Artist's Communities - communes d'artistes - Künstler*innen-Kommunen

mit Bezug zu: Kurt Wagenseil, Hans B. Wagenseil

In English: Short Introduction | En français: Brève introduction | Magyarul: rövid bevezető | På svenska: Kort introduktion | краткое введение | In italiano: Breve introduzione | En español: Breve introducción

 

Schwabing - Worpswede - Berlin-Wilmersdorf - Cap d'Antibes - Paris, Rue Campagne première

 

Schwabing

Waldemar Fromm: Artikel "Schwabinger Boheme", in: Historisches Lexikon Bayern, 2021: "Die Schwabinger Boheme war eine künstlerisch-intellektuelle Bewegung in München um 1900, deren Künstler und Literaten mit neuen Formen experimentierten und gegen die bürgerliche Kultur des wilhelminischen Deutschland eingestellt waren. Diese Bewegung hatte ihre Ursprünge im Paris der 1830er Jahre und verbreitete sich von dort aus in ganz Europa. In München siedelten sich die jungen Künstler vor allem in den damals preiswerteren Stadtvierteln Schwabing und Maxvorstadt an, deren Gasthöfe und Cafés auch die bevorzugten Treffpunkte der Boheme wurden. In einer Vielzahl von literarischen Werken, wie den Romanen von Franziska 'Fanny' Gräfin zu Reventlow (1871-1918) und Ernst Freiherr von Wolzogen (1855-1934), wurde dieser Lebensstil in dieser Zeit verarbeitet [insb. Reventlow: 'Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil', München: Albert Langen 1913; s. Münchener Digitalisierungszentrum]. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges ging die Hochphase der Boheme zu Ende".

Kristian Baethe: "Wer wohnte wo in Schwabing?", München: Süddeutscher Verlag 1965.

Hans B. Wagenseil wohnte, belegt für 1918/19, in der Hohenzollernstraße 99, Grete Lichtenstein, belegt für 1918, in der Giselastraße 2.

 

Worpswede

Abb. 16 Heinrich Vogeler: "Ex-Libris", 1901, in: Rainer Maria Rilke: "Worpswede. Fritz Mackensen, Otto Modersohn, Fritz Overbeck, Hans am Ende, Heinrich Vogeler", Bielefeld : Velhagen u. Klasing, 1903 [archive.org], S. 117.

Gründung 1889. "[E]ine Gemeinde im Landkreis Osterholz in Niedersachsen, an der Hamme nordöstlich von Bremen, mitten im Teufelsmoor gelegen, und ein staatlich anerkannter Erholungsort"; "[a]uch viele Künstler, voran Fritz Mackensen und Carl Emil Uphoff, huldigten der völkischen Idee. So wurde Fritz Mackensen in den 30er-Jahren zum örtlichen Vertrauensmann der Reichskulturkammer (RKK) ernannt, während sich Linke [...] zur Emigration gezwungen sahen" (WP).

Kinderheim Barkenhoff in Worpswede der Roten Hilfe Deutschland geschenkt (Artikel in "Der Rote Helfer" 1926f., siehe Mopr-Verlag). Siehe zu Heinrich Vogeler auch unter Berlin-Wilmersdorf, Anm. 28, Alfred Kantorowicz: "Deutsches Tagebuch. 1. Teil", Kindler: München 1959, S. 236f.: "Der Ausflug nach Worpswede".

Gründungsgeneration

Hans am Ende, Maler
Walter Bertelsmann, Maler
August Haake, Maler
Theodor Herrmann, Maler
Bernhard Hoetger, Architekt, Bildhauer, Maler
Karl Krummacher, Maler
Fritz Mackensen, Maler
Emmy Meyer, Malerin
Otto Modersohn, Maler
Paula Modersohn-Becker, Malerin
Fritz Overbeck, Maler
Hermine Overbeck-Rohte, Malerin
Wilhelm Scharrelmann, Schriftsteller
Alfred Schulze, Architekt
Walter Schulze, Architekt, Maler
Hede von Trapp, Dichterin, Malerin und Grafikerin
Carl Vinnen, Maler
Heinrich Vogeler, Maler
Martha Vogeler, geb. Schröder, Illustratorin, Sammlerin und Modell
Carl Emil Uphoff, Maler
Clara Westhoff, Bildhauerin

Zweite Künstlergeneration

Wilhelm Bartsch, Maler
1910-1922: Ludwig Bäumer, Dichter und Kommunist
Jürgen Bertelsmann, Maler
Heinz Dodenhoff, Maler und Lyriker
um 1920: Hilde Hamann, Malerin, Keramikerin, Emailleurin
um 1920: Paul Hamann, Bildhauer, Zeichner, Graphiker
Manfred Hausmann, Schriftsteller
1911: Karl Jakob Hirsch, Maler und Schriftsteller ("Novembergruppe")
Vollrath Hoeck, Maler
Bernhard Huys, Maler
Carl Jörres, Maler
Robert Koepke, Maler und Graphiker
Otto Meier, Keramiker
Leberecht Migge, Landschaftsarchitekt
Martin Paul Müller, Maler und Graphiker
Charlotte Niemann, Regisseurin und Komponistin
Walter Niemann, Maler, Graphiker und Bildhauer
Richard Oelze, Maler
Lisel Oppel, Malerin
Udo Peters, Landschaftsmaler
1928: Gustav Regler*, Schriftsteller, Journalist
Agnes Sander-Plump, Malerin
Lore Schill, Malerin
1895 bis 1897: Otto Sohn-Rethel
Feodor Szerbakow, Maler
Otto Tetjus Tügel, Maler und Lyriker
Bram van Velde, Maler
Fritz Uphoff, Maler
Willi Vogel, Maler
1921 [Brief an Armin T. Wegner, 27.10.1921]: Hans B. Wagenseil, Schriftsteller
Carlo Weidemeyer, Graphiker, Maler, Architekt
Sophie Wencke-Meinken, Malerin
Paul Ernst Wilke, Maler
nach 1921: Friedrich Wolf*, Schriftsteller und Dramatiker

 

Berlin-Wilmersdorf

Am 30. April 1927 erfolgte die Grundsteinlegung der Künstlerkolonie Berlin-Wilmersdorf. "1926 wurde das Areal zwischen der Laubenheimer Str. und dem Breitenbachplatz erworben: von der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA) und dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller, die zu diesem Zwecke die Gemeinnützige Heimstätten Ges. G. m. b. H. 'Künstlerkolonie' gegründet hatten. Es sollten für die Mitglieder dieser Gesellschaften bezahlbarer und - im Gegensatz zu den Mietskasernen - angenehmer Wohnraum geschaffen werden" (kueko-berlin.de).

Clemens Pätzold: "Künstlerkolonie am Breitenbachplatz", berlin-lese.de, 2021: "Zwischen der Kreuznacher Straße und dem Südwestkorso sowie dem Steinrückweg und der Laubenheimer Straße liegt im Berliner Bezirk Wilmersdorf eine Wohnsiedlung aus vier- und fünfgeschossigen Häusern, die zwischen 1927 und 1931 erbaut wurde. Das Zentrum der Anlage bildet der Ludwig-Barnay-Platz (ehemals Laubenheimer Platz). [...] Viele der circa 1000 Bewohner der Künstlerkolonie waren linke Intellektuelle und Künstler und mussten nach 1933 Deutschland verlassen, andere zogen später in größere Wohnungen in anderen Stadtteilen".

Aufgrund dieser Durchlässigkeit werden auch andere Personen, die aber wahrscheinlich in der Kolonie zu Gast waren, in diese Liste einbezogen, auch weil die bisherigen Bezüge zu den Wagenseil-Brüdern (Erich Mühsam, Ernst Behrend, Paul Hamanns Lebendmasken, Braunbuch, John Heartfield) - ihre wechselnde Berliner Adressen haben nicht einmal immer in der Nähe gelegen - ähnlich wie auch Zeugnisse Dritter annehmen lassen, dass die Kolonie für das damalige (progressive) Berlin allgemein zentraler Knotenpunkt war. Diese eher als ein Umfeld zu begreifenden Personeneinträge werden kursiviert dargestellt.

Abb. "Berlin-Wilmersdorf Karte" (2010) von Alexrk2 unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 3.0 (modifiziert).

Bewohner*innen (extern)

 

Darunter:

Hugo-Egon Balder, Schauspieler, Moderator, Musiker
Johannes R. Becher, Lyriker, Kulturminister der DDR, Autor der DDR-Nationalhymne
Ludwig Barney, Gründer der GDBA

[1926-1928, Berliner Adresse unbekannt: Ludwig Bäumer, Dichter und Kommunist]
[bis 1935: Berlin-Halensee, Hektorstraße 12; 1935-1938: Charlottenburg-Wilmersdorf-Halensee, Seesener Straße 28: Ernst Behrend**, Jurist]

[Laubenheimer Platz 10] Essad Bey, Schriftsteller
[1932: Kreuznacher Str. 52, neben Berlin-Wilmersdorf, Pommersche Str. 5, dann Emmigration nach Mallorca] Franz Blei, Schriftsteller
[1931-1933: Kreuznacher Str. 52] Ernst Bloch, Philosoph
[Südwestkorso 45] Albrecht (Alja) Blomberg, Innenarchitekt, Widerstandskämpfer in der RAS, und Lena Blomberg, Malerin

[1920-1929: Kaiserdamm 2, 1929-1933: Emser Straße 1/2: Ferdinand Bruckner, d.i. Theodor Tagger****/31]

[1931-1933, 1945-1946: Bonner Str. 11] Ernst Busch, Sänger, Schauspieler, und Eva Busch, Sängerin, Kabarettistin

[in Berlin-Steglitz, Forststr. 5: Ernst Drahn, Publizist, ergänzt nach "'Werter Genosse, die Maliks haben beschlossen...' Briefe 1919-1950", Bonn: Weidle 2001, S. 16]

Fritz Duda, Maler
[Bonner Str. 12] Axel Eggebrecht, Schriftsteller, Publizist
Erich Engel, Film- und Theaterregisseur
Fritz Erpenbeck, Regisseur, Schauspieler, Publizist

[bis 1933, Berliner Adresse unbekannt: Rudolf Feistmann*]

Luisrose Fournes, Schauspielerin der "Truppe 1931", verh. mit Curt Trepte
Ingeborg Franke, Schauspielerin der "Truppe 1931", bekannt als Inge Freifrau von Wangenheim

[1929-1933, Berliner Adresse unbekannt: Bruno Frei*, ***]

Robert Gilbert, Textdichter, Lyriker, Komponist und Kabarettist
[Laubenheimer Platz 7] Ernst Guggenheim, Schriftsteller
[1926-1933: Hilde und Paul Hamann, ergänzt nach Bruns****]
[Ludwig-Barnay-Platz 3] Walter Hasenclever, Lyriker, Dramatiker, Prosaist

[bis 1933, aber wahrsch. in Berlin-Charlottenburg, Bleibtreustraße 7: John Heartfield*, *****, Vertreter des Dadaismus, Mitarbeiter Piscators und Münzenbergs]

[Ulla von Henning, Schauspielerin und Antifaschistin, ergänzt nach Stenbock-Fermor 1975, a.a.O., S. 369]
[Kurt Hiller, Schriftsteller, pazifistischer Publizist und Aktivist; nach Griese****/6 ergänzt]
[Kreuznacher Str. 52] Peter Huchel****/7, Lyriker
Helene Jacobs, Widerstandskämpferin [seit 1934 Mitglied der Bekennenden Kirche]
[Hans Kaempfer****/8, Schriftsteller und Übersetzer]
[1931-1933: Kreuznacher Straße 48] Alfred Kantorowicz*, Schriftsteller

[1921-1930, Berliner Adresse unbekannt: Otto Katz*, Autor, Mitarbeiter erst Piscators, dann Münzenbergs und Agent Stalins, Pseudonym André Simone]

Martin Kessel, Schriftsteller, Lyriker, Romacier, Essayist
[1924-1933, gemeldet in Schöneberg, aber zeitweise wohnhaft in Wilmersdorf, Güntzelstraße 3: Egon Erwin Kisch****/9, Schriftsteller und Journalist]
Victor Klages, Schriftsteller (Pseudonym: Victor E. Wyndheim)
[Bernhard und Sylvia Klein****/10, ergänzt nach Bruns****]
[Bonner Str.] Arthur Koestler*, ****/11, Journalist, Schriftsteller

