Wagenseile in Kunst und Literatur:

[ Inhaltsverzeichnis ]
Jesaja (Isaiah)
Etymologisches zum "Wagenseil"
Wagenseile in Literatur und Kino
(Torberg - Gronemann - Fallada - Fussenegger - Braun - Zengeler)

Jesaja (Isaiah)

Bereits im Alten Testament (Jesaja) wird vor Wagenseils gewarnt:

Vergleiche mit Beiträge zur Geschichte der Familien Wagenseil.

Im hebräischen Tenach handelt es sich um den Gegensatz von חבל (Zeichen von rechts nach links: chet beth lamed; sefaria.org: "a cord, rope, territory, band, company"*) ) und צבח (tzade beth chet; sefaria.org: "cord, rope, cordage, foliage, interwoven foliage"**) in Kombination mit צגלה (tzade gimel lamed he; "cart, wagon").

* חבל = Strick (vgl. Sirach 31,6, n. Smend: die vom Golde in der Schlinge gefangen sind), Fallstrick.

Die Zeichen heißen auch: pfänden, Vergeltung (viele Belegstellen); Geburtsschmerzen, Wehen haben, empfangen (Ps 7,15; Ct 8,5).

Mit diakritischen Zeichen: CHAEBEL

1. Seil, Strick Jos 2,15; Hos 11,4, u.ö. Zeltstrick Jes 33,20; Schiffstau 33,23, Wagenseil 5,18, Angelschnur Hi 40,24, Fransen Esth 1,6; unklar Ez 27,24; die Silberschnur Koh 12,6, bildliche Bezeichnung für den Lebensfaden, n.a. spez. für das Rückenmark
2. Meßschnur Am 7,17; Mi 2,5; Sach 2,5
a) das Abgemessene, bes. abgemessener Landbesitz Jos 17,14; 19,9; Dt 32,9. 1 Ch 16,18; Ps 78,55. Ez 47,13.
Zufallen Jos 17,5; Ps 16,6.
Daher überhaupt: Los, Geschick Hi 27,17.
b) Landstrich, Gegend: Dt 3,4 u. 13f.
Landstrich am Meere, Seeküste: Zeph 25,6
3. Schlinge, Fangstrick Ps 140,5; Pr 5,22; Hi 18,10 (vgl. Sirach 6,29).
Die Schlingen des Todes, des Totenreichs Ps 18,5; 116,3, vgl. 119,61; Pr 5,22.
4. Haufe von Menschen 1 S 10,5 u. 10; Mi 2,10 (= unklar).

Als CHEHBEL: Jes 66,7 - Schmerzen, Wehen; Jes 13,8; 26,17; 66,7; Jer 13,21; 22,23; 49,24; Hos 13,13; Hi 39,3.

In Jos 19,19 wurde dies z.B. in der Septuaginta als Eigenname gelesen (Korrespondenz aus einem lutherisch-theologischen Stellenregister).

Bsp: Psalm 16,6
Das Los ist mir gefallen aufs Liebliche; mir ist ein schön Erbteil geworden.

** צבח = Seil (sefaria.org: "cord, rope")

צבוח adj. "having interwoven foliage", kombiniert: "leafy trees", "a leafy terebinth".

צבח "(twisted) cord, rope, cordage, interwoven foliage"; 1a. "as fetter" ("bind the festal victim with cords", fig. of authority), 1b. "which with a cart is drawn" (kombiniert: "With the cords of love"), 1c. "(twisted) golden chains of high priest's breast-shield", "the chains of cords", 2. "interwoven foliage" ("of top of a vine", "of cedar", "but in these certainly clouds").

Isaiah 5:18 (von rechts nach links): חעאה׃ ("sin") - הצגלה ("cart, wagon") - כצבוח ("cord, rope, cordage") - ו ("and") - השוא ("emptiness, vanity, falsehood, emptiness, nothingness, lying, worthlessness of conduct") - בחבצי ("cord, rope") - הצון ("perversity, depravity, iniquity, guilt or punishment of iniquity") - משכי ("to draw, drag, seize") - הוי ("ah!, alas!, ha!, ho!, O!, woe!").

Transkription Johannes G.: Isaiah 5:18-20, 2003: "Hoi moschchei he'avon b'chavlei ha schav w ca'avot ha agala chata'a. Ha omrim j'maher jacheischa ma'asehu l'ma'an nir'eh w tikrav w tavoah azat k'dosch jisrael w neda'a. Hoi ha omrim la ra tov w la tov ra, samim choschech l'or w or l'choschech, samim mar l'matok u matok l'mar."

Im Talmud: "Anfangs gleicht die Leidenschaft [der böse Trieb] dem Faden der Spinne, zuletzt aber einem Wagenseil" (Talmud Bavli, Sukka 52a, talmud.de, vgl. sefaria.org).

Im modernen Hebräisch bedeutet הצגלה כצבוח "die Figur als Schreihals", und חבל כרכרה "Wagenseil". In den Briefen der Perlhefters an den Hebraisten Wagenseil wird עבות עגלה verwendet.

Etymologisches zum "Wagenseil"

Eintrag aus Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. 16 Bde. [in 32 Teilbänden]. Leipzig: S. Hirzel 1854-1960; Band 27, Spalten 473 - 481:

"WAGENSEIL, n. derber strick, wie er an wagen, besonders zum anspannen der pferde gebraucht wird. das wort ist seit mhd. zeit belegt, wird aber von den wörterbüchern nur bis in die mitte des 18. jahrh. verzeichnet, indem strang an seine stelle trat: antemne, wagenseil. DIEFENBACH gl. 37c; wagenseyl, funis aurigarius. EMMELIUS nomencl. 345; wagenstränge, wagenseile, les cordes du chariot. RÄDLEIN 1025; wagenseil, funis plaustrarius. STEINBACH 2, 574. den plur. wagenseiler verzeichnet KRÄMER 1204. in vergleichen:

ir lîp hienc ir als ein sac
gerunzelt und gevalten;
dar under wârn behalten
âder sam ein wagenseil.

