International Holocaust Remembrance Alliance: Arbeitsdefinition von Antisemitismus 2016

mit Bezug zu: Maria Mathi, Friedrich Torberg, Jean Améry (Holocaustliteratur), Theodor W. Adorno / Max Horkheimer, Jean-Paul Sartre, Moishe Postone (Analysen)

 

[ English ]

Die 1998 gegründete International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) verabschiedete 2016 folgende Arbeitsdefinition von Antisemitismus [holocaustremembrance.com]:

"Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.

Um die IHRA bei ihrer Arbeit zu leiten, können die folgenden Beispiele zur Veranschaulichung dienen:

Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden. Antisemitismus umfasst oft die Anschuldigung, die Juden betrieben eine gegen die Menschheit gerichtete Verschwörung und seien dafür verantwortlich, dass 'die Dinge nicht richtig laufen'. Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort, Schrift und Bild sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt unheilvolle Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge.

Aktuelle Beispiele von Antisemitismus im öffentlichen Leben, in den Medien, Schulen, am Arbeitsplatz und in der religiösen Sphäre können unter Berücksichtigung des Gesamtkontexts folgendes Verhalten einschließen, ohne darauf beschränkt zu sein:

(1) Der Aufruf zur Tötung oder Schädigung von Jüdinnen und Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen Religionsanschauung sowie die Beihilfe zu solchen Taten oder ihre Rechtfertigung.

(2) Falsche, entmenschlichende, dämonisierende oder stereotype Anschuldigungen gegen Jüdinnen und Juden oder die Macht der Jüdinnen und Juden als Kollektiv - insbesondere aber nicht ausschließlich die Mythen über eine jüdische Weltverschwörung oder über die Kontrolle der Medien, Wirtschaft, Regierung oder anderer gesellschaftlicher Institutionen durch die Jüdinnen und Juden.

(3) Das Verantwortlichmachen der Jüdinnen und Juden als Volk für tatsächliches oder unterstelltes Fehlverhalten einzelner Jüdinnen und Juden, einzelner jüdischer Gruppen oder sogar von Nichtjüdinnen und Nichtjuden.

(4) Das Bestreiten der Tatsache, des Ausmaßes, der Mechanismen (z.B. der Gaskammern) oder der Vorsätzlichkeit des Völkermordes an den Jüdinnen und Juden durch das nationalsozialistische Deutschland und seine Unterstützer und Komplizen während des Zweiten Weltkrieges (Holocaust).

(5) Der Vorwurf gegenüber den Jüdinnen und Juden als Volk oder dem Staat Israel, den Holocaust zu erfinden oder übertrieben darzustellen.

(6) Der Vorwurf gegenüber Jüdinnen und Juden, sie fühlten sich dem Staat Israel oder angeblich bestehenden weltweiten jüdischen Interessen stärker verpflichtet als den Interessen ihrer jeweiligen Heimatländer.

(7) Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, z.B. durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen.

(8) Die Anwendung doppelter Standards, indem man von Israel ein Verhalten fordert, das von keinem anderen demokratischen Staat erwartet oder gefordert wird.

(9) Das Verwenden von Symbolen und Bildern, die mit traditionellem Antisemitismus in Verbindung stehen (z.B. der Vorwurf des Christusmordes oder die Ritualmordlegende), um Israel oder die Israelis zu beschreiben.

(10) Vergleiche der aktuellen israelischen Politik mit der Politik der Nationalsozialisten.

(11) Das kollektive Verantwortlichmachen von Jüdinnen und Juden für Handlungen des Staates Israel."

 

The 1998 founded International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) decided 2016 to following working definition of antisemitism [holocaustremembrance.com]:

"Antisemitism is a certain perception of Jews, which may be expressed as hatred toward Jews. Rhetorical and physical manifestations of antisemitism are directed toward Jewish or non-Jewish individuals and/or their property, toward Jewish community institutions and religious facilities.

To guide IHRA in its work, the following examples may serve as illustrations:

Manifestations might include the targeting of the state of Israel, conceived as a Jewish collectivity. However, criticism of Israel similar to that leveled against any other country cannot be regarded as antisemitic. Antisemitism frequently charges Jews with conspiring to harm humanity, and it is often used to blame Jews for 'why things go wrong.' It is expressed in speech, writing, visual forms and action, and employs sinister stereotypes and negative character traits.

Contemporary examples of antisemitism in public life, the media, schools, the workplace, and in the religious sphere could, taking into account the overall context, include, but are not limited to:

(1) Calling for, aiding, or justifying the killing or harming of Jews in the name of a radical ideology or an extremist view of religion.

(2) Making mendacious, dehumanizing, demonizing, or stereotypical allegations about Jews as such or the power of Jews as collective - such as, especially but not exclusively, the myth about a world Jewish conspiracy or of Jews controlling the media, economy, government or other societal institutions.

(3) Accusing Jews as a people of being responsible for real or imagined wrongdoing committed by a single Jewish person or group, or even for acts committed by non-Jews.

(4) Denying the fact, scope, mechanisms (e.g. gas chambers) or intentionality of the genocide of the Jewish people at the hands of National Socialist Germany and its supporters and accomplices during World War II (the Holocaust).

(5) Accusing the Jews as a people, or Israel as a state, of inventing or exaggerating the Holocaust.

(6) Accusing Jewish citizens of being more loyal to Israel, or to the alleged priorities of Jews worldwide, than to the interests of their own nations.

(7) Denying the Jewish people their right to self-determination, e.g., by claiming that the existence of a State of Israel is a racist endeavor.

(8) Applying double standards by requiring of it a behavior not expected or demanded of any other democratic nation.

(9) Using the symbols and images associated with classic antisemitism (e.g., claims of Jews killing Jesus or blood libel) to characterize Israel or Israelis.

(10) Drawing comparisons of contemporary Israeli policy to that of the Nazis.

(11) Holding Jews collectively responsible for actions of the state of Israel".

 

Register der Überlieferung der Übersetzungen bis 1950
Personenregister (Übersetzungen etc.)
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