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MARKUS JÄÄSKELÄINEN
die nacht ist ein stilles tier
Aus dem Finnischen von Stefan Moster


i

ich habe eine wolke gesehen die der wind zerreißt
den regen seinen griff lockern gehört und was ist eine wolke
wenn der regen sich verzogen hat. ich atme diese luft darin ist
sauerstoff vom wasser gewürzt ich weiß es dauert nicht lange
ich atme luft die niemand geatmet hat.
die nacht ist ein stilles tier kein ton ist aus seinen nüstern zu hören.
ich lehne mich mit dem rücken an den weißen arm einer birke, unter
mir ist das grün des grases. ein fahrradfahrer surrt vorbei,
fern von hier, sieht mich nicht, singt vor sich hin, die steine
knirschen unterm gummi. im gras sieht man mich nicht. es
wächst, es wächst, schon immer und die zeit kommt und ist schon da.
bis zu den knöcheln, bis zum hals. die prähistorischen tiere unter
den pflanzen, wissen sie daß hier ein mann unter einer birke sitzt und
sein leben eines von unwegsamen strecken, moos und
verkehrszeichen ist. er sitzt im juli der dunkelheit, die felder
des regens die blumen gehen auf die brüste seine rettung sitzen
rauchen zurückweichen den kopf strecken in des unbekannten feldes
sack.


ii

die straßenlampen leuchten ihr einsames licht auf schmutzigen
asphalt. ich sammle zigarettenkippen auf, noch kauf ich keine. der rauch
schwebt ans dach der bushaltestelle, als wär man in der sauna. die kippe
ist schmutzig und feucht, meine lippen fürchten sich nicht, denn
ich bin des todes. ich bin von der welt gemacht, in mir ist
die welt der bakterien. sie lebt in mir. ich existiere wie ein tier. ich schwimme
als luftfisch mit offenem mund. ich lebe ohne beziehung, ohne ihre
zärtliche verlockung. ich habe mich aus dem uterus davongemacht in dem
blinde fische hängenbleiben. ich steige ans ufer glänzend wie ein neues ding,
ein weihnachtsgeschenk, mein licht geht auf der brust des felsens auf. ich bin
gekommen um meine taten zu tun, was nicht existiert, ich
erschaffe es. mein kind. die welt hört davon. sie hört viel zu spät
davon. dann ist sie schon so. und ist nicht
zu ändern die niesanfälle der zeiten bleiben hängen ihr
atem ist langsam und sie keuchen. wissen sie daß
der letzte sommer gekommen ist? daß ich aus dem meer
auf den uferfelsen gestiegen bin und trockne, meine haut beängstigend rasch trocken ist?
und dann, was ist von mir übrig? die sonne reflektiert nicht
auf meiner haut und sie stolpern über mich, über das wozu ich
geworden bin. ich bin aus dem meer gestiegen. ich habe die fallen
der fischer umgangen. ich taufe mit dem heiligen geist.


iii

nah der tag, die nacht, kämmt mein gefieder. bei diesem gebäude
bleibt kein stein auf dem andern. ich gehe in die schneehöhle eines birkhuhns und
winter ist und frühling kommt. ich grabe eine grube und gehe in die erde und ich
weiß daß auf meinem kopf ein düsterer wald steht. er gibt
mir kraft. ich gieße seine wurzeln. auf meinen händen wachsen
sie, unter dieser sonne, in deren licht alle ihr teil
bekommen, die murrend verbrauchen. sie macht schatten wo sie
sich verstecken um nahrung aufzunehmen die nicht nährt. und unter
ihnen transportieren die wurzeln information, die erde bebt. es kommt
eine neue erde und ein neuer himmel. anstelle der alten. sie verbrauchen sich
nicht, wandeln sich nicht. ich, sie, unter der sonne neigen wir uns zur
erde, schatten gibt es hier, nicht mann nicht frau, ein schatten.


iv

regen ist wasser. regen berührt das herz und die fenster die rinnenden
tropfen machen ihren weg. die sonne ist aus dem blick verschwunden aber
schwindet nie. nach dem regen werden aus der wolke zwei und
sehr bald drei. von irgendwo kommt blau das die wolken voneinander
scheidet, jetzt sind es dutzende, sie ziehen in dieselbe
richtung, fort von hier, einmütig, stetig,
gleichgültig mir, einander gegenüber.

