mit Bezug zu: "Warenform", Malik-Verlag, Diana-Verlag (und Humanitas-Verlag), Karl F. Kocmata, Vita Sackville-West (Kathryn Batchelor: "Vita's Berlin friendships: cosmopolitan women of letters", 2022).
In English: Short Introduction | En français: Brève introduction | Magyarul: rövid bevezető | På svenska: Kort introduktion | краткое введение | In italiano: Breve introduzione | En español: Breve introducción
Geburtsname Gräfin Hermine Isabelle Maria Folliot de Crenneville-Poutet. Pseudonyme Franziska Maria Rautenberg, Franziska Maria Tenberg, Traugott Lehmann und Lawrence H. Desberry.
In einem vielbeachteten Brief an ihren Verleger schreibt sie am 19. Oktober 1933, Kontext sind ihre Beiträge für die Zeitschrift "Neue deutsche Blätter" im Malik-Verlag: "Da ich Ihre Ansicht, das Dritte Reich sei mit Deutschland und die 'Führer' des Dritten Reiches seien mit dem deutschen Volke identisch, nicht teile, kann ich es weder mit meiner Überzeugung noch mit meinem Reinlichkeitsgefühl vereinbaren, dem unwürdigen Beispiel der von Ihnen angeführten vier Herren [Alfred Döblin, René Schickele, Stefan Zweig und Thomas Mann beendeten ihre Mitarbeit an der von den Nationalsozialisten angegriffenen Zeitschrift 'Die Sammlung' im Querido-Verlag] zu folgen, denen scheinbar mehr daran liegt, in den Zeitungen des Dritten Reiches, in dem sie nicht leben wollen, gedruckt, und von den Buchhändlern verkauft zu werden, als treu zu ihrer Vergangenheit und zu ihren Überzeugungen zu stehen [...]" (Briefwechsel mit Verleger Engelhorns Nachfahren, zit. nach Eva-Maria Siegel: "Zeitgeschichte, Alltag, Kolportage oder Über den 'Bourgeois in des Menschen Seele'. Zum Exilwerk Hermynia Zur Mühlens", in: "Frauen und Exil. Zwischen Anpassung und Selbstbehauptung", hrsg. von Inge Stephan und Claus-Dieter Krohn, Berlin: De Gruyter 2022, S. 106-126, insb. S. 107f. u. S. 124; zuerst als "Briefe, die den Weg beleuchten", in: Neue Deutsche Blätter 1, 1933/34, Heft 1; "Deutsche Freiheit" 1, 1933, Nr. 115).
Bis 1933 wohnte sie in Frankfurt am Main, besuchte aber auch oft Berlin ("'Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen...' Wieland Herzfelde, Hermynia zur Mühlen, Upton Sinclair. Briefe 1919-1950", Bonn: Weidle Verlag 2001, letzter Brief S. 162, "Hermynia Zur Mühlen an Upton Sinclair, Frankfurt/M., 10.10.1930", u. S. 344, Sinclair trennte sich "auf nicht ganz korrekte Weise von seiner Übersetzerin [...]. Im Jahre 1930 verkaufte Hermynia Zur Mühlen ihre Rechte und Forderungen an Malik für eine Pauschalsumme").
Hermynia Zur Mühlen floh 1933 gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, dem jüdischen Publizisten Stefan Klein, nach Wien**, 1938 in die Tschechoslowakei, 1939 schließlich emigrierte sie nach England ("Die rote Perücke. Prosa expressionistischer Dichterinnen", hrsg. von Hartmut Vollmer, Hamburg: Igel 2010, S. 192).
S.a. Hermann Bahr: "Tagebuch. 20. Februar", in: "Neues Wiener Journal", 38. Jg., Nr. 13.031 vom 2. März 1930, S. 16 [anno.onb.ac.at]; Fritz Rosenfeld: "Die Frau zwischen gestern und morgen. Zum 50. Geburtstag Hermynia Zur Mühlens am 12. Dezember", in: "Arbeiter-Zeitung", 46. Jg., Nr. 343 vom 12. Dezember 1933 [anno.onb.ac.at]; Fritz Gross: "Frau, Dichterin, Kämpferin. Hermynia Zur Mühlen - zu ihrem 60. Geburtstag", in: "Aufbau. An American weekly published in New York", Freitag, 3.12.1943, S. 21 [deutsche-digitale-bibliothek.de]; Nachruf "Kleines Feuilleton", "Der Bund", Jg. 102, Nr. 140, 27. März 1951, Ausgabe 02, S. 3 [e-newspaperarchives.ch]; Jörg Thunecke: "Hermynia Zur Mühlen", Porträtmodul auf litkult1920er.aau.at, einem Projekt der Universität Klagenfurt, Juni 2018; Doris Hermanns: "Hermynia Zur Mühlen", fembio.org, Frauen.Biographieforschung, [um 2021].
