"The European Graduate School" (Saas-Fee, Switzerland, and Valletta, Malta)

mit Bezug zu / with reference to: Grenzbegriffe "Indien", "Orient", "Nominalismusproblem", Ursula Pommer (Neil Postman: "The Disappearance of Childhood", 1982 → "Technologies of Writing. Interview with Friedrich A. Kittler", 1996, Roger Waters → Pink Floyd: "The Wall", 1979), "ʎʇןnɔɐℲ" (Giorgio Agamben, Alain Badiou, Jean Baudrillard, Judith Butler, Jacques Derrida, Donna Haraway, Michel Houellebecq, Friedrich Kittler, Jean-François Lyotard, Achille Mbembe, Jean-Luc Nancy, Antonio Negri, Jacques Rancière, Peter Szendy, Peter Singer, Gayatri Spivak, Paul Virilio, Wim Wenders), Supporters of "Boycott, Divestment and Sanctions" [BDS] 2005ff. (Judith Butler, Annie Ernaux, Jean-Luc Godard, Stephen Hawking, Naomi Klein, Henning Mankell, George R. R. Martin, "Rage against the Machine", Cat Stevens / Yusuf Islam, "UB40", Roger Waters), (West-) Berlin: Merve (Giorgio Agamben, Alain Badiou, Jean Baudrillard, Jacques Derrida, Jean-Luc Godard, Donna Haraway, Friedrich Kittler, Jean-François Lyotard, Antonio Negri, Paul Virilio, Slavoj Žižek) ⇆ Edition Tiamat (Antonio Negri), Paris: Éditions de Minuit (Jacques Derrida, Jean-François Lyotard), Milano: Feltrinelli (Antonio Negri, Wolfgang Köhler: "La psicologia della Gestalt", 1961), Torino: Einaudi (David Katz: "La psicologia della forma", 1950), "Gestalt" (Christian von Ehrenfels: "Über Gestaltqualitäten"* → Carl Stumpf → Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Koffka → Max Wertheimer: "Das Gesetz der Gleichheit wird so ein Spezialfall dessen der guten Gestalt"**), Marshall Bertram Rosenberg ("A Model for Nonviolent Communication" Philadelphia: New Society Publishers 1983 → "New Society Publishers' Canadian office grew out of British Columbia's Fed-Up food co-op in the early 1970s, and later the bioregional movement in the '80s"; "Nonviolent Communication. A Language of Compassion", Encinitas, California: PuddleDancer Press 1999 → "Founded in 1998, PuddleDancer Press is the largest publisher of Nonviolent Communication (NVC) related books")***, München: Matthes & Seitz (Jean Baudrillard), London / New York: Verso (Judith Butler, Jean Baudrillard, Paul Virilio, Slavoj Žižek), Jean Améry ("Zur Aktualität von Jean Amérys Kritik des Antizionismus"), IHRA

 

Fig. "Steinmatte: the EGS campus in the Alps", 2016, photography by Néstor Buendía under Creative Commons Licence CC BY-SA 4.0 (modified).

 

"The European Graduate School (EGS) is a private graduate school that operates in two locations: Saas-Fee, Switzerland, and Valletta, Malta. [...] It was founded in 1994 in Saas-Fee, Switzerland by the Swiss scientist, artist, and therapist, Paolo Knill****. The school initially offered programs in Expressive Arts Therapy, as part of a broader initiative to develop a network of training institutes in Expressive Arts Therapy. A division of Media and Communication (later renamed Philosophy, Art and Critical Thought) was established in 1998 by Wolfgang Schirmacher. EGS is licensed as a university in Malta [...]. Notable faculty members have included Giorgio Agamben*****, Chantal Akerman, Pierre Alféri, Judith Butler, Achille Mbembe****/6, Avital Ronell, and Sandy Stone" (WP with reference to Ellen Levine, Stpehen K. Levine and Paolo Knill: "Principles and Practice of Expressive Arts Therapy", London: Jessica Kingsley Publishers 2005, p. 256).

 

[ Anmerkungen. annotations. remarques. notes ]

* Christian von Ehrenfels: "Über Gestaltqualitäten", in: "Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie", Nr. 14, 1890, pp. 249-292 [gallica.bnf.fr].

