Hamburg: Edition Kritik 2023ff.

mit Bezug zu: Hamburg: MaD, Jürgen Habermas (Boston: Beacon, Buenos Aires: Sur), Karl Korsch ("Warenform, Paris: Éditions de Minuit, Milano: Feltrinelli, 重庆:重庆出版社 = Chongqing: Chongqing Publishing House, Hamburg: Spartakus GmbH, "Die Kultur"), Theodor W. Adorno / Max Horkheimer: "Dialektik der Aufklärung", Freiburg: Ça ira (Moishe Postone)

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Veröffentlichungen. Publications

"Widerspruchsgeist. Beiträge zur Gesellschaftstheorie", hrsg. von Bastian Bredtmann, mit Aufsätzen von Bastian Bredtmann, Julian Duschek, Heinrich Hofer, Karina Korecky, JustIn Monday, Björn Oellers, Hanno Plass, Veith Selk, Paul Stegemann, 2023.

Gerhard Stapelfeldt: "1923. Lenin, Luxemburg, Korsch, Lukács, Bloch", 2024.

 

Stapelfeldt, "1923", S. 222-225:

"Autoren wie Helmut Reichelt, Moishe Postone oder Ingo Elbe verschreiben sich der Philologie: Im Werk von Marx werden überhistorische Erkenntnisse gesucht, die man dann auf alle möglichen Stadien des Kapitalismus anwenden kann. Ausdrücklich verabschiedet sich Ingo Elbe von der Einsicht in den 'Zeitkern der Wahrheit' ([Max] Horkheimer), durch die allein das Be- stehende als geworden und veränderbar bewusst wird. In dieser dogmatischen Einstellung schreibt Elbe ein ebenso bienenfleißiges wie gedankenloses Werk über die 'neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik': 'Marx im Westen' ( ['Marx im Westen. Die neue Marx-Lektüre in der Bundesrepublik seit 1965', Berlin: Akademie] 2008). [...]

Elbe unterstellt den Untersuchungen der 'neuen Marx-Lektüre', weitgehend auch zutreffend, aber auch zustimmend, sie untersuchten an Marx' Kritik der politischen Ökonomie eine überhistorische politisch-ökonomische Struktur des Kapitals, die von der antiken Chrematistik bis zum Merkantilismus, vom Liberalismus bis zum Imperialismus, vom US-Staatskapitalismus bis zur nationalsozialistischen 'völkischen Wirtschaft' und schließlich bis zum Neoliberalismus reicht. Da kein Kritiker der politischen Ökonomie jemals in diesem abstrakten Himmelreich der Gesellschaftsgeschichte zu Hause war, kann eine solche überhistorische Theorie sich nicht auf Erkenntnis stützen - sondern nur auf Plausibilität. Souverän schiebt Elbe die klassische Forderung Karl Korschs (1923, S. 34 f., S. 97) beiseite, die 'materialistische Geschichtsauffassung auf die materialistische Geschichtsauffassung selbst' anzuwenden: Davon müsse 'hier vollends abgesehen werden' (Elbe 2008, S. 13). Elbe plädiert, mit anderen Worten, für eine übergeschichtliche Geschichtstheorie (MEW 19, S. 108-112). Auf diesem 'extrem hohen begrifflichen Abstraktionsniveau' (Elbe 2008, S. 10), auf dem von aller Geschichte abstrahiert wird, schwindet das Marx'sche Erkenntnisinteresse: das Bestehende als das durch 'revolutionäre Praxis' (MEW 3, S. 6) zu Verändernde dialektisch aufzuklären. [...]

Wer die, eigentlich triviale, Forderung Korschs souverän beiseiteschiebt, hätte auch formulieren können: An einer Erkenntnis von bürgerlicher Ökonomie und Gesellschaft ist der Autor von 'Marx im Westen' gar nicht interessiert - er betreibt die Musealisierung einer einst revolutionären Theorie und beraubt diese dadurch ihres Kerns. Elbe integriert Marx in den herrschenden 'Geist der Zeit', den neoliberalen 'freiwilligen Konformismus' (Hayek [Friedrich Hayek: 'The Constitution of Liberty', Chicago: University of Chicago Press 1960, übers. 'Die Verfassung der Freiheit', Tübingen: Mohr 1971] 1960, S. 78 f.).

Auf einer Tagung im Jahr 2012 an der Universität Wuppertal wird über 'Habermas und der Historische Materialismus' diskutiert (Rapic ['Habermas und der Historische Materialismus', hrsg. von Smail Rapic, Freiburg / München: Karl Alber Verlag] 2014). Ingo Elbe tritt mit einem Referat auf: 'Habermas' Kritik des Produktionsparadigmas' (in ebd., S. 123-150). Habermas entgegnet mit folgenden Bemerkungen:

'Was uns beide unterscheidet, ist in erster Linie ein Stil des Umgangs mit dem verzweigten Marx'schen Werk. ... Die Absicht, Marx durch Interpretation und nur durch Interpretation - zu neuem Leben zu erwecken, ist, wie ich glaube, das Letzte, was dem Marx'schen Selbstverständnis angemessen ist. Der Vortrag erweckt den Eindruck, als wäre der Autor mit einem Suchprogramm durch meine Arbeiten hindurchgebraust, um alle Marx-Zitate bis zum Jahre 1982 herauszusuchen und nachzusehen, wie sich meine Kritik zu einer bestimmten, für orthodox gehaltenen Interpretation der Marx'schen Politischen Ökonomie verhält. Dieses schematische Verfahren verschleiert die verschiedenen Kontexte, in denen ich mich jeweils unter verschiedenen Fragestellungen auf verschiedene Teile der Marx'schen Theorie bezogen habe. Ingo Elbes hermeneutische Anstrengung ist komisch und erzeugt skurrile Effekte, weil er so tut, als ginge es mir ... immer um dasselbe. In diesem Fall ist es nur der Kritiker, dem es obsessiv immer um dasselbe geht: Er möchte mir ein Missverständnis des Fetischcharakters der Ware und jener Art der Wertformanalyse aus den 80er-Jahren des vorigen Jahrhunderts nachweisen, die ich tatsächlich nur im Vorbeigehen zur Kenntnis genommen habe.' (Habermas [Jürgen Habermas: 'Nachmetaphysisches Denken II. Aufsätze und Repliken', Frankfurt: Suhrkamp] 2012, S. 151-153).

So treffend Habermas den Referenten karikiert - der Gesellschaftstheoretiker hätte den gesellschaftlichen Irrationalismus von Elbe als Marxismus in den Zeiten des neoliberalen gesellschaftlichen Konformismus explizieren müssen, um nicht in Hayeks ([Friedrich Hayek: 'Individualismus und wirtschaftliche Ordnung', Erlenbach-Zürich: Eugen Rentsch] 1952b, S. 31 ff.) 'methodologischen Individualismus' zu verfallen. Dann hätte Habermas nicht nur der zitierten Forderung von Korsch (1923), sondern auch Horkheimers und Adornos Verweis auf den 'Zeitkern der Wahrheit' und seinen eigenen frühen Einsichten entsprochen".

Danke für den Hinweis an M.J.

 

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