Heinrich von dem TÜRLIN Diu crône 9407 [ca. 1230];

weh denen die sich zusamen koppeln mit losen stricken, unrecht zu thun, und mit wagenseilen, zu sündigen. Jes. 5, 18".

Quelle ist z.B. Matthias Kramer: "Il nuovo dizzionario delle due lingue Italiana-Tedesca et Tedesca-Italiana", "Das neue Dictionarium Oder Wort-Buch/ In Teutsch-Italiänischer Sprach: reichlich ausgeführt mit allen seinen natürlichen Redens-Arten/ Wol versehen mit eigentlichen Kunst-Wörtern in Staats- Kriegs- Handels- und allen andern nahmhafften Professionen der gantzen Welt ... / Mit sehr grossem Fleiß und Mühe/ aus den allerberühmsten Scribenten ... für die Liebhaber beyder Sprachen zusammengetragen", Band 3, Nürnberg: In Verlegung Moritz Endter und Johann Andreae Endters selige Erben 1678 [VD17 39:146639U], S. 1204: "Wagenstränge/m. Wagenseiler/ tiranti del carro".

Aus dem Freisinger Rechtsbuch (1328): 128. Von der Notzucht.

"Wird aber der Vergewaltiger wegen der Notzucht flüchtig, wenn er danach wegen der Notzucht gefangen wird, so kann ihn die Frau doch wohl wegen der Notzucht verklagen; das kommt davon, weil er deswegen flüchtig geworden war. Ist die Frau keine Jungfrau gewesen, so muß sie ihn mit einem Zweikampf verklagen oder mit den Leuten, es seien Frauen oder Männer, die auf den Ruf hin gekommen sind, als jener die Notzucht begangen hat. Und kann die Frau selbdritt gegenüber dem Vergewaltiger wahrmachen, daß er sie in ihrer Ehre vergewaltigt habe, so soll man über ihn richten derart, daß man ihn enthaupten soll. Wird ihr aber ein Zweikampf bestimmt, so soll man den Vergewaltiger in die Erde bis an den Nabel eingraben derart, daß zwischen ihm und der Erde ein Wagenseil durchgezogen werden kann, sodaß er sich umdrehen kann, und man soll ihm die linke Hand auf den Rücken binden. Und man soll ihm einen Kampfkolben in die Hand geben und soll einen Ring mit Stroh um ihn streuen in der Weite, wie er mit dem Kolben langen kann. Und man soll der Frau einen Stein in ihr Kopftuch geben, der ein Pfund des Gewichts hat, das eine Mark heißt, und (man) soll ihr das Kopftuch unterhalb des Handgelenks um die Hand winden, sodaß es locker hängt. Und wenn sie das Kopftuch hängen läßt, so soll der Stein darin eine aufgesetzte Hand hoch über der Erde schweben. Man soll ihnen beiden Kampfwärter gemäß dem Kampfrecht geben. Siegt die Frau, so soll man dem Mann das Haupt abschlagen; siegt aber der Mann, so soll man der Frau nur die Hand abschlagen."

Neuhochdt. Übs. des Textes von Ruprecht von Freising, übermittelt in elf Handschriften, z.B. München, Staatsbibl., Cgm 236 (2. Hälfte 15., u.a. 1473) sowie München, Stadtarchiv, Zimelie 1. Einige sind aber spätere Abschriften wie Gießen, UB, Hs. 1013 und Hs. 1064 aus dem 16. Jh.

Georg Ludwig von Maurer: "Das Stadt- und das Landrechtsbuch Ruprechts von Freysing nach fünf Münchner Handschriften. Ein Beitrag zur Geschichte des Schwabenspiegels", Stuttgart: Cotta 1839, S. 396, Anm. 23: "Mpt. 1436: '[...] alſo das zwiſchn ſein vnd der erdnn ein wagenſail müge geen das er ſich vmb mug gereyben'". Laut S. XXV ist die "Handschrift von 1436" München, Cgm 513, die aber heute auf 2. Hälfte 15. Jh. datiert wird. Die Zahl 1436 im gereimten Kolophon, Bl. 320vb, ist nach Karin Schneider: "Die deutschen Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek München: Cgm 501-690", Editio altera, Wiesbaden: Harrassowitz 1978, S. 38, aus der Vorlage.

Klaus Kranc: Übersetzung der Propheten (um 1350)

Walther Ziesemer (Hg.), Die Prophetenübersetzung des Claus Cranc (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Sonderreihe Bd. 1), Halle a.d. Saale 1930, S. 13: "we uch, di ir cijt di bosheit mit lynen der ytilkeit [15b] und di sunde als eyne paclyne adir ain waynseel."

Nur eine Handschrift: Berlin, Geh. Staatsarchiv Preuß. Kulturbesitz, XX. HA Msc. A 2° 191 (handschriftencensus.de: 2286).

'Berliner Evangelistar', Berlin, Staatsbibl., mgq 533, Schreiber: Heinrich von Landshut, Mitte 14. Jh. (Feudel, Teil I S. XIII; der Eintrag "1340" ist sekundär hinzugefügt; handschriftencensus.de: 11856)

Günther Feudel: "Das Evangelistar der Berliner Handschrift Ms. Germ. 4° 533", Berlin: Akademie-Verlag 1961, Reprint 2021, S. 41: "Diphthonge [...] Manche dieser e-Schreibungen können aber auch einfach Kürzung unter Nebenakzent bedeuten [...]. Die heutigen omd. Mundarten haben durchweg e außer dem Westthür., das den Diphthong erhalten hat: [...] ein waynseel Je 5,18".

Die Vokabulare von Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen (1362-1408)

Dorothea Klein, Klaus Kirchert: "Die Vokabulare von Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen: Überlieferungsgeschichtliche Ausgabe", Stuttgart: De Gruyter 2014.