Renate Wall: "Verbrannt, verboten, vergessen. Kleines Lexikon deutschsprachiger Schriftstellerinnen 1933 bis 1945", Köln: Pahl-Rugenstein 1989, S. 219f.: "H.Z. M., Tochter eines österreichisch-ungarischen Gesandten, lebte als Kind mit ihrem Vater in verschiedenen Ländern Europas, in Vorderasien und in Afrika. 1898 kam sie in ein Pensionat für höhere Töchter in Dresden; 1901 machte sie ihr Examen als Volksschullehrerin, durfte jedoch diesen Beruf nicht ausüben, da er als nicht standesgemäß galt. Schon frühzeitig an politischen und sozialen Problemen interessiert, beschäftigte sie sich mit den Schriften Max Stirners. 1903 kam sie in Genf mit politischen Flüchtlingen in Kontakt; 1905 war sie zeitweise in einer Buchdruckerei tätig, um die Lage der Arbeiter zu studieren. Von dem baltischen Gutsbesitzer Zur Mühlen, den sie 1907 heiratete, ließ sie sich aufgrund heftiger politischer Meinungsverschiedenheiten schon bald wieder scheiden. Von 1914 bis 1919 lebte sie
wegen einer Lungenerkrankung in Davos. Anschließend übersiedel sie nach Deutschland, wo sie der KPD beitrat und fortan bis zur faschistischen Machtübernahme als Schriftstellerin wirkte, 1924 wurde sie wegen ihrer Erzählung 'Schupomann Karl Müller' des Hochverrats angeklagt. 1933 verließ H. Z. M. Deutschland und ging nach Österreich, 1938 dann von dort in die ČSR und schließlich nach Großbritannien. H.Z. M. schrieb zahlreiche Romane und Erzählungen und übersetzte viele sozialkritische Werke ausländischer Autoren ins Deutsche. Zu ihren bedeutendsten Veröffentlichungen zählen die - autobiographische Züge aufweisenden - Bücher 'Reise durch ein Leben' (1933) und 'Fahrt ins Licht' (1936) sowie der Roman 'Unsere Töchter, die Nazinen' (193[4]). Besondere Verdienste erwarb sich H.Z. M. überdies um das proletarische Kinderbuch".
Bezug: Die Beitragendenliste von Klaus-Dieter Oelze: "Das Feuilleton der Kölnischen Zeitung im Dritten Reich", Frankfurt: B. Lang 1990, S. 107, nennt sowohl Hans B. Wagenseil als auch Hermynia Zur Mühlen. Ebenso sind beide in Reinhard Müller: "Der abenteuerliche Anarchist Karl F. Kocmata", "Kommentiertes Personenverzeichnis", Graz 2020, Anarchistische Bibliothek Wien, verzeichnet [a-bibliothek.org].
Abb. aus "Aufbau", 3.12.1943, a.a.O. (modifiziert).
Auswahl ihrer Veröffentlichungen
Zeitungsveröffentlichungen sind verlinkt in den Digitalisierungsprojekten von anno.onb.ac.at, fes.de und e-newspaperarchives.ch.
"Franz Masareel. Würdigung", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 11, 1. Juni 1919, S. 351f.
"Der fremde Gott. Erzählung", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 13, 1. Juli 1919, S. 406-409.
"Junge Mädchen Literatur", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 14/5, 1. August 1919, S. 473 f.
"Tod dem Bourgeois" [Aufruf], in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 21, 1. Hälfte November 1919, S. 632.
"Die Räterepublik im Himmel" [Erzählung], in: "Der Revolutionär", Jg. 1, Nr. 19, Dez. 1919, S. 26-28.
"Bekenntnis eines ehrlichen Bourgeois", in: "Der Revolutionär", Jg. 1, Nr. 19, Dez. 1919, S. 16f.
"Der Tempel. Roman", Berlin: Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten 1922 [dnb.de].
"Licht. Roman", Konstanz: See-Verlag [O. Wöhrle] 1922.
"Der blaue Strahl. Roman", unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry, Reihe "Die Spannung" Band 5, Stuttgart: Wagner 1922 [archive.org].
"Der Deutschvölkische. Erzählung", Berlin: Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten 1924.
"Der rote Heiland. Novellen", mit Illustrationen von Max Schwimmer, Leipzig: Verlag die Wölfe 1924.
"Schupomann Karl Müller. Erzählung", Berlin: Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten 1924.
"Das Schloß der Wahrheit", mit Illustrationen von Karl Holtz, Berlin: Verlag der Jugendinternationale [1925].
"Ejus. Roman", unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry, Jena: Neue Welt Verlag 1925, norwegische Übers. unter dem Titel "SOS djevleøene", [Oslo]: Tiden 1935 (spätere Auflagen ab 1955 unter dem Titel "Insel der Verdammnis").***
"An den Ufern des Hudson. Roman", unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry, Jena: Neue Welt Verlag 1925, 2. Auflage unter dem Titel "Der Fememord in New York", Jena: Neue Welt 1929.
"Kleine Leute. Erzählung", Berlin: Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten 1925 [dnb.de].
"Fairy tales for workers' children", translated from the German by Ida Dailes, Color drawings and color plates by Lydia Gibson, Chicago: Daily Worker Publishing Co. 1925 [archive.org].
"Die weiße Pest. Ein Roman aus Deutschlands Gegenwart", unter dem Pseudonym Traugott Lehmann, Buchgestaltung von John Heartfield und George Grosz [heartfield.adk.de], Berlin: Vereinigung Internationaler Verlagsanstalten 1926.
"Lina. Erzählung aus dem Leben eines Dienstmädchens", Berlin: Internationaler Arbeiter-Verlag 1926.
"Abenteuer in Florenz. Roman", unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry, Wien, Agis 1926.
"Im Schatten des elektrischen Stuhls. Roman", unter dem Pseudonym Lawrence H. Desberry, Baden-Baden: Merlin 1929.
"Ende und Anfang. Ein Lebensbuch", Autobiographie, Berlin: S. Fischer 1929 [verbrannte-buecher.de] (Neuausgabe als "The End and the Beginning. The Book of My Life", übers. von Frank Barners, unter Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0, Cambridge: Open Publishers Edition 2010, archive.org).
"Es war einmal ... und es wird sein. Märchen", mit Illustrationen von Heinrich Vogeler, Berlin: Verlag der Jugendinternationale 1930.
"Das Riesenrad. Roman", Stuttgart: Engelhorn 1932; englische Übersetzung "The Wheel of Life", transl. by Margaret Goldsmith, London: Barker 1933.
"Die unfehlbare Zeitung", in: "Der Götz von Berlichingen", Wien, 12. Jg., Nr. 15, 14.04.1933.