[1926-1933, aber in Berlin-Neutempelhof, Wiesenerstr. 60: Karl Korsch, Jurist und Philosoph****/12]

[Laubenheimer Platz 2] Hans Meyer-Hanno, Schauspieler, Widerstandskämpfer der RAS

[1919-1933, das Büro der Internationalen Arbeiterhilfe war in Berlin-Mitte, Wilhelmstraße 48: Willi Münzenberg*, ****/13, mit Lebensgefährtin Babette Gross]

[bis 1936] Dinah Nelken, Schriftstellerin, Drehbuchautorin

[1931-1935, Berliner Adresse unbekannt: Albert Norden*, ****/14, Kommunist und Herausgeber, Pseudonym Hans Behrend]

Eugen Ohlischlaeger, Schriftsteller, Komponist, Jurist, Kritiker, Journalist, Drehbuchautor, Liederdichter, Dr. jur., Hörspielautor
Claire Philipp-Tellier, Malerin, Grafikerin
[ab 1913, Heirat mit Franz Pfemfert und Bezug gemeinsamer Wohnung, bis März 1933, dann Exil in Paris] Alexandra Ramm-Pfemfert****/15, Übersetzerin, Publizistin
[1929-1933] Gustav Regler*, ****/16, Schriftsteller, Journalist
[1932, 1933: Südwestkorso 50A] Wilhelm Reich, Psychoanalytiker, wohnte bei Elsa Lindenberg, Tänzerin, pol. Aktivistin
Ludwig Renn, Schriftsteller, Spanienkämpfer
Gustav Rickelt, Schauspieler, Gründer der Künstlerkolonie
Beppo Römer, Widerstandskämpfer, [Gründer RAS****/17]
Günter Ruschin, Schauspieler und Regisseur [siehe auch Regler 2007****/18]
Ernst Sattler, Kritiker, Schriftsteller, Journalist

[ab 1931, aber in Berlin-Schlachtensee: Oda Schaefer****/19 mit Horst Lange, Schriftstellerin und Journalistin, ergänzt nach Oberhauser & Henneberg 1998]

Willi Schmidt, Bühnenbildner und Theaterregisseur
Robert Wolfgang Schnell, Schriftsteller, Maler
Bruno Schönlank, Schriftsteller
Max Schroeder*, Schriftsteller, Kunsthistoriker, Lektor (Aufbau-Verlag)

[1926-1932 in Charlottenburg-Wilmersdorf, Helmstedter Str. 24: Anna Seghers****/16, ****/20, Schriftstellerin]

[1912 / 1931-1937] Alfred Sohn-Rethel****/21 [zur Untermiete bei seiner Schwester Lissy Steinrück, ab 1932 bei seinem jüngeren Bruder Hans-Joachim Sohn-Rethel], Nationalökonom, Sozialphilosoph
[Laubenheimer Str. 1] Lizzy Steinrück, Schauspielerin, Ehefrau Albert Steinrücks
[ab 1929: Barnayweg 5, ab 1934: Laubenheimer Platz 5] Alexander von Stenbock-Fermor****/22, Widerstandskämpfer der RAS, Schriftsteller
[Laubenheimer Str. 3] Mary Tucholsky (Ehefrau von Kurt Tucholsky. Er war hier amtlich gemeldet, die Wohnung von Mary wurde von den Nazis öfter durchsucht)

[ca. 1931-1933, aber in Berlin-Friedrichshain, Strausberger Platz 19: Bodo Uhse*, ****/23, Schriftsteller]
[1926, aber in Berlin-Wilmersdorf, Holsteinische Str. 47] Hans B. Wagenseil****/24, Schriftsteller]

[Reinhard Wagner, anthroposophischer Pfarrer, ergänzt nach Wagner und Wörmann****/25]
Erich Weinert, Schriftsteller, Dichter
[bis 1938/39: Kurt Werth, Grafiker und Grete Scherer-Werth****/26, Schauspielerin]

[1932, aber in Berlin-Wedding, Afrikanische Straße 144: Karl August Wittvogel****/27, Soziologe und Sinologe, ergänzt nach Kantorowicz 1959, a.a.O., S. 29]
[bis 1933, Besuche in Berlin, aber Wohnung in Frankfurt am Main: Hermynia Zur Mühlen, Schriftstellerin und Übersetzerin]

Quelle (wo keine Ergänzung): kueko-berlin.de.

 

[ Anmerkungen. annotations. remarques ]

* Mitarbeit am im Sommer 1933 erschienenen "Braunbuch über Reichtagsbrand und Hitlerterror" (siehe Artikel Kurt Wagenseil). Münzenberg, Gross, Frei, Feistmann und Regler emigrierten nach dem Reichtagsbrand nach Paris, Kantorowicz nach der Machtübernahme Hitlers. Seine Lebensgefährtin Frieda Ebenhoech, die "bis 1932 Engagements an verschiedenen Bühnen in Deutschland" hatte, folgte ins Exil (Hermann Weber, Andreas Herbst: "Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945", Berlin: Dietz 2008, S. 430). Auch Schroeder und Uhse gingen 1933 nach Paris, Heartfield Ostern 1933 in die Tschechoslowakei, Norden 1935 nach Prag, Ende 1937 nach Paris. Wilhelm Koenen floh im Juni 1933 von Halle an der Saale aus nach Paris, Alexander Abusch 1933 aus dem Ruhrgebiet und Friedrich Wolf von Stuttgart aus. Koestler bereiste 1932/33 die Sowjetunion und ging dann direkt nach Frankreich. Ende 1930 bereits verließ Otto Katz "wegen eines bevorstehenden Prozesses wegen Steuerhinterziehung (im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit bei Piscator) Deutschland und reiste nach Moskau, dort Direktor des Filmunternehmens 'Mezrabpom'. Im Frühjahr 1933 kam er nach Paris" (Ebd., S. 437).

Alfred Kantorowicz: "Exil in Frankreich", Hamburg: Christians Verlag 1983 [EA 1971], S. 24: "Meine Frau Friedel und Mieke Regler, eine Tochter des Malers Heinrich Vogeler aus Worspwede, waren seit ihrer Mädchenzeit befreundet. Durch Reglers war ich mit Friedel bekannt geworden, Reglers und wir waren Hausnachbarn im Künstlerblock am Breitenbachplatz in Wilmersdorf gewesen. Wir gingen zur gleichen Zeit ins Exil, arbeiteten gemeinsam am Braunbuch und wurden zur gleichen Zeit ausgebürgert"; S. 9, Kontext ist die dritte Ausbürgerungsliste, auf der beide standen: "[D]er aus katholischem Milieu des Saarlands stammende Schriftsteller Gustav Regler, der im Spanienkrieg schwer verwundet wurde, [entwickelte] sich aber bald danach zu einem engagierten Antikommunisten"****/28.

Vgl. auch Jeffrey Herf: "Divided Memory. The Nazi Past in the Two Germanys", Harvard: University Press 2013, S. 414, "Notes" zu Kap. 3, Anm. 6: "The founders of Freies Deutschland in Mexico City [El Libro Libre 1941-46] were Leo Katz, Otto Katz, Ludwig Renn, Bodo Uhse, Bruno Frei, Rudolf Feistmann, and Theo Balk". Mitarbeiterregister nach Volker Riedel: "Freies Deutschland México 1941-1946. Bibliographie einer Zeitschrift", mit einem Vorwort von Alexander Abusch, Berlin / Weimar: Aufbau 1975, S. 241, nennt Alexander Abusch als Chefredakteur (Jg. 1, Nr. 3 bis Jg. 5), Albert Callam als Verlagsleiter (seit Anfang 1942), Antonio Castro Leal als verantwortlichen Herausgeber, Rudolf Feistmann (Fürth) als Redakteur (Anfang 1942 bis Sommer 1943), Bruno Frei als Chefredakteur (Jg. 1, Nr. 1 bis 2) bzw. als Redakteur (Anfang 1942 bis Ende 1945), Kurt Stern als Redakteur (seit Sommer 1942) und Bodo Uhse als Redakteur.

Friedrich Wolf schrieb eine Einleitung zu Margaret Sanger: "Zwangs-Mutterschaft", Stuttgart: Deutsche Verlagsanstalt 1929 (vgl. Rezension von Meta Kraus-Fessel, in: "Fanal", Jahrgang 4, Nr. 3, S. 58-60). Erich Mühsam: "Kulturfaschismus", in: "Fanal", Jahrgang 5, Nr. 7, S. 161-165, Zitat S. 165: "Infolgedessen setzt man eines Tages den ausgezeichneten Kämpfer gegen die Gemeinheit des §218, Dr. Friedrich Wolf, ins Gefängnis, mit ihm die die Stutgarter Aerztin Dr. Jacobowitz-Kienle, angeblich weil sie Frauen in ihrer Not geholfen haben". In "Der Syndikalist", 3. Jahrgang. Nr. 37, 1921, "Barkenhoff" ("Aus 'Das Tagebuch', Berlin"); 13. Jahrgang, Nr. 9, 28. Februar 1931: "Die Schande des Paragraphen §218. Friedrich Wolf, der bekannte Arzt und Dichter, dessen Schauspiele 'Cyankali', Die Matrosen von Caitaro' und Tai Yang erwacht' über viele deutsche Bühnen gingen, ist in Stuttgart verhaftet worden".

In Kurts Bibliothek ist gelistet: Richard Drews & Alfred Katorowicz: "Verboten und verbrannt. Deutsche Literatur 12 Jahre unterdrückt", München: Kindler 1947. In "Die neue Rundschau", Jahrgang 40, Heft 5, Berlin: S.Fischer Mai 1929 ist Alfred Kantorowicz: "Tag des Buches" neben Virginia Woolf: "Eine ungeschriebene Geschichte", übers. von Hans B. Wagenseil, und Hans B. Wagenseil: "Virginia Woolf".

** 1935 ist Ernst Behrend aufgrund des sogenannten "Arierparagraphen" in den Ruhestand versetzt worden. 1938 nahm er sich das Leben. Im von Edgar Wallace herausgegebenen "Kriminal-Magazin" erscheint im Novemberheft (Band 3, Heft 32, 1931, S. 1991f.) eine Geschichte "Ehebruch mit der eigenen Frau" von cand. jur. Ernst Behrend über eine Frau Kurt und einen Herrn Wagenseil, die heirateten, obwohl die vorherige Ehe der Frau noch nicht geschieden war: "In zwei Instanzen wurde Wagenseil wirklich verurteilt. Er musste sich belehren lassen, daß eine bigamische Ehe doch etwas anderes ist als gar keine Ehe". Erstere wird dabei auch "Frau Kurt-Wagenseil" genannt. Der Fall sei "nicht etwa am grünen Tisch erdacht, sondern er hat sich wirklich ereignet und ist vom Reichsgericht (Bd. 120, S. 35) entschieden worden". Das zugehörige Aktenzeichen ist RGZ 120, 35-39 - II 348/27 (20.01.1928). Der dort verhandelte Fall geht aber um "Ehem. Th. (Bekl.)" und "Ehefr. Th. (Kl.)", die am 21. Mai 1916 in Indianapolis heirateten, 1919 nach Deutschland übersiedelten und seit dem 9. Juni 1921 getrennt lebten. Geklagt wurde 1925.

*** Hermann Weber, Jakov Drabkin, Bernhard H. Bayerlein, Aleksandr Galkin: "Deutschland, Russland, Komintern. I. Überblicke, Analysen, Diskussionen", "Archive des Kommunismus. Pfade des XX. Jahrhunderts", Band 5, Berlin: De Gruyter 2014 [Open Access], S. 338, Anm. 320: "Der antifaschistische Autor und Journalist Bruno Frei, ursprünglicher Name: Benedikt Freistadt, ('Die Männer von Vernet' (1944), 'Carl von Ossietzki' (1966)) war unter Münzenberg Herausgeber der 'Welt am Morgen' und Anhänger bzw. Bewunderer Stalins. Noch in den siebziger Jahren wurde - besonders von anarchistischer Seite - der diffamierende Charakter zahlreicher Äußerungen bzw. Schriften Freis öffentlich kritisiert; Siehe Hans-Peter Duerr, Augustin Souchy: Stalinismus und Anarchismus in der spanischen Revolution oder Bruno Frei und die Methode der Denunziation. Berlin: Karin Kramer Verlag 1973."