S. 3*f. "Das Wörterbuch von Fritsche Closener, das in fünf Handschriften erhalten ist, ist das erste zweisprachige Vokabular, das im Unterschied zu den älteren sachwortbezogenen Glossaren Allgemeinwortschaft in alphabetischer Ordnung bietet, diesen aber auf Nominalia (Substantive und Adjektive) beschränkt. Die genaue Entstehungszeit ist nicht bekannt, doch dürfte Closener das Vokabular vor oder parallel zu seiner 1362 abgeschlossenen Chronik zusammengestellt haben". Daß Closener als Verfasser des Vokabulars zu gelten hat, bezeugt Jakob Twinger, der das Wörterbuch seines geistlichen Kollegens als Materialbasis für sein eigenes herangezogen hat [...]. Sein Wörterbuch ist in 16 Handschriften überliefert, von drei weiteren, verloren, haben wir noch Kenntnis. [...] Als Abfassungsjahr ist in der zweiten Fassung 1390, in der dritten 1408 angegeben". S. 736: "137 T2 INSTITA Heilende oder wage snůr, do mit man die kint bindet jn de wage. Versus: Instita sit vinculum, Naso probat fore vestem: 'Que tegit medios instita longa pedes'.

We] davor eciam Ds1 S1. do - wage] fehlt Ds1 S1 (S2 St1).

Wa] fehlt B1 We dt.] (eciam) hailent oder wagensayl ain krom cingulum quo lingantur mortui St1. wage snůr] wiegen schnür Ds1 *S1 S2".

Das Urbarbuch des Erhard Rainer zu Schambach von 1376

Katja Putzer: "Das Urbarbuch des Erhard Rainer zu Schambach von 1376. Besitz und Bücher eines bayerischen Niederadligen", München: C.H. Beck 2019, S. 36: "Vnd I newz voderz wagensayl".

Die Deutschordens-Ballei Böhmen in ihren Rechnungsbüchern 1382-1411

Josef Hemmerle: "Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens", Band 22, Bonn: Verl. Wiss. Archiv, 1967, S. 119: "Item 4 wegen mit allem geret , 3 setel , 4 wagenseyl", S. 135: "5 newer wegenzyl und 3 alde, 3 cleyne ardeyzen", S. 192 (Register): "wagenseil, wagenseyl, wegenzyl, Wagenseil 215, 254, 276, 294, 295, 337, 347, 351, 387, 413".

Die älteste Rechnung des Herzogtums Jülich. Die Landrentmeister-Rechnung von 1398/1399

Wolfgang Herborn und Klaus J. Mattheier: "Die älteste Rechnung des Herzogtums Jülich. Die Landrentmeister-Rechnung von 1398/1399", Veröffentlichungen des Jülicher Geschichtsvereins, Band 1, Jülich 1981, S. 97, Zeile 29 (rib./snfrk., 1398/9): alrehande gereitschaff, wage(n)seile, nuwe wage(n), karre(n), wagen, leide(r)n ind and(er) gereitschaff, die ma(n) in dem arne dar zu behoiffende(n) is.

Lippersreuter Blättle - Bäuerliche Arbeiten früher: Die Getreideernte

Waren sämtliche Garben auf dem Wagen verstaut, wurde dem Lader das Spannseil hinaufgereicht, das sogenannte "Wagenseil". Mit diesem und mit Hilfe des Spannbengels wurde die Ladung zusammengehalten. Abgekämpft und müde, mit zerstochenen Armen und Beinen, ließ sich dann der Lader an der eingesteckten langen Gabel vom vollen Wagen heruntergleiten. Wer glaubt, nun wär's geschafft, der hatte sich getäuscht. Mit "Hü und Hot und Wischt" ging's dann gemächlich nach Hause. Nicht selten geschah es, dass der Getreidewagen auf einem unebenen Feldweg umkippte oder ein Teil der Ladung auseinander rutschte und damit sämtliche Garben noch einmal aufgeladen werden mussten.

Thomas Nußbaumer: "Oswald von Wolkensteins Fasnachtslied (Kl 60) im Kontext der Fasnacht des Mittelalters" [um 1421/22]

In: "Miszellen und mehr. Hans Moser zum 80. Geburtstag" [PDF], herausgegeben von Ursula Mathis-Moser und Thomas Schröder unter redaktioneller Mitarbeit von Rebecca Heinrich und Martina Beber, Innsbruck: Digitale Bibliothek 2019, S. 19-38, hier S. 31f.

"Doch auch für Tirol existiert ein diesbezüglich höchst beachtenswerter und sehr alter 'vasnacht'-Beleg, den der Volkskundler Leopold Schmidt zwar bereits im Jahr 1950 in der heimatkundlichen Südtiroler Zeitschrift Der Schlern veröffentlichte und ausführlich analysierte (cf. Schmidt 1950 [Leopold Schmidt: 'Zum Meraner Fastnachtsumzug von 1412'. In: Der Schlern 24 (Mai 1950), 219-223]), der jedoch bis heute von der regionalen Fasnachtsforschung nicht beachtet wurde. Diese Quelle ist im Zusammenhang mit Oswalds 'Fasnachtslied' umso bedeutungsvoller, als sie sich auf einen Brauch in Meran bezieht, der zu Oswalds Zeiten ausgeübt wurde und von dem er vielleicht sogar wusste. Es handelt sich hierbei um eine - nicht von Leopold Schmidt, sondern ursprünglich von Anton Dörrer entdeckte - Starkenberger Raitung vom Jahr 1412, laut der man 'den bindern an Meran, die zu vasnacht giengen mit dem Wagensayl', einen Betrag von 111 Groschen aushändigte (Schmidt 1950, 219). Schmidt vermutet mit guten Argumenten, dass dieser Fasnachtsbrauch der Meraner Binder (bzw. wahrscheinlich Bindergesellen) ein von Haus zu Haus ausgeführter Umzugsbrauch war, in dessen Rahmen man mit einem 'Wagensayl' etwas vorführte und dafür eine Gratifikation erhielt. Rätselhaft ist das Wort 'Wagensayl', das als 'Gerätwort' im Mittelhochdeutschen anscheinend nur selten vorkommt. Nach Schmidt bezieht es sich entweder auf den Brauch des 'Laufens am Narrenseil' (1950, 220) oder es handelt sich um eine Verballhornung des bairischen Wortes Wagensun, das die Pflugschar bezeichnet (Schmidt 1950, 221f.). Wenn dem so sei, dann wäre der Fasnachtsbrauch der Meraner Binder der älteste Beleg für einen fasnächtlichen Pflugumzug".

