolut leer, still und tot, aber das würde sich bald ändern.
"Mit was fangen wir an?" fragte Shark.
Mick fand, dass es wieder mal Zeit für die "fetten Schweine" war. Grad wollte er ein paar passende Sprüche loslassen, als es passierte.

Es ging so schnell, dass keiner irgendwie mitkam. Auf einmal knallte eine Pistole, und dann kamen die Bullen von oben, aus dem ersten Stock, wo sie die ganze Zeit gewartet hatten. Und die Leute von der Band standen einfach nur da und schauten blöd, und Mick ging's genauso.

Irgendwie war es wie damals in Sydney, wie er die Idee für "Fat pigs" gehabt hatte. Absolut krass halt, eigentlich sogar noch krasser, und total strange, aber doch trotzdem irgendwie cool.

Ihm war sofort klar, dass es hier nur eine Chance gab: Abhauen! Er riss seine Gitarre runter und schmiss sie dem nächsten Bullen vor die Brust. So bekam er ein paar Sekunden, und die reichten, dass er den Seitenausgang fand. Otto, Shark und Doc hatten leider Pech und wurden von den Bullen geschnappt, aber da konnte er ihnen jetzt wenig helfen. Der eine Cop war schon wieder hinter ihm her. Also rannte er einfach irgendwie weiter und landete am Ende da, wo sie grad eben ihre Party gefeiert hatten. Dort blieb er stehen und gönnte sich 'ne kurze Pause. Und jetzt merkte er auch, dass er blöderweise den Ausgang verpasst hatte, und wenn er raus wollte, stand ihm der Cop im Weg, und er hatte nur sein Springmesser, und das half ihm jetzt wenig.

"Das ist verdammt übel...", dachte Mick. "Aber aufgeben? Vergesst es, Leute!"
Aber dann hatte er die Idee. Er suchte in dem ganzen Müll auf dem Boden rum, nahm sich eine extrascharfe Glasscherbe und versteckte sie in der linken Hand zwischen den Fingern. Dann ging er raus.
"Okay, du hast gewonnen, hier, nimm's dir!" Er ging einfach hin, schmiss dem Copper sein Messer vor die Füße und nahm die Hände hoch.
Der Bulle hob erst das Messer auf, dann steckte er seine Kanone ein. Mick stand jetzt vor ihm, hielt ihm die Hände hin und machte immer noch auf unschuldig. Der Cop nahm die Handschellen. Nun kam's drauf an.
Und Mick hatte Glück. Der Typ legte ihm die Handschellen zuerst an die rechte Hand - und Mick schlitzte ihm mit der Scherbe die Stirn auf. Das Blut lief ihm in die Augen, er konnte nix mehr sehen, und Mick konnte ihn jetzt locker niederschlagen. Der Trick funktionierte einfach immer; Mick hatte ihn ungefähr schon tausendmal gebracht, bei irgendwelchen besoffenen Schlägern, die sich unbedingt mit ihm anlegen wollten, und einmal bei dem Vater von einer Frau, dem's nicht gepasst hatte, dass er was mit ihr gehabt hatte.

"Schon schade, dass du nix davon gemerkt hast, dass ich Linkshänder bin?" meinte er noch zum Abschied. Dann nahm er noch schnell sein Messer, den Schlüssel für die Handschellen und den Revolver, und dann machte er sich ans Abhauen.

Draußen überlegte er schnell, wie's weitergehen sollte. Ihm blieb wohl nur eine Chance: Er musste zu Sheila. Zum Glück war die Stadt nicht so groß, und er konnte sich noch so ungefähr dran erinnern, wo sie sie abgesetzt hatten.