**** Maike Bruhns: "Kunst in der Krise", Bd 1: "Hamburger Kunst im 'Dritten Reich'", Bd. 2 "Lexikon der Hamburger Künstler", Hamburg Dölling und Galitz Verlag 2001, Bd. 2, S. 175.

***** Michael Bienert: "Ein Sommer mit Johnny. Ein Streifzug durch John Heartfields Berlin, sein Adressbuch und die dem Fotomonteur gewidmete Ausstellung der Akademie der Künste" [text-der-stadt.de], 2020: "Als SA-Männer an der Wohnungstür rumorten, rettete sich der Künstler durch einen Sprung vom Balkon. Zum Glück lag die Wohnung im Hochparterre. Im Hof diente der ausgediente Leuchtreklamekasten eines Friseurs als Versteck. Ohne Papiere floh John Heartfield aus Berlin ins schlesische Oberschreiberhau und überquerte an Ostern 1933 die grüne Grenze nach Tschechien zu Fuß. In Prag tauchte er dann im Café Continental auf, wo andere deutsche Emigranten schon auf ihn warteten. Das Adressbuch 'Künstlerspuren' von Detlef Lorenz nennt als Ort der Beinahe-Verhaftung das Haus Bleibtreustraße 7, am S-Bahnhof Savignyplatz gleich neben der Stadtbahn. Die alten Berliner Adressbücher verzeichnen keinen Heartfield oder Herzfeld, wie er bürgerlich hieß, nur den Bruder und Malik-Verleger Wieland Herzfelde, der am Kurfürstendamm 76 wohnte. In der Bleibtreustraße 7 gab es mehrere Künstlerateliers und einen Friseur - das alles passt schon. Heute erinnern fünf Stolpersteine vor dem Haus an die Familie des Diamantenhändlers Abraham Wysniak, dessen Frau Dvora und Tochter Asta im Warschauer Ghetto starben."

The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Akademie der Künste, Heartfield online [archiv.adk.de, heartfield.adk.de]: "Die Fotomontage auf der Titelseite des Buchumschlages [des Braunbuches] entspricht der AIZ-Titelseite, [Sept.] 1933, Nr. 36 (Göring der Henker des Dritten Reichs). Auf der Rückseite ist eine Montage aus der AIZ [Arbeiter-Illustrierte-Zeitung, herausgegeben von Willi Münzenberg], 1933, Nr. 30 (Das Mörderkreuz)".

Eine Büste des John Heartfield wurde 1930 von Paul Hamann angefertigt. Heartfield entwarf von 1928 bis 1931 Bühnenbilder für die Erwin-Picator-Bühne. (Jens Kremb: "Die verlorene 'Galerie bedeutender Zeitgenossen' - Lebendmasken von Paul Hamann und eine wiederentdeckte Büste des John Heartfield", arthistoricum.net, Heidelberg, 2015, S. 19). Heartfield ist Lebendmaske Nr. 52, Kurt Wagenseil Nr. 109 (Ebd., S. 23f.).

In Kurts Bibliothek, Stand 2002, gelistet ist ein Fotobildband Wieland Herzfelde: "John Heartfield", Ost-Berlin: VEB Kunst o.J. In der DNB verzeichnet sind allerdings Ausgaben mit Impressum Dresden: VEB Verl. d. Kunst 1962 und als zweite, erweiterte und überarbeitete Auflage Dresden: VEB Verl. d. Kunst 1971.

****/6 Volker Griese: "Erich Mühsam Chronik. Leben, Werk, Wirkung", BoD 2019, S. 419 ("1929"): "M ist auch des Öfteren in einer der Wohnungen am 'Laubenheimer Platz' (heute 'Ludwig-Barnay-Platz') in Berlin-Wilmersdorf anzutreffen. Viele linke Künstler, Schriftsteller und Theaterleute haben sich dort angesiedelt, da die 'Gewerkschaft der Bühnenangehörigen' und der 'Schutzverband deutscher Schriftsteller' an der Stelle drei Wohnblöcke für ihre Mitglieder besitzen. Ernst Bloch lebt hier zu einem moderaten Mietpreis, wie auch Alfred Kantorowicz, Johannes R. Becher, Sally Bowles, Axel Eggebrecht, Kurt Hiller oder Wilhelm Reich und Erich Weinert. Da zahlreiche Anhänger und Mitglieder der KPD in dem Viertel wohnen, ist die 'Künstlerkolonie' auch unter dem Namen 'Roter Block' bekannt. [Nasselstein S. 78 | MM, Nr. 11, S. 123]" (zitiert wird Peter Nasselstein: Biographische Notizen über Wilhelm Reich und die Linke, in: Der Rote Faden, 2017).

Mühsam wohnte, laut berlin-geschichte.de, von 1924 bis 1927 in der Adresse Alt-Lietzow 12, Berlin-Charlottendorf.

Später, von 1928 bis 1933, wohnte Mühsam in der Dörchläuchtingstraße 48, Berlin-Britz, "[d]ie Beisetzung auf dem Waldfriedhof Dahlem, Hüttenweg 47, erfolgte am 16.7.1934 im Beisein nur weniger mutiger Freunde. Seine Grabstätte (Abt. 2 A 144) wurde erhalten und gepflegt, ohne Ehrengrab des Landes Berlin zu sein. Das wurde sie erst Anfang der 1990er-Jahre" [gedenktafeln-in-berlin.de].

"Fanal", Jahrgang 2, Oktober 1927, Nr. 1, Umschlag: "Anarchistische Vereinigung Berlin. Die Genossen werden dringend ersucht, zu den Diskussionsabenden, die jeden Donnerstag im Lokal Köhler, Berlin-Neukölln, Ziethenstr. 64, stattfinden, regelmäßig zu erscheinen". Siehe auch Fanal-Verlag, Berlin-Britz.

Kurt Hiller veröffentlichte u.a. "§ 175. Die Schmach des Jahrhunderts!", Hannover: P. Steegemann 1922 [dnb.de]; "Verwirklichung des Geistes im Staat. Beiträge zu einem System des logokratischen Aktivismus", Leipzig: E. Oldenburg 1925 (zwei Teile: "Bis zur Novemberrevolution", "Während der Gegenrevolution"); "Für Magnus Hirschfeld zu seinem 60. Geburtstage", als Beigabe zu den "Mitteilungen" des W.H.K. E.V. herausgegeben von Richard Linsert und Kurt Hiller, Berlin: Verlag des Wissenschaftlich-Humanitären Komitees e.V. 1928; "Selbstkritik links! oder Über die Ursachen des nationalsozialistischen Erfolges", Leipzig: W. R. Lindner 1932; "Der Sprung ins Helle. Reden, offne Briefe, Zwiegespräche, Essays, Thesen, Pamphlete gegen Krieg, Klerus u. Kapitalismus", Leipzig: W. R. Lindner 1932 (Kapitel "I. Kampf gegen den Mord", "II. Die Ziellosen", "III. Rote Einheit", mit einem Unterkapitel "'Undurchführbar!' (an Willi Münzenberg)", S. 256ff.); "Der Unnennbare. Verse 1918-1937", Peking: Yangschudau-Werkstatt 1938; "After Nazism - Democracy? A symposium by four Germans", edited by Kurt Hiller, mit Beiträgen von Kurt Hiller, Walter D. Schultz, Hans Jaeger und Eugen Brehm, London: Drummond 1945.

"New Statesman", Vol. 8, Issue 199, "Saturday, December 15, 1934", S. 898: "Kurt Hiller: The Death of Erich Mühsam" ("recently appeared in Weltbühne", tatsächlich in "Neue Weltbühne").

****/7 Stefan Wieczorek: "Erich Arendt und Peter Huchel. Kleine Duographie sowie vergleichende Lektüren der lyrischen Werke", Marburg: Tectum 2001, S. 27: "Im September 1931 zieht Huchel in die Künstlerkolonie am Laubenheimerplatz. Hier steht er in Kontakt mit der KPD-Zelle, die von Katorowicz geleitet wird, ohne jedoch selbst in die Partei einzutreten. Katorowicz erinnert sich: '[A]uch er war ein Bewohner des Künstlerblocks gewesen und hatte auf seine verschlafene, musisch-versponnene Weise mit unseren Kampfaktionen gegen die Nazis sympathisiert, ohne sich bei Freund oder Feind sonderlich bemerkbar zu machen [Fn 53: Alfred Kantorowicz: Deutsches Tagebuch. Band 1. München: Kindler Verlag 1959, S. 253]".

****/8 Übersetzungen von Hans Kaempfer: Ladislaus Forbath: "Die neue Mongolei. Nach Joseph Geletas Tagebuch", Berlin: Schützen-Verlag 1936; George Du Maurier: "Peter Ibbetson", 1936, 2. Auflage 1948; Francis Stuart: "Der Jüngste von Rosaril. Roman", Berlin: Schützen-Verlag 1937; Louis Bromfield: "Der grosse Regen", Berlin: Propyläen-Verlag 1939.

****/9 Hana Machová: "Egon Erwin Kisch. Weltbürger und Kämpfer gegen den Faschismus", Prag: dspace.cuni.cz 2008 [PDF], S. 8. In Kurts Bibliothek befinden sich, Stand 2002, von Kisch: "Marktplatz der Sensationen", Berlin: Aufbau 1947; "Hetzjagd durch die Zeit", Frankfurt: Fischer 1974.

****/10 Rolf Giesen: "Bienenstich und Hakenkreuz. Zeichentrick aus Dachau - die Deutsche Zeichenfilm GmbH", Frankenthal: Mühlbeyer Filmbuchverlag 2020, S. 140: "Geboren am 5. Januar 1888 in Hamburg als Sohn eines Tischlers. Besuch der Volksschule, später der Kunstgewerbeschule. Jüngerer Bruder des Malers, Grafikers und Bühnenbildners César Klein (1876-1954), der die Innendekorationen des Marmorhaus-Filmtheaters in Berlin entworfen hat. 1920 assistiert ihm Bernhard bei der malerischen Gestaltung der expressionistischen Dekorationen des Films GENUINE, der unter der Regie des CALIGARI-Regisseurs Robert Wiene entsteht. In den kommenden Jahren ist Bernhard Klein vorwiegend als Bühnenbildner tätig. [...] Während César Kleins Bilder im Dritten Reich als 'Entartete Kunst' gelten, findet Bernhard Klein in dieser Zeit eine Nische im Animationsfilm. Völlig unabhängig produziert er, in der Hoffnung, mit dem Erlös Deutschland verlassen zu können, einen kurzen Animationsfilm, SONNTAGSABENTEUER [nach 1945: DER TREULOSE WECKER], der 1941 von der Tobis Filmkunst in den Verleih genommen wird. Auch auf Grund dessen wird er als Co-Autor und Animator für das Rübezahl-Trickfilmprojekt der Tobis engagiert und, nach dem Abbruch der Arbeiten, von der Deutschen Zeichenfilm G.m.b.H. übernommen. Bernhard Klein ist mit einer Jüdin, Sylvia Klein, verheiratet. 1944 wurde Bernhard Klein von der Gestapo interniert und zu Zwangsarbeit in einem Lager der Organisation Todt verurteilt."

****/11 KünstlerKolonieKurier Nr. 1 (1988): "Arthur Koestler, Schriftsteller[.] [G]eb. 5.9.1905 in Budapest, Schriftsteller, Romancier[.] Koestler trat 1931 der kommunistischen Partei bei, war 1932/33 in Rußland, 1936/37 als Korrespondent im Spanischen Bürgerkrieg (4 Monate als Gefangener Francos), trat 1938 aus der kommunistischen Partei aus, entfloh 1939 aus einem französischen Gefängnis; 1941/42 in der englischen Armee. Er verfaßte Berichte und Romane in konzentrierter Sprache um ethische Probleme und Konflikte in der Politik, wandte sich aber besonders gegen jede individuelle Regung unterdrückenden Formen des Totalitarismus zugunsten eines sozialen Humanismus. Besonders deutlich wird dies in seinem Roman 'Diebe in der Nacht', welcher als Fernsehfilm in drei Teilen seit Oktober 1989 im Programm der ARD zu sehen ist.