v
der zug sticht ein loch in die nacht. das geräusch ist ein langer rauschender bach,
dann der halt: quietschendes eisen. stille. erwartung. der zug
in der dunkelheit, stabile waggons die bald zur ruhe kommen.
die männer auf der lokomotive sehen beim halten, in der einsamkeit
nichts. ich höre und wenn sich der zug in bewegung setzt, holt er
sich kraft aus dem herzen des motors, es ist empfindlich; und voller kraft,
kraft, kraft! die räder drehen sich widerwillig um ihre achse,
sie sehen was kommt, immer schneller büßen sie
eisen unter sich ein, und das zentrum in dem sich nichts bewegt, sie
vergessen es: da ist nur bewegung. bewegung die niemals anhält.


vi

zeit ist vergangen. zwischen zwei lichtern legst du dich
auf die seite. da ist keine zeit. du bist im traum, in strudeln, wonnigen,
wo du nicht weißt wer du bist und der traum macht dich wirklich.
du kommst in diese welt durch die dunkelheit und vergißt
alles, unter dem langsamen licht die dinge und die leere der dinge wie
das universum, in dem dein einsames raumschiff fährt, hierher, von hier,
vom stuhlbein zur teppichfluse. so kommt es daß die dichtung bleibt.
du vergißt alles, wunderst dich über das seltsame leben der buchstaben, alles
ist bekannt, du kennst es nicht mehr. die heiligen gefäße der dichtung klingen
in dir, unter dunklen bäumen, menschenopfern, lärmenden
tänzern und dem einen: dem pfarrer der vor dir steht,
ein messer in der hand und ein versprechen in den augen. du senkst den kopf
vor ihm, denn der augenblick ist der stille vorbehalten, das gefäß
des verzichts in der hand betest du das steinerne gesicht des mondes an. nehmt
diesen kelch. aber da ist niemand, der ihn nähme. du stehst
im garten, unter blauen strahlen, du siehst den menschen
in die augen, sie fliehen. da ist kein mensch. füchse haben ihre höhle,
aber da ist kein mensch. du weißt daß du trinken mußt.
du mußt inmitten der nacht anhalten und aus dem kelch trinken, der
sich in deinen leib ergießt.


vii

bis in diesen moment hinein ist die vogelstimme zu hören. ich lege mich
sachte zu dir aufs bett. ich berühre deine haut, sie ist heiß. ich ziehe
mir die decke über den kopf, über unerledigte arbeiten, ein wald
ungesehener vögel, dein atem dringt an mein ohr, es ist
gut so, ohne etwas zu finden, ohne über etwas zu stolpern, hier
nah bei dir, in den zarten schoß der faulheit zu versinken, in träume die
sich nacht für nacht wiederholen.


viii

unsere kinder haben keinen mantel wo sie sich verstecken könnten.
wir machen sie aus lehm und spucke, aber sie existieren
nicht. nichts durch das wir nicht hindurchsähen. die sonne
wärmt durch das fenster, aber der wind ist der des herbstes, und mitten
im winter kommt der sommer, die schwarzen samen afrikas. du hoffst,
hoffst, aber die häute die berühren lassen keinen atem durch,
und du bist du und ich bin ich. wir liegen im bett
nebeneinander, du weinst, unsere kinder haben keinen mantel.
verläßt du mich jetzt? kommt ein auto in das du deine sachen ...?
und ich stehe auf der treppe warte auf den satz in dem du
fort bist, schmecke seine konsonanten auf der zunge die fallenden
blätter machen diese landschaft schön. du bist fort.
der regen findet deine spur auf der erde, es ist ein moment zeit: durch
den regen schauen, die steine unter den reifen knirschen hören. du
bist nicht fort, du bist nicht bei mir. die kinder werden
ernst, ihre augen die hängenden haare ich sehe daß
ihr traum nicht wahr ist, sie schlafen nie.
ich lege mich auf dem parkweg hin, der regen ist voller himmel.
die hände ausgebreitet in einer pfütze rufe ich die wolken beim namen, aber
sie sind still. der park ist grau, die bäume unsichtbar ihre
blätter rascheln und ich weiß nicht mehr was ein solches geräusch
erzeugt. ich mache den mund auf um zu hören. ich wäre bereit wenn
sie käme. die nacht ist ein stilles tier ich höre seinen atem
aus meinem sinn ist eine frau geflohen und mit der frau der wind. leise,
friedlich. an ort und stelle die schwarzen gesichter der wolken, wälzen sich,
wandeln sich, und die ruhelose bewegung der blätter: nicht einer von euch
wollte mit mir wachen. bald ist es morgen und hinter jedem
baum das meerufer. meine füße tragen. wir gehen
jetzt. wir legen unsere hände in schuppige kinderhände.


© Markus Jääskeläinen