Zu Fuß war der Weg ewig lang, aber irgendwann war Mick da und klopfte ans Fenster. Ein, zwei Minuten passierte erstmal nix, und Mick fühlte nicht besonders toll, aber dann ging das Licht an, und Sheila kam ans Fenster, machte aber noch nicht auf.
"Hey, Sheila, ich bin's, Mick! Kannst du mich reinlassen?"
Jetzt merkte Sheila, dass er es war, und machte auf. "Hey, Mick! Was ist denn los?"
"Ich steck ziemlich tief in der Scheiße, und ich brauch deine Hilfe!"
Sheila versuchte, irgendwie zu checken, was eigentlich los war, aber kam von allein nicht drauf. "Äh... okay, komm erstmal rein."
Mick kletterte schnell rein und hockte sich neben Sheila aufs Bett. Jetzt konnte er die Sache relaxed angehen. "Oh, danke, das vergess' ich dir nie!"
"Okay, jetzt erzähl erstmal: Was ist überhaupt mit dir passiert? Ich dachte, ihr macht euer Konzert?"
"Das ist 'ne ziemlich üble Story. Wir sind halt weiter zur Fabrik gefahren, nachdem wir dich abgesetzt ham, und auf einmal kommen lauter Cops rein, gehen auf uns los und ballern in der Gegend rum. Ich hab mich grad noch verpissen können, aber die ganzen Leute von meiner Band ham sie mitgenommen."
Sheila war leicht misstrauisch. "Sag mal, habt ihr irgendwas gemacht, weswegen die hinter euch her waren?"
"Nein, so is' nicht, ich weiß selber nicht, was die eigentlich von uns wollten. Und jetzt werd' ich wahrscheinlich schon überall gesucht. Ich hab' ziemliches Schwein gehabt, sonst wär' ich jetzt auch im Knast gelandet."
"Und was willst du jetzt machen?"
"Hast du zufällig ein paar alte Klamotten für mich?"
Sheila checkte nicht gleich, was er meinte. "Meinst du, von meinem Bruder oder so?"
"Nein, irgendein Kleid von dir, egal was! Schau mich nicht gleich so komisch an, denk halt mal dran, ich werd' gesucht! Ich muss mich als Frau verkleiden, damit mich keiner erkennt!"
Also stand Sheila auf und fing an, im Kleiderschrank zu suchen. Zufällig war das erste Kleid, das sie in die Finger bekam, ein absolut krasses Siebziger-Jahre-Kleid mit Batik-Muster. Sie wollte es grad wegtun, aber da hatte es Mick schon. "Das Teil nehm' ich!"
Jetzt musste Sheila glatt lachen. "Was?! Das willst du anziehen? Ehrlich?"
"Ja, warum nicht? Ich will ja nicht Miss Oz werden." Er zog sich die Jeans und die Lederjacke aus. "Jetzt brauch ich bloß noch 'nen BH und irgendwas, was ich da reinstopfen kann, und es wär nett von dir, wenn du mich noch schminken könntest."
"Hey, willst du schon wieder weg?" Sheila kam dabei nicht so ganz mit.
"Ja, ich hab' dir doch glaub' ich gesagt, dass ich weg muss."
"Kannst du nicht wenigstens noch dableiben, bis es dunkel ist?" Sheila schaute ihn bittend an.
Mick hatte es eigentlich ernst gemeint mit dem Weggehen, aber jetzt überlegte er sich's doch noch mal.
Und dann nahm er Sheila einfach, riss sie mit und sprang mit ihr auf ihr Bett. "Okay, überredet!" Und sie rissen sich die Sachen runter und trieben das alte Rein-Raus-Spiel, und jetzt war's Mick auch egal, ob Sheilas Vater oder sonstwer was mitbekam.

Dann ging Sheila zum Abendessen mit ihrer Familie, aber danach kam sie gleich wieder zu Mick zurück. Das krasse Batik-Kleid hatte er schon an, und jetzt ließ er sich noch schnell von Sheila schminken. Am Ende hätte Sheila auch (fast) gedacht, dass er wirklich ein Mädchen war. Dass er die Haare so lang trug, passte jetzt perfekt dazu.

"Wie willst du jetzt weitermachen?"
"Ich schau', dass ich nach Sydney komme", antwortete Mick und packte seine Sachen in eine alte Sporttasche von ihr. "Dort kenn ich ungefähr tausend Leute, da kann ich bleiben, bis ich weiß, was da eigentlich los ist, und dann kann ich mir auch überlegen, wie ich meine Leute da raushol."
"Glaubst du, du schaffst das?"
"Was mich angeht, brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Aber ich hätt' auch noch eine Bitte an dich: Kannst du mal bei den Bullen unauffällig nachfragen, wie's meinen Leuten so geht und warum sie sie eingesperrt haben? Ich meld' mich dann später bei dir, und du sagt mir, was los ist. Also, es wär wirklich nett von dir, wenn du das für mich tun würdest." Sie sagte nix. "Bitte."
Sheila war sich immer noch nicht sicher, aber dann war sie doch einverstanden. "Okay." Aber das machte sie wirklich nur für ihn.
"Vielen Dank, Schatz, das vergess' ich dir nie." Mick nahm sie in die Arme und gab ihr einen super-geilen Zungenkuss. Dann stieg er aus dem Fenster und ging weg. Sheila schaute ihm nach.

