armin peter zH
Verplemperte Zeiten
(Fünf Texte II, für UHURA III) für lidi/Uhura 3

Speckknödel und Fliegentunke (Ein Sonntag im September '94)
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Armer Seelentag - Ein Dienstag
- Heimat: Ein lückenhaftes Drehbuch
- Die Reise (Fragment)
- 25. April 1995 oder 50 Jahre danach


Uhura Message 3

1998
Ein schöner Altweibersommersonntag, einhundertzwanzig Straßenkilometer zu den Wurzeln eines Daseins, hin und zurück. Rein ins Auto, rauf auf die Straße, Autobahn und im Stau bis Wolle; abbiegen nach links und dreißig Kilometer Kurve für Kurve in ein sich verbreiterndes Tal; je tiefer desto uriger. Im Talschluß auf 2000 Meter eingebettet ein künstlich aufgestauter See, dem ich die Realität des Seins verdanke. Heute Arsch der Welt, auf dem freizeitsüchtige Touristenhorden ihre Autos parken und walsche Großfamilien Freßorgien abhalten. Leerstehendes, ehemaliges Volkseigentum in zeitlos verwittertem Weiß und eine Seilbahn, die über "Zufried's-Rückgrat" Werktätige zu höheren Gefilden bringt.
Einstmals hieß sie "Enzian", die Jausenstation mit einer Schüssel am Blechdach, Anziehungspunkt nicht nur für Wellen aus Übersee; heut' ist's zur "Knödel-Moidl". Wortkarg, aber mit wenigen Satzfragmenten, führt Moidl, stattlich und kleingewachsen, das Regiment in der Küche. In der blauen Schürze, zwischen Hängebrust und Bauch festgezurrt, wohl seit Jahren dieselbe und nach der Waschmaschine verlangend, spiegelt sich die schmierige Kücheneinrichtung. Thresl, die Gehilfin, lacht mit weinroten Wangen, die mich schon als Kind fasziniert haben. Seit dem Flugzeugabsturz des "Walschen Mandl's" sind Wurzelschnickschnack und gutes Essen passé; verbliebenes saumäßig schlecht! Ein Schnäpschen bessert den bitteren Beigeschmack von zerquetschten Fliegen am Tellerrand nicht auf. Zwei Ungarinnen, mit weiblichen Reizen nicht sparend, hält sich Peter, der Wirt, Sohn der Moidl, in der Hoffnung, die Jugend des Tales anzuziehen. Wehmütig kommt die Zeit hoch, als es Sepp noch gab, den Mann der Moidl und Vater vom Peter; Jäger aus Leidenschaft und dem Alkohol verfallen. Das seine Ende, im Sanatorium der Bischofsstadt.
Heruntergekommenes Ausflugsnest, du meine Wiege, ausgebeutet um des Wohlstands Willen einiger Eingeborener; meistens nur den Weg von der Stube zum Scheißhaus und Retour kennend. Dort, wo die ersten unsicheren Schritte getan und alles Unbrauchbare zusammengetragen, denn man konnte es später sicher brauchen. Nicht zu vergessen, dort wo Sensibilität gefeilt - geschliffen wurde, ist nichts von Ruhe und Geborgenheit der umliegenden Berge zu spüren. Zeitlos die Erinnerungen an vor 20 Jahren und schnelllebig, was jetzt dort vor sich geht. Fluchtartig und ohne Anstrengungen, Erlebtes aufzufrischen, runter von Bergeshöhen. Ein schnelles Eis beim Granitbären und raus, raus, raus, in ein seiner Fruchtbarkeit beraubtes, von Monokulturen und Staus geprägtes Tal. Von Burgeis bis weit hinunter unter Salurn die längste Tricolore Italiens, eingebettet in nationalistisch konservatives Deutschtirolertum. Was ist Mann doch tum; fährt jahrein und -aus mit Traktoren und Anhängern der Marken "Mengele und Schwarz" auf der weiß-grau geteerten Bleistraße zu den seinen Wiesen. Zur Linken und Rechten einmal grüne und dann wieder rote Äpfel; die Fahrtrichtung ist egal, ob Norden oder Süden, zur Erntezeit ergibt es immer: Grün - Weiß - Rot!
Fahre auf dieser Straße, an Zwiebeltürmen vorbei und halbfertigen Brücken hindurch, Richtung Stadt. Sonntags - Urlaubsfahrer vor und hinter mir, überhole, wo immer es geht. Die meinen Gedanken kreisen; vermischt mit bereits Durchlebtem, aber auch alte Lieben aus der Umgebung,
Enttäuschungen und nicht verwirklichte Träume. Was wird wohl kommen? Die als Kas- deklarierten Speckknödl in Quattroformaggi-Soß aus der Büchse liegen mir noch tags darauf auf'n Magen.
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