"Die Jagd nach Welle X... Ein Radio-Kriminalroman", in "Die Stunde", 11. Jg.,
1. Teil, 11.05.1933 (Nr. 3.049), "Erstes Kapitel. Die Stimme im Äther";
1. Fortsetzung, 12.05.1933 (Nr. 3.050);
2. Fortsetzung, 13.05.1933 (Nr. 3.051), "Zweites Kapitel. Ein guter Mensch sucht Hilfe bei einem Narren";
3. Fortsetzung, 14.06.1933 (Nr. 3.052), "Drittes Kapitel. Der Pfarrer lernt die elegante Welt kennen";
4. Fortsetzung, 16.05.1933 (Nr. 3.053);
5. Fortsetzung, 17.05.1933 (Nr. 3.054), "Viertes Kapitel. Hugo Brand ist neugierig";
6. Fortsetzung, 18.05.1933 (Nr. 3.055);
7. Fortsetzung, 19.05.1933 (Nr. 3.056), oberhalb Oskar Maria Graf: "Der Sauzug. Eine lustige Bauerngeschichte";
8. Fortsetzung, 20.05.1933 (Nr. 3.057);
9. Fortsetzung fehlt;
10. Fortsetzung, 23.05.1933 (Nr. 3.059);
11. Fortsetzung, 24.05.1933 (Nr. 3.060);
12. Fortsetzung, 25.05.1933 (Nr. 3.061);
13. Fortsetzung, 27.05.1933 (Nr. 3.062), "Siebentes Kapitel. Der allmächtige Zufall";
14. Fortsetzung, 28.05.1933 (Nr. 3.063);
15. Fortsetzung, 30.05.1933 (Nr. 3.064);
16. Fortsetzung, 31.05.1933 (Nr. 3.065);
17. Fortsetzung, 01.06.1933 (Nr. 3.066);
18. Fortsetzung, 02.06.1933 (Nr. 3.067);
19. Fortsetzung, 03.06.1933 (Nr. 3.068);
20. Fortsetzung, 04.06.1933 (Nr. 3.069);
21. Fortsetzung, 07.06.1933 (Nr. 3.070);
22. Fortsetzung, 08.06.1933 (Nr. 3.071);
23. Fortsetzung, 09.06.1933 (Nr. 3.072);
24. Fortsetzung, 10.06.1933 (Nr. 3.073), "Elftes Kapitel. Hugo Brand lädt seinen Revolver";
25. Fortsetzung, 11.06.1933 (Nr. 3.074);
26. Fortsetzung, 13.06.1933 (Nr. 3.075);
27. Fortsetzung, 14.06.1933 (Nr. 3.076);
28. Fortsetzung, 15.06.1933 (Nr. 3.077), "Zwölftes Kapitel. Doktor Scholz versteht einen alten Kognak nicht zu würdigen";
29. Fortsetzung, 17.06.1933 (Nr. 3.078);
30. Fortsetzung, 18.06.1933 (Nr. 3.079), "Dreizehntes Kapitel. Zwei Briefe, eine Ansichtskarte und zwei Telegramme";
31. Fortsetzung, 20.06.1933 (Nr. 3.080);
32. Fortsetzung, 21.06.1933 (Nr. 3.081);
33. Fortsetzung, 22.06.1933 (Nr. 3.082), "Vierundzwanzigstes[!] Kapitel. Elf Uhr zwanzig: Sportnachrichten";
34. Fortsetzung, 23.06.1933 (Nr. 3.083);
35. Fortsetzung, 24.06.1933 (Nr. 3.084);
36. Fortsetzung und Schluss, 25.06.1933 (Nr. 3.085).
"Vierzehn Nothelfer. Fortsetzungsroman", in: "Arbeiter-Zeitung", Wien 1933, 46. Jahrgang, 1. Teil, 16.07.1933 (Nr. 194); 2. Teil, 17.07.1933 (Nr. 195); 3. Teil, 18.07.1933 (Nr. 196); 4. Teil, 19.07.1933 (Nr. 197); 5. Teil, 20.07.1933 (Nr. 198); 6. Teil, 21.07.1933 (Nr. 199); 7. Teil, 22.07.1933 (Nr. 200); 8. Teil, 23.07.1933 (Nr. 201); 9. Teil, 24.07.1933 (Nr. 202); 10. Teil, 25.07.1933 (Nr. 203); 11. Teil, 26.07.1933 (Nr. 204); 12. Teil, 27.07.1933 (Nr. 205); 13. Teil, 28.07.1933 (Nr. 206); 14. Teil, 29.07.1933 (Nr. 207); 15. Teil, 30.07.1933 (Nr. 208); 16. Teil, 31.07.1933 (Nr. 209); 17. Teil, 01.08.1933 (Nr. 210); 18. Teil, 02.08.1933 (Nr. 211); 19. Teil, 03.08.1933 (Nr. 212); 20. Teil, 04.08.1933 (Nr. 213); 21. Teil, 05.08.1933 (Nr. 214); 22. Teil fehlt; 23. Teil, 07.08.1933 (Nr. 216); 24. Teil, 08.08.1933 (Nr. 217); 25. Teil, 09.08.1933 (Nr. 218); 26. Teil, 10.08.1933 (Nr. 219), Zwischenüberschrift "XII. Polizeirecherchen"; 27. Teil, 11.08.1933 (Nr. 220); 28. Teil, 12.08.1933 (Nr. 221); 29. Teil, 13.08.1933 (Nr. 222); 30. Teil, 14.08.1933 (Nr. 223); 31. Teil, 15.08.1933 (Nr. 224); 32. Teil, 16.08.1933 (Nr. 225); 33. Teil, 17.08.1933 (Nr. 226), Kapitel "XV. Spuren"; 34. Teil, 18.08.1933 (Nr. 227); 35. Teil, 19.08.1933 (Nr. 228), Kapitel "XVI. Herr Meyer erschrickt"; 36. Teil, 20.08.1933 (Nr. 229); 37. Teil, 21.08.1933 (Nr. 230), Kapitel "XVII. Der andre Film"; 38. Teil, 22.08.1933 (Nr. 231); 39. Teil, 23.08.1933 (Nr. 232), Kapitel "XVIII. Totentanz"; 40. Teil, 24.08.1933 (Nr. 233); 41. Teil, 25.08.1933 (Nr. 234), Kapitel "XIX. Der Mörder"; 42. Teil, 26.08.1933 (Nr. 234); 43. und letzter Teil, 27.08.1933 (Nr. 235), Kapitel "XX. Das Leben geht weiter".
