"In einer psychiatrischen Heilanstalt in Berlin verschwand die Patientin I.F. am 13. August 1995 auf ihrem Rundgang. Ihr Pfleger behauptete, er habe sie nur für ein paar Sekunden aus den Augen gelassen. Eine Suche in der Anstalt und der näheren Umgebung blieb ergebnislos. Nach drei Tagen hörten Pflegerinnen ein Geräusch, das aus ihrer leeren Zelle kam. Niemand hatte gesehen, dass sie ihre Zelle verließ oder betrat. Bei einer Befragung behauptete I., dass sie ‘nur kurz weg gewesen' sei.
In Amsterdam verließ ein Mann am 5. Juli 1995 um acht Uhr morgens sein Haus, um im Laden um die Ecke einkaufen zu gehen, und wurde eine Stunde später völlig verwirrt im 90 km entfernten Zwolle aufgefunden. Eine Untersuchung ergab, dass der Mann an Schizophrenie litt.
I.K.W., ein hochrangiger amerikanischer Wissenschaftler, beobachtete an einigen psychisch Kranken, dass sie sich so benahmen, als ob ihnen die Zeit aus dem Ruder gelaufen wäre. Sie bewegten sich wie normale Menschen, wie er mit Hilfe einer Zeitrafferkamera feststellte, aber teilweise mehr als zehnmal langsamer. Ein Patient brauchte zwei Stunden, um von seinem Bett bis ins Badezimmer zu gehen. Trotzdem fehlte all diesen Patienten gesundheitlich überhaupt nichts. I.K.W. vermutete, dass es sich hier um ein Phänomen der Raum-Zeit- Verschiebung handelt, dessen Ursache in dem Wahnsinn der Menschen zu suchen..." Weiter kam er nicht.
Auf einmal ging die Tür auf, und ein paar Männer, in schwarzen Anzügen und mit Sonnenbrillen, kamen herein.
"Herr Dennecken?" Mehr nicht, nur die eine Frage.
"Wer sind Sie, und was machen Sie hier? Wie sind Sie hier überhaupt reingekommen?"
"Sie brauchen keine Angst zu haben! In gewisser Weise arbeiten wir in Ihrem Verlag mit", antwortete einer von ihnen. "Und was Ihre zweite Frage angeht: Wir kommen überall hin, wohin wir wollen - aber wir sind deswegen nicht wahnsinnig."
"Wie - woher kennen Sie den Inhalt von meinem neuesten Buch?" Dennecken bekam Angst. Irgend etwas an seinen Besuchern war nicht normal. Nicht menschlich.
"Das geht Sie nichts an!" sagte der Anführer scharf. "Genauso wenig, wie es irgend jemanden etwas angeht, was Sie da gerade schreiben wollten."
Dennecken rechnete schon mit dem Schlimmsten, nach so einer "Begrüßung"; er wollte irgendwas dagegen sagen, aber jetzt konnte er vor Aufregung nur noch rumstottern.
"Aber - hören Sie, ich bin Schriftsteller! Was soll ich tun, wenn ich dieses Buch nicht schreiben darf?"
"Ist das alles wahr, was Sie in Ihrem Buch schreiben?" fragte einer der Männer. "Haben Sie da nicht ein paar unbewiesene Gerüchte mit reingebracht? Oder die Wahrheit verdreht? Oder sind vielleicht manche Sachen in Ihrem Buch reine Erfindungen?"
"Nun, ich muss gestehen..." gab Dennecken zu.
"Die können Sie in Ihrem Buch bringen, aber sonst nichts!" befahl der Anführer. "Oder schreiben Sie statt dessen noch ein Buch über Außerirdische! Dagegen haben wir nichts. Aber sonst lassen Sie die Finger von dem Thema! Wir warnen Sie nicht noch einmal!"
Sie verließen den Raum und schlugen die Tür zu.
Japan. Ein Land, in dem alles perfekt funktionierte, und in dem auch jeder dabei mithelfen musste. Ein Land, in dem die Yakuza-Banden unter den kleinen Kriminellen aufräumten, und die Computerfreaks als Programmierer für die großen Firmen arbeiteten. Nur ein komplett Wahnsinniger konnte sich so einem System entziehen.
Tokio, irgendwo in der Gegend zwischen Shinagawa und Kawasaki. Hier, in einer Nebenstraße, gab es eine kleine Autoreparaturwerkstatt. Herr Sato, der Besitzer, saß gerade hinter der Kasse und las Zeitung, als die Tür aufging und ein Kunde reinkam.
"Ohayo-goseimasu, (guten Tag), wie kann ich Ihnen helfen?" begrüßte er den Kunden.
"An meinem Wagen ist das Getriebe kaputt gegangen", antwortete Herr Hosokawa. "Könnten Sie sich darum kümmern?"
"Selbstverständlich, wir helfen Ihnen sofort weiter." Sato stellte seine Tasse ab. "He, Junge!" rief er nach hinten. "Komm mal bitte, wir haben einen Kunden!"
Ein ziemlich schlanker, aber geschickter Typ kam rein. Das war Yoko. Sonst gab es keine Angestellten in der Werkstatt.
Hosokawa sah ihn zweifelnd an. Der "Junge" trug einen dreckigen Overall, Doc-Martens-Schuhe, einen dünnen Schnurrbart und zwei Tattoos auf den nackten Oberarmen und sah auch sonst nicht grad wie der Angestellte des Monats aus.
