Nick Gietinger: "Idealistischer Materialismus. Bruno Latour und die Prämissen einer unkritischen Theorie", diskus.copyriot.com, 2023

mit Bezug zu: "Die Kultur. Eine unabhängige Zeitung mit internationalen Beiträgen" ("Positivismusstreit"), Frankfurt: Syndikat ("Möglichkeit der proletarischen Revolution erloschen", Gilles Deleuze), Grenzbegriffe "Indien", "Orient"), Ursula Pommer (Neil Postman), "Nominalismusproblem" (Michel Foucault, Martin Heidegger), Paris: Éditions de Minuit (Gilles Deleuze, Michel Foucault, Michel Serres), (West-) Berlin: Merve (Bruno Latour, Michel Foucault, Michel Serres, Gilles Deleuze, Donna Haraway) ⇆ Edition Tiamat (Robert Kurz → Gruppe "krisis.org"), Douglas Ord (Gilles Deleuze), Milano: Feltrinelli (Gilles Deleuze, Michel Foucault), { "Warenform" (Karl Marx, Georg Wilhelm Hegel ) ⇆ "Poststrukturalismus" (Michel Foucault, Gilles Deleuze) }New Materialisms (Bruno Latour, Donna Haraway, Michel Serres, Benjamin H. Bratton), "Spiegel", "Trummsäge" → "ein ausnehmend besonderes Ding" (Josef König, Michael Weingarten)

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Nick Gietinger: "Idealistischer Materialismus. Bruno Latour und die Prämissen einer unkritischen Theorie", diskus.copyriot.com, 30.9.2023 (parallele Veröffentlichung bei "krisis.org. Kritik der Warengesellschaft", 19.10.2023):

"Der Neue Materialismus möchte sich einerseits von hegelianischen und marxistischen Denkrichtungen abgrenzen und gleichzeitig dem Relativismus und der Konzentration auf Sprache und Diskurse im Poststrukturalismus etwas entgegensetzen. Den Dingen, dem Materiellen bzw. den 'nicht-menschlichen Akteuren' soll mehr Wirkmächtigkeit zugesprochen werden. In Frage gestellt wird damit das westliche Denken der Aufklärung mit seinem Dualismus von Subjekt und Objekt und den damit einhergehenden Trennungen von Subjektivität und Rationalität, Wahrheit und Ideologie, Natur und Gesellschaft, Wissenschaft und Politik etc. [...]. [Baruch de] Spinoza entwarf demgegenüber [...] eine sogenannte monistische Philosophie. Sie sollte ohne eine Dichotomie auskommen, in der die eine Seite die andere beherrscht. Diese spinozistische Philosophietradition erlebte [...] durch Persönlichkeiten wie Gilles Deleuze, Michel Foucault oder Michel Serres einen neuen Aufschwung. [...]

Statt von dualistisch angelegten Subjekten und Objekten sprach [Bruno Latour] mit Bezug auf Michel Serres von Quasi-Objekten, also Phänomenen, die weder Subjekt noch Objekt seien ['Der Parasit', Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987]. [...] An anderer Stelle nennt Latour sie auch Hybride. Donna Haraway übernahm dieses Konzept und gab ihnen in ihrem berühmten Manifest den Namen 'Cyborgs' ['Manifesto for Cyborgs. Science, Technology, and Socialist Feminism in the 1980s', in: 'Socialist Review', Band 80, 1985, S. 65-108]. [...]

Für Latour zeichnet sich die Art, wie in der Moderne Kritik geäußert wird, dadurch aus, dass sie die naiven Meinungen der Menschen als eine Erscheinung abtue und ein verborgenes Wesen, etwas Unumstößliches und somit unabhängig von den Menschen Existierendes, zur Erklärung heranziehe ['Wir sind nie modern gewesen. Versuch einer symmetrischen Anthropologie', Erstausgabe 'Nous n'avons jamais été modernes. Essai d'anthropologie symétrique', Paris: La Découverte 1991, übersetzt von Gustav Roßler, Oldenbourg: Akademie Verlag 1995, zitiert nach Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008, S. 49f.]. Seiner Meinung nach würden die Dualismen erst nach einer ursprünglich nicht-dualistischen Praxis getrennt werden. Diese ursprüngliche Praxis nennt er 'Übersetzungen'. Latour macht somit zwei Ebenen auf. [...]. Die zweite Ebene ist für Latour die moderne Ebene. Sie besteht aus einer nachträglichen 'Reinigung', in der die Modernen die vorherigen Übersetzungen nach ihrer modernen dualistischen Verfassung trennen. Die Modernen hielten nur die zweite Ebene für die Realität [...].

Latour kritisiert [...] an [Martin] Heidegger, dass er die Moderne zu ernst genommen habe, dabei sei sie ja gar nicht die echte Realität. [...] Eigentlich sei die phänomenologische Methode die Beschreibung der Realität [...] [Latour, a.a.O., 2008, S. 87]. Latour möchte also 'das unmögliche Projekt Heideggers durch[führen]' [Latour, a.a.O., 2008, S. 90] [;...] '(...) ich bin, letztlich, ein naiver Realist, ein Positivist' ['Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft', Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010, S. 270]".

Abb. "Arm mit Kamera in unendlichen Spiegel gehalten" von Nevit Dilmen unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0 (modifiziert).

 

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