Werkeauswahl: Sonnenfinsternis (engl. 1940, dt. 1948); Der Yogi und der Kommissar (engl. 1948, dt. 1950); Gottes Thron steht leer (engl. 1950, dt. 1951); Der Pfeil ins Blaue (Autobiographie 1953, dt. 1953); Fortsetzung: Die Geheimschrift (dt. 1955); Die Nacht-wandler, das Universum im Wandel der Zeit (dt. 1959); Von Heiligen und Automaten (1964); Diesseits von Gut und Böse (1965); Der Göttliche Funke (1966); [...].

Diebe in der Nacht ['Diebe in der Nacht. Chronik eines Experiments', Wien: Danubia-Verlag, 1949; geschrieben 1945 in Jerusalem] - Klappentext: Koestler schildert die Gründung Israels am Beispiel einer Gruppe Juden, die auszieht, 600 Hektar Land in der Wüste zu besetzen. Zweimal haben sie schon versucht, Verschanzung, Wachtturm und die ersten Wohnbaracken auf dem unfruchtbaren Hügel zu errichten, zweimal sind sie zurückgeschlagen worden. Aber in dieser Nacht muß der Turm stehen, wenn die Gemeinschaft von 'Esras Turm' überleben soll. [...]

Aus [...] 'Frühe Empörung' [Wien, München, Zürich: Molden 1970], der folgende Klappentext: Seine Romane haben Arthur Koestler zu Weltruhm verholfen, obwohl er, genau genommen, kein Schriftsteller gewesen ist. Er stand an den Brennpunkten der Politik, doch sein Interesse galt eigentlich den bahnbrechenden Entdeckungen der Naturwissenschaft. Er hat Freud und Einstein interviewt, aber auch an Münz[en]bergs legendärem 'Braunbuch' mitgearbeitet. Für den liberalen Ullstein-Konzern nahm er 1931 an einem Nordpolflug teil, ohne den Pol zu sehen, und ein Jahr später bereiste er im Dienst der Komintern die UdSSR, ohne den stalinistischen Terror wahrzunehmen. Ein Zyniker? Ein blinder Fanatiker? Ein Hochbegabter jedenfalls, und ein seelisch gespaltener Mensch, heute manisch, morgend depressiv. Ideologisch ein Wanderer zwischen den Welten, war Koestler nacheinander rechtsradikaler Zionist, strammer Stalinist und wütender Kalter Krieger, allemal aber nur Zaungast der Politik. Sein Engagement war kaum je rational, der Antrieb kam von einer labilen Psyche. Mit dieser Kombination von problematischem Naturell und pseudopolitischem Aktionismus ist Koestler fast zum Prototyp für alle diejenigen geworden, die das ewige Heil im Diesseits suchen und damit wohl oder übel immer aufs neue scheitern. [...] Was die Anhänger der zusammengebrochenen stalinistischen Diktaturen hartnäckig verschweigen, hat Koestler am eigenen Beispiel bloßgelegt: die individualpsychologische Basis dieser Diktaturen; die mentalen Bedürfnisse der Anhänger, die sie befriedigten und denen sie ihr langes Bestehen weit stärker verdanken als dem Terror, den sie übten. Selten ist ein politisches Massenphänomen so klarsichtig gedeutet worden, selten ein Buch so sehr zur rechten Zeit gekommen wie dieses.

Aus [...] 'Abschaum der Erde' [Wien, München, Zürich: Molden 1970], der folgende Klappentext: Im zweiten Buch der Autobiografie erzählt Arthur Koestler von der dramatischsten Zeit seines Lebens. Dreimal in kanpp vier Jahren war er in Haft, stets unter falscher Anschuldigung. Francos Faschisten sperrten den Kriegsberichterstatter 1937 als 'Spion' monatelang in die Todeszelle. 1939 warf das demokratische Frankreich den Mann ins Straflager für Kommunisten, der schon ein Jahr zuvor mit der KP gebrochen hatte, und 1940 brachte die britische Polizei den Antifaschisten Koestler als 'NS-Agenten' hinter Gitter. [...] Bei Koestler haben diese Erfahrungen zu einer radikalen Selbstprüfung geführt. Sie kulminierte im Austritt aus der KPD und führte in letzter Konsequenz zu dem Roman 'Sonnenfinsternis'".

"New Statesman", Vol. 15, 1938, S. 452: "Two more Books on Spain"; Vol. 24, 1942, S. 255: "The Crank"; Vol. 34, 1947, S. 126: "Letter to a Parent of a British Soldier in Palestine".

****/12 Michael Buckmiller, Götz Langkau: "Karl Korsch. Gesamtausgabe: Briefe 1908-1939", Frankfurt: Europäische Verlagsanstalt 1980, S. 359 (Brief vom 18.07.[19]28), S. 406 (Foto 1930), vgl. auch S. 358: "Mühsam [blieb mit Korsch] bis 1933 in einem lockeren Zirkel aus Kommunisten, Anarchisten und Syndikalisten in Verbindung".

Felix Klopotek: "Die totalitäre Erfahrung. Heinz Lagerhans. Annäherungen. Michael Buckmiller: Korsch und Langerhans", Köln 2017: "Korschs Studienzirkel 'Kritischer Marxismus' trifft sich weiterhin in der Karl-Marx-Schule (dem Reformgymnasium von Fritz Karsen in Neukölln, wo Hedda Korsch Lehrerin ist) und diskutiert über 'Lebendiges und Totes im Marxismus'. Das Fanal des Reichstagsbrandes bringt dem Kreis am Abend des 27. Februar schlagartig zu Bewußtsein, dass die Sicherheit der Teilnehmer unmittelbar bedroht ist: Bert Brecht sucht Unterschlupf bei Peter Suhrkamp und flieht am nächsten Tag aus Deutschland, der ungarische Jude Paul Partos und seine Frau (später Kati Horna) fanden Aufnahme bei Heini Johannsen (später führender Antikommunist) und entkommt nach Paris, Alfred Döblin taucht unter und überschreitet am 28. Februar 1933 die Schweizer Grenze, der jüdische Arzt Herbert Levy wird drei Wochen später verhaftet, Wochen danach gelang die Flucht nach England. Man könnte noch viele weniger prominente Namen nennen, Ilse Bloch, Hanna Kosterlitz, Walter und Ellen Auerbach ... die Gruppe war größer, als man vielleicht vermutet. Karl Korsch selbst geht ebenfalls am 27. Februar nicht nach Hause, taucht in der Gartenlaube bei Freunden unter, wird konspirativ versorgt und geht erst auf dringendes Anraten von Brecht - 'Verschaffen Sie sich endlich ein Alibi' - im Oktober 1933 zu ihm nach Dänemark. Angeblich soll er noch mit Heinz Langerhans und Paul Partos eine Broschüre zum Reichstagsbrand unter dem Titel 'Prometheus' veröffentlicht haben".

****/13 Harald Wessel: "Hinter den Kulissen der 'Roten Traumfabrik'. Eigenartige Lücken im Begleitbuch zur Retrospektive der 62. Berlinale", in: "Zeitschrift des Forschungsverbund SED-Staat", Bd. 32, Nr. 32, Berlin 2012, S. 163-172, Adresse S. 167.

Siehe Willi Münzenberg: Schriften.

****/14 Heike Amos: "Norden, Albert", in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 340-341 [Online-Version].

****/15 Übersetzungen von Alexandra Ramm-Pfemfert: Mohamed Aischin: "Die Freiheitsbewegung in der Türkei", Berlin: Ladyschnikow [1908]; Elena A. Nagrodskaja: "Kreuzweg der Leidenschaft", Leipzig und Berlin: Wilhelm Borngräber 1912; dies.: "Die bronzene Tür. Eine Liebesgeschichte voll verworrener Leidenschaft", Leipzig und Berlin: Wilhelm Borngräber Verlag Neues Leben 1913; Sawaty: "Das Buch in Saffian. Die Chronik des Dorfes Ljagawoje", Berlin-Wilmersdorf: Verl. d. Wochenschrift "Die Aktion" 1919; Alexander Bogdanow: "Die Wissenschaft und die Arbeiterklasse", Berlin: Verlag der Wochenschrift "Die Aktion" 1920; Tarassoff-Rodionoff: "Schokolade. Eine Erzählung", Berlin-Wilmersdorf: Verlag d. Wochenschrift "Die Aktion" 1924; Peter Kropotkin: "Gerechtigkeit und Sittlichkeit", Berlin: "Der Syndikalist" [Leipzig: F. E. Fischer] 1924 [dnb.de]; Wassili Rosanow: "Dostojewski und seine Legende vom Großinquisitor", Berlin: Razum Verlag 1924; Antoni W. Nemilow: "Die biologische Tragödie der Frau"****/29, Berlin: Oscar Engel 1925 [Liste der verbannten Bücher, S. 101]; dies.: "Leben und Tod", Leipzig: Hesse & Becker 1927; Michail N. Pokrowski: "Geschichte Russlands. Von seiner Entstehung bis zur neuesten Zeit", Leipzig: C. L. Hirschfeld 1929; W. Schkwarkin: "Der Falschspieler. Komödie im 3 Akten", Bühnen-Ms., Berlin: S. Fischer 1930; Anna A. Karawajewa: "Fabrik im Walde", Berlin: Verlag d. Jugendinternationale 1930, 2. Aufl. 1932; Leo Trotzki: "Mein Leben. Versuch einer Autobiographie", Berlin: S. Fischer 1930; ds.: "Die permanente Revolution", Berlin-Wilmersdorf: Verlag d. Wochenschrift "Die Aktion" 1930; ds.: "Wer leitet heute die Kommunistische Internationale?", Berlin-Wilmersdorf: Verlag d. Wochenschrift "Die Aktion" 1930; ds.: "Probleme der Entwicklung der UdSSR", Berlin-Neukölln [Brusendorfer Str. 23]: A. Grylewicz 1931; ds.: "Die spanische Revolution und die drohenden Gefahren", Berlin-Neukölln [Brusendorfer Str. 23]: A. Grylewicz 1931; ds.: "Geschichte der russischen Revolution" (2 Bände), Berlin: S. Fischer 1931-33; Aleksej Silyč Novikov-Priboj: "Zussima", Zürich / Prag: Büchergilde Gutenberg 1935; Alexej S. Nowikow-Priboj: "Tsushima", Zürich & Prag: Büchergilde Gutenberg 1935; Leo Trotzki: "Stalins Verbrechen"****/30, Zürich: Jean-Christophe-Verl. 1937; Wladimir Arsenjew: "Dersu Usala. Abenteuer in den Steppen Asiens", Zürich: Büchergilde Gutenberg [1946].

Davon in Kurts Bibliothek, Stand 2002, gelistet: Leo Trotzki: "Mein Leben. Versuch einer Autobiographie", übers. von Alexandra Ramm-Pfemfert, Berlin: S. Fischer 1930.

Abb. "Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel", Umschlag zu Nr. 213, "Leipzig, Freitag, den 11. September 1925", 92. Jahrgang, Anzeige für "A.W. Nemilow: 'Die biologische Tragödie der Frau', "[e]rscheint Ende September", "[a]us dem Russischen übersetzt von Alexandra Ramm und Dr. med. F. Boenheim", "Für eine neue Geschlechsethik / Gegen die Theorie von der Minderwertigkeit der Frau", "Oscar Engel Verla, Berlin SW 11 (Nebenfirma der Concordia Deutsche Verlags-Anstalt)".