"Bei dem Wagen ist das Getriebe kaputt", erklärte Sato. "Bitte kümmer dich darum."
"Okay, Meister", antwortete Yoko und kam, um sich die Schlüssel zu holen.
Hosokawa traute diesem Typen nicht so ganz. "Entschuldigen Sie meine Frage, aber ist er auch zuverlässig?" fragte er vorsichtshalber hinter der vorgehaltenen Hand.
Sato winkte ab und gab Yoko den Autoschlüssel. "Natürlich, er ist ein MoBo (Modern Boy), aber Sie brauchen sich wirklich nicht zu beunruhigen." Nach dem Motto: Keine Angst, sogar dieser Chaot ist unter unserer Kontrolle. "Sie können Ihr Auto heute Mittag um Zwölf abholen. Möchten Sie vielleicht noch mit mir eine Tasse Tee trinken?"
"Ja, bitte, wenn es keine Umstände macht."
Herr Sato nahm eine Tasse aus dem Geschirrschrank, goß Hosokawa einen grünen Tee ein und schenkte sich selber nach.
Die beiden tranken und redeten ein bisschen über die Familie und so weiter. Sato hatte Zeit.
Yoko fuhr den Wagen in die Werkstatt, legte dann erstmal eine AC/DC-Kassette in den Recorder im Auto und stellte auf volle Lautstärke. Sie hatte auch noch ein kleines Radio draußen, aber so kam die Akustik besser.
Erstmal ließ sie den Wagen an und probierte an der Schaltung rum, ob wirklich was mit dem Getriebe war. Der Kunde hatte Recht gehabt, das Getriebe war Schrott. Aber das war kein Grund zur Panik, mit sowas kannte sich Yoko aus.
Sie nahm sich den Schraubenschlüssel, legte sich unters Auto, baute das kaputte Getriebe aus und ließ sich aus dem Recorder zudröhnen. "T-N-T! Hey! Hey!" Yoko sang ein bisschen die Texte mit und drehte die Schrauben im passenden Rhythmus dazu raus. Sowas war wirklich geile Arbeit.
Dann sah sie sich das ausgebaute Teil näher an. Es sah ziemlich kaputt aus. Aber wahrscheinlich reichte es schon, wenn sie ein paar Teile auszuwechselte, dann brauchten sie nicht gleich ein neues Getriebe.
Erstmal nahm sie die kaputten Teile raus und warf sie in den Müll. Jetzt brauchte Yoko nur noch ein paar passende Zahnräder, damit alles wieder ging. Hier in der Werkstatt waren keine da, also schaute sie mal auf den Schrottplatz raus.
Vor zwei Wochen hatte sie einen Toyota vom gleichen Modell zerlegt und die Einzelteile sortiert. Yoko ging zu dem Ort, wo sie die Teile von dem Schrottauto hin getan hatte, und fand sie sogar noch. Sie sammelte ein paar Zahnräder ein, nahm sie mit in die Garage und setzte sie in das Getriebe von Hosokawas Auto ein. Jetzt war soweit wieder alles okay mit dem Wagen.
Dann wischte sich Yoko das Schmierfett ab, hockte sich nochmal hinters Steuer, drehte die Musik auf vollste Lautstärke, ließ den Motor an, stellte den Fuß aufs Gas und fuhr aus der Werkstatt auf den Schrottplatz raus, nur um mal schnell zu testen, ob jetzt auch alles mit der Schaltung okay war.
Sie fuhr durch's Garagentor und schaltete in den zweiten Gang. Das ging schon mal ganz gut. Dann beschleunigte sie weiter, kam an dem ersten Berg Schrottautos vorbei und schaltete in den Dritten. Dann kam eine scharfe Kurve, und sie musste kurz vom Gas runter. Aber gleich danach kam eine lange, ziemlich grade Strecke, wo sie ganz gut beschleunigen konnte. Vierter, fünfter Gang, ging alles. Jetzt war sie schon am Ende vom Schrottplatz angekommen. Sie riss das Steuer ‘rum und wendete, ohne bremsen zu müssen. Dann konnte's zurück gehen.
Inzwischen war's Mittag geworden, und Herr Hosokawa war wieder drinnen bei Sato, und sie redeten brav darüber, wie es letztes Wochenende beim Angeln gewesen war. Dann hörten sie irgendwas dröhnen, schauten hin und bekamen grade noch mit, wie Yoko vorbeirauschte, und Hosokawa machte sich schon Sorgen um sein Auto.
Yoko raste auf die Garage zu, bremste scharf und schlug die Lenkung nach links ein. So schaffte sie es, dass der Wagen herumschleuderte und nicht gegen die Wand knallte, und sie konnte ihn rückwärts in die Werkstatt zurückfahren. Dann stieg sie aus und kam zu den beiden Männern rein.
"Alles okay, Meister!" Die Schlüssel warf sie auf den Ladentisch. Hosokawa war etwas... irgendwie verwundert darüber, wie's hier zuging.
"Bitte, wollen Sie nicht sehen, ob mit Ihrem Wagen alles wieder in Ordnung ist", forderte ihn Sato auf.