Zum Narrenseil vergleiche Birgit von Seggern: "Der Landsknecht im Spiegel der Renaissancegraphik um 1500-1540", Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn, 2003 [PDF], S. 198f.: "In den Bereich der allegorischen Darstellungen geht eine Zeichnung Urs Grafs, aus dem Jahr 1516 (Abb. 115). Sie zeigt, wie der Teufel einen Landsknecht gefesselt an einem Seil vor sich herführt. [...] Das Gesicht des Landsknechtes erscheint mit angstvoll geöffnetem Mund im Dreiviertelprofil. Darüber sitzt ein flaches Federbarett, unter dem auf der rechten Seite der Stoffzipfel einer Narrenkappe oder Schlafmütze zum Vorschein kommt. Der Barettrand ist vorne mehrfach eingeschnitten, ähnlich einem Hahnenkamm. Der Teufel, halb Mensch, halb Tier, steht hinter dem Landsknecht"; S. 200: "Es scheint fast so, als wäre der Teufel in allem Negativem die Entsprechung des Landsknechtes. Der Krieger ist vollkommen in der Gewalt des Teufels, der ihn am Seil entweder direkt in die Hölle oder aber am Narrenseil durch sein sündenvolles Leben führen will. Es kann ebenso der Zeitpunkt der Todesstunde wie auch die Stunde der Erkenntnis über das eigene, sündhafte Leben angesprochen sein. Aus beiden Situationen gibt es offenbar kein Entrinnen mehr".

"Alle Propheten: nach Hebraischer sprach verteütschtet" (Augsburg: Silvanum Ottmar 1528)

Bl. Aiiijr: "Wee denen / so die boßhait an Stricken der eytelkait nach sich schlaipffen / vnd die sünd wic ain wagensayl".

VD16 B 3723: Übersetzt von Ludwig Hätzer u. Hans Denck. Erstausgabe ist Worms: Schöffern, 1527 (Bl. Vr: "wagenseyl"). Vgl. Ulrich Bister: "Die Wormser Propheten", Hammerbrücke 2003. Druckorte waren neben Worms auch Augsburg und Hagenau im Elsass. Ludwig Hätzer (auch Hetzer), geb. vor 1500 in Bischofszell im Kanton Thurgau, gest. am 4. Februar 1529 in Konstanz, war ein "Publizist und Bibelübersetzer mit radikalreformatorischen Neigungen", "[d]en Winter 1527/28 verbrachte er in Augsburg, wo er sich mit der Dienstmagd Appolonia verheiratete. Als im Frühjahr 1528 auch in Augsburg die Verfolgungen der Täufer begannen, kehrte er nach Bischofszell zurück, um sich in Ruhe der literarischen Tätigkeit zu widmen. Diese Ruhe dauerte nicht lange. Im November 1528 wurde er auf Betreiben der Stadt Augsburg in Konstanz verhaftet. Ihm wurde Bigamie mit seiner Frau und deren vorherigen Arbeitgeberin in Augsburg vorgeworfen. Unter dem Vorwand der Unzucht wurde der als Häretiker verrufene Hätzer nach längerem Prozess am 4. Februar 1529 mit dem Schwert hingerichtet. Stadtrat Thomas Blarer, der Bruder des Konstanzer Reformators Ambrosius Blarer, beschrieb das Ende von Ludwig Hätzer in einem Brief, der Ende 1529 in Straßburg [bei Balthasar Beck = VD16 B 5713; und in Konstanz bei Jörg Spitzenberg = VD16 B 5712] gedruckt wurde" (WP).

Martin Luthers "Das Ander Teil des alten Testaments" (1528) enthält Josua, Richter, Rut, 1. Samuel, 2. Samuel, 1. Könige, 2. Könige, 1. Chronik, 2. Chronik, Esra, Nehemia, Ester. "Die Propheten alle Teütsch" erscheint zuerst 1532 in Wittenberg bei Hans Lufft [VD16 B 3736], in Erfurt, Straßburg, Nürnberg, Magdeburg und in Augsburg bei Heinrich Steiner [VD16 B 3732], dort:

Bl. A iijr: "Wee denen/ die am vnrecht ziehen mit stricken der eyttelkayt / vnd an d' sünde mit wagensaylen".

Vgl. Boris Wagner-Peterson: "Doctrina schola vitae. Zacharias Ursinus (1534-1583) als Schriftausleger", Stuttgart: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, S. 208: "In den Jahren 1527/28 bis 1529/30 übersetzte Luther in Wittenberg das Prophetenbuch und in diesem Kontext legte er Jesaja auch an der Fakultät aus. Seine Jesaja-Auslegung hat Martin Luther nicht selbst herausgegeben. [...] 1532 und erweitert 1534 wurden aber 'In Esaiam scholia ex D.M. Lutheri praelectiones collecta' aufgrund einer Schülernachschrift unbekannter Herkunft ohne Luthers Zutun gedruckt".