****/16 Gustav Regler und Anna Seghers publizierten später im Exilverlag Querido.

Zu Gustav Regler im Exil vergleiche auch Patrik von Zur Mühlen: "Fluchtziel Lateinamerika. Die deutsche Emigration 1933-1945. Politische Aktivitäten und soziokulturelle Integration", Bonn: Verlag Neue Gesellschaft 1988, S. 171f.: "Über eine eigene Zeitschrift verfügte die Liga ['Liga Pro-Cultura Alemannia'] noch nicht, was ihre Öffentlichkeitsarbeit stark beschränkte. Und da sie überdies als dezidiert linke Vereinigung auftrat, waren der Ausdehnung ihrer Mitgliederbasis angesichts der überwiegend bürgerlichen jüdischen Emigranten Grenzen gesetzt. Dagegen hatten kommunistische Emigranten durch die Gründung der politisch-literarischen Zeitung Freies Deutschland (November 1941) und etwa zur gleichen Zeit des 'Heinrich-Heine-Clubs' zwei wichtige Institutionen geschaffen, mit denen sie ihren Einfluß gerade auf bislang unpolitische Emigranten ausdehnen konnten. Nicht zufällig hatte man für den Kultur-Club den Namen Heinrich Heines gewählt, nicht nur, weil seine Schriften vom NS-Regime verbrannt und verboten worden waren, sondern weil sich mit seinem Namen sowohl linke politische Exulanten als auch unpolitische jüdische Flüchtlinge, die sich nicht mehr als Deutsche fühlten, identifizieren konnten. Mit seinen Musik-, Theater-, Film- und Vortragsabenden übte der Club Anziehungskraft auf die Emigration aus, so daß die Liga nicht mehr mit ihm konkurrieren konnte [Anm. 26: Wolfgang Kießling: 'Alemania Libre in Mexiko', Band 1, Berlin DDR: 1974, S. 103-107; Kießling: 'Exil in Lateinamerika', Leipzig 1980, Frankfurt am Main 1981, S. 274-283; Fritz Pohle: 'Das mexikanische Exil', Stuttgart 1986, S. 127ff.]. Gleichzeitig wurden immer schärfere Polemiken gegen Mitglieder der Liga veröffentlicht, die sich schließlich zu regelrechten Hetz- und Verleumdungskampagnen steigerten. Geschickt wurden in Presseattacken gegen die Fünfte Kolonne und mexikanische, auslandsdeutsche oder sonstige NS-Sympathisanten auch Angriffe gegen die nicht-kommunistische Linke eingefädelt, wobei der hierfür oft als Diskriminierung verwendete Begriff 'Trotzkismus' in eine Nähe zum Nationalsozialismus gerückt wurde. Hauptziel der Angriffe wurde das Ex-KPD-Mitglied Gustav Regler, prominentester Angehöriger der Liga und wohl auch bekanntester nicht kommunistischer deutscher Emigrant in Mexiko. Die Partei hatte seinen 'Verrat' nicht verziehen, während er in massiven Polemiken mit seinen früheren Genossen und besonders in einem pseudonym verfaßten Artikel mit André Simone [d.i. Otto Katz] abrechnete. Regler griff die Rolle der Kommunisten im Spanischen Bürgerkrieg an, wogegen die KPD-Mitglieder - insbesondere Egon Erwin Kisch - ihm 'Renegatentum', Verrat und Kollaboration mit den Behörden des Vichy-Regimes vorwarfen. Ihm wurde in lancierten Meldungen der einheimischen Presse nachgesagt, er unterhalte Beziehungen zu auslandsdeutschen Nazis, und das mexikanische KP-Blatt brachte eine Karrikatur, in der aus dem gespaltenen Schädel des 1940 von einem spanischen Kommunisten ermorderten Leo Trotzki ein Baumstumpf mit schlangenförmigen Ästen wächst, deren einer mit Hakenkreuzen und der Aufschrift 'Regler' versehen ist. Ein anderes Blatt deutete unverhohlen die Möglichkeit eines Attentats gegen Regler sowie einige andere ausländische Emigranten an. Damit aber hatten die Kommunisten den Bogen überspannt und lösten Reaktionen nordamerikanischer Kreise und namhafter USA-Emigranten wie Thomas Manns zugunsten Reglers aus, die sich sogar an den mexikanischen Staatspräsidenten wandten [Anm. 27: Pohle, S. 140-162]".

****/17 "Erkämpft das Menschenrecht! Lebensbilder und letzte Briefe antifaschistischer Widerstandskämpfer", Essen: Neuer Weg 1988, S. 434: "[Die Nazis] kerkerten ihn von Juni 1934 bis 1939 im Konzentrationslager Dachau ein. Nach seiner Entlassung nahm Beppo Römer die Verbindung zu antifaschistisch eingestellten Kreisen wieder auf und gründete die Widerstandsgruppe RAS (Revolutionäre Arbeiter und Soldaten). Diese Gruppe gab die illegale Flugschrift ['Informationsdienst', 1940-42, heraus]".

****/18 Gustav Regler: "Das Ohr des Malchus", neu herausgegeben von Gerhard Schmidt-Henkel, Ralph Schock, Günter Scholdt, Frankfurt am Main / Basel: Stroemfeld/Roter Stern 2007, S. 727 (Anm.): "Der Schauspieler und Regisseur Günter Ruschin (1904-1964) war Mitbewohner Reglers in der Künstlerkolonie in Berlin-Wilmersdorf, zählte später im mex. Exil zu Reglers kommunistischen Gegnern".

****/19 Fred Oberhauser, Nicole Henneberg: "Literarischer Führer Berlin", Leipzig: Insel 1998, S. 171. Karl Voss: "Reiseführer für Literaturfreunde Berlin vom Alex bis zum Kudamm", Berlin: Ullstein 1980, S. 336 über die im "Stadtteil Schlachtensee gelegene Lagardestraße, die ehemals Adalbertstraße hieß und die die Nationalsozialisten im Jahr 1937 nach dem antisemitischen Orientalisten benannt hatten": "Als Untermieter des Zeitungshändlers Marx Schwarzbach bewohnte der am 6. Oktober 1904 geborene Schriftsteller Horst Lange mit seiner Verlobten Oda Schaefer, die er am 12. Juli 1933 heiratete, zwei möbilierte Zimmer im Haus Nr. 123. Nach der 'Machtübernahme' wurde ihre Unterkunft von der Gestapo nach staatsfeindlichen Dokumenten durchsucht".

****/20 Ilse Nagelschmidt, Sina Meißgeier: "Ein Leben zwischen den Zeiten und den Orten", in: "Anna Seghers-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung", hrsg. von Carola Hilmes und Ilse Nagelschmidt, Metzler: Heidelberg / Berlin 2020, S. 3-36, insb. S. 7f.: "Das Paar bezog innerhalb der Berliner Jahre (1925-1933) insgesamt drei Wohnungen. Von August 1925 bis zum 14.8.1926 wohnte es in der Sybelstraße 69 in Charlottenburg, hier wurde am 29.4.1926 Sohn Peter geboren. Nach einem Sommer bei den Eltern in Mainz erfolgte am 19.10.1926 der Einzug in die Helmstedter Straße 24 im Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Hier brachte Seghers am 21.5.1928 Tochter Ruth zur Welt. An diesem Haus befindet sich seit dem 1.7.1988 eine 'Berliner Gedenktafel' (Porzellantafel der KPM), die an den Lebensweg der Autorin erinnert. Ab dem 2.3.1932 lebten Seghers und ihre Familie in der vor dem Exil zunächst letzten Wohnung in Berlin in der modernen Anlage Am Fischtal in Zehlendorf, die ihnen neben den Vorzügen der grünen Vorstadt auch die notwendige Sicherheit in einer Zeit zunehmender Überfälle der SA auf die Kommunisten bot (vgl. Zehl Romero 2000, 194f.)".

****/21 Alfred Carl Eduard (1899-1990) ist Sohn des Malers Alfred Sohn-Rethel (1875-1958), der 1912 von Paris nach Wilmersdorf bei Berlin, später nach Berlin-Charlottenburg übersiedelte.

Alfred Sohn-Rethel: "Warenform und Denkform. Mit zwei Anhängen" [incl. Dissertation], Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970:

Statt einer Einleitung: Exposé zur Theorie der funktionalen Vergesellschaftung. Ein Brief an Theodor W. Adorno (1936).
Zur kritischen Liquidierung des Apriorismus. Eine materialistische Untersuchung (März/April 1937).

  1. Die Absicht der Untersuchung
  2. Analogie oder Begründungszusammenhang?
  3. Die gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen der rationalen Erkenntnis
  4. Zur Analyse der Warenform
  5. Warentausch und Ausbeutung
  6. Die Ausbeutung als Ursprung der Verdinglichung
  7. Das Geld und die Subjektivität
Von der Analytik des Wirtschaftens zur Theorie der Volkswirtschaft. Methodologische Untersuchung mit besonderem Bezug auf die Theorie Schumpeters (1936).

Weitere Werke: "Geistige und körperliche Arbeit. Zur Theorie gesellschaftlicher Synthesis", Frankfurt am Main: Suhrkamp 1970; "Ökonomie und Klassenstruktur des deutschen Faschismus", Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973 [mit Bezug auf Zeit der durch Pflegevater Ernst Poensgen vermittelten Hilfstätigkeit beim Mitteleuropäischen Wirtschaftstag 1931-36]; "Soziologische Theorie der Erkenntnis", Frankfurt am Main: Suhrkamp 1985; "Das Geld, die bare Münze des Apriori", Berlin: Wagenbach 1990. In der "Realabstraktion des Warentausches" sah Sohn-Rethel die entscheidende Bedingung für den Erwerb formal-abstrakten Denkens.

****/22 Alexander Stenbock-Fermor: "Der rote Graf", Berlin: Verlag der Nation 1975 [EA 1973], S. 271f.: "Ich schrieb mein Kriegsbuch bei den Eltern weiter, heiratete im Juni 1929 in Neustrelitz. Die Hochzeitsreise machten wir nach Hiddeensee. Auf Hiddensee lernten wir Ernst Toller kennen. Er kannte mein Bergarbeiterbuch, war stark berührt, lobte meinen Entschluß, ein Jahr im Proletariat gelebt zu haben. [...] Ich zog mit meiner Frau nach Berlin". Ausweisung aus Deutschland, 28. Januar 1935 (Abb. Bildteil), Dokument adressiert an "Berlin-Wilmersdorf[.] Laubenheimer Str. 23 b. [F?]onday". Dennoch später Rückkehr nach Berlin.

S. 283: "Es wurde mir klar: Beim Marxismus handelte es sich nicht mehr um Verkündung eines neuen Dogmas oder einer soundsovielten neuen Vision. Hier ging es um das Gegenteil: Der abstrakte der Charakter von Utopien sollte überwunden werden. Marx: 'Wir entwickeln der Welt aus den Prinzipien der Welt neue Prinzipien ... Die Reform des Bewußtseins besteht nur darin, daß man der Welt ihr Bewußtsein inne werden läßt, daß man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, daß man ihre eigenen Aktionen ihr erklärt' (Brief an Ruge, 1843)".

"Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel", Nr. 242, 17. Oktober 1931, S. 5751: "Soeben wurde ausgeliefert. Graf A. Stenbock-Fermor. Deutschland von unten. Reise durch die proletarische Provinz. [...] Wer kennt Deutschland? Hinter der Fassade des Deutschland der illustrierten Presse, der internationalen Beziehungen, der bürgerlichen Gesellschaft liegt das unbekannte Deutschland: das Deutschland des Hungerns, der Not und des Elends. Dieses Buch zeigt Tatsachen, schildert Zustände, die nicht mehr zu verbergen sind. Es will dazu beitragen, sie zu verändern. / Ein erschütterndes Dokument / J. Engelhorns Nachf. Stuttgart".

S. 289f.: "In der Literaturgeschichte von Guido K. Brand 'Werden und Wandlung - Eine Geschichte der Deutschen Literatur von 1880 bis heute', Kurt Wolff Verlag, Berlin, wurden meine drei Bücher besprochen. Über das letzte [neben: 'Meine Erlebnisse als Bergarbeiter', Stuttgart: J. Engelhorns Nachf. 1928; 'Freiwilliger Stenbock. Bericht aus d. baltischen Befreiungskampf', Stuttgart: J. Engelhorns Nachf. 1929] hieß es: '... Stenbock-Fermor schreibt dann 1931 ein anderes Buch von der inneren Zerstörung: 'Deutschland von unten', Reise durch die proletarische Provinz [Stuttgart: Engelhorn 1931]. Es ist kein Roman, sondern ein herzerschütternder Bericht von dem gehäuften und zusammengeballten Elend von Millionen. Mit traumhafter Sicherheit und erschreckender Gewißheit sieht er die Ärmsten und Armen in ihren dunklen, von Menschenleibern, Dunst und Hunger erfüllten Zimmern, spricht mit ihnen über Gegenwart und Zukunft und erkennt aus den eingefallenen, tiefliegenden Augen der Kinder die entsetzliche Not Deutschlands' ...".