Also ging Herr Hosokawa zu seinem Auto, stieg ein, steckte misstrauisch den Zündschlüssel ins Schloss und ließ den Motor an. Dann legte er vorsichtig den Rückwärtsgang ein. Alles klappte, die Gangschaltung saß wieder, kein Grund zur Beanstandung. Hosokawa bezahlte bei Herrn Sato mit seiner Kreditkarte und fuhr wieder davon.
Herr Hosokawa war der einzige Kunde für heute. Yoko baute noch an ein paar Schrottautos rum, holte so noch ein paar brauchbare Ersatzteile raus, und dazu ‘n paar interessante Stücke für ihre Sammlung.
Irgendwann gegen fünf machte Sato dann Schluss.
"Wir sehen uns dann am Montag wieder", sagte er noch.
"Okay, Meister." Und Yoko packte ihre Sachen zusammen und machte sich auf den Weg ins Wochenende.
Nach der Arbeit machte Yoko erstmal eine kleine Tour in die Innenstadt. Sie brauchte noch was zu Essen für heute, und ein paar neue Videos wärn auch nicht schlecht gewesen.
Yoko ging nicht ins nächstbeste Kaufhaus, sondern in eins, wo sie noch nie vorher gewesen war. Es war nicht das größte Kaufhaus von Tokio, aber hier gab's eigentlich alles. Kimonos und nachgemachte Samuraischwerter und europäische Spezialitäten und supermoderne Elektronik und Golfausrüstungen und superkitschiges rosa Plastikzeug. In dem Kaufhaus war ganz guter Betrieb, obwohl erst ein paar Wochen vorher das große Einkaufs-Chaos von Weihnachten gewesen war.
Yoko ging so durch die Abteilungen, schaute nur in der Gegend rum, und machte sonst vorerst gar nichts. Dann stellte sie sich in der Gegend vom Ausgang auf, da, wo die Kunden, die schon bezahlt hatten, vorbeikamen. Sie wartete auf einen passenden Kunden. Der erste war ein Student oder so, der seine vier, fünf Sachen auf dem Arm trug, aber gleich nach ihm kam eine Hausfrau mit zwei vollen Einkaufstaschen. Der würde sicher nix auffallen. Jetzt ging die Frau Richtung Tiefgarage raus, und Yoko kam ihr hinterher.
Sie musste verdammt gut aufpassen. Wenn sie jemandem auffiel, war sie geliefert. Die Polizei würde sie garantiert sofort erwischen, so abgefahren wie sie aussah. Aber sie kannte sich inzwischen ganz gut aus. Yoko ging einfach unauffällig hinter der Frau her, wartete, bis sie beide mitten im Gedränge standen, und dann nahm sie sich schnell ein paar Schokoriegel aus der Einkaufstasche. Dann blieb sie stehen, während die Frau und die anderen Leute weiter gingen, und kurz darauf waren sie schon zu weit weg. Yoko hatte es wieder mal geschafft. Die geklauten Sachen steckte sie sich in die Tasche. Dann holte sie sich noch von ein paar anderen Leuten eine Packung Fertig-Nudelsuppe, eine Flasche Cola und ein paar Bananen. Zigaretten hatte sie noch. Jetzt hatte sie soweit alles und machte sich auf den Heimweg.
In einem Neubaugebiet im Norden von Kawasaki gab's ein Hochhaus, das jetzt schon seit ein paar Jahren leerstand, weil's einen Streit zwischen den Grundstücksbesitzern und der Baufirma gab. Dort wohnte Yoko.
Es gab einen Aufzug, aber den hatten die Bauarbeiter noch nicht angeschlossen, also ging Yoko zu Fuß rauf, bis ins oberste Stockwerk. Dann flackte sie sich erstmal auf die Matratze und schaltete den Fernseher an. Jetzt kam gleich wieder "Sailor Moon", in der hundertsten Wiederholung.
Das Bild flimmerte so sehr, dass man's nicht anschauen konnte. Wahrscheinlich lag's an der Scheiß-Antenne, die nie richtig stehenblieb.
Yoko stand wieder auf, ging zum Fenster und kletterte raus aufs Fensterbrett. Im sechsten Stockwerk. Dann griff sie nach der Dachrinne und zog sich mit ‘nem Klimmzug rauf. Sie stellte die Antenne richtig ein, kletterte wieder in ihre "Wohnung" zurück und flackte sich vor den Fernseher. Jetzt war das Bild wieder okay.
In der Folge heute ging's darum, dass das Sailor-Team die Welt vor der bösen Feuerkönigin retten musste. Die Handlung war eigentlich ziemlicher Schwachsinn, aber Yoko stand auf die Figuren. Irgendwie fand sie sie sexy, besonders die kleine Sailor Venus. Nach etwas über einer halben Stunde einschließlich Werbung war die Folge leider schon wieder vorbei. Die Serie hätte sich Yoko ständig reinziehen können.
Trainieren musste sie heute auch noch, also fing sie am besten gleich damit an. Yoko stellte den Videorecorder an, legte ein Bruce-Lee-Video ein, dazu noch eine Kassette von Alice Cooper in den Kassettenrecorder, und das Training für heute konnte anfangen.