"Nora hat eine famose Idee. Roman", Bern / Leipzig: Gotthelf 1933, 2. Auflage Wien: Saturn 1937 [dnb.de], 3. Auflage Wien: Büchergilde Gutenberg 1938 [dnb.de]; englische Übersetzung "Guests in the house", London: Frederick Muller 1947 [dnb.de, digital.library.upenn.edu, PDF at Celebration of Women Writers].
"Reise durch ein Leben. Roman", in: "Der Bund" 1933; als Buch, Bern / Leipzig: Gotthelf 1933 [dnb.de], 2. Auflage: Wien: Saturn**** 1937 [dnb.de], 3. Auflage Wien : Büchergilde Gutenberg [1938].
"Das Abenteuer des jüngsten Reporters", in: "Die Stunde", Wien, 11. Jg., Nr. 3.229, 15.12.1933.
"Unsere Töchter die Nazinen. Fortsetzungsroman", in: "Der Sozialdemokrat", 14. Jahrgang, Ankündigung mit Porträt der Autorin, 29.04.1934 (Nr. 100); 1. Teil, 01.05.1934 (Nr. 101); 2. Teil, 03.05.1934 (Nr. 102); 3. Teil, 04.05.1934 (Nr. 103); 4. Teil, 05.05.1934 (Nr. 104); 5. Teil, 08.05.1934 (Nr. 106); 6. Teil, 09.05.1934 (Nr. 107); 7. Teil, 10.05.1934 (Nr. 108); 8. Teil, 11.05.1934 (Nr. 109); 9. Teil, 12.05.1934 (Nr. 110); 10. Teil, 13.05.1934 (Nr. 111); 11. Teil, 15.05.1934 (Nr. 112: Erste Spalte abgerissen); 12. Teil, 16.05.1934 (Nr. 113); 13. Teil, 17.05.1934 (Nr. 114); 14. Teil, 18.05.1934 (Nr. 115); 15. Teil, 19.05.1934 (Nr. 116); 16. Teil, 20.05.1934 (Nr. 117); 17. Teil, 23.05.1934 (Nr. 118); 18. Teil, 24.05.1934 (Nr. 119); 19. Teil, 25.05.1934 (Nr. 120); 20. Teil, 26.05.1934 (Nr. 121, in Beilage "Bunte Welt": Oskar Maria Graf: "Spuk im Hinterhof. Ein Erlebnis"); 21. Teil, 27.05.1934 (Nr. 122); 22. Teil, 29.05.1934 (Nr. 123); 23. Teil, 30.05.1934 (Nr 124); 24. Teil, 31.05.1934 (Nr. 125); 25. Teil, 01.06.1934 (Nr. 126); 26. Teil, 02.06.1934 (Nr. 127); 27. Teil,03.06.1934 (Nr. 128); 28. Teil, 05.06.1934 (Nr. 129); 29. Teil, 06.06.1934 (Nr. 130); 30. Teil, 07.06.1934 (Nr. 131); 31. Teil, 08.06.1934 (Nr. 132); 32. Teil, 09.06.1934 (Nr. 133); 33. Teil, 12.06.1934 (Nr. 135); 34. Teil, 13.06.1934 (Nr. 136); 35. Teil, 14.06.1934 (Nr. 137); 36. Teil, 15.06.1934 (Nr. 138); 37. Teil, 16.06.1934 (Nr. 139); 38. Teil, 17.06.1934 (Nr. 140); 39. Teil, 19.06.1934 (Nr. 141); 40. Teil, 21.06.1934 (Nr. 143); 41. Teil, 22.06.1934 (Nr. 144); 42. Teil, 23.06.1934 (Nr. 145); 43. Teil, 24.06.1934 (Nr. 146); 44. und letzter Teil, 26.06.1934 (Nr. 147); auch Abdruck in: "Deutsche Freiheit", Saarbrücken, Jahrgang 2, zwischen Juni und August 1934, 1. Teil, 20.06.1934 (Nr. 139), 11. Teil, 01.07.1934 (Nr. 149); später als Buch bei Wien: Gsur Verlag 1938 (vgl. Lionel Gossman: "'Unsere Töchter die Nazinen.' A Synopsis in English, with an Introduction", Princeton University, 2009).
"Ein Jahr im Schatten. Roman", Zürich: Humanitas 1935, 2. Auflage Zürich / Wien / Prag: Büchergilde Gutenberg [1936], [dnb.de].
"Fahrt ins Licht. 66 Stationen. Erzählungen", Wien / Leipzig: Ludwig Nath 1936, Wien: [Lesergilde] [1936].