S. 304: "Der Lyriker Alfred Wolfenstein führte mich 1932 in den PEN ein. Wolfenstein, ein expressionistischer Dichter, aufrüherisch, antimilitaristisch, pazifistisch, hatte schon seine Verse mit Werfel, Becher, Ehrenstein in der Anthologie 'Menschheitsdämmerung' [hrsg. von Kurt Pinthus, Berlin: Ernst Rowohlt 1920] veröffentlicht".

S. 306: "Im Schutzverband, bei Zusammenkünften, in Privatgesellschaften, inner- und außerhalb Berlins traf ich: Johannes R. Becher, Ulrich Becher, Bernhard Diebold, Axel Eggebrecht, Hans Fallada, Lion Feuchtwanger, Rudolf Franck, Ernst Glaeser, Oskar Maria Graf, Heinrich Hauser, Friedrich Hielscher, Kurt Hiller, Arthur Holitscher, Monty Jacobs, Alfred Kantorowicz, Heinrich Lersch - bei dem ich in Mönchen-Gladbach wohnte, damals Anarchist, Lyriker und Kesselschmied, ausgemergelt, schwindsüchtig -, Hubertus Prinz zu Löwenstein, Walter von Molo, Erich Mühsam, Robert Neumann, Gerhart Pohl, Adolf Reichwein, Ernst von Salomon, Wilhelm Schäfer, Gustav von Wangenheim, Erich Weinert, F.C. Weiskopf, Ehm Welk, Ernst Wiechert, Friedrich Wolf. [...] Mit Ludwig Renn, Arnold Zweig und den Brüdern Herzfelde war ich freundschaftlich verbunden. Wieland und Helmut Herzfelde, unzertrennlich, bildeten eine geistige Einheit. Helmut Herzfelde, klein, beweglich, skurril, rothaarig, mit großen blauen Augen im alten Kindergesicht, hatte seinen Namen im Kriege anglisiert - nannte sich aus Protest gegen den Gruß 'Gott strafe England' John Heartfield. Unter diesem Namen wurde er weit bekannt, entwickelte die Fotomontage zu einer politischen Waffe gegen den Faschismus".

S. 312f.: "Mit der Machtergreifung durch Hitler - ausgerechnet an meinem Geburtstag am 30. Januar 1933 - verlor ich schlagartig meine materielle Existenz. Ich stand vor dem Nichts. [...] Ich konnte in der Wohnung von Heini Kurella unterschlüpfen, der nach der Schweiz ausgewichen war. Er hatte in der Künstlerkolonie möbiliert gewohnt, in Wilmersdorf, Ludwig-Barnay-Weg". [...] Schon bald - in der Morgendämmerung - wurde die ganze Künstlerkolonie von Hilfspolizei umstellt. Es waren SA-Männer, die blaue Polizeimäntel mit weißen Armbinden über ihren braunen Hemden und Stiefelhosen trugen. Die 'Polizisten' hielten Karabiner im Anschlag. Als ich das Fenster öffnete, zielte einer auf mich. Ich schloß das Fenster, [...], kleidete mich schnell an. Gleich darauf klingelte es Sturm. Fünf SA-Männer mit Gewehren drängten in den Flur [...]. Auf dem Laubenheimer Platz, mitten in der Künstlerkolonie, brannte ein großes Feuer, in das SA-Männer einge der wertvollen gestohlenen Bücher warfenb. Ein Mob umtanzte grölend das Feuer. [...] Wir hörten später von furchtbaren Mißhandlungen".

S. 315f.: "Die große Verhaftungswelle begann in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933. Das Reichtagsgebäude brannte! Ich zweifelte auch nicht eine Sekunde daran, daß die Nationalsozialisten die eigentlichen Brandstifter und Arrangeure waren, die als Werkzeug den Holländer Marinus van der Lubbe mißbrauchten, einen hundsarmen Arbeitslosen, Pyromanen und politischen Einzelgänger. [...] Da weit und breit jedoch auch nicht das geringste Zeichen einer revolutionären Erhebung zu sehen war, mußte sie vorgetäuscht werden. Lautsprecher schrien in die Welt hinaus, der Brand sei ein Fanal für einen kommunistischen Aufstand".

S. 318: "Endlich hörte ich am Telefon die entsetzte Stimme der Schauspielerin: 'Kommen sie um Gottes willen nicht mehr in die Wohnung. Ein SA-Sturm war da, sucht Sie! [...]'. Ich kehrte nicht mehr in die Wohnung zurück, schlief jede Nacht anderswo bei Bekannten".

S. 320: "Ich besaß ein Motorrad, mit dem ich jederzeit Berlin verlassen konnte. Das Motorrrad hatte ich 1930 in Halle erstanden, auf meiner Wanderung durch Deutschland. Da ich es Anzahlung und auf Raten kaufte, mußte ich der Verkaufsstelle eine feste Adresse in Halle nennen. Mit Zustimmung des Schriftstellers Walter Bauer, bei dem ich während meines Aufenthalts in Halle wohnte, gab ich seine Anschrift an. [...] Dieser Ausweis konnte mich im Augenblick vielleicht retten".

S. 329: "Wenn ich mit geschlossenen Augen in der Sonnenglut dahindämmerte, mochte ich mich frei fühlen, wie noch nie. Doch es war nur die Vogelfreiheit".

S. 331: "Vielleicht war auch Beppo Römer aus seiner Schutzhaft entlassen worden? Ihm vertraute ich am meisten, hatte in seinem Aufbruch-Kreis die richtige Plattform gefunden, von der ich den Nationalsozialismus am wirksamsten bekämpfen konnte".

S. 332: "Am 9, September 1933 wurde ich verhaftet".

S. 347: "Die Reihenfolge vollzog sich eindeutig und konsequent: Ausstoßung aus dem Schutzverband deutscher Schriftsteller, Verbot meiner Bücher, Verhaftung, Ausbürgerung. Ich hatte die tiefte Stufe erreicht".

S. 368f.: "Ich besuchte Ernst Rowohlt, den ich seit Jahren als besonderen Gegner Hitlers kannte, in seiner Privatwohnung, hatte eine lange vertrauliche Unterhaltung. Ich fragte, ob ich nicht in seinem Lektorat oder sonstwo in seinem Verlag als Angestellter arbeiten könnte. Meine Schicksalsschläge verschwieg ich nicht: [...]. Rowohlt hatte viel Sympathie für mich, mußte aber, tief bedauernd ablehnen. Auch er sei ein 'gebranntes Kind', gelte als Verleger der Linken, müsse nun haarscharf taktieren und lavieren, um bei den Nazis nicht aufzufallen. Er glaube, daß kein Verlag oder Kulturunternehmen im nationalsozialistischen Deutschland es wagen könne, einen 'Ausgebürgerten' und 'politisch Diffamierten' als Mitarbeiter offiziell aufzunehmen. Doch rate er mir, wieder als 'freier Schriftsteller' hochzukommen. Dazu müsse ich allerdings in der Reichsschrifttumskammer sein [...]. Im Frühsommer 1934 reiste ich nach Berlin, streifte durch die Künstlerkolonie am Laubenheimer Platz. [...] Aber einige Häuser weiter, am Barnayweg 3, nahm mich eine alte Bekannte auf, Ulla von Henning. Sie war auch Schauspielerin, Tochter eines Generals, Antifaschistin".

S. 382: "Wir mieteten die Wohnung Laubenheimer Platz 5 in der Künstlerkolonie [...]. Wir hatten schnell einen Kreis von antinationalsozialistischen Freunden: die Journalistin Margret Boveri; die Schauspielerin Ulla von Henning; die Schriftstellerin Dinah Nelken und ihren Bruder; den Zeichner Rolf Gero; die Schriftsteller Axel Eggebrecht und Martin Kessel, den Innenarchitekten Alja Blomberg und seine russische Frau, die Malerin Lena Blomberg; die Maler Kurt Werth, Bernhard Klein und ihre jüdischen Frauen; die baltische Schriftstellerin Josepha von Kuskull, [...]. In unserem Haus, über uns, wohnten der Schauspieler Hans Meyer-Hanno und seine jüdische Frau. Wir trafen uns fast täglich. [...] Ein guter Freund war uns der Schriftsteller und Rechtsanwalt Dr. Karl Haensel, der mit seiner Frau am Kaiserdamm wohnte. [...] 1935 lernten wir den Schweizer Journalisten Max Schnetzer kennen, mit dem eine Lebensfreundschaft entstand".

S. 387: "Die Jahre vergingen. Manche Freunde verließen uns. Der Maler Werth konnte noch mit seiner jüdischen Frau ohne Schwierigkeiten nach Amerika auswandern. Dinah Nelken emigrierte mit ihrem Mann Heinrich Ohlenmacher, der aus dem KZ Esterwege entlassen wurde, und ihrem Bruder Rolf Gero 1936 nach Wien. Dort schrieb sie ihren erfolgreichen Briefromanh 'Ich an dich', illustriert von ihrem Bruder. Nach der Annexion Österreichs nahmen sie Exil auf der Insel Korcula in Dalmatien, ernährten sich vom Fischfang. Wir schlossen uns dem Ehepaar Meyer-Hanno näher an. Sie bezogen eine neue Wohnung in der Künstlerkolonie, am Laubenhaimer[!] Platz 2, uns gegenüber. Meyer-Hanno war ursprünglich Theatermaler, bis man seine schauspielerische Begabung entdeckte. Er wirkte seit 1931 im revolutionären Berufstheater 'Truppe 1931' unter der Leitung von Gustav von Wangenheim. Nach der nationsozialistischen Machtergreifung konnte er nur mühsam Beschäftigung in kleinen Filmrollen finden".

S. 405f.: "Das Ergebnis war eine Widerstandsgruppe, die sich später RAS nannte, 'Revolutionäre Arbeiter und Soldaten'. Uns war klar, daß die Gruppe klein gehalten werden mußte, Aufnahme nur von Freunden, denen man absolut vertrauen durfte. Beim Verfassen von illegalen Flugschriften mußten die Autoren der Texte streng von den technischen Herstellern und Verbreitern getrennt werden. Wir trafen uns abwechselnd bei mir, in der Wohnung von Alja Blomberg am Südwestcorso und oft bei Meyer-Hannos am Laubenhaimer Platz 2. [...] Unsere wichtigste illegale Flugschrift war der 'Informationsdienst', den Römer, unser militärischer Fachmann, herausgab. [...] Willy Sachse konnte seine Erfahrungen als Seemann und aus der Arbeiterbewegung beisteuern, Hans Meyer-Hanno berichtete vom illegalen Kampf der revolutionären Schauspieler und Bühnenarbeiter, Frau Meyer-Hanno von den Judenverfolgungen. Meine Aufgabe war es, den Text stilistisch zu überprüfen, klarste Formulierungen zu finden [...]. Auch ein schlanker Arbeiter, Freund von Römer, Fritz Riedel, kam hin und wieder zu unseren Versammlungen".

S. 414f.: "Beppo Römer meinte [1941], die neue Lage erfordere eine wesentliche Verstärkung des Widerstandskampfes durch Vereinigung mit großen Gruppen [...]. Er habe Kontakt gefunden zu der Arbeitergruppe Robert - genannt 'Bobby' - Uhrig. Uhrig habe einen Anhang von zehntausend Männern und Frauen. [...] Ich hatte eine lange Aussprache mit Beppo Römer unter vier Augen. Offen gestand ich ihm, daß ich in der geplanten übergroßen Gruppe Uhrig-Römer-Sachse nicht mehr mitwirken könne [...]. Ich sei gefährdet und wolle die Gruppe nicht auch in Gefahr bringen".