Der Film handelte davon, wie Bruce gegen eine chinesische Triaden-Bande kämpfte. Yoko wartete gar nicht erst, bis die überflüssigen Szenen, also die ohne Kämpfe, vorbei waren, sondern spulte gleich vor. Filme wie der hier waren für sie nicht irgendwelche Filme zum Nebenbei- Reinziehen, wenn sie sonst nix zu tun hatte, sondern für ihr Karate-Training.
Jetzt ging der Kampf grade los. Sie konzentrierte sich und ließ einen Kampfschrei los, und Bruce brüllte gleichzeitig im Fernseher, aber das hörte sie nicht, weil sie ihm den Ton abgedreht hatte. Dann ging er auf seine Feinde los, trat einen ins Gesicht, und sie versuchte, den Tritt genauso wie Bruce zu bringen.
Nach einer Stunde hörte Yoko auf. Das Karate-Training war doch recht hart gewesen. Jetzt war's Zeit für eine Stärkung.
Yoko kochte sich ‘ne Fertig-Nudelsuppe mit Soja, hockte sich auf die Matratze, fischte sich die Nudeln aus der Brühe raus und schluckte sie runter. Dazu gab's die Cola und die Bananen aus dem Supermarkt. War ganz lecker.
Dann flackte sich Yoko auf die Matratze, machte die Augen zu und träumte ein bisschen, und stellte sich so vor, wie es wäre, wenn jetzt irgendein nettes Mädchen zu ihr kam. Nicht irgendeine abgefuckte Schlampe, sondern wirklich eins vom Typ nettes japanisches Schulmädchen. Die zwei nahmen sich in die Arme und umarmten sich ganz eng, damit sie die Hitze von der anderen am ganzen Körper spüren konnten, dann nahm Yoko ihr Gesicht in die Hände, küsste das Mädchen auf den Mund, machte die Augen zu und steckte ihr die Zunge tief in den Mund und versank noch tiefer in ihrem Traum und...
Und dann war das Mädchen aus ihrem Traum verschwunden, und dafür war da die Frau, die sie "Mutter" nennen musste, und schaute sie genauso böse wie früher an: "Yoko! Hast du wieder nicht gehorcht, obwohl ich es dir gesagt habe? Du bist ein böses Kind! Dafür wirst du bestraft! Komm mit, wir gehen zu Herrn Kurihara, er wird dich bestrafen!"
Yoko kämpfte gegen den Horror. War das jetzt alles real oder nicht? Jetzt in dem Moment kam's ihr jedenfalls ziemlich echt vor. Ständig wurde sie von dieser Frau verfolgt, es war Wahnsinn. Ganz ohne Scheiß.
Aber dann schaffte es Yoko doch noch, sich irgendwie klarzumachen, dass die Frau überhaupt nicht hier sein konnte, riss sich also praktisch mit Gewalt aus ihrem Alptraum raus und hatte es diesmal noch geschafft, dem Horror aus der Vergangenheit zu entkommen.
Danach wollte Yoko nicht nochmal wegschlafen, weil sie keine Lust hatte, dass ihr sowas heute nochmal passierte. Also stand sie auf und nahm ihr Werkzeug, ein bisschen basteln.
Yoko hatte sich von der Arbeit immer mal ein paar Teile nach Hause mit genommen. Nein, diesmal waren es wirklich nur Schrottteile, die man sonst nur noch einschmelzen konnte. Aber sie konnte sowas ganz gut brauchen. Sie bastelte daraus ihre "Skulptur". Es war ein total abgefahrenes Teil, noch abgefahrener als Yoko, wenn's sowas gab. Immer, wenn sie bei der Arbeit oder auf der Straße irgendwelche Sachen fand, die sie sonst zu nix gebrauchen konnte, nahm sie sie mit und baute sie in ihr Werk ein. Eigentlich sah es wie ein Haufen Schrott frisch aus der Müllpresse aus, aber wenn man genauer hinschaute, steckte doch noch mehr drin. Yoko konnte selber nicht sagen, was es eigentlich war, aber irgendwie brauchte sie die Arbeit daran, sonst wär sie endgültig ausgeflippt.
Nach einer Stunde oder so hatte sich Yoko abreagiert und den Alptraum vergessen. Jetzt brauchte sie jemand zum Ficken, weil sie zu scharf war, um heute Nacht allein zu schlafen. Seit ein paar Wochen hatte sie keine Frau gehabt. Sie zog sich noch schnell neue Sachen an und ging los.
Es war noch nicht mal elf, wie sie reinkam, aber in dem Disco-Techno-Tempel ging schon die Party ab. Es waren massenweise Kiddies - ein paar waren auch schon älter, aber Yoko kamen sie immer noch wie kleine Kids vor - aus der Schule da, die endlich mal abtanzen wollten. Hier war einfach alles abgefahren. Die Musik kam mit ein paar hundert Beats per Minute, und alle Leute tanzten nach, was ihnen die Go-Go-Girls vormachten, wie eine Halle voller Spielzeug in Menschenform. Vor fünf Uhr würde hier garantiert nicht Schluss sein.
Yoko schaute sich in der Gegend um und sah, dass Park, der koreanische Dealer, auch da war. Das passte ihr ganz gut, weil so gab es heute garantiert wieder ein paar, die auf Ecstasy waren.
Yoko ging zur Theke rüber, wo schon ein paar Schulmädchen rumstanden. Jetzt hatten sie Yoko auch bemerkt, schauten hin und kicherten. Vielleicht waren sie einfach nicht an Yokos Arbeiter-Aufmachung gewöhnt.