Mick ging danach als Erstes zur Bushaltestelle und nahm den nächsten Bus Richtung Melbourne und Sydney. Er hockte sich im Bus ganz nach hinten, aber jetzt wurde es schon so langsam dunkel, und die Leute merkten nix von seiner Verkleidung. Bis kurz vor Melbourne konnte er's sich ruhig gemütlich machen. Aber wie der Bus an der letzten Station vor der Stadt hielt, sah er auf einmal, dass die Bullen eine Straßensperre gebaut hatten. Am Ende kontrollierten sie noch alle Leute im Bus, und das war ihm dann doch zu unsicher. Er stieg aus und blieb an der Haltestelle. Der Bus fuhr ohne ihn weiter. Das war jetzt übel: Hinter ihm die Bullen, vor ihm die Bullen, und durch den Busch konnte er auch schlecht. Eigentlich ging's überhaupt nicht weiter, aber dann hatte er eine Idee. Vor ein paar Kilometern waren sie am Flughafen von Melbourne vorbeigekommen, und wenn er dahin zurückging, konnte er dort erstmal in aller Ruhe warten. Solange er nicht grad was anstellte, achteten die Flughafen-Cops schon nicht auf ihn.

Etwas später war er dann da und holte sich erstmal mit seinen letzten Dollars was zu Essen. Einen Trickbetrug wollte er jetzt nicht unbedingt riskieren. Dann hing er noch ein bisschen in diversen Zeitschriften- und Comicläden rum, und danach hockte er sich in eine Lobby und wollte erstmal relaxen.

"Hi Sheila, was geht ab?" fragte ein Typ. Zuerst achtete Mick gar nicht drauf, aber dann wurde ihm klar, dass der Typ ihn meinte.
"Hey, was ist, sag was!" Der Typ wurde ungeduldig.
"Was ist? Willst du irgendwas von mir?" Das kam leider ein bisschen tuntig rüber, schien aber sonst ganz gut zu passen.
"Nix, ich wollte nur mal fragen!" Den Spruch kannte Mick schon. "Übrigens, 'n abgefahrenes Kleid hast du da an!"
"Komm, vergiss es, du bist nicht mein Typ!" Mick stand auf.
Jetzt merkte der Typ auch was. "Hey, sag mal, bist du 'ne Tunte?"
"Nein, ich bin keine, glaub's mir!"
Lang rumzureden mit dem Kerl brachte hier nix, und ihm zeigen, was er so mit dem Springmesser drauf hatte, wollte er auch nicht, also verpisste er sich schnell wieder und ging zu 'nem anderen Warteraum, wo weniger Leute waren. Dann flackte er sich dort auf eine Bank und fing langsam an, einzupennen.

John Trilius war in Sydney inzwischen am Überall-herum-telefonieren.
"Gibt es immer noch keine Spur von diesem Mick?" fragte er zum tausendsten Mal.
"Nein, leider immer noch nichts. Wir haben schon die ganze Stadt durchsucht."
"Ich will diesen Kerl finden! Er macht sich schon seit Jahren über uns lustig, und damit muss jetzt Schluss sein! Solange wir ihn nicht haben, nützen uns die Anderen auch nichts!"
Er knallte den Hörer hin. Jetzt hatte er schon gedacht, dass er seinen Feind geschnappt hatte, und dann hatte der es doch geschafft, sich einfach zu verpissen. Aber Trilius hatte immer noch vor, ihn zu suchen, und wenn er ihn erstmal hatte, dann würde es eine Hinrichtung geben.

Fortsetzung folgt - demnächst in Story Nr. 13, "Der Weg des Chaos"!
 

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