S. 419f.: "Ich war verblüfft, was sich hinter den allgemeinen Andeutungen und Hinweisen Beppo Römers und Willy Sachses verbarg. Sie hatten unter anderem Verbindung zu der Gruppe Harro Schulze-Boysen/Arvid Harnack, der großen Widerstandsorganisation Berhard Bästlein - Franz Jacob - Robert Albshagen; Georg Schumann - Otto Engert - Kurt Kresse; Theodor Neubauer - Magnus Poser; der Georg Lechleiter-Organisation. Damals, 1941, hatte ich die Bemerkung, daß man auf dem besten Wege sei, eine breite, natürlich auch von mir ersehnte und begrüßte Volksfront zu schaffen, noch für etwas zu euphorisch gehalten. Sachse betonte, wie wertvoll auch die Beziehungen Beppo Römers zu den Kreisen der bürgerlichen Opposition seien und zu der Offiziersverschwörung um General Beck. [...] Spitzel drangen in die erweiterte Gruppe Römer-Sachse-Uhrig ein. Im Februar 1942 flog die Gruppe auf, über zweihundert Mitglieder wurden verhaftet, darunter Römer, Sachse, Uhrig. Meyer-Hanno, der sich, wie ich, zurückgehalten hatte, entkam".

****/23 Thomas Diecks: "Uhse, Bodo" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 551-553 [Online-Version]: "1927 wechselte er zum Ingolstädter 'Donauboten', der ersten regionalen NS-Tageszeitung, und wurde Mitglied der NSDAP. Wegen politischer Differenzen nach einem Jahr entlassen, wurde U. 1929 Chefredakteur der ersten NS-Zeitung Norddeutschlands, der 'Schleswig-Holsteinischen Tageszeitung' in Itzehoe, wo er auch Ortsgruppenleiter und Stadtverordneter der NSDAP war. In dieser Zeit lernte er Hitler, Göring und Goebbels persönlich kennen. Dem sozialrevolutionären Parteiflügel um die Brüder Strasser angehörend, mußte er 1930 seine Redaktionstätigkeit aufgeben und wurde aus der NSDAP ausgeschlossen. U. nahm am KPD-nahen 'Aufbruch'-Arbeitskreis um den früheren Nationalsozialisten Richard Scheringer (1904-86) teil und wurde 1932 Sekretär des kommunistischen Dt. Reichsbauernkomitees, für das er auch journalistisch tätig war. Seit 1931 stand er in engem Kontakt zur KPD, deren Mitglied er 1935 wurde. Er emigrierte 1933 nach Paris, wo er für die dt. Exilpresse schrieb und durch die Vermittlung des mit ihm befreundeten Egon Erwin Kisch (1885-1948) in exilliterarische Kreise kam; 1934 wurde U. vom NS-Regime ausgebürgert. Während des Span. Bürgerkriegs arbeitete er als Interbrigadist u. a. für den republikanischen Rundfunk in Valencia und wurde zum Kriegskommissar ernannt. 1938 kehrte er nach Frankreich zurück, nach einem Zwischenaufenthalt in den USA emigrierte er 1940 nach Mexiko. Dort wurde er Mitbegründer des Exilantenvereins 'Heinrich-Heine-Klub', engagierte sich in der Bewegung 'Freies Deutschland' um Ludwig Renn (1889-1979) und Anna Seghers (1900-83), betreute den Literaturteil der gleichnamigen Zeitschrift und war ebenfalls Mitbegründer des Exilverlags 'El Libro Libre', in dem 1944 sein bedeutendster Roman, 'Leutnant Bertram', erschien".

****/24 Hans B. Wagenseil ist mit der Adresse Berlin-Wilmersdorf, Holsteinische Str. 47, in der Nähe des Laubenheimer Platzes in Kürschners Literatur-Kalender gelistet (Band 43, 1926, Sp. 1048). Sein Bruder Kurt Wagenseil ist von 1928-31 für die Galerie Thannhäuser in Berlin tätig, deren Adresse Bellevuestr. 13 in Berlin-Tiergarten gibt Ludwig Wagenseil in seiner 1965 publizierten genealogischen Arbeit als Kurts Adresse 1930 an. Ein "Hans B. Wagenseil", "Presse-Agent", Kurfürstenstraße 128 ist im "Adressbuch Berlin" gelistet, 1942, S. 3270, 1943, S. 3172. 1940-45 wohnte Kurt in Berlin-Schlachtensee, Marinesteig 3.

****/25 Rudolf-Günther Wagner: "Orden für einen 'Helden'", in: "Darauf kam die Gestapo nicht. Beiträge zum Widerstand im Rundfunk", hrsg. vom Sender Freies Berlin, Buchreihe SFB 4, Berlin: Haude & Sepnersche Verlagsbuchhandlung, 1966, S. 37-65; Heinrich Wilhelm Wörmann: "Widerstand in Charlottenburg", Berlin: Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1999, S. 127. Vgl. Artikel zu Anita von Einsiedel, Abschnitt "XI. Kurt Wagenseil 1944 beim Abhördienst 'Seehaus'".

****/26 Elisabeth Kiele, nach Berichten von Katharina Moore, geb. Blumberg, von ihr autorisiert am 15.11.2015, in: "Künstlerkolonie Kurier", Nr. 7, Berlin: KünstlerKolonie Berlin e.V. 2015: "Unsere Nachbarn [in der Bonner Straße] waren Grete Scherer-Werth und Kurt Werth. Sie war Schauspielerin aus Dresden und er ein Zeichner aus Leipzig. Gretl, wie wir sie nannten, stammte aus einer jüdischen Familie. Wie wir hatten auch sie Angst vor der zunehmenden Verfolgung. Sie sind im Winter 1938/39 nach New York gereist, mit der Absicht dort zu bleiben. Es ist ihnen gelungen. - Meine Eltern konnten nicht auswandern wegen ihrer beiden Kinder".

****/27 Sächsisches Verwaltungsblatt 1932, Dresden: Sächsischer Staatskanzlei Verlag / Vlg. B. G. Teubner 1933, S. 312. Im Jahr 1920 war es "Berlin-Wilmersdorf, Landhausstr. 14/15" (Karl August Wittfogel: "Der 'Bürger' und der 'Vierte Stand'", in: "Freideutsche Jugend", Band 6, Lauenburg: Freideutscher Jugendverlag Adolf Saal 1920, S. 206-220, Adresse S. 220).

Abb. Titelblatt Klaus Hinrichs [d.i. Karl August Wittfogel]: "Staatliches Konzentrationslager VII. Eine 'Erziehungsanstalt' im Dritten Reich", Berlin: Malik-Verlag 1936.

****/28 Alfred Kantorowicz: "Deutsches Tagebuch. 1. Teil", Kindler: München 1959, S. 27-29: "Ohne Scheu vor Indiskretion aber darf ich gutsagen für meinen damaligen Gefährten Arthur Koestler, der in seinen Büchern einiges aus unserer gemeinsamen Kampfzeit erzählt hat. Mein sehr geliebter Freund und Wohnungsnachbar im Künstlerblock, der Lübecker Kunsthistoriker Max Schroeder, der im Januar 1958 nach langer Krankheit als Cheflektor des literarisch bedeutendsten Ost-Berliner Aufbau-Verlages starb, gehörte zu unserem engsten Kreise. Erich Weinert, der in seinen guten Zeiten Gedichte von echter, mitreißender Volkstümlichkeit (ohne ästhetisch-literarischen Anspruch) machte und auf Massenversammlungen der Arbeiter vortrug, lebte und kämpfte mit uns in der Parteizelle. Er war auch später im Exil in Frankreich und in Spanien bei den Internationalen Brigaden, wurde in Moskau Präsident des Nationalkomitees Freies Deutschland, dem die bei Stalingrad gefangenen Generale und Offiziere angehörten, und starb nach langer schwerer Krankheit 1953 in einem Siedlungshaus in Pankow, fast gelähmt, enttäuscht, bitter und hilflos die mörderischen Perfidien Johannes R. Bechers, die ihm die letzten Jahre des Siechtums vergällten. Er war ein ehrlicher, selbstloser Mann. Sein Andenken soll in Ehren gehalten werden. Andere Mitbewohner, wie mein vertrauter Freund Axel Eggebrecht, der für seinen streitbaren Humanismus dann in Nazi-Zuchthäusern zu leiden hatte, gehörten der Partei nicht an, aber es war stets auf sie zu zählen, wenn es entschlossene Handlung galt.

Über diese und so viele Nichtgenannte hinaus aber weitete sich der Kreis des Widerstandes gegen die Nazidrohung. Mit uns - oder wir mit ihnen - waren in Berlin Theodor Plievier, Bert Brecht, Ernst Ottwalt, der Autor der zu Unrecht vergessenen Romane 'Ruhe und Ordnung' ['Roman aus dem Leben der nationalgesinnten Jugend', Berlin: Malik-Verlag 1929] und 'Denn sie wissen, was sie tun' ['Ein deutscher Justiz-Roman', Berlin: Malik-Verlag 1931], der seit 1936 in Moskau verschollen ist, eines der ersten Opfer der 'Stalinischen Säuberungen'. Friedrich Wolf, damals einer der meistgespielten Dramatiker der Welt, gesellte sich zu uns. Man hat den berühmten Mann später vorübergehend zum Botschafter der DDR in Polen gemacht, doch auch seine Stücke zensiert, angegriffen, ihn an den Rand gedrängt, verbittert. Ich bewahre einige seiner letzten Briefe, die Verzweiflungsschreien ähneln. Seine vornehme Gutartigkeit, Hilfsbereitschaft, sein echter Humanismus stehen außer Frage für jeden, der ihn gekannt hat. Er hat nicht, wie viele seiner Freunde in der Welt argwöhnen, sein Leben durch Freitod geendet. Er starb - wie Rudolf Leonhard und andere - an gebrochenem Herzen, das heißt, unwillig, gegen seine Krankheit anzukämpfen. Ich denke mit Liebe an ihn. Desgleichen an Egon Erwin Kisch, der damals und später in Frankreich und Spanien in unserer Mitte war und dem man bitter unrecht tut, wenn man in ihm nur den 'Rasenden Reporter', Anekdotenerzähler und gefälligen Spaßmacher sieht. Er war mehr und anderes. Sein Tod kam für ihn rechtzeitig, um ihn den Verfolgungen des Parteiapparates zu entziehen.

Von anderer Seite her stießen zu uns der frühere Hauptmann und Freikorpsführer Dr. Beppo Römer, der von den Nationalisten als 'Sieger von Annaberg' in Oberschlesien gefeiert wurde, bevor er mit der gleichen Kühnheit den Kampf gegen die wahren Verderber Deutschlands, die Hitler-Kohorten, aufnahm; er ist später von den Nazis ermordet worden. Da war auch der hochbegabte Bauernschriftsteller Adam Scharrer, und da war die glänzende Mannschaft der jüngeren Intellektuellen wie Karl August Wittfogel, der heute als einer der führenden Sinologen und Inhaber des Lehrstuhls an der New-Yorker Columbia-Universität berühmt ist, oder der Wirtschaftswissenschaftler Paul Massing, jetzt gleichfalls Professor in den USA. Unsere geistigen Berater waren Männer wie Georg Lukacs, der in der Emigration in Berlin lebte, der Philosoph Ernst Bloch, der auch unsere Wohngemeinschaft im Künstlerblock teilte, und der ehrwürdige Hermann Duncker, Freund und Kampfgefährte von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, der Lehrer von drei Generationen Sozialisten, der heute mit nun annähernd neunzig Jahren noch gelegentlich als Dekorationsstück bei den Auftritten der Apparatschiks vorgezeigt wird".

S. 236f. ("Der Ausflug nach Worpswede"): "Vor Weihnachten entschlossen wir (das sind in diesem Falle Max Schröder, Friedel und ich) uns, einen Ausflug nach Worpswede zu wagen, der Siedlung bei Bremen, die seit der Jahrhundertwende in Kunst und Literatur eine so eminente Bedeutung gewonnen hat: von Rilke und Paula Modersohn, zu den ergreifend anachronistischen, urkommunistischen Siedlungsversuchen des Malers Heinrich Vogeler und des Dichters Friedrich Wolf. Max, der Lübecker Kunsthistoriker, hatte in den zwanziger Jahren mehrfach längere Zeit in Worpswede verbracht und manche ununterbrochene, aber nicht verlorene Freundschaft verband ihn mit denen, die dort überlebt hatten. Auch Friedel war verschiedentlich da zu Gast gewesen und hoffte Auskunft über gemeinsame Freunde zu finden. Alle drei kannten wir Heinrich Vogeler und waren mit seiner Tochter Marieluise, von uns allen Mieke genannt, der Frau unseres früheren Gefährten Gustav Regler, durch gemeinsame Kampf- und Notzeiten in Berlin, Paris und Spanien verbunden gewesen. Der Ausflug zu dem etwa fünfundzwanzig oder dreißig Kilometer von Bremen entfernten Dorf war in der Tat ein Wagnis. Wir brauchten neun oder zehn Stunden, dreiviertel dieser Zeit durch Warten in eisigen Kleinbahnstationen, ob irgendwann ein Zug kommen würde, der uns ein paar Kilometer weiter brachte.