Yoko stellte sich einfach vor das erste hin. "Hi! Willst du vielleicht auf ‘ne Party mitkommen? Ich versprech dir, es wird nur noch geil!"
Das Girl sagte gar nicht erst was, sondern drehte nur den Kopf weg und fing an zu kichern. So wie's aussah, hatte hier es leider nicht geklappt. Also zog Yoko weiter. Ein paar Meter weiter standen zwei Mädchen und tranken aus Gläsern mit Strohhalmen und Sonnenschirmchen.
"Hey, mögt ihr auch Heavy-Metal? Ich hab' da was von ‘ner geilen Party heut Nacht gehört!"
"Äh, nein." Die zwei schüttelten die Köpfe und beschäftigten sich weiter mit ihren alkoholfreien Drinks. Yoko ging weiter zum nächsten Disco-Girl.
Die vierte sah schon etwas bekifft aus, und Yoko probierte es nochmal. "Hallo! Ich kenn' noch ‘nen Platz, wo wir viel geiler feiern können! Kommst du mit?"
Akiko schaute Yoko erst groß an, dann lachte sie. "Okay."
Und sie verließen die Disco zu zweit. Diesmal hatte es geklappt. Dann machten sie sich auf den Weg nach Kawasaki.
Die ganze Zeit, wie sie die Treppe rauf stiegen, knutschten sie sich gegenseitig ab. Yoko ging dabei so brutal ran, dass Akiko massenweise Knutschflecken abbekam.
Dann waren sie oben, und Yoko führte Akiko in die "Wohnung". Akiko riss die Augen auf. "Hier wohnst du?"
"Das ist die coolste Wohnung von ganz Japan", gab Yoko stolz zurück. "Und jetzt machen wir hier unsere Privat-Disco!"
Sie nahm den Recorder, legte ihre Best-of-Heavy-Metal-Kassette ein und drehte auf volle Lautstärke. Die Musik dröhnte richtig durch den ganzen Block, aber hier lebte kein Mensch, der sich beschweren konnte.
"Jetzt tanzen wir mal richtig ab!" Yoko nahm Akikos Hand, und sie legten los.
Yokos Heavy-Metal war doch härter und powerte mehr aus als alles, was es in den Discos von Tokio sonst noch so gab. Nach fünfzehn Songs oder so war den beiden schon ewig heiß, obwohl's draußen ziemlich kühl war.
"Im Sommer ist es hier noch geiler, da können wir dann auf dem Dach feiern!" sagte Yoko. Dann riss sie sich ihr T-Shirt runter. Darunter trug sie nichts.
"Hey, mach's auch, das bringt Spaß!" forderte sie Akiko auf.
"Meinst du, ich soll das wirklich machen?" Akiko kicherte, halb (nervös, halb hysterisch).
"Ja, tu's halt einfach!" Yoko fing schon mal an, Akikos Bluse aufzuknöpfen.
Jetzt war's endlich soweit. Aber natürlich hätte sie das nie geschafft, wenn Akiko nicht völlig zugedröhnt gewesen wär.
Yoko drehte die Musik noch etwas lauter. Jetzt war ihre Party so, wie sie sein sollte. Etwas Geileres gab's wirklich auf der ganzen Welt nicht.
Beim Tanzen wurde den beiden immer heißer. Langsam konnten sie nicht mehr mit der Musik mithalten, und sie fielen sich irgendwie gegenseitig in die Arme. Dann nutzte Yoko die Gelegenheit aus, nahm Akiko und gab ihr den fettesten Zungenkuss, den sie in ihrem ganzen Leben bekommen hatte. Jetzt konnte sie keiner mehr stoppen, sie wollte weiter gehen, und wenn sie davon noch mehr echte Alpträume bekam. Sie nahm sich Akiko und presste sie an sich, so als wie wenn sie sie nicht mehr loslassen wollte.
Und so machten sie weiter mit dieser Mischung aus Tanz und Sex. Erst am Morgen, so gegen sechs, konnten die zwei nicht mehr, fielen wirklich einfach nur um und schliefen sich aus.
So um drei Uhr nachmittags wachte Akiko auf, total fertig.
"Wo bin ich?" fragte sie sich. Dann sah sie sich in der Gegend um und versuchte, das rauszufinden.
Sie lag in einem kahlen, großen Raum, auf einer dreckigen Matratze. Neben ihr schlief ein halbnackter Typ mit Tattoos auf den Armen. Und wie sie genauer hinschaute, merkte sie, dass der Typ gar kein Typ war, sondern eine echte Frau, nur halt mit kurzen Haaren und ein bisschen Schnurrbart. Sowas sollte's auch geben.
Akiko setzte sich auf. Jetzt merkte sie, dass sie auch halbnackt war. Ziemlich geschockt zog sie ihre Bluse an, dann sammelte sie schnell ihre anderen Sachen auf, die in der Gegend rumlagen.
"Hey, was geht ab?" Das war Yoko, die jetzt grad eben aufgewacht war.
Jetzt bekam Akiko erst wieder richtig mit, was um sie rum überhaupt los war, und sie bekam es wie einen Karateschlag. Die Illusion war zerbrochen. Akiko ging auf Abstand, hatte Angst. Sie wusste nicht, was in der Nacht passiert war, hatte aber schon so ‘ne Ahnung, dass es nicht so ganz das Richtige gewesen war.