Die Druckerei Ot[t]mar brachte außerdem 1528:

VD16 B 1896 Ratschlag/ hallten=||der Disputation || zů Bernn.|| Haller, Berchtold [Beitr.]; Kolb, Franz [Beitr.]; [Augsburg: Silvan Otmar 1528]
VD16 P 2866 Ex Promptuario || uocabulorum Iohannis Piniciani || uariarum rerum uocabula,|| ad puerorum usum || collecta.|| [...] M.D.XXVIII.||(Impressum Augustę in ędibus Siluani Ottmar || apud coenobium diuę Vrsulę cis || Lichum ... ||) Pinicianus, Johann.
VD16 K 652 Ain Christenlicher /grüntlicher /auß || G#[oe]ttlicher hayliger schrifft/bericht/|| dess Herren Nachtmal wirdig zů || Empfahen/den schwachen vnd || gůthertzigen aufs kürtzest || zůsamenbracht.|| Durch Mich. K#[ae]llern.|| [...] M.D.XXVIII.|| Den 25 May. [Augsburg:Silvan Otmar] Keller, Michael.
VD16 G 1002 Ain Epistel Gerhardi Nouio=||magi/ an Carolũ den Fünfften R#[oe]mischen Kay-||ser #[et]c. auß dem Latein verteütscht/ durch G.J.||M. Ob die Ketzer wie man sy nennt || mit recht zum tod vervrtailt werdñ || m#[oe]gen/ yedermañ nutzlich zu || wissen/ in disen schw#[ae]ren || grausamen letsten || zeitten.|| [...] Anno M.D.XXVIII. [Augsburg: Silvan Otmar] Geldenhauer, Gerhard; G.J.M. [Bearb.].
VD16 B 1880 Antwurt Schulthaissen klai=||nen vnd grossen Rats der Statt Bern/ auff die || außgangne Missiue der acht Orten Bot/||schafften zů Lucern versampt/ an sy || schrifftlich gelanget/ vnd dem/||nach in viltrucktñ b#[ue]chliñ || außgespraittet. [Augsburg: Silvan Otmar 1528].
VD16 ZV 14250 Abschid auff dem Bundtstag,|| Sonntags nach Valentini,An=||no etc. XXVIII.zů Augspurg ge=||halten, allain dess zůsatz hal=||ben, gemacht. [Augsburg: Silvan Otmar 1528].
VD16 ZV 14243 Abschid auff dem Bundtstag/|| Sonntags nach Valentini/ An=||no #[et]řc. XXVIII. zů Augspurg ge=||halten/ allain dess zůsatz hal=||ben/ gemacht. [Augsburg: Silvan Otmar 1528].
VD16 ZV 23818 = K 652 ohne Impressum.
VD16 T 2360 Von dem Jüdi=||schen vnnd Jsraeli/||schen volck vnnd || jren vorgeern.|| Durch Casparn Tur/||nawer auß der Bi/||bel gezogen.|| [...] M.D.XXVIII.|| [Augsburg: Silvan Otmar] Turnauer, Kaspar.
VD 16 ZV 2535 Statuta Synodalia dio=||cesana Reuerendissimi #[et] Jllustrissimi in Christo || patris et domini/ domini Georgij ab Austria Episcopi Brixineñ || Edita et publicata Anno domini M. D. XXVIII. Die. XXVIII || mensis Augusti. in Ecclesia Cathedrali Brixineñ.|| [...] [Augsburg: Silvan Otmar 1528].
VD16 B 2925 ¬DAs¬ Ander tail || des Alten Testaments.||[Übers.v. Martin Luther] [...] (Getruckt zů Augspurg, durch Siluanum Otmar, bey || sant Vrsula kloster, vnnd geendet nach der geburt || Christi vnsers Haylands M.D.XXVIII.|| auff den XX.tag Januarij.||) Luther, Martin.
VD16 E 893 WAs der Durchleüchtig Hochge=||born Fürst vnd Herr/ Herr Philips Landtgra/||ue z&uring: Hessen/ Graue zů KatzenElnbogen/|| zů Dietz/ zů Zigenhain vnd z&zuring; Nidda/|| als ain Cristlicher Fürst/ mit den || Closterpersonen/ Pfarrher/||ren/ vñ abg#[oe]tischen bild/||nussen/ in seiner gna||den Fürsten/||thůmbe/ auß G#[oe]ttlicher || geschrifft fürgenom/||men hat.|| [...] M.D.XXVIII.|| [Augsburg: Silvan Otmar] Ferrarius, Johannes.
VD16 O 287 Ad fratres, qui evangelium Christi in agro Basiliensi annuntiant, epistola paraenetica, dt. = Ain Sendbrieue Johannis Oeco=||lampadij/ an ettliche Br#[ue]der/ so das Euange-||lium Christi in Basler landschafft predi-||gen/ Ermanende/ das sy der rainig-||kait/ lebens/ leere/ vnnd der ge-||breũche allenthalbñ nach-||uolgen sollen.|| Ausgabebezeichnung: Anno M.D.XXVIII.|| [Augsburg: Silvan Otmar] Ökolampadius, Johannes.

Jean Crespin, Paul Crocius: "Grosz Martyrbuch vnd Kirchen-Historien darinnen herrliche vnd in Gottes Wort gegründte glaubensbekandnussen, Gespräch und Disputationen, wieder die ketzer vnd feinde der göttlichen warheit ... beschrieben werden ..." (Hanaw: Guilielmus Antonius 1606)

"Vorrede und Inhalt", "Das siebte Buch", Bl. ):():( [xi]v:

Christian Gerson: "Chelec oder Thalmudischer Judenschatz" (Helmstadt: Jacobus Lucius 1614)

S. 140: "R. Assai sprach / Der boese Gedancke ist im Anfang gleich einer Spinnewebe / Endlich aber / wird er gleich einem Wagenseyl / das auff ihm ligt".