** Max Wertheimer: "Untersuchungen zur Lehre von der Gestalt II", in: "Psychologische Forschung. Zeitschrift für Psychologie und Grenzwissenschaften. Festschrift für Carl Stumpf", 4. Band, Berlin: Julius Springer 1923, pp. 301-350 [archive.org], f.e. p. 328: "Das Gesetz der Gleichheit wird so ein Spezialfall dessen der guten Gestalt".

*** Marshall B. Rosenberg: "Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens", übers. von Ingrid Holler, Paderborn: Junfermann Verlag 2016, S. 35: "Lebensentfremdende Kommunikation [als Gegenstück zur gewaltfreien] geht zurück auf und stützt hierarchische oder Herrschaftsgesellschaften, in denen die Masse der Bevölkerung von wenigen Individuen und zu deren Nutzen beherrscht wird. Üblicherweise liegt es im Interesse von Königen, Zaren oder Adeligen, wenn die Massen so erzogen werden, dass ihre Mentalität jener von Sklaven gleicht", Randglosse: "Lebensentfremdende Kommunikation hat tiefe philosophische und politische Wurzeln".

Vgl. dazu aber auch Friedrich Nietzsche: "Zur Genealogie der Moral. Eine Streitschrift", Leipzig: C. G. Neumann 1887 [haab-digital.klassik-stiftung.de, Weimar], I. Abhandlung "'Gut und Böse', 'Gut und Schlecht'", 7. Kapitel, S. 13: "Man weiss, wer die Erbschaft dieser jüdischen Umwerthung gemacht hat... Ich erinnere in Betreff der ungeheuren und über alle Maassen verhängnissvollen Initiative, welche die Juden mit dieser grundsätzlichsten aller Kriegserklärungen gegeben haben, an den Satz, auf den ich bei einer anderen Gelegenheit gekommen bin ('Jenseits von Gut und Böse' p. 118) - dass nämlich mit den Juden der Sklavenaufstand in der Moral beginnt: jener Aufstand, welcher eine zweitausendjährige Geschichte hinter sich hat und der uns heute nur deshalb aus den Augen gerückt ist, weil er - siegreich gewesen ist...".

Der Entfremdungsbegriff ist vormarxistisch und erinnert an Jean-Jacques Rosseau. In "Émile oder über die Erziehung" [EA 1762] heißt es: "Alles ist gut, wie es aus den Händen des Schöpfers kommt, alles entartet unter den Händen des Menschen" (übersetzt von Ludwig Schmidt, UTB Nr. 115, Paderborn: Schöningh 1998, S. 9); "Halten wir unerschütterlich daran fest, daß die ersten Regungen der Natur immer richtig sind. Es gibt keine Ur-Verderbtheit des Herzens" (S. 71).

Dem entgegen Karl Marx und Friedrich Engels in "Die Deutsche Ideologie" [geschrieben 1845-1846, EA Moskau 1932], MEW 3, Berlin: Dietz 1969, S. 34: "Die soziale Macht, d.h. die vervielfachte Produktionskraft, die durch das in der Teilung der Arbeit bedingte Zusammenwirken der verschiedenen Individuen entsteht, erscheint diesen Individuen, weil das Zusammenwirken selbst nicht freiwillig, sondern naturwüchsig ist, nicht als ihre eigne, vereinte Macht, sondern als eine fremde, außer ihnen stehende Gewalt, von der sie nicht wissen woher und wohin, die sie also nicht mehr beherrschen können, die im Gegenteil nun eine eigentümliche, vom Wollen und Laufen der Menschen unabhängige, ja dies Wollen und Laufen erst dirigierende Reihenfolge von Phasen und Entwicklungsstufen durchläuft. Diese 'Entfremdung', um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden".