Jetzt stand Yoko auf und ging auf Akiko zu. Sie hatte - jedenfalls jetzt - gar nicht mal irgendwelche Hintergedanken, aber das konnte sie Akiko jetzt ja schlecht erklären. Die machte nämlich jetzt grade den größten Schock ihres Lebens durch.
"Aaaahhh!" kreischte sie. "Hilfe!" Und dann rannte sie weg, als wenn ein Monster hinter ihr her gewesen wäre. Yoko blieb da, wo sie war. Eigentlich hatte sie schon mit sowas gerechnet. "Shit", brachte sie noch raus. Und ein paar Sekunden später war sie schon weggepennt. Die Nacht war halt doch hart gewesen.
"Sie hat mich entführt!" heulte Akiko. "Ich weiß nicht mehr, was gestern passiert ist, aber sie hat mich entführt!"
Nakamura, einer von den drei Polizisten, die sie aufgesammelt hatten, beruhigte sie. "Hab keine Angst, ich verspreche dir, wir werden sie finden! Waren es mehrere?"
"Nein, nur sie, aber sie sah wie ein Yakuza aus!" beschrieb sie Akiko. "Sie hatte kurze Haare und Tätowierungen auf den Armen!"
Das brachte die Polizisten etwas aus dem Konzept. "Kannst du uns sagen, wo es passiert ist?" fragte Nakamura.
"Da war es!" Akiko zeigte auf das Hochhaus. Einer von den Polizisten blieb bei ihr, die anderen zwei gingen rein und die Treppe rauf. Kein Licht, kein Aufzug, und nichts weiter zu hören. Da kam ihnen das Haus natürlich nicht ganz korrekt vor.
Als sie dann endlich oben waren, warfen sie erstmal einen Blick rein. Sie sahen Yoko, wie sie so dalag, und kamen sich irgendwie fast überflüssig vor, weil Yoko zwar wirklich total abgefahren aussah, aber doch nicht so gefährlich, wie sie nach Akikos Beschreibung schon gedacht hatten.
Die zwei schoben die Tür auf und gingen rein. Yoko lag immer noch auf ihrer Matratze, aber jetzt wachte sie auf. Zuerst dachte sie, dass sie schon wieder einen Alptraum hätte, aber es war noch schlimmer. Das hier war wirklich ernst. Wenn sie es nicht schaffte, hier rauszukommen, war sie reif für den Knast. Jetzt tat ihr die heiße Nacht mit Akiko doch fast schon Leid.
Es gab nur eine Chance für Yoko, und das hieß, sie musste sich mit den beiden anlegen. Das Problem war: Bis jetzt hatte Yoko ihre Karatekenntnisse noch nie an mehreren Gegnern gleichzeitig ausprobiert. Eigentlich war sie überhaupt noch nicht dazu gekommen.
Nakamura zog seine Pistole und wollte schon anfangen, hier ein bisschen den großen coolen Helden spielen. Aber Yoko war schneller.
"Kiaiii!" Sie brüllte los, und lenkte die zwei so für eine Sekunde ab. Dann sprang sie Nakamura an und trat ihm die Pistole aus der Hand. Die Taschenlampe ließ er bei der Gelegenheit auch fallen. Es war so schnell gegangen, dass die zwei nix machen konnten. Aber noch war einer von ihnen bewaffnet.
Yoko war klar, dass das die Chance zum Abhauen war. Sie sprang schnell rüber, kletterte aus dem Fenster und fing an, das Baugerüst runter zu steigen. Einer von den Polizisten schaute ihr nach, aber ihm war schon klar, dass sie sich hier nicht so gut auskannten wie Yoko, und das machte es entsprechend schwierig. Also ließen sie sich gar nicht erst groß drauf ein, sondern rannten einfach die Treppe runter. Sie waren sich sicher, dass sie auf dem Weg Yoko überholten.
Aber mit dem Plan waren sie auf die Schnauze gefallen. Draußen war's zwar schon dunkel, und leicht war's sonst auch nicht grade, aber Yoko war einfach so geschickt, dass sie schneller vorankam als die Cops auf der Treppe, ganz ohne Scheiß. Yoko nahm überall Abkürzungen, kletterte mal an der Außenseite ein Stück runter, oder sprang durch eine Lücke runter, wenn grad keine Leiter da war, so in der Richtung halt. Drinnen stolperten die Bullen inzwischen durch das Treppenhaus, aber ohne Licht war das leicht aussichtslos. Wie Yoko grade unten ankam, waren die Verfolger immer noch irgendwo im Haus.
Auf dem Baugerüst unten standen noch ein paar Eimer, Zementsäcke und so ‘rum. Yoko nahm einen Sack und schmiss ihn schnell vor die Tür. Dann haute sie ab. Die Polizisten kamen zur Tür raus und fielen natürlich hin. Das gab Yoko erstmal ein paar Sekunden Vorsprung.
Dann rannte Yoko auf die Straße raus, um ein paar Ecken rum, dann die Straße weiter, bis sie in eine Gegend kam, wo mehr los war. Vielleicht konnte sie sich hier besser verstecken.