Wagenseile in Literatur und Kino

In einer Tatort-Folge wird ein "Wagenseil" zum Mordopfer:

Einige der fiktiven Wagenseilfiguren des 20. Jahrhunderts rezipieren lose die Biographie Johann Christopherus Wagenseils, des Polyhistors und Hebraisten. Mit seiner Sammlung jüdischer Manuskripte, seinen Brieffreundschaften, Vermittlung des Judentums und Übersetzung einerseits und Herausgabe von gegen das Christentum polemisierender Schriften, Judenmission und Reproduktion antisemitischer Klischees andererseits bietet der "obskure" Gelehrte diverse Anknüpfungspunkte für eine künstlerische Bearbeitung - angefangen bei seinem Auftritt als Gespenst in E.T.A. Hoffmanns "Der Kampf der Sänger" von 1819 -, aber auch für antisemitische Hetze. Diese Situation verstärkte sich durch eine besondere Quellenlage zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Antisemitische Machwerke picken die ihnen genehmen Sätze aus dem Werk des frühneuzeitlichen Autoren und vermitteln das Bild eines strikten Gegners des Judentums. In anderen Fällen, wo der historische Wagenseil das Judentum gegen falsche Vorurteile - im folgenden das Beispiel der Ritualmordlegende - verteidigte, wurde er entsprechend polarisierend nur damit zitiert und kritisiert, etwa dass er sich angeblich "um die Quellen der Geschichte des sel. Simon von Trient gar nicht kümmerte" (Josef Deckert: "Vier Tiroler Kinder. Opfer des chassidischen Fanatismus", Wien: Lesk und Schwidernoch 1893, S. 56). Zu diesen zumeist älteren Autoren kamen solche, die nicht mehr die Bücher selbst zur Hand hatten, sondern nur Zitate aus ihnen. Schließlich entstehen antisemitische Pamphlete, in denen der Hebraist und sein Familienname selbst in Verschwörungstheorien eingebaut werden (z.B. "Weltfreimaurerei. Weltrevolution. Weltrepublik. Eine Untersuchung über Ursprung und Endziele des Weltkrieges" von Dr. Friedrich Wichtl, 1920 in der siebten Auflage, München: J. F. Lehmanns Verlag, S. 16, Anm. 2: "Die Fonsecas sind jüdischer Abstammung und hießen früher Wagenseil", mehr Belege im Artikel von Hans B. Wagenseil, Abschnitt "Bremen"). Von diesen Gegensätzen ist auch die Rezeption gekennzeichnet.

Friedrich Torberg: "Mein ist die Rache" (Manuskript 1942)

Erstausgabe "Mein ist die Rache. Novelle", Stockholm: Bermann-Fischer Verlag 1943.

1942 schrieb Friedrich Torberg die Erzählung "Mein ist die Rache", die Geschichte des Rabbinatskandidaten Joseph Aschkenasy, die der Binnenerzähler dem Rahmenerzähler im Hafen von New York erzählt, der im Konzentrationslager Heidenburg den Lagerkommandanten [Hermann] Wagenseil, der durch unmenschliche Torturen jüdische Häftlinge in den Selbstmord trieb, erschießen und danach fliehen konnte. Die Erzählung schildert auch die Diskussionen im Lager über die Frage, ob der Mensch das Recht zur Rache habe oder ob er sie, wie es in der Torah heißt, Gott überlassen müsse. Voller Schuldgefühle wartet Aschkenasy, der weiß, daß durch seine Tat keiner seiner Kameraden überleben konnte, in New York darauf, ob es nicht vielleicht doch einem von ihnen gelungen sei, nach Amerika zu entkommen. Im Häftling [Hans] Landauer, der nach furchtbaren Folterungen starb und Wagenseils Befehl, Selbstmord zu begehen, verweigerte, schildert Torberg den von seiner Tradition entfremdeten Juden. Landauer war nahe daran, Wagenseil umzubringen, und Aschkenasy sagte über ihn nach seinem Tod:

"Es ist gut, daß er es nicht getan hat. Es ist gut, daß sein Opfer rein geblieben ist vor dem Herrn. Mein ist die Rache und die Vergeltung, spricht der Herr." Wagenseil war ein Antisemit im engsten Sinn des Wortes, der alle Phrasen von der jüdischen Weltverschwörung [beherrschte...], doch aber auch sagte, daß die Juden gar keine Wahl hätten, gut oder böse zu sein. Ebenso sprach Aschkenasy wiederholt davon, "wie auswegslos wir auf die göttliche Rache angewiesen wären? Und daß wir nur um ihretwillen noch lebten? Nur weil wir keine Wahl hatten - das war es: keine Wahl zwischen unsrer Rache und der Rache des Herrn? Und also dem Herrn die Rache überließen, und also 'gut' waren, ob wir wollten oder nicht?" Einer der Höhepunkte der Erzählung ist das innere Ringen zwischen dem Icherzähler und Aschkenasy um die Gültigkeit dieses Prinzipes der jüdischen Ethik und Geschichte auch in dieser Situation:

"Man muß sich entscheiden, werde ich ihnen sagen. Es ist nicht so, wie Aschkenasy gesagt hat: daß wir keine Wahl haben. Nur unsere Feinde glauben das und unsere Verfolger, ich weiß es, einer von ihnen hat es mir selbst gesagt. Und das ist es auch, was sie so sicher macht: daß wir immer nur auf die göttliche Rache vertrauen, immer nur, immer wieder, immer noch, seit Jahrtausenden. Aschkenasy hat euch gesagt: dies ist unser Sieg, und darumsind wir noch am Leben. Gut, wir sind am Leben, es läßt sich nicht leugnen. Aber woher wissen wir, daß wir anders nicht mehr am Leben wären?" Der Icherzähler setzte fort, daß seine letzten klaren Gedanken, bevor er auf Wagenseil schoß, waren: Ich habe die Wahl und Mein ist die Rache." Und danach kommentierte er: "Ich hätte mich ja nachher sofort selbst erschießen müssen. So war es ja nicht gemeint: daß ich nachher fliehe. Ich wollte ja nur die Wahl nachholen, die von Landauer auf mich übergegangen war. Ich wollte Selbstmord begehen, und vorher noch jenen umbringen. So war es ja nicht gemeint: daß ich ihn umbringe, um mein Leben zu retten...Ich hatte die Wahl, und ich habe falsch gewählt. Ich habe Rache genommen, und meine Rache wird gerächt werden. Denn Mein ist die Rache, spricht der Herr...Der Rabbinatskandidat Joseph Aschkenasy hat es gewußt. Und er hat auch gewußt, daß es auf das Opfer ankommt. Ich aber habe dem Herrn die Rache entwunden, und habe Ihm nicht einmal das Opfer gebracht, das Ihm gebührt. Das, sehen Sie, das hätte Ihn vielleicht besänftigt. Ihn, und die Geißeln, die Er über uns geschickt hat. Wenn ich mich umgebracht hätte - das hätte meine Gefährten vielleicht gerettet." Der letzte Satz der Erzählung lautet: " 'Ich bin Joseph Aschkenasy', sagte er". Damit enthüllt sich das Ringen um Rache und Widerstand zwischen dem Icherzähler und Aschkenasy als ein Selbstgespräch und als die Skrupel und Zerrissenheit eines einzigen Menschen, der sowohl als religiöser Jude als auch als Häftling in einem Konzentrationslager handelte.