**** Veröffentlichungen von Paolo Knill:

"Ausdruckstherapie. Künstlerischer Ausdruck in Therapie und Erziehung als intermediale Methode", Halle: Ohlsen Verlag 1979.
"Medien in Therapie und Ausbildung", Bremen: Eres Verlag 1983.
"Minstrels [Minnesänger] of the Soul, Intermodal Expressive Therapy", Toronto: Palmerston Press 1993.
"Principles and Practice of Expressive Arts Therapy****/7", with Stephen and Ellen Levine, London: Jessica Kingsley 2004.
"Kunstorientiertes Handeln in der Begleitung von Veränderungsprozessen", Zürich: EGIS Verlag 2005.

"Bevor Paul den Wechsel vollzogen hatte, schlug er die Offizierslaufbahn ein. Als Hauptmann der Motortransporttruppe bekam er eine Sonderstellung bei der Schweizer Marine, die es nach dem Krieg noch auf den Schweizer Seen gegeben hatte. Weil er sich im Studium an der ETH auch mit Flugzeugbau beschäftigte, war er auch als Experte bei Flugzeugunglücken gefragt. Da seine Mutter die Fabrikantentochter der Firma Frech-Hoch in Sissach war, (ledig: Rosalie Frech) konstruierte Paul Knill während des Studiums Produkte für die Carrosseriewerke Seilbahnen" (knill.com/paolo, 2006).

***** Albert Kuhn: "Slavoj Žižek. Interview mit einem schellen Brüter" [Interview with a speedy Breeder], in: "Die Weltwoche", No. 45/2005:

"Sie sind oft in Saas Fee. Was tun Sie da?

Da gibt es eine internationale Sommerschule, die European Graduate School. Sie ist für Businessleute, die für ihre Weiterbildung jährlich nur ein paar Wochen Zeit haben. Sie gehen da zwei oder drei Saisons hin, bezahlen und kriegen einen schnellen Abschluss, ihren Magister oder den Doktor. Interessant an dieser Schule ist die Palette der Dozenten - es sind einigermassen bekannte Philosophen und Künstler aus der ganzen Welt. Die Filmer Peter Greenaway und Volker Schlöndorff oder die Philosophen Giorgio Agamben, Alain Badiou und ich. Wir drei sind befreundet. Wir treffen uns dort jedes Jahr, sind engagiert für drei Wochen, ich kann meine Frau mitnehmen, habe jeden Morgen neunzig Minuten Vorlesung und bin dann frei. Es ist eine sehr interessante Formel. Man kann da sehr teuer essen - man wäre ja auch fast enttäuscht, wenn es nicht so wäre".

"You are often in Saas Fee. What do you do there?"

There is an international summer school, the European Graduate School. It's for business people who only have a few weeks a year for further training. They go there for two or three seasons, pay and get a quick degree, their master's or doctorate. What is interesting about this school is the range of lecturers - they are reasonably well-known philosophers and artists from all over the world. The film-makers Peter Greenaway and Volker Schlöndorff or the philosophers Giorgio Agamben, Alain Badiou and myself. The three of us are friends. We meet there every year, are engaged for three weeks, I can take my wife with me, have a ninety-minute lecture every morning and am then free. It's a very interesting formula. You can eat very expensively there - you'd almost be disappointed if it wasn't like that".

Fig. "Demonstration of Phi phenomen with two black bars on grey background. SOA=102ms, ISI=-51ms" by Cactus26 under Creative Commons Licence CC BY-SA 3.0 (modified). "Max Wertheimer first described this form of apparent movement in his habilitation thesis, published 1912, marking the birth of Gestalt psychology ["Experimentelle Studien über das Sehen von Bewegung", in: "Zeitschrift für Psychologie", Volume 61, 1912, pp. 161-265]" (WP).

****/6 Jacob Baier: "Antisemitismus in der BDS-Kampagne", 22. März 2021, bpb.de: "[Achille] Mbembe selbst wies die Vorwürfe öffentlich zurück und erklärte, dass er 'keinerlei Beziehung mit BDS' (Mbembe 2020 [= '"Diese Unterstellung trifft mich in meiner Seele'. Achille Mbembe im Interview mit René Aguigah", deutschlandfunkkultur.de, 22.04.2020]) habe. Doch nicht nur ein von ihm verfasstes Vorwort für die 2015 erschienene Publikation eines südafrikanischen BDS-Ablegers mit dem Titel 'Apartheid Israel' widerlegen seine Aussage".