Doch wurden wir von alten Freunden, die sich tatsächlich fanden, wie merkwürdige Sendboten empfangen, konnten neben Öfen, die mit Torf notdürftig erwärmt wurden, auftauen und uns durch irgendeinen zweifelhaften Wacholderschnaps beleben. Zu Essen hatten wir aus unseren Vorräten mitgebracht. Wir trafen Frau Vogeler, die uns nach dem Verbleib ihres früheren Mannes fragte, dessen Tod irgendwo in der Verbannung in Rußland, wohin er gläubig und zuversichtlich emigriert war, nun gerüchtweise und unbestimmt verlautet worden war. Ihre Tochter Mieke war im August 1945 im fernen Mexiko gestorben. Wir hatten sie zuletzt 1939, wenige Tage vor Kriegsbeginn, gesehen, in Le Lavandou, einem kleinen Ort an der französischen Riviera, in dessen Nachbarschaft Regler und ich an unseren Spanienbüchern schrieben. Zu ihrem Geburtstag hatten wir scherzend gefragt: 'Was wünschst du dir denn für das kommende Jahr, Mieke?' Und sie hatte in ihrer norddeutschen Mundart geantwortet: 'Ach, wißt ihr, ich möcht' mich bloß mal wieder ein ganzes Jahr so richtig langweilen.' Das gerade war der zarten, in ihrer Gebrechlichkeit und Sanftheit fast märchenhaft anmutenden jungen Frau nicht vergönnt. Es kam der Krieg, die Internierung ihres Mannes, die Flucht nach Mexiko, die Konflikte nach Reglers Bruch mit der Partei".

****/29 Vgl. "Der Feminist. Beiträge zur Theorie und Praxis", Nr. 11, "Sexualität und 'Schlüsselgewalt'. Prostitution als Beruf. Teil 2", VI. Jahrgang, 1981, S. 15: "Die körperlich bedingte, andere Ausgangssituation - 'die biologische Tragödie der Frau' nannte es A.W. Nemilow (1925) - wird von Freud, Marx, Reich und ihren Epigonen, wie wir wissen, nicht weiter beachtet. Sie unterstellen ein gleiches sexuelles Triebbedürfnis der Geschlechter. Wir können auch sagen, sie erheben das 'tierische', das 'konstante', das 'männliche' Sexualbedürfnis zum generellen, zum allgemeinen: Mann = Mensch, Mensch = Mann".

****/30 Vgl. Emil J. Walter: "Vierte Internationale?", in: "Rote Revue. Sozialistische Monatsschrift", Bd. 17 (1937/38), Heft 10, S. 348-352 [e-periodica.ch], insb. S. 349: "Heute wird Rußland beherrscht durch die Stalinclique. Es ist daher mehr als verständlich, daß sich der besiegte Trotzki mit Leidenschaftlichkeit mit dem Phänomen des Stalinismus auseinanderzusetzen sucht. In zwei vor kurzem erschienenen Werken: 'Verratene Revolution' ['Verratene Revolution. Was ist d. U.S.S.R. und wohin treibt sie?', übers. aus dem russ. Manuskript von W. Steen, Antwerpen u.a.: DeLee, 1937] und 'Stalins Verbrechen' rechnet Trotzki in aller Schärfe mit Stalin ab. Von den beiden Werken ist das erstere eine recht tiefgreifende soziologische Analyse, während das zweite eine breite und nicht immer glückliche Polemik gegen die russischen Schauprozesse, aber eine scharfe Widerlegung der juristischen Konstruktion dieser Prozesse darstellt".

****/31 "Krankheit der Jugend. Schauspiel in drei Akten", Berlin: S. Fischer Verlag 1928: "Die Medizinstudentin Marie bereitet ihr Zimmer für die Promotionsfeier vor. Ihre Zimmernachbarin Desiree versucht, mit ihr eine zärtliche Beziehung anzuknüpfen. Marie, die den Dichter Petrell liebt und ihn finanziell unterhält, weist Desirees Annäherung zurück. Der verkrachte Student Freder, ein früherer Geliebter von Desiree, verführt das Zimmermädchen Lucy, stiftet sie zum Diebstahl an und schickt sie schließlich auf den Strich. Maries Freund Petrell macht der ehrgeizigen Studentin Irene den Hof, was Freder prompt Marie hinterbringt. Marie ist verzweifelt und sucht Trost bei Desiree. Schon wenige Tage später ist die Beziehung zwischen Marie und Desiree in einer schweren Krise. Erst als Desiree damit droht, ebenfalls auf den Strich zu gehen, versöhnen sie sich. Desiree hat jedoch jede Lebenskraft verloren; sie nimmt sich mit Veronal, das ihr Freder besorgt hat, das Leben. Auch Marie sieht keine lebenswerte Perspektive mehr. Sie provoziert den betrunkenen Freder bis zum Äußersten, damit er sie ermordet" (WP).

 

Cap d'Antibes

Stefan Zavernik: "Das schöne Leben zwischen Cap d'Antibes und Vence", in: "'Achtzig' - Die Kulturzeitung", 26. Juni 2019: "Als ein episches Sinnbild dieser prickelnden Lebenslust gilt das ­Hotel du Cap-Eden-Roc in Cap d'Antibes. Das geschichtsträchtige Gebäude wurde einst vom Verleger Auguste de Villemessant errichtet und war ursprünglich als Refugium für Schriftseller und Autoren gedacht. Das war im Jahre 1870. Glanz und Glamour kamen erst mit der Zeit, spätestens aber in den 30er Jahren des darauffolgenden Jahrhunderts. Der Italiener Antoine Sella hatte das Haus in der Zwischenzeit übernommen, mit Dynamit einen Meerwasserpool in den Felsen sprengen lassen und auf ein klassisches Hotel mit Sommerbetrieb umgestellt. Schriftsteller zählten weiterhin zu den Gästen, allerdings jene mit dem Hang zum Großformat: Stefan Zweig, Ernest Hemingway oder Scott Fitzgerald, der das Hotel in seinem Roman Tender is the Night als 'Hotel des Étrangers' verewigt haben soll. Auch Künstler und Filmstars entdeckten das noble Ferienparadies für sich."

Eric Drewery: "Painters in Antibes", Studios of the South, [um 2017].

Lutz Hachmeister: "Hôtel Provençal. Eine Geschichte der Côte d'Azur", München: Bertelsmann 2021, S. 88: "Allmählich änderte sich die Mischung des Publikums in Juan-les-Pins, nicht zuletzt durch das 'Provençal'. Zwar dominierten immer noch die Angloamerikaner, aber es kamen jetzt mehr Skandinavier, Holländer, Deutsche. An diesen Ort des Vergnügens zog es jetzt auch Filmindustrielle wie Jack Warner, Schauspielerpaare, Wall-Street-Bekannte von Frank Jay Gould, Modeschöpfer, Politiker und Konzernlenker. Das heißt nicht, dass die künstlerische Elite weggeblieben wäre: Picasso logierte 1930 in der Pension Bachlyk, Man Ray fotografierte seine Geliebte und Mitarbeiterin Lee Miller auf der Casinoterrasse [zwischen 1929 und 1931]. Das Model wurde später eine berühmte Kriegsfotografin, dokumentierte das zerstörte Köln und die Schrecken nach der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau. Wyndham Lewis malte Boxing at Juan-les-Pins [1929], und die heroinabhängige, lesbische Schriftstellerin Mireille Havet war da. Sie starb, erst 33-jährig, 1932 in einem Schweizer Sanatorium. Ihre Tagebücher wurden Anfang der 2000er Jahre publiziert ['Journal 1918-1929', Paris: Éditions Claire Paulhan 2003-2012, 5 Bände]. Die englische Poetin Mary Butts, die Opium rauchte und den Sexmagier Aleister Crowley bewunderte, fand sich ebenfalls ein. Sie fühlte sich in Juan an Kreta erinnert und schrieb darüber ein Gedicht".

S. 13f.: "Inzwischen steht das 'Provençal' seit 44 Jahren leer. Die Ruine und der sie umgebende Ort sind zu einer Attraktion des Dark Tourism geworden, dessen Anhänger den 'ghosts of places', so der Soziologe Michael Mayerfeld Bell, nachspüren - dem subtilen Einfluss der anwesend Abwesenden. Dass die Côte d'Azur eine lebensphilosophische Projektion ist - im Sinne einer über das ursprünglich Landschaftliche hinausweisenden kulturell-soziologischen Persona -, hat schon der deutsche Publizist Alexander Moszkowski in seiner Autobiografie Das Panorama meines Lebens, die 1925 in Berlin erschien, gut beschrieben: 'Der landschaftliche Reiz ist hier nicht das Wesentliche. Der verträgt bis zu gewissem Grade eine Analyse, er läßt sich auf Bekanntes zurückführen, mit anderem Landschaftlichen vergleichen; und ein Globetrotter dürfte mir leicht beweisen, daß der Rivierareiz, nach malerischen und pflanzlichen Momenten beurteilt, keine besondere Vorrangstellung in der Welt zu beanspruchen hat. Aber die sichtbare Landschaft ist hier nicht die Grundursache, sondern nur eine begleitende Bedingung des Effektes, deren wahre Ursächlichkeit gänzlich unerforschlich bleibt. Das Kantische ›Ding an sich‹ findet sein Gegenstück in einem ›Zauber an sich‹, der als das Letzte und Wesentliche sich hinter den Erscheinungen verbirgt und sich nur erahnen läßt, wenn man von diesen alles sinnlicj Erfaßbare fortdenkt'".

Hans B. Wagenseil ist mit der Adresse Cap d'Antibes, Villa Les Pins, Frankreich in Kürschners Literatur-Kalender gelistet (Band 44, 1928, Sp. 1216).

Laut Brief Kurt Wagenseil vom 18.03.1947 an Dieter Bassermann, den Rilke-Biographen, kennt dieser Hans B. noch von Berlin und Cap d'Antibes.

 

Paris, Rue Campagne première

Während seiner Parisaufenthalte habe Kurt Wagenseil häufig bei Douglas Duncan, einem befreundeten Kunsthändler und Buchbinder, gewohnt (Brief an Henry Miller, 07.03.1947). Dieser hatte sein dortiges Appartment Ende 1926 bezogen (Alan Jarvis: "Douglas Duncan. A Memorial Portrait", Toronto: University of Toronto Press 1974, Beitrag Robert Finch, S. 27-38, insb. S. 27). Belegt sind aber bislang nur Treffen in 1930/31.

Bild von Chabe01 unter Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 (modifiziert).

"Diese Straße, die den Boulevard Raspail mit dem Boulevard Montparnasse verbindet, ist eine ehemalige Künstler- und Schriftstellersiedlung. Hier wohnten die Dichter Louis Aragon und Elsa Triolet, die Fotografen Eugène Atget und Man Ray, die Maler Yves Klein, Foujita und viele andere Künstler. Bewundern Sie bei Hausnummer 31 die Fassade des Gebäudes, die vollständig mit Erkerfenstern im Art-déco-Stil verkleidet ist. Bei Hausnummer 9 erblickt der Spaziergänger hinter dem Tor ein Haus, das aus Materialien gebaut wurde, die aus den Pavillons der Weltausstellung von 1889 stammen. Es beherbergte rund 100 Ateliers, die von Künstlern wie Giorgio de Chirico und Othon Friesz gemietet wurden" (de.parisinfo.com).

Rue Campagne première

 

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Personenregister (Übersetzungen etc.)
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