"Ewiges Schattenspiel. Roman", in: "Der Bund", Bern 1938/9, Band 89, 1. Teil, 08.12.1938 (Nr. 574); 2. Teil, 09.12.1938 (Nr. 576); 3. Teil, 10.12.1938 (Nr. 578); [am 11.12.1938, Nr. 579, an dieser Stelle Paul Válery: "Gedanken", übers. von Hans B. Wagenseil]; 4. Teil, 12.12.1938 (Nr. 580); 5. Teil, 13.12.1938 (Nr. 582); 6. Teil, 14.12.1938 (Nr. 584); 7. Teil, 15.12.1938 (Nr. 586); 8. Teil, 16.12.1938 (Nr. 588); 9. Teil, 17.12.1938 (Nr. 590); 10. Teil, 19.12.1938 (Nr. 592); 11. Teil, 20.12.1938 (Nr. 594); 12. Teil, 21.12.1938 (Nr. 596); 13. Teil, 22.12.1938 (Nr. 598); 14. Teil, 23.12.1938 (Nr. 600); 15. Teil, 24.12.1938 (Nr. 602); 16. Teil, 27.12.1938 (Nr. 605); 17. Teil, 28.12.1938 (Nr. 607); 18. Teil, 29.12.1938 (Nr. 609); 19. Teil, 30.12.1938 (Nr. 611); 20. Teil, 31.12.1938 (Nr. 613); Band 90, 21. Teil, 03.01.1939 (Nr. 2); 22. Teil, 04.01.1939 (Nr. 4); 23. Teil, 05.01.1939 (Nr. 6); 24. Teil, 06.01.1939 (Nr. 8); 25. Teil, 07.01.1939 (Nr. 10); 26. Teil, 09.01.1939 (Nr. 12); 27. Teil, 10.01.1939 (Nr. 14); 28. Teil, 11.01.1939 (Nr. 16); 29. Teil, 12.01.1939 (Nr. 18); 30. Teil, 13.01.1939 (Nr. 20); 31. Teil, 14.01.1939 (Nr. 22); 32. Teil, 16.01.1939 (Nr. 24, "Ende des I. Teils"); 33. Teil, 17.01.1939 (Nr. 26); 34. Teil, 18.01.1939 (Nr. 28); 35. Teil, 19.01.1939 (Nr. 30); 36. Teil, 20.01.1939 (Nr. 32); 37. Teil fehlt; 38. Teil, 21.01.1939 (Nr. 34); 39. Teil, 24.01.1939 (Nr. 38); 40. Teil, 25.01.1939 (Nr. 40); 41. Teil, 26.01.1939 (Nr. 42); 42. Teil, 27.01.1939 (Nr. 44); 43. Teil, 28.01.1939 (Nr. 46); 44. Teil, 30.01.1939 (Nr. 48); 45. Teil, 31.01.1939 (Nr. 50); 46. Teil, 01.02.1939 (Nr. 52); 47. Teil, 02.02.1939 (Nr. 54); 48. Teil, 03.02.1939 (Nr. 56); 49. Teil, 04.02.1939 (Nr. 58); 50. Teil, 06.02.1939 (Nr. 60); 51. Teil, 07.02.1939 (Nr. 62); 52. Teil, 08.02.1939 (Nr. 64); 53. Teil, 09.02.1939 (Nr. 66); 54. Teil, 10.02.1939 (Nr. 68); 55. Teil, 11.02.1939 (Nr. 70); 56. Teil, 13.02.1939 (Nr. 72); 5[7]. Teil, 14.02.1939 (Nr. 74); 58. Teil, 15.02.1939 (Nr. 76); 59. Teil, 16.02.1939 (Nr. 78); [60.] Teil, 17.02.1939 (Nr. 80); 61. Teil, 18.02.1939 (Nr. 82); 62. Teil, 20.02.1939 (Nr. 84); 63. Teil, 21.02.1939 (Nr. 86); 64. Teil, 22.02.1939 (Nr. 88); 65. Teil, 23.02.1939 (Nr. 90); 66. Teil, 24.02.1939 (Nr. 92); [67.] Teil, 25.02.1939 (Nr. 94); [am 26.02.1939, Nr. 95, an dieser Stelle Paul Valéry: "Bemerkungen, zusammenhanglos wie das Leben", übers. von Hans B. Wagenseil]; 68. Teil, 27.02.1939 (Nr. 96); [69.] Teil, 28.02.1939 (Nr. 98); 70. Teil, 01.03.1939 (Nr. 100); 71. Teil, 02.03.1939 (Nr. 102); 72. Teil, 03.03.1939 (Nr. 104); 73. Teil, 04.03.1939 (Nr. 106); 74. Teil, 06.03.1939 (Nr. 108); 75. und letzter Teil, 07.03.1939 (Nr. 110); übers. als "We Poor Shadows. Novel", London: Frederick Muller 1943, 2. Auflage London: Frederick Muller 1944 [dnb.de].
"Als der Fremde kam. Roman", Wien: Globus 1947, dt. Ausgabe unter dem Titel "Come the Stranger. Roman", London: Frederick Muller [1946], [digital.library.upenn.edu, PDF at Celebration of Women Writers].
"Eine Flasche Parfüm. Ein kleiner humoristischer Roman", illustriert von Karl Dopler, Wien: Schönbrunn-Verlag 1947.
"Man muß es ihnen sagen", in: "Arbeiter-Zeitung", Wien, 12. Dezember 1948, S. 5 (vgl. auch "The Red Countess. Select Autobiographical and Fictional Writing of Hermynia Zur Mühlen (1883-1951)", translated, annotated and with an essay by Lionel Gossman, unter Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0, Cambridge: Open Publishers Edition 2018, archive.org, insb. "We have to tell them", S. 313-317).*
"Der Hexenkessel", in: "Der Bund" 1950/51, Jahrgang 101, wochentags jeweils Ausgabe 02, 1. Teil, 13.12.1950 (Nr. 582); 2. Teil, 14.12.1950 (Nr. 584); 3. Teil, 15.12.1950 (Nr. 586); Teil 4, 17.12.1950 (Nr. 588); 5. Teil 18.12.1950 (Nr. 590); 6. Teil, 19.12.1950 (Nr. 592); 7. Teil, 20.12.1950 (Nr. 594); 8. Teil, 21.12.1950 (Nr. 596); 9. Teil, 22.12.1950 (Nr. 598); Teil 10, 24.12.1950 (Nr. 600); Teil 11, 26.12.1950 (Nr. 601); 12. Teil, 27.12.1950 (Nr. 603); 13. Teil, 28.12.1950 (Nr. 605); 14. Teil, 29.12.1950 (Nr. 607); Jahrgang 102, 15. Teil, 01.01.1951 (Nr. 1); 16. Teil, 03.01.1951, Ausgabe 01 (Nr. 2); 17. Teil, 03.01.1951, Ausgabe 02 (Nr. 3); 18. Teil, 04.01.1951 (Nr. 5); 19. Teil, 05.01.1951 (Nr. 7); 20. Teil, 07.01.1951 (Nr. 9); 21. Teil, 08.01.1951 (Nr. 11); 22. Teil, 09.01.1951 (Nr. 13); 23. Teil, 10.01.1951 (Nr. 15); 24. Teil, 11.01.1951 (Nr. 17); 25. Teil, 12.01.1951 (Nr. 19); 26. Teil, 14.01.1951 (Nr. 21); 27. Teil, 15.01.1951 (Nr. 23); 28. und letzter Teil, 16.01.1951 (Nr. 25).