Jacob Baier: "Antisemitism in the BDS campaign", March 22, 2021, bpb.de: "[Achille] Mbembe himself publicly rejected the accusations and declared that he had 'no relationship whatsoever with BDS' (Mbembe 2020 [= '"This insinuation hits me in my soul". Achille Mbembe in an interview with René Aguigah", deutschlandfunkkultur.de, 22.04.2020]). But it is not only a foreword he wrote for the 2015 publication of a South African BDS offshoot entitled 'Apartheid Israel' that refutes his statement".

Stefan Lauer: "'Kauf nicht beim Juden': Warum die Amadeu Antonio Stiftung nicht mit BDS-Gruppen oder Unterstützer:innen zusammenarbeitet", amadeu-antonio-stiftung.de, 19. Juli 2019: "BDS ist die Abkürzung für 'Boykott, Desinvestionen und Sanktionen'. Die internationale Bewegung fordert ein Ende der Besatzung palästinensischer Gebiete, die Gleichberechtigung arabischer Israelis und ein Recht auf Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge. In die Medien gelangen die Aktivist:innen dabei vor allem durch Boykott-Aufrufe und prominente Fürsprecher. Roger Waters, Pink-Floyd-Mitgründer, ist einer von ihnen. Immer wieder setzt er sich dabei vor allem für einen kulturellen Boykott ein. Künstler:innen werden dazu aufgefordert Konzerte in Israel abzusagen. Das funktioniert selten".

Stefan Lauer: "'Don't buy from the Jews': Why the Amadeu Antonio Foundation does not work with BDS groups or supporters", amadeu-antonio-stiftung.de, 19 July 2019: "BDS is the abbreviation for 'Boycott, Divestment and Sanctions'. The international movement demands an end to the occupation of Palestinian territories, equal rights for Arab Israelis and a right of return for Palestinian refugees. The activists are mainly publicised in the media through calls for a boycott and prominent advocates. Roger Waters, Pink Floyd co-founder, is one of them. Time and again, he has spoken out in favour of a cultural boycott. Artists are asked to cancel concerts in Israel. That rarely works".

****/7 See for an application example Varda Serok-Jeppa: "The Effect of Personal Portrait Photographs on Cultural Attitude among Jewish and Arabic Expressive/Art Therapists in Israel", Lesley University, Expressive Therapies Dissertations, Graduate School of Arts and Social Sciences (GSASS), 2016, p. 9: "Furthermore, the study presents a unique Gestalt approach observation on the multicultural learning process participants experienced. The research tool can have significant future use in training expressive therapists, especially within the intricate cultural setting of Israel, to enhance ethno-cultural empathy and competencies".

Chapter 2: "Literature Review" [based on the tabloids and religious literature], p. 20: "This situation constrained Palestinians in living areas, mobility and economy resulting in anger, frustration and a fertile ground for guerilla groups [!] to prosper where for Israel these are considered terrorist attacks, whilst for the Palestinians these are Liberation attempts [!] mainly by the Fatah resistance (Fisher, 2014 [= Max Fisher: "9 questions about the Israel-Palestine conflict you were too embarrassed to ask", vox.com, July 17, 2014]; Hammond, 2008 [Constance A. Hammond: "Shalom, Salaam, Peace. A liberation theology of hope", Sheffield, U.K.: Equinox 2008])".

Chapter 3: "Method", p. 40f.: "This research includes the videotaped process of role plays of female expressive therapist participants. Limitations of gender derive from the realistic and practical reason of the tool being used in this research: role-play of women's photographs wearing head-dresses used by various cultures and religions in Israel. [...] All head-dresses were made with the same two black and white shawls to intensify and stress the idea that all three head-dresses representing the religion they come from resemble each other in essence and stem from similar sources. Artistic aesthetic alliteration that resulted between the images enhances the point as well".

The study does not use the word "antisemitism", but there are several transcripts of participants containing the word "racist" (p. 64: "All three are racist; their view of life is similar, very much alike, racists", p. 65: "At the beginning of the experience I felt myself being racist", p. 80: "Not to judge and be less racist", "The experience renewed my energy. Looking at people more openly gave me strength and helped me become less racist", quoted again in discussion on p. 111, p. 153).