Quelle: "Modern Austrian Literature", Band 27, 1994, S. 226.

E. Randol Schoenberg (ed.), Adrian Daub: "The Doctor Faustus Dossier. Arnold Schoenberg, Thomas Mann, and Their Contemporaries, 1930-1951", Section I: "Letters, Diaries, etc. (1930-1948)", Oxford University Press 2018, S. 29-102, Anm. 87: "On September 9, 1943, Schoenberg sent Torberg a letter (c/o the Werfels) in which he thanked him for his book Mein ist die Rache (1943), which describes the horrors of the Nazi concentration camps: 'I quickly read the book and was deeply moved by it. Irrespective of its degree of accuracy, the story provides a spot-on characterization of the Nazis and their so-called philosophy. Your Wagenseil figure says and does exactly what they say and do. After reading the book I was depressed for several days, as though I'd myself been present during the atrocities described. I wish every anti-Nazi could read your book, as we wouldn't need to worry about the Germans going unpunished.'"

Sammy Gronemann: "Um ein Haar!" (Acht-Uhr Abendblatt, 2. April 1929)

César Augusto Merchan Hamann, "Life and Works of Sammy Gronemann", University College London, Department of Hebrew and Jewish Studies, 2002, S. 234:

"2.7.6 Um ein Haar! (By a hair's breadth) Published in the evening newspaper Berliner Abendblatt, a typescript is preserved in the Central Zionist Archives (see 1929, n.d. r). A mystery story in which an unidentified detective or lawyer solves the case of a blonde woman who was seen crying for help from a car driven by a man who with one hand was trying to restrain her, whilst driving through brightly lit streets near the Tiergarten at night on Easter Sunday. Nothing more is heard of the victim, but the investigator identifies the victim, an aspiring actress by the name of Lulu Petri, and tells the story of what should have happened and never did. The false kidnapping was planned and executed by a Dagobert Wagenseil, a friend of the victim, and it was intended to provoke an antisemitic outcry, with the abduction of a Christian girl by a Jewish-looking driver right before Passover used to resurrect a blood-libel. Why then did the plan fail and nothing of the sort occur? It turns out that the young actress was really called Sara Paradies, and was the daughter of a Jewish cantor. Wagenseil has to abandon the scheme and the actress, who had been lured into a ship bound for Argentina under the impression that she had succeeded so well in playing her part in the abduction scene, that she had obtained a leading role in an Argentinian film. She is now, concludes the investigator, in a house of ill-repute in Buenos Aires." - Gefolgt von der Kommentierung: "The story manages to combine some of the favourite ingredients of antisemitic propaganda - the blood libel, the heavy involvement of some Jews in the white slavery trade - with the elements of the detective story so popular at the time, inverting the usual propaganda components to produce an effect opposite to the usual one and producing an entertaining piece of fiction with an avowed apologetic purpose (Lethen 1995)".

Hans Fallada: "Ein Mann will nach oben" (Manuskript 1942)

1978 verfilmt mit Harald Juhnke in der Rolle des Franz Wagenseil und Anita Kupsch als Elschen Wagenseil. Der Fuhrunternehmer steht als Sinnbild für einen besonders ausbeuterischen bis gaunerhaften Kapitalisten.

Erstausgabe Hamburg: Rowohlt 1953.

S. 147 (Kap 30: "Franz Wagenseil tritt auf"): "'Geld?' schrie Franz Wagenseil jetzt. 'Du hast doch immer noch dein Geld von mir gekriegt, Emil! - Bloß mit dem Gerichtsvollzieher? Emil, Mensch, die Gerichtsvollzieher wollen doch auch leben! Ich habe immer alles, bloß kein Geld nicht - ich mache noch mal Pleite? Einmal, sagst du? Zehnmal mach ich noch Pleite! Was schadet denn das? Hauptsache, du kriegst dein Geld! Kannst dir ja das Eigentumsrecht an den Gäulen vorbehalten.' Plötzlich ganz milde: 'Also in einer halben Stunde holst du den Rappen, den Mistbock! Wegen den Ostpreußen reden wir noch!' Er hängte ab und war sofort wieder in der anderen Sache. 'Wie wird es?' fragte er. 'Unternehmer oder Angestellter?' 'Unternehmer!' sagte Karl Siebrecht ohne Schwanken. Wagenseil pfiff durch die Zähne. 'Wieviel Betriebskapital hast du?' fragte er. 'Hundert Mark,' sagte Karl Siebrecht. 'Schafskopf!' lachte Wagenseil. 'Tausend hättest du sagen müssen! - Alles dein Geld?' 'Nein ...' Dies kam nun doch zögernd. 'Wieviel ist dein eigenes?' 'Fünfunddreißig Mark!' 'Vergiß das nicht', sagte Wagenseil plötzlich fast aufgeregt. 'Vergiß das bloß nicht! In zwanzig Jahren wirst du daran denken, daß du den großen Zirkus mit fünfunddreißig Mark Eigenem aufgezogen hast - und dumm bist du auch nicht, wenn du auch bloß aus Dummheit so ehrlich bist. Hättest du tausend Mark gesagt, hätte ich den Laden vielleicht doch ohne dich gemacht. Dann wärst du mir zu stark gewesen. Mit tausend Mark kannst du jeden Fuhrwerksbesitzer in Berlin mieten. Jetzt brauchst du mich!'".