"Signor Amadeo", in: "Der Bund", Jahrgang 102, 09.03.1951, Ausgabe 02 (Nr. 115), S. 6f.
Neben den Übersetzungen, die im Malik-Verlag bzw. später im Humanitas- oder Diana-Verlag erschienen waren, sind herauszuheben:
Philias Lebesgue: "Die Aepfel", in: "Der Friede", Band 2, Nr. 42, 8. Nov. 1918, S. 384.
Henri Guilbeaux: "Das Lied des Rheins", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 5, 1. März 1919, S. 135-138.
Henri Guilbeaux: "Hymnen", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 7, 1. April 1919, S. 202-205.
Marcel Savage: "Das Gebet im Tal", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 9, 1. Mai 1919, S. 270-272.
Douglas Goldring: "Solvent", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 14/15, 1. Aug. 1919, S. 432-439.
Henri Guilbeau: "Gesänge wider den Krieg", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 14/15, 1. Aug. 1919, S. 452-456.
Upton Sinclair: "Jimmie Higgins", in: "Die Erde", Jg. 1, Heft 18/19, 1. Okt. 1919, S. 547-554.
Ernest Poole: "Der Hafen. Roman" [The harbour], Reihe "Romane der Neuen Gesellschaft" Bd. 1, Berlin-Fichtenau: Verlag Gesellschaft und Erziehung, 1920.
John Galsworthy: "Jenseits. Roman [einer Leidenschaft]", Zürich: Rascher 1921, 2. Auflage Berlin: Th. Knaur Nachfahren [1927].
Jerome Klapka Jerome: "Alle Wege führen nach Golgatha. Roman" [All Roads lead to Calvary], München: Drei Masken Verlag 1922.
Alexander Alexandrowitsch Bogdanow: "Der rote Stern. Ein utopischer Roman", Berlin-Schöneberg: Verlag der Jugendinternationale 1923 [dnb.de].
Max Eastman: "Der Sprung ins Leben", Berlin: Th. Knaur Nachfahren [1928].
Harold Nicolson: "Die Verschwörung der Diplomaten. Aus Sir Arthur Nicolsons Leben 1849-1928", Frankfurt am Main: Societät, 1931.*****
Harold Nicolson: "Die Herren der Welt privat" [Public Faces], in: "Die Stunde", Wien, Februar bis April 1933****/6; Frankfurt am Main: Societät, 1933.*****
[ Anmerkungen. annotations. remarques ]
* "Man muß es ihnen sagen", übertragen aus dem Deutschen von Lionel Gosman, rückübersetzt aus dem Englischen, Creative-Commons-Lizenz CC BY 4.0.
Im Juni begann das kleine Mädchen, die Tage bis zu den Ferien zu zählen. Im Alter von acht Jahren hatte sie die Entdeckung gemacht, dass nicht alle Tage gleich lang sind. Gegen Ende der Ferien rasen sie wie verrückt vorbei, schneller als Pferde, schneller als Autos - aber kurz vor den Ferien kriechen sie dahin wie Schnecken oder wie der alte Mann, der sonntags vor der Kirche stand und bettelte, und dem das kleine Mädchen ein paar Pfennige geben durfte. Das kleine Mädchen sprach mit ihrem Vater über diese merkwürdige Entdeckung und konnte ihm kaum glauben, als er ihr sagte, dass alle Tage gleich lang sind und dass es nur die Angst oder die Sehnsucht ist, die eine Stunde auf zwei, manchmal sogar auf drei Stunden ausdehnt oder im Gegensatz dazu dieselbe Stunde auf eine halbe Stunde oder sogar nur eine Viertelstunde schrumpfen lässt. Das mit der Sehnsucht hat sie allerdings verstanden. Hatte sie sich nicht schon seit Monaten nach dem Tag gesehnt, an dem man ihr sagen würde: "Morgen fahren wir nach Wognin." Wognin war das Familienanwesen in der Slowakei, aber man hätte es genauso gut "Himmel" oder "Paradies" nennen können. Vielleicht waren es gar nicht so sehr das alte Schloss und das Anwesen selbst, die sie liebte - obwohl die Pferdekoppel so schön war wie der Garten Eden hätte sein können. Es war das kleine Dorf selbst, mit seinen bunt bemalten Häusern, seinen kleinen Geschäften und seinem Wochenmarkt. Das war noch wunderbarer, verlockender und aufregender. Und in diesem Jahr war alles besonders schön, denn das arme Kindermädchen war zu ihrer kranken Mutter gefahren, und das kleine Mädchen, das jetzt zehn Jahre alt war, durfte allein ins Dorf gehen und mit den Dorfkindern spielen.
An einem hellen, sonnigen Tag machte sie sich früh auf den Weg, ordentlich und sauber, in einem weißen Kleid, und strahlte vor Vorfreude. Doch als sie in die kleine Straße am Bach einbog, hörte sie schreckliche Schreie. Sie rannte in die Richtung, aus der der Lärm kam. Eine halbe Stunde später war sie auf dem Weg nach Hause, verprügelt, keuchend, weinend, mit rotem Gesicht, ihr weißes Kleid zerrissen und schmutzig.