Originally, Gestalt psychology was a rather monistically conceived doctrine of an understanding of art in a contemporary pre-Freudian psychology discourse. It was never intended that a sentence such as the one quoted in the illustration on the right - "The law of equality thus becomes a special case of that of the good Gestalt" - should be read politically. Or to apply it politically. To counter racism, for example.

There is certainly a racialisation, an othering, in antisemitism. However, narrowing antisemitism down to racism makes it difficult to identify secondary (guilt-related), structural and Israel-related narratives as antisemitic. It facilitates perpetrator-victim reversals, insofar as "criticism of Israel" can generally appear as "not antisemitic" in this way and annihilation antisemitism cannot be thematised. ****/8

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In der Studie "Die Wirkung von persönlichen Porträtfotos auf die kulturelle Einstellung bei jüdischen und arabischen Ausdrucks-/Kunsttherapeutinnen in Israel" [The Effect of Personal Portrait Photographs on Cultural Attitude among Jewish and Arabic Expressive/Art Therapists in Israel] von Varda Serok-Jeppa (2016) wird das Wort "Antisemitismus" nicht verwendet, aber es gibt mehrere Transkripte von Teilnehmerinnen, in denen das Wort "rassistisch" vorkommt (S. 64: "Alle drei sind rassistisch; ihre Sicht des Lebens ist ähnlich, sehr ähnlich, sie sind Rassisten", S. 65: "Zu Beginn der Erfahrung fühlte ich mich selbst rassistisch", S. 80: "Nicht zu urteilen und weniger rassistisch zu sein", "Die Erfahrung hat meine Kraft erneuert. Der offenere Blick auf die Menschen gab mir Kraft und half mir, weniger rassistisch zu sein", zitiert in der Diskussion auf S. 111, S. 153).

Ursprünglich war Gestaltpsychologie eine eher monistisch gedachte Lehre eines Kunstverständnisses in einem zeitgenössisch vorfreudianischen Psychologiediskurs. Es war nie so gedacht, einen solchen Satz wie den in Abbildung rechts zitierten - "Das Gesetz der Gleichheit wird so ein Spezialfall dessen der guten Gestalt" - politisch zu lesen. Oder politisch zur Anwendung zu bringen. Etwa um Rassismus zu begegnen.

Sicherlich findet im Antisemitismus eine Rassifizierung, ein Othering statt. Antisemitismus aber auf Rassismus engzuführen, erschwert sekundäre (schuldbezogene), strukturelle und israelbezogene Narrative als antisemitisch zu bestimmen. Es erleichtert Täter-Opfer-Umkehren, insofern "Israelkritik" auf diese Weise generell als "nicht antisemitisch" erscheinen kann und Vernichtungsantisemitismus nicht thematisierbar wird.****/8

 

****/8 "Der eigenen Gruppe, die in aller Regel als ein ethnisch verstandenes 'Volk' konstruiert wird, werden zweitens alle anderen, ebenfalls als 'Volk' verstandenen Gruppen nebengeordnet. Von diesen 'Völkern' wird im antisemitischen Judenbild die ebenfalls ethnisch verstandene Gruppe der Jüdinnen*Juden unterschieden. Klaus Holz hat dies als 'Figur des Dritten' (Holz 2004 ['Die antisemitische Figur des Dritten in der nationalen Ordnung der Welt', in: 'Das bewegliche Vorurteil. Aspekte des internationalen Antisemitismus', hrsg. von Christina von Braun und Eva-Maria Ziege, Würzburg: Königshausen & Neumann 2004, S. 43-61]) bezeichnet. 'Der ‹Jude› ist der ein- und ausgeschlossene Dritte' (Holz ['Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung', Hamburg: Hamburger Edition] 2001, 543).

Das Besondere an dieser 'Figur des Dritten', der Unterscheidung zwischen allen 'Völkern' und 'Juden', besteht darin, dass sie einerseits symmetrisch gebaut ist - 'Juden' werden wie alle anderen 'Völker' auch als Abstammungsgemeinschaft verstanden, die von einem gemeinschaftlichen 'Volksgeist' getragen wird, andererseits aber asymmetrisch gebaut ist: 'Völker' bilden Staaten, 'Juden bilden Staaten in Staaten. Die Angehörigen von 'Völkern' erhalten sich durch Arbeit, 'Juden hingegen leben von der Arbeit anderer 'Völker'.