Ein paar Straßen weiter, vor ‘nem Einkaufszentrum, blieb sie stehen. Von den Polizisten war nichts mehr zu sehen. Aber sie fühlte sich noch nicht sicher. Das alles war nicht mehr normal, es war wie in einem von ihren Alpträumen. Die Leute schauten sie irgendwie so komisch an, so als ob sie irgendwas von ihr wollten, jedenfalls kam's ihr so vor. Yoko schaute nach rechts und nach links, ständig misstrauisch und wie in Paranoia, weil sie jetzt wirklich eine Scheißangst hatte. Und dann sah sie die Bullen, vielleicht 20 Meter hinter sich.
Yoko hatte keine Chance, jedenfalls sah's ganz danach aus. Es gab hier keine großen Geschäfte, in denen sie die Cops irgendwie abhängen konnte, auf dem Bürgersteig hatten sie sie sofort und über die Straße konnte sie auch nicht, weil die nächste Fußgängerampel 100 Meter weg war und zwischen den Autos auf der Straße kein Mensch durchgehen konnte.
Aber Yoko war auch verrückt genug, um das zu tun, was sie jetzt machte: Sie sprang einfach auf die Motorhaube von dem nächsten Wagen, und jumpte dann einfach von einem Auto auf's nächste, bis sie auf dem Streifen in der Mitte von der Straße war. Ein paar Fahrer hupten wütend, und die Polizisten waren so überrascht, dass sie gar nichts machten außer Zuschauen. Jetzt war Yoko schon auf der anderen Straßenseite, und sie konnten nicht hinterher. Zu Fuß war's eindeutig zu riskant, und mit dem Auto hatten die Bullen keine Chance, sie bei dem Wahnsinnsverkehr weiter zu verfolgen, aber das war weiter kein Problem, sie sagten einfach ihren Kollegen an der nächsten Ecke Bescheid. Die Beschreibung war nicht schwer: Viele so abgefahrene Typen wie Yoko liefen in Tokio ganz sicher nicht rum.
Und ihr Netz funktionierte ganz gut. Yoko wollte grade ein bisschen relaxen, als ein paar Cops um die Ecke gerannt kamen. Sie war aber schon von der Verfolgungsjagd eben geschafft und konnte nicht nochmal sowas machen. Außerdem waren jetzt eh auf beiden Straßenseiten Bullen, die auf sie warteten.
Die Ampel weiter vorne stand jetzt auf Grün, und die Autos fuhren los. Aber hier, wo Yoko war, standen die Autos noch. Das war ihre Chance. Sie warf sich einfach auf den Boden, rollte unter das nächstbeste Auto und hielt sich am Rahmen fest. Das Auto fuhr los und nahm sie kostenlos mit.
Die Bullen hatten wohl nicht so ganz mitbekommen, was da abging, aber dann kamen sie doch drauf. Sie stoppten den Verkehr und fingen an, unter alle Autos zu schauen. Und so arbeiteten sie sich immer weiter zu dem einen Auto durch. Yoko merkte erst nix davon, aber dann, wie es länger als eine Minute nicht mehr weiterging, verstand sie allmählich.
Die Bullen waren jetzt nur noch zwei Autos vor ihr. Yoko war klar, dass sie jetzt weg musste, sonst war sie reif für den Knast. Sie ließ das Auto los, rollte zur Seite, sprang wieder auf die Füße und rannte zum Straßenrand.
Die Cops sahen sie natürlich sofort, und die Jagd konnte wieder von vorne losgehen. Yoko sah sich schnell mal in der Gegend um. Da war der Eingang zur Station Shimbashi, das passte ihr ganz gut, und sie rannte runter zur U-Bahn.
Es war schon ziemlich spät, und sie waren noch nicht mal in der Innenstadt, aber die Ginza-Linie war immer noch so voll, dass die Leute von den Bahnangestellten extra reingestopft werden mussten. Drinnen war grad noch genug Platz zum Stehen, bewegen konnte man sich hier nicht. Außer nach oben. Also stemmte sich Yoko schnell auf den Schultern von den Leuten neben ihr rauf, hielt sich an den Haltegriffen fest und zog sich so an die Decke. Jetzt hatte sie wieder Platz, um sich zu bewegen. Die anderen Leute schimpften und protestierten, aber Yoko kletterte einfach über ihre Köpfe rüber bis zum anderen Ende vom Wagen. Bis jetzt war von den Bullen nichts zu merken.
Dann kamen sie durch die Tür rein, aber zu Yoko konnten sie nicht mehr durch. Die Bahn war jetzt so voll, dass sie sich kein Stück mehr bewegen konnten. Yoko konnte von ihrem Platz aus sehen, wie sie so in der Menge verkeilt drinstanden und lachte sich einen ab.
Einige Minuten später hielt die Bahn an der Haltestelle Asakusa. Endstation. Die Tür ging auf, und Yoko ließ sich einfach von oben zur Tür rausgleiten, und kam so vor allen anderen raus. Dann rannte sie zum nächsten Gleis, und ließ sich dort in die Toei-Asakusa-Linie reinstopfen. Yoko dachte zuerst, dass sie ihre Verfolger abgehängt hatte, aber dann merkte sie, dass die es doch geschafft hatten und weiter hinten im Wagen waren. Sie quetschte sich durch die Menschenmenge zur Tür durch, stieg aus und rannte weg, die Polizisten hinterher. Yoko lief um die Ecke, hier waren weniger Leute unterwegs. Und sie sah auch, warum: Die Rolltreppe und der ganze Bereich drumherum wurden repariert, eigentlich war der Ausgang gesperrt. Sie kletterte über die Absperrung und rannte auf die Rolltreppe zu, um hier irgendwie rauszukommen.