Ihre Eltern saßen noch am Frühstückstisch, als sie auf die Veranda stürmte.
"Wie du aussiehst!", sagte ihre Mutter streng. "Geh und zieh dich sofort um."
Ihr Vater hingegen schaute ihr kleines Gesicht an und sagte: "Setz dich, Nina. Erzähl uns, was passiert ist."
Noch immer keuchend und schluchzend rang Nina um Atem und brachte schließlich eine Reihe unzusammenhängender Worte heraus: "Jan und Hanus und Svata und der große Sohn des Müllers Nedbal ..."
"Ja?", fragte ihr Vater sanft. "Was ist mit ihnen?"
"Du musst ihnen eine Tracht Prügel geben, Vater. Und zwar sofort. Los geht's. Ihr müsst sie gut bestrafen."
"Warum denn?"
Das kleine Mädchen putzte sich die Nase. Ihre Stimme zitterte. Aber jetzt war sie voller Wut.
"Wisst ihr, was sie gemacht haben? Alle vier, so große Jungs, und Nedbars Sohn ist ja schon erwachsen, alle vier haben sich auf den kleinen Heini gestürzt - du weißt, wen ich meine, Vater, Heini Neuwirth - und haben ihn verprügelt, vier gegen einen, und Heini ist noch so klein, und dann haben sie ihn mit Steinen beworfen und Zid (Jude) geschrien..."
Ninas Mutter legte die Stirn in Falten. "Ich sage dir immer wieder, Nina, du sollst nicht mit den Gören aus dem Dorf spielen. Das kommt davon. Sieh dir nur dein Kleid an ..."
"Bälger", sagte ihr Vater verärgert. Und dann: "Und was hast du gemacht, Nina?", fragte er mit angespannter Stimme.
"Ich habe Jan einen ordentlichen Schlag um die Ohren verpasst", sagte Nina. "Er ist der Kleinste von ihnen. Dann habe ich sie angeschrien und ihnen gedroht. Und sie sind alle weggelaufen. Das sind doch alles Feiglinge, diese Rohlinge."
"Sprich nicht so ordinär, Nina", warf ihre Mutter vorwurfsvoll ein.
"Aber selbst Vater hat gesagt ... Und außerdem sind es Bestien. Vier gegen einen. All die Stärkeren gegen einen Schwächeren. Komm schon, Vater. Lass uns gehen und es ihnen heimzahlen."
"Das können wir nicht tun, Nina."
"Aber irgendjemand muss doch etwas tun. Zu der Zeit war niemand auf der Straße. Keiner hat gesehen, was diese bösen Jungs getan haben. Vater..."
"Sieh mal, Nina, ich kann da nichts machen", sagte ihr Vater, und wenn es nicht so undenkbar gewesen wäre, hätte Nina denken können, dass er sich schämte.
Sie dachte einen Moment lang nach. "Irgendjemand muss doch etwas tun."
Ihre Mutter mischte sich ein. "Misch dich nicht in Dinge ein, die dich nichts angehen. Und jetzt geh und zieh dich um."
"Sieh mal, Nina, solche Dinge passieren", sagte ihr Vater beschwichtigend. "Die Leute wissen nicht..."
"Sie wissen es nicht?" Der helle Sommertag, der für Nina so plötzlich dunkel und traurig geworden war, wurde wieder hell.
"Na ja, wenn sie es nicht wissen, dann sind sie ja nicht so schlimm. Aber wir müssen es ihnen sagen."
Ihr Vater sah sie mit einem besorgten Blick an. "Da hast du viel zu tun, Kind."
"Geh dich umziehen", wiederholte ihre Mutter.
Nina nickte und ging, aber sie hatte nicht die Absicht, sich umzuziehen. Verprügelt und schmutzig rannte sie in ihrem zerrissenen Kleid zurück ins Dorf. Sie würde allen erzählen, was passiert war, und alle würden empört und wütend sein, und die bösen Jungs würden bestraft werden. Wenn solche Dinge nur deshalb passierten, weil die Leute nichts davon wussten, wäre es nicht schwer, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Jemand musste es ihnen nur sagen. Und sie würde es tun.
Ihr erster Halt war der des Pfarrers. Nina mochte den jungen Pfarrer nicht, der nach dem Tod des guten alten Pfarrers ins Dorf gekommen war. Er sah streng und gemein aus. Aber er ist ein großer Mann und alle hören auf ihn. Der Pfarrer selbst öffnete die Tür. Nina wartete nicht einmal darauf, dass er sie hereinbat. Sie stand noch auf dem Gang und erzählte ihm, was geschehen war. "Hochwürden", schloss sie, "Sie müssen diese Jungen ex-muni-cieren!" Und sie dachte an den Kaiser Heinrich von Canossa, das Thema ihrer letzten Religionsstunde vor den Ferien. Der Pfarrer runzelte die Stirn. "So etwas kommt vor", sagte er gereizt. "Es gibt keinen Grund, wegen eines kleinen Judenjungen so viel Aufhebens zu machen."
Nina starrte ihn an. Plötzlich liefen ihr kalte Schauer über den Rücken.
"Sie ... Sie wissen, dass solche Dinge ... Sie wissen es wirklich?"
"Natürlich. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass Sie sich so aufregen." Nina bemerkte, dass der Priester sie nicht mehr in der gewohnten "Du"-Form ansprach, wie er es früher getan hatte. Er sprach jetzt mit ihr wie mit einem Erwachsenen, der ihm missfallen hatte. Ihr kleines Gesicht wurde blass und hart. "Du hast immer gewusst, dass solche Dinge passieren - unter uns, in unserem Dorf?"
"Ich bin gerade beschäftigt. Ich habe keine Zeit", antwortete der Priester.
"Keine Zeit! Aber das ist wie ... wie die Leute, die vorbeigegangen sind, bis der barmherzige Samariter kam."
Das Gesicht des Priesters wurde rot vor Zorn.