[...] Die 'Figur des Dritten' bildet drittens die Grundlage eines spezifischen Musters der antisemitischen Zuschreibungen: alle 'Völker' gelten im modernen Antisemitismus als nationale, ethnische und moralische Gemeinschaften, während 'die Juden' alles verkörpern, was 'Gemeinschaft' zersetzt [...]. Holz hat diesen Gegensatz als 'Gemeinschaft versus Gesellschaft' bestimmt. Die 'abstrakten', abgelehnten Eigenschaften moderner Sozialsysteme werden erklärbar und bekämpfbar, indem sie in 'den Juden' personifiziert werden. [...] Dem 'Juden' wird in ethnischer, moralischer, religiöser, kultureller, ökonomischer, kurzum: in jedweder Hinsicht die Rolle des 'Anti-Volkes', nicht den 'anderen Volkes', zugeschrieben, das in allen Bereichen modernen Lebens [...] das eigene 'Volk' und alle anderen 'Völker' angreift".

Jan Weyand: "4.9 Klaus Holz: Nationaler Antisemitismus", in: "Was ist Antisemitismus? Begriffe und Definitionen von Judenfeindschaft", hrsg. von Peter Ullrich, Sina Arnold, Uffa Jensen, Klaus Holz, Jan Weyand, Ingolf Seidel und Anja Danilina, Göttingen: Wallstein 2024, S. 170-174, Zitat S. 171f.

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"As a general principle, one's own group is constructed as an ethnically understood 'people'. Secondly, all other groups, also understood as a 'people', are then subordinated. In the anti-Semitic image of Jews, the group of Jews, also understood ethnically, is distinguished from these 'peoples'. Klaus Holz has described this as the 'figure of the third' (Holz 2004 ['Die antisemitische Figur des Dritten in der nationalen Ordnung der Welt', in: 'Das bewegliche Vorurteil. Aspekte des internationalen Antisemitismus', ed. by Christina von Braun and Eva-Maria Ziege, Würzburg: Königshausen & Neumann 2004, pp. 43-61]). 'The 'Jew' is the included and excluded third' (Holz ['Nationaler Antisemitismus. Wissenssoziologie einer Weltanschauung', Hamburg: Hamburger Edition] 2001, 543).

What is special about this 'figure of the third', the distinction between all 'peoples' and 'Jews', is that on the one hand it is constructed symmetrically - 'Jews', like all other 'peoples', are also understood as a community of descent that is supported by a common 'folk spirit', but on the other hand it is constructed asymmetrically: 'peoples' form states, 'Jews' form states within states. The members of 'peoples' sustain themselves through work, 'Jews', on the other hand, live off the work of other 'peoples'.

[...] Thirdly, the 'figure of the third' forms the basis of a specific pattern of anti-Semitic attributions: in modern anti-Semitism, all 'peoples' are regarded as national, ethnic and moral communities, while 'the Jews' embody everything that destroys 'community' [...]. Holz defined this contrast as 'community versus society'. The 'abstract', rejected characteristics of modern social systems can be explained and combated by personifying them in 'the Jews'. [...] In ethnic, moral, religious, cultural, economic, in short: in every respect, the 'Jew' is ascribed the role of the 'anti-people', not the 'other people', which attacks its own 'people' and all other 'peoples' in all areas of modern life [...]".

Jan Weyand: "4.9 Klaus Holz: Nationaler Antisemitismus", in: "Was ist Antisemitismus? Begriffe und Definitionen von Judenfeindschaft", ed. by Peter Ullrich, Sina Arnold, Uffa Jensen, Klaus Holz, Jan Weyand, Ingolf Seidel and Anja Danilina, Göttingen: Wallstein 2024, pp. 170-174, quote p. 171f.

Fig. by / Abb. "One off" (Spielfigur) von Dietmar Rabich unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 (modifiziert, Ausschnitt).

 

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