Die Polizisten kamen um die Ecke und sahen, dass Yoko auf dem besten Weg war, sie abzuhängen. Einer zog die Pistole und feuerte auf sie.
Yoko wurde durch die Schüsse aufgeschreckt. Nun geriet sie endgültig in Panik, verlor die Kontrolle total, die Welt um sie fing an, sich aufzulösen, alles verzerrte sich, Yoko schrie wie wahnsinnig ...
...und rannte los. Sie konnte auch so schon schnell laufen, aber jetzt kam es den Cops so vor, als ob sie noch zehnmal schneller wie ein Weltklasse-Sportler wär'. Die Rolltreppe war riesig, aber für Yoko waren da nur noch ein paar kleine Stufen, und ein paar Sekunden später war sie schon oben angekommen. Die Polizisten verstanden nicht ganz, was da passierte, sie merkten nur, dass sie auf einmal immer mehr Vorsprung gewann. Sie schossen noch ein paarmal, aber Yoko war schon zu weit weg, und sie konnten sie nicht mehr treffen. Dann gaben sie es endgültig auf.
Yoko hatte die Rolltreppe und die U-Bahn-Station hinter sich gelassen und war jetzt wieder auf der offenen Straße. Aber sie war immer noch in Panik, und so rannte sie einfach weiter, auf einer Straße, die irgendwie komisch war, das heißt, nicht komisch, aber für Yoko sah's aus, als ob sie im Rennwagen unterwegs wäre. Und außerdem stimmte was mit den Häusern nicht: Hinter den normalen Hochhäusern und Fabriken von Tokio schien noch mehr zu sein als sonst, irgendwas, was sonst nie zu sehen war. Riesengebäude halt, an die ein bis zwei Kilometer hoch, mindestens, und irgendwo ganz klein darunter ein paar Menschen. Es war wie in einem besonders abgefahrenen Film.
Und Yoko rannte weiter durch diesen Horrorfilm. Die paar Leute, die hier jetzt noch unterwegs waren, bemerkten sie nicht, und sie achtete auch gar nicht darauf. Es war die Schnellstraße, auf der's zum Narita-Flughafen ging. An ihrer Seite flogen die Gebäude halt nur so vorbei, es war wie in einem Film auf Zeitraffer, aber Yoko achtete nicht groß drauf, rannte einfach nur weiter wie wahnsinnig. Die Cops hatte sie schon längst abgehängt, aber das merkte sie gar nicht.
Irgendwann konnte Yoko nicht mehr und brach zusammen.
Etwas später - sie wusste nicht, wieviel später - wachte sie auf. Sie war von oben bis unten nass vor Schweiß, und jetzt war ihr eiskalt. Sie wusste nicht, wo sie war, und das half ihr jetzt nicht grade weiter. Sie schaute sich nach allen Seiten um, aber in der Dunkelheit konnte sie nicht viel erkennen. Anscheinend war sie irgendwo auf einem leeren, betonierten Platz. Weiter weg waren irgendwelche Lichter zu sehen, aber sie war nur noch müde, wollte nicht noch länger durch die Gegend hetzen und suchte jetzt irgendeinen Platz, um sich in aller Ruhe hinzuflacken. Dann drehte sie sich um, und bemerkte ganz in der Nähe sowas wie ein Gebäude, zu dem eine Treppe raufführte. Sie konnte nicht genau sehen, was es eigentlich war, aber das war ihr in dem Moment egal. Sie ging schnell rüber und stieg die Treppe rauf.
Drinnen war es noch dunkler, und alles war mit Kisten und anderem Zeug vollgestellt. Es schien sowas wie ein Lagerraum zu sein. Yoko tastete sich irgendwie durch die Dunkelheit und legte sich auf einen Stapel Pappkartons, der nicht ganz so hart war. Und weil sie wirklich verdammt müde war, pennte sie auch schnell ein.
Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, aber etwas später wurde sie geweckt. Irgend jemand hatte die Tür zu dem Raum zugeschlagen. Grade war sie dabei, wieder einzuschlafen, als sie von einem lauten Dröhnen endgültig aufgeweckt wurde. Außerdem schien sich der Raum irgendwie zu bewegen. Es fühlte sich so an, als wenn sie jemand in einen LKW-Motor gesperrt hätte. Yoko sprang auf, sah natürlich nix und stieß sich überall an. War das am Ende ein Erdbeben? Yoko war kurz davor, wieder einen Anfall zu bekommen. Wo sie war, hatte sie immer noch nicht rausgefunden.
Aber dann wurde es auf einmal wieder relativ ruhig. Es war zwar noch ein Geräusch da, aber es störte eigentlich sonst nicht weiter. Yoko legte sich hin und schlief wieder ein.
Das Flugzeug stieg höher, mit Yoko im Frachtraum, und ging auf seinen Kurs, Richtung Australien.
Fortsetzung folgt - demnächst in Story Nr. 13, "Der Weg des Chaos"!
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