"Ich werde dich bei deinem Vater anzeigen", sagte er und schob Nina zur Tür hinaus.
Sie ging langsam weiter. Sie fühlte sich, als hätte ihr jemand einen Schlag auf den Kopf versetzt. Er weiß es, unser Pfarrer weiß es, und er unternimmt nichts!
Sie ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten. Er ist ein böser Mensch. Er wird in die Hölle kommen. Oder zumindest für tausend Jahre ins Fegefeuer geschickt werden. Und wenn er stirbt, werde ich nicht für seine Seele beten.
Von diesen Gedanken etwas getröstet, ging sie zum nächsten Haus, um den Leuten zu erzählen, was geschehen war. Sie ging von einem Haus, in dem sie die Leute kannte, zum anderen. Sie flehte, dann wurde sie wütend, dann verzweifelt. Sie, die immer alle geliebt hatte, begann die Menschen im Dorf zu hassen. Alle wussten Bescheid, so schien es, und niemand unternahm etwas.
Die Sonne stand hoch am Himmel. Die Luft flirrte von der Hitze. Nina schleppte sich weiter, ihre müden Füße warfen kleine Wolken aus feinem Staub auf. Jetzt war sie bei jedem Haus, das sie kannte, stehen geblieben. So viele Häuser, dachte sie, so viele Menschen, und alle wissen es, und keiner tut etwas, keiner. Was ist das nur für eine Welt? Vater hatte Unrecht, dass die Leute nichts wissen. Aber Vater selbst wird nichts tun.
Sie kämpfte sich langsam, ganz langsam nach Hause. Sie werden immer noch am Frühstückstisch sitzen, als ob nichts geschehen wäre, dachte sie, völlig verwirrt. Und Mutter konnte nur von meinem Kleid sprechen. Ich will nicht nach Hause gehen.
Plötzlich kam ihr alles seltsam vor. Und dann hatte sie eine Erleuchtung. Es war so schrecklich, dass sie wie von einem Schlag getroffen am Rande eines Grabens zusammensank und den Kopf in die Hände nahm. Wenn das überall so ist, überall auf der Welt, wenn überall Unrecht geschieht und jeder weiß es und keiner tut etwas... keiner...
Die Sonne schien hell und verbreitete ihre Wärme über das Land; der Himmel war klar und blau; überall herrschte Schönheit und Frieden. Am Rande eines Grabens saß ein kleines Mädchen und starrte in eine schwarze, undurchdringliche Nacht des Grauens. Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie voller Verzweiflung und Angst unter Schluchzen immer wieder sagte "Sie alle wissen es, sie alle wissen es."
Abb. ai-basiert, unter Verwendung von craiyon.com, DALL-E mini, 2023.
** Nach Kürschers "Literatur-Kalender 1934", 47. Jahrgang, Sp. 959: "Wien XVIII 1, Gymnasiumstr. 35".
*** Dargestellt als Übersetzung: "Lawrence H. Desberry. Aus dem amerikanischen Manuskript übertragen von Hermynia Zur Mühlen". Jörg Thunecke, a.a.O., 2018, schreibt zu ihrem Werk "Ejus. Ein Roman": "In der Nacht vor dem von O'Keefe organisierten Aufstand der Inselbewohner hält der Journalist in einem abgelegenen Steinbruch eine mitreißende, aufrührerische Rede, die das ganze Ausmaß von Zur Mühlens revolutionärer Zielrichtung in EJUS erkennen lässt":
"Nicht Rache, Freunde, sondern Gerechtigkeit. Wir werden über die Mörder zu Gericht sitzen, ein Urteil fällen. Und dies ist erst der Beginn. [...] Nicht nur dieses herrliche Stück Erde, das wie zur Lust und Freude der Menschen geschaffen wurde, ist durch die Habgier und die verbrecherische Selbstsucht eines Einzelnen in eine Hölleninsel verwandelt worden, nein, die ganze Welt in ihrer Schönheit und ihren Glücksmöglichkeiten für alle wurde durch das kapitalistische System und dessen Verfechter und Nutznießer zur Höllenwelt für die ausgebeuteten Massen. [...] Aber der Morgenwind, der vom Osten weht, zerstreut allmähliche diese giftigen Dämpfe, tote Gehirne erwachen zum Leben, blicklose Augen lernen sehen, gekrümmte Rücken recken sich hoch, erschlaffte Hände greifen nach Waffen. Das Weltgericht naht. Früher lebten die Proletarier alle wie auf einer einsamen Insel, abgeschnitten voneinander, hilflos zur Ohnmacht verdammt, aber heute trägt das Schiff, von dessen Mast die rote Fahne weht, ihnen voneinander Botschaft zu, Botschaft von siegreichen Kämpfen, Botschaft auch von Niederlagen, die wieder gutgemacht werden müssen. Die proletarische Welt ist eins im Streben, im Ziel: sobald die Massen es wollen, werden sie die Feinde schlagen, werden, freilich, unter unsäglichen Mühen, aber zielsicher aus der Höllenwelt die freie, gerechte, schönheitsreiche Welt der Werktätigen schaffen!" ("Ejus", Jena: Neue Welt Verlag 1925, S. 163f.).
**** Im Wiener Saturn-Verlag erschien u.a. auch "Der Titanensturz. Roman eines Zeitalters", Wien: Saturn 1937, von Robert Friedländer-Prechtl. Buch und Autor spielen eine Rolle im Artikel von Anita von Einsiedel.
***** In Kurt Wagenseils Bibliothek, Stand 2002, vorhanden.
****/6 Eine Seite vor der 24. Fortsetzung, 22.03.1933 (11. Jg, Nr. 3.008), befindet sich der Text Hans B. Wagenseil: "Das Wahrheitsserum".
Register der Überlieferung der Übersetzungen bis 1950
Personenregister (Übersetzungen etc.)
Adressregister
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
E-Mail: kriswagenseil [at] gmx [point] de