S. 195f. (Kap. 38: "Kriegserklärung an Franz Wagenseil"): "'Darauf willst du also raus!' sagte Franz Wagenseil höhnisch. 'Du willst mich aus der Firma raushaben! Und ich habe dich erst zu was gemacht! Was warst du denn damals? Ein Rumtreiber, ein Straßenjunge, und das ist nun dein Dank!' Er holte Atem, Karl Siebrecht sah ihn nur stumm an. 'Du schwimmst im Gelde', fuhr der andere bitter fort, 'ich habe es ja eben gehört, jeden Augenblick kannst du Tausende bezahlen. Und ich, durch den du erst was geworden bist, laufe herum und habe keine zehn Mark in der Tasche! Mir verweigerst du alle Hilfe!' [...] 'Ich will nicht Krieg mit dir führen, Franz. Ich will dir ein wenig kaufmännische Ordnung beibringen. Wenn du aber Krieg willst, so sollst du ihn haben.' Er sah den Franz Wagenseil kühl an. Der lachte auf. 'Du Junge, du!' rief er. 'Du sollst was erleben! Du sollst mich noch kennenlernen!'".

S. 221 (Kap. 46: "Rettung?"): "Franz Wagenseil noch selbst zwei Autos besessen, einen Liefer- und einen Personenwagen - wo waren die eigentlich hingekommen? Ach ja, Franz hatte sie auf Abzahlung gekauft und natürlich nie die Raten pünktlich entrichtet, sie waren ihm sehr schnell wieder fortgeholt worden".

Gertrud Fussenegger: "Die Pulvermühle - Kriminalroman" (1968)

Die Autorin in einem Interview: "Und dann die drei von Ihnen schon genannten Figuren: Wagenseil, Federspiel, der Pfarrer... Mit ihnen habe ich etwas ganz Besonderes vorgehabt. Ich wollte an ihnen drei Arten der Welterfahrnis dartun. Wagenseil - Sie nennen ihn einen intellektuellen Lehrer -, später ist er Zuchthäusler und noch später eigenbrötlerischer Sonderling, er ist der Klügste von allen, immer bereit, sich die Dinge selbst auseinanderzulegen, zu analysieren - und kommt dabei regelmäßig zu einem negativen Ergebnis. Er bezeichnet die nihilistische Position. Dann Federspiel, ein geborener Erzähler und Unterhalter, ihm fällt es gar nicht ein, zu analysieren. Er ist immer nur auf Jagd nach einer saftigen Fabel. Ihn fasziniert die Sensation, die erzählerische Pointe. Für ihn ist die Welt nicht Erkenntnisobjekt, sondern Thema, das episch gestaltet werden kann. In diesem Federspiel habe ich meine eigene Leidenschaft für das Geschichtenerzählen ein wenig ironisiert. - Und schließlich Pfarrer Perwög: Nun, er ist die fromme Seele, er ist der große Moralist in diesem Roman. Ihm geht es immer um den Menschen, um sein Heil oder Verderben. Er sieht alles im Hinblick auf Gott, sub specie aeternitatis."

Quelle: Die Rampe, Linz 1/1982, S. 7-16.

Volker Braun: "Die Haltung einer Arbeiterin", in: Neue deutsche Literatur 21 (1973) 7, S. 35f.

1
In den ersten Jahren der Integration
ereignete sich unauffällig der Fall
Der Weberin Hanna Wagenseil
Sechsundvierzig Jahre alt
Ruhiger Gemütsart, in Ebersbach.

2
Lange gewöhnt
An ihre langsamen Maschinen, brach sie
Als die neuen sowjetischen Automaten
Montiert waren und in der Halle lärmten
In ein Geschrei aus, mitteilend
Ihre Ablehnung derselben. [...]"

Hans Zengeler: "AbLeben = Aufzeichnungen aus einer erdfernen Welt" (2005)

"Sie ist eben nicht ganz richtig im Kopf, denkst du. Wie alle hier, die auf diesem erdfernen Planeten dahinvegetieren und ihr Restleben ableben, entweder täglich aufs neue resignieren oder schon vollkommen hoffnungsleer sind, die Erlösung herbeisehnen, vor sich hinstarren, wie zum Beispiel Herr Wagenseil, der den Platz neben mir hat, kopfhoher Rollstuhl, und von morgens bis abends auf ein und denselben Punkt starrt, auf einen gelben Fleck an der Tapete. Er wirkt wie eingefroren in dieser Haltung. Er rührt sich nicht. Man sieht nicht einmal, ob er noch atmet. Der Brustkorb bleibt flach, da hebt und senkt sich nichts. Man könnte auch den Eindruck gewinnen, er übermittle seine Gedanken (oder was auch immer) an den gelben Fleck oder er horche in diesen hinein, als nehme einzig der gelbe Fleck noch Anteil an seinem Leben. Zu den Mahlzeiten jedoch öffnet Herr Wagenseil wie automatisch den Mund, läßt sich füttern, ohne dabei den gelben Fleck aus den Augen zu lassen. Wenn er genug gegessen hat, schließt er den Mund wieder, preßt die Lippen fest aufeinander, die ganze Zeit, als dürfe jetzt nichts mehr hinein-, nichts mehr herauskommen, weder Nahrung noch Wort, so erstarrt er wieder, und manchmal drängt es mich, seinen Puls zu fühlen, ob er überhaupt noch lebt ..."

Weitere